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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 21.12.2005
Aktenzeichen: 17 W 132/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1906
Das Betreuungsrecht bietet keine ausreichende Grundlage für eine Zwangsbehandlung (Vorlage an den BGH).
17 W 132/05

Beschluss

In der Unterbringungssache betreffend

hat der 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ######, die Richterin am Oberlandesgericht ###### und den Richter am Oberlandesgericht ###### auf die weitere sofortige Beschwerde des Betroffenen vom 14. Dezember 2005 (Bl.192 d. A.) gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Verden vom 13. Dezember 2005 (Bl.180 d. A.) am 21. Dezember 2005 beschlossen:

Tenor:

Die weitere sofortige Beschwerde des Betroffenen wird dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt (§ 28 Abs. 2 FGG).

Gründe:

I.

Der 42jährige Betroffene ist - wohl seit einigen Jahren - an einer paranoiden Schizophrenie erkrankt. Seit dem 31. Oktober 2005 befindet er sich im Nachgang einer körperlichen Gewaltanwendung gegenüber seinem 15jährigen Sohn erstmals in einer stationären psychiatrischen Behandlung.

Auf Antrag des behandelnden Krankenhauses vom 1. November 2005 (Bl.1 d.A.) hat das Amtsgericht Verden (Aller) am gleichen Tag im Wege der einstweiligen Anordnung (Bl.2.d.A.) für den Betroffenen eine Betreuung für die Bereiche Gesundheitssorge, Entscheidung über die Unterbringung, Vermögensvermögenssorge und die Geltendmachung von gesetzlichen Ansprüchen eingerichtet. Auf die weitere Anregung des behandelnden Krankenhauses vom 3. November 2005 (Bl.4 d.A.) sowie den entsprechenden Antrag des Betreuers (Bl.6.d.A.) hat das Amtsgericht Verden (Aller) mit Beschluss vom 4. November 2005 (Bl.12 d.A.) die geschlossene Unterbringung des Betroffenen sowie dessen zwangsweise Behandlung bis zum 15. Dezember 2005 vormundschaftsgerichtlich genehmigt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Betroffenen vom 11. November 2005 (Bl.20 d.A.) hat das Landgericht Verden mit Beschluss vom 23. November 2005 (Bl.82 d.A.) als unbegründet zurückgewiesen. Auf die weitere sofortige Beschwerde des Betroffenen vom 7. Dezember 2005 (Bl.141 d.A.) hat der Senat mit Beschluss vom 8. Dezember 2005 (Bl.171 d.A.) die Entscheidung des Landgerichts Verden wegen der unterlassenen Anhörung des Betroffenen im Beschwerdeverfahren aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Nach erfolgter Anhörung hat das Landgericht Verden die sofortige Beschwerde des Betroffenen mit Beschluss vom 13. Dezember 2005 (Bl.180 d.A.) erneut zurückgewiesen und sowohl die geschlossenen Unterbringung als auch die ggf. zwangsweise Behandlung des Betroffenen als rechtlich zulässig und geboten angesehen. Das Landgericht Verden hat sich dabei auf die Stellungnahme der behandelnden Ärzte gestützt. Diese hatten in der Anhörung durch das Landgericht noch einmal darauf hingewiesen, dass der Betroffene ohne Medikation nicht gesund werde. Eine Unterbringung ohne Medikation sei daher sinnlos. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Betroffene mit der vorliegenden sofortigen weiteren Beschwerde vom 14. Dezember 2005 (Bl.192 d.A.).

Zwischenzeitlich hat das Amtsgericht Rotenburg (Wümme), an welches das Unterbringungsverfahren abgegeben worden ist (vgl. Bl.16.d.A.), mit Beschluss vom 15. Dezember 2005 (Bl. d.A.) den Unterbringungsbeschluss des Amtsgerichts Verden (Aller) bis zum 25. Januar 2006 verlängert. Die dagegen vom Betroffenen eingelegte sofortige Beschwerde liegt derzeit dem Landgericht Verden zur Entscheidung vor.

II.

1. Der Senat hält das gemäß §§ 27, 70 m FGG zulässige Rechtsmittel des Betroffenen für begründet, weil die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§ 27 Abs.1 S.1 FGG). Der Senat teilt zwar die Auffassung des Landgerichts Verden, dass der Betroffene auf Grund seiner psychischen Erkrankung behandlungsbedürftig ist. Der Senat hält jedoch die erteilte Genehmigung, den Betroffenen geschlossen unterzubringen und ihn dort gegen seinen Willen zwangsweise zu behandeln, nach den hier allein in Betracht kommenden betreuungsrechtlichen Grundsätzen für rechtlich unzulässig und daher nicht genehmigungsfähig (vgl. auch Entscheidung des Senats 17 W 37/05, BtPrax 2005, 235; anders hingegen OLG München, OLGR 2005, 394; OLG Düsseldorf, 25 WX 73/03; OLG Schleswig, FamRZ 2002, 984; Roth in Erman, 11.Aufl. Rdnr. 29; Damrau/Zimmermann, Betreuungsrecht 3. Aufl., § 1904, Rdnr. 16;).

In Anlehnung an die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur ambulanten Zwangsbehandlung (FamRZ 2001,149) geht der Senat davon aus, dass auch die stationäre Zwangsbehandlung zwingend einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage bedarf. Der Bundesgerichtshof hat in der vorgenannten Entscheidung ausdrücklich festgestellt, dass die "Vornahme von Zwangshandlungen gegen den Widerstand des Betreuten einer Rechtsgrundlage durch ein formelles Gesetz" bedarf (a.a.O, 152). Ein solches Gesetz besteht nach Auffassung des Senats nicht (so auch OLG Thüringen, R&P 2003, 29; Marschner, Zwangsbehandlung in der ambulanten und stationären Psychiatrie, R&P 2005, S.47ff. mit weit. Hinweisen). Soweit dieses formelle Gesetz in der Regelung des § 1906 BGB (Abs. 1 Nr. 2 bzw. Abs. 4) gesehen wird, überzeugt diese Auffassung den Senat nicht. Der sprachlich eindeutige Gesetzestext des § 1906 BGB enthält nur die Befugnis zur Unterbringung bzw. unterbringungsähnlichen Maßnahmen, nicht jedoch auch die Befugnis zur - gemessen an der Eingriffintensität - deutlich schwerwiegenderen Zwangsbehandlung. Zwar hätte es durchaus eine innere Logik, dass derjenige der zu Behandlungszwecken gemäß § 1906 Abs.1 Nr.2 BGB geschlossen untergebracht wird, dort auch gegen seinen Willen behandelt werden darf. Dieser Logik ist der Gesetzgeber des Betreuungsgesetzes jedoch ausdrücklich nicht gefolgt und hat von einer gesetzlichen Regelung der Zwangsbehandlung ausdrücklich abgesehen (BTDrs.11/4528, S. 72). Dementsprechend hat der Gesetzgeber auch die Zwangsbefugnisse für den Betreuer geregelt und in § 70g Abs. 5 FGG nur die Befugnis zur Gewaltanwendung nur für die Zuführung zur Unterbringung nicht jedoch auch zur Durchsetzung einer Behandlung vorgesehen. Diese Wertung hat der Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren zum 2. Betreuungsrechtsänderungsgesetz noch einmal bestätigt, in dem er abweichend von dem Vorschlag des Bundesrates (BR-Drucks. 865/03) eine Erweiterung der Zwangsbefugnisse des Betreuers abgelehnt hat (BT-Drucks. 15/4874). Auch vor diesem Hintergrund ist dem OLG Thüringen darin zuzustimmen, dass die Regelung des § 1906 BGB nicht als hinreichende formelle Rechtsgrundlage für eine Zwangsbehandlung angesehen werden kann (R&P 2003, 29). Da vorliegend in diesem Verfahren die besonderen Voraussetzungen der im übrigen nach Landesrecht durchaus grundsätzlich möglichen Zwangsbehandlung des Betroffenen (§ 21 Abs.3 Nds.PsychKG) nicht ersichtlich sind, geht der Senat von der Rechtswidrigkeit sowohl der ausdrücklich zugelassenen Zwangsbehandlung des Betroffenen als auch der Rechtswidrigkeit der Genehmigung der geschlossenen Unterbringung aus. Letztere ist nach den Angaben der behandelnden Ärzte nämlich ohne Zwangsbehandlung sinnlos und schon daher nicht genehmigungsfähig.

3. In dem von ihm beabsichtigten Sinn kann der Senat jedoch nicht entscheiden, ohne im Sinne des § 28 Abs.2 FGG von den eingangs genannten Entscheidungen der OLG München, Düsseldorf und Schleswig abzuweichen. Insbesondere den Entscheidungen der Oberlandesgerichte München und Schleswig liegen Sachverhalte zugrunde, die mit dem vorliegenden Fall vergleichbar sind. In beiden Fällen sollte ein psychisch erkrankter einwilligungsunfähiger Patient auf Antrag seines Betreuers im Rahmen einer geschlossenen Unterbringung mit Zwang behandelt werden, weil er krankheitsbedingt die Notwendigkeit seiner Behandlung nicht erkennen konnte. Die in beiden Entscheidungen erfolgten Bestätigungen der vorinstanzlichen Genehmigungsbeschlüsse beruhen jeweils darauf, dass sie anders als der Senat die Regelung des § 1906 BGB als ausreichende gesetzliche Grundlage für die stationäre Zwangsbehandlung ansehen (OLG München, a.a.O. S. 1198; OLG Schleswig, a.a.O. S.985). Wegen dieser Divergenz ist die Sache dem Bundesgerichtshof gemäß § 28 Abs.2 FGG vorzulegen.

Ende der Entscheidung

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