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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 06.10.2003
Aktenzeichen: 2 W 107/03
Rechtsgebiete: ZPO, InsO


Vorschriften:

ZPO § 240
ZPO § 249
InsO § 47
1. Die Entscheidung, ein nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner persönlich erlassenes Versäumnisurteil im Hinblick auf §§ 240, 249 ZPO nicht zuzustellen, ist mit der sofortigen Beschwerde analog § 252 ZPO anfechtbar.

2. Der Herausgabeanspruch des Vermieters begründet im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Mieters ein Absonderungsrecht i. S. d. § 47 InsO.


2 W 107/03

Beschluss

In dem Rechtsstreit

pp.

Tenor:

wird die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 28. August 2003 gegen den Beschluss der Einzelrichterin vom 15. August 2003 zurückgewiesen.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde, mit der die Klägerin geltend machen will, der Räumungsrechtsstreit mit der Beklagten sei aufgrund der am 22. Juli 2003 erfolgten Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten nicht gemäß § 240 ZPO unterbrochen, weil die Räumungsklage sich trotz der Verfahrenseröffnung weiter gegen die Schuldnerin persönlich richte, ist zulässig, aber nicht begründet. Das Landgericht weigert sich zu Recht, das am 13. August 2003 in Unkenntnis der Eröffnung des Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin, die bereits am 22. Juli 2003 erfolgt ist, erlassene Versäumnisurteil an die Schuldnerin zuzustellen. Eine Zustellung des Versäumnisurteils wäre gemäß § 249 Abs. 2 ZPO beiden Parteien gegenüber wirkungslos (Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 249 Rn. 7).

Zwar könnten bereits Bedenken gegen die Zulässigkeit einer sofortigen Beschwerde bestehen, weil nach § 252 ZPO das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nur gegen die Aussetzung des Rechtsstreits, nicht aber gegen die Unterbrechung des Verfahrens zulässig ist (s. Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., Vor § 239 Rn. 3). Die Verfahrensunterbrechung tritt aufgrund gesetzlicher Anordnung ein und stellt damit grundsätzlich keine beschwerdefähige gerichtliche Entscheidung dar. Der Senat geht aber davon aus, dass die Feststellung des Landgerichts, das Verfahren sei durch den Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten gemäß § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen worden, analog § 252 ZPO mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar ist und es keines Zwischenurteils über die Unterbrechung des Rechtsstreits durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bedarf (s. auch OLG München, NJWRR 1996, 228). Die mit der Zurückweisung des Gesuchs, das Versäumnisurteil an die Beklagte zuzustellen verbundene Feststellung der Verfahrensunterbrechung stellt eine beschwerdefähige gerichtliche Entscheidung dar. Sie hat zur Folge, dass der Rechtsstreit zunächst nicht weiter fortgesetzt und infolge der Nichtzustellung des Versäumnisurteils auch nicht rechtskräftig abgeschlossen werden kann. Gegen diese Wirkung kann sich die Klägerin analog § 252 ZPO beschweren.

Die zulässige sofortige Beschwerde hat indessen keinen Erfolg.

Anlass, die Entscheidung des Landgerichts zu ändern und festzustellen, dass keine Verfahrensunterbrechung gemäß § 240 ZPO eingetreten ist, besteht nicht. Das Landgericht ist zutreffend von der Anwendung des § 240 Satz 1 ZPO ausgegangen. Die Auffassung der Klägerin, eine Verfahrensunterbrechung sei nicht eingetreten, weil die Schuldnerin die Räume der Gaststätte, um deren Herausgabe es gehe, nur gemietet habe, ist verfehlt. Sie berücksichtigt nicht, dass im Insolvenzverfahren Miet und Pachtverhältnisse des Schuldners über unbewegliche Gegenstände oder Räume gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO ab Verfahrenseröffnung mit Wirkung für die Insolvenzmasse fortgeführt werden (zur Fortdauer von Dauerschuldverhältnissen über unbewegliche Gegenstände und Räume Tintelnot, in: Kübler/Prütting, InsO, § 108 Rz. 6 ff.). Miet und Pachtverhältnisse des Schuldners als Mieter oder Pächter bzw. Vermieter oder Verpächter fallen aufgrund der Regelungen der §§ 108 ff. InsO in die Insolvenzmasse.

Durchgesetzt werden kann der Räumungsanspruch des Vermieters - sollte ein solcher Anspruch überhaupt bestehen, wobei über diese Frage hier nicht zu entscheiden ist - ab Verfahrenseröffnung nur noch gegen den Insolvenzverwalter. Eine Durchsetzung der Räumungspflicht gegen den Schuldner persönlich, der nicht mehr verwaltungs und verfügungsbefugt ist, scheidet demgegenüber aus. Das Landgericht hat deshalb völlig zutreffend in seiner Nichtabhilfeentscheidung vom 29. September 2003 darauf hingewiesen, dass nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Räumungsanspruch gegen den Insolvenzverwalter zu richten ist. Der Herausgabeanspruch des Vermieters begründet im Insolvenzverfahren einen Aussonderungsanspruch, der gemäß § 47 InsO gegen den Insolvenzverwalter geltend zu machen ist (s. BGH, ZInsO 2001, 751). Dies gilt jedenfalls in dem Umfang, in dem der Vermieter den mietrechtlichen Herausgabeanspruch wie den Herausgabeanspruch aus § 985 BGB geltend macht (s. BGH, a. a. O.), wobei es vorliegend nicht um mehr als die bloße Herausgabe der gemieteten Räume geht.

Dies gilt - entgegen der Auffassung der Klägerin, die sich dabei auf einen entsprechenden Beschluss des Amtsgerichts Wennigsen vom 26. August 2003 stützt - auch für das Wohnraummietverhältnis des Schuldners, das mit der Verfahrenseröffnung ebenfalls in die Insolvenzmasse fällt. Soweit die Klägerin sich für ihre gegenteilige Auffassung auf eine Entscheidung des LG Hannover beruft, kann diese Entscheidung entweder nicht einschlägig sein, oder ist ebenfalls verfehlt. Dass das Wohnraummietverhältnis des Schuldners in die Insolvenzmasse fällt, ergibt sich bereits im Umkehrschluss zu § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO, der dem Insolvenzverwalter das Recht gibt, an Stelle der Kündigung des Mietverhältnisses zu erklären, dass Ansprüche, die nach Ablauf der in § 109 Abs. 1 Satz 1 genannten Frist fällig werden, nicht mehr in Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. Wäre das Wohnraummietverhältnis des Schuldners tatsächlich nicht vom Insolvenzbeschlag erfasst, bedürfte es einer solchen Regelung nicht, weil dann das Mietverhältnis ohnehin allein mit dem Schuldner fortzusetzen wäre.

Die Klägerin verkennt insoweit, dass es bei der Aussonderungsklage nicht darum geht, Sachen, die dem Schuldner gehören, aus der Masse herauszulösen, sondern vielmehr umgekehrt Ziel der Aussonderungsklage ist, einen massefremden Gegenstand, der in die so genannte "IstMasse" fällt, aufgrund einer dinglichen oder persönlichen Berechtigung (§ 47 InsO) aus der Masse herauszuverlangen (s. Pape/Uhlenbruck, Insolvenzrecht, Rn. 543 ff.). Richtiger Beklagter ist hierfür nach Verfahrenseröffnung ausschließlich noch der Insolvenzverwalter. Prozesshandlungen, die im Verhältnis zum Schuldner persönlich vorgenommen werden, sind gemäß § 249 Abs. 2 ZPO der anderen Partei gegenüber ohne rechtliche Wirkung. Fortgesetzt werden kann ein Passivprozess, der zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung gegen den Schuldner anhängig ist, nur durch Aufnahme nach § 86 InsO (hierzu Pape/Uhlenbruck, Insolvenzrecht, Rn. 581). Vorliegend ist eine Aufnahme des Verfahrens weder durch die Klägerin gegenüber dem Insolvenzverwalter noch durch den Insolvenzverwalter erfolgt. Das Verfahren ist deshalb gemäß den zutreffenden Ausführungen der Einzelrichterin auch weiterhin unterbrochen. Eine Zustellung des Versäumnisurteils, dass im Hinblick auf den Erlass nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens anfechtbar, aber nicht nichtig ist, an die Beklagte darf nicht erfolgen.

Eine Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ist nicht veranlasst. Die Kosten sind im Rahmen der Entscheidung über die Hauptsache als Teil der Prozesskosten zu berücksichtigen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 252 Rz. 3).

Ende der Entscheidung

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