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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 19.02.2004
Aktenzeichen: 2 W 11/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 700 Abs. 1
ZPO § 341 Abs. 2
ZPO §§ 233 ff.
Ein unzulässiger Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid muss gemäß § 341 Abs. 2 ZPO zwingend durch ein Urteil, das nach dem Gesetz auch ohne mündliche Verhandlung ergehen kann, verworfen werden, eine Zurückweisung des Einspruchs durch Beschluss ist unzulässig.
2 W 11/04

Beschluss

In der Beschwerdesache

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 26. Januar 2004 gegen den Beschluss der Einzelrichterin der 16. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 2. Januar 2004 durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. Pape als Einzelrichter am 19. Februar 2004 beschlossen:

Tenor:

Der am 2. Januar 2004 erlassene Beschluss der Einzelrichterin der 16. Zivilkammer des Landgerichts Hannover über die Verwerfung des Einspruchs der Beklagten gegen den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hameln vom 20. August 2003 (Az: 20 B 904/03) und die Zurückweisung des Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung des Einspruchs wird aufgehoben und zur erneuten Entscheidung - auch über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Landgericht Hannover zurückverwiesen.

Gerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden wegen unrichtiger Sachbehandlung nicht erhoben.

Gründe:

Die zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten ist zumindest insoweit begründet, als das Landgericht über den Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hameln vom 20. August 2003 nicht durch Beschluss hätte entscheiden dürfen. Gemäß § 341 Abs. 2 ZPO darf über die Verwerfung eines Einspruchs gegen einen Vollstreckungsbescheid, der gemäß § 700 Abs. 1 ZPO einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Versäumnisurteil gleichsteht, nicht durch Beschluss entschieden werden. Vielmehr - dies gilt auch für die Verwerfung eines Einspruchs gegen einen Vollstreckungsbescheid - ist gem. § 341 Abs. 2 ZPO immer durch Urteil zu entscheiden, wobei dieses Urteil nach der Neufassung der ZPO auch ohne mündliche Verhandlung ergehen kann (zur Anwendung des § 341 Abs. 2 ZPO auf die Verwerfung des Einspruchs s. a. Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 700 Rz. 12).

Zwar ist gegen ein nach § 341 Abs. 2 ZPO ergangenes Urteil grundsätzlich nur das Rechtsmittel der Berufung zulässig, sodass vorliegend Bedenken hinsichtlich der Einlegung einer sofortigen Beschwerde bestehen könnten, weil das Landgericht eigentlich durch Urteil hätte entscheiden müssen. Aufgrund des im Zivilprozessrecht geltenden Meistbegünstigungsprinzips ist jedoch davon auszugehen, dass gegen eine formal fehlerhafte Beschlussentscheidung des Landgerichts die sofortige Beschwerde als zulässig angesehen werden muss (dazu bereits für die ebenso zu behandelnde Unzulässigkeit der Verwerfung eines Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil durch Beschluss, Senat Beschl. v. 06.02.2003 - 2 W 5/03, NJWRR 2003, 647 = OLGReport Celle 2003, 148; Zöller/Herget, a.a.O., § 341 Rz. 9). Dem Beschwerdeführer darf die formal nicht dem Gesetz entsprechende Entscheidung des Landgerichts nicht zum Nachteil gereichen, Bedenken gegen die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde bestehen deshalb im Ergebnis nicht.

Zwar wird erwogen, das Verfahren bei einer formell unwirksamen Entscheidung des Landgerichts in ein Urteilsverfahren zu überführen (s. Schenkel, MDR 2003, 136 ff). Der Senat sieht jedoch für eine derartige Verfahrensweise vorliegend keine Grundlage, weil sich das Landgericht bisher sachlich nicht mit dem Einspruch der Beklagten auseinander gesetzt hat und auch fraglich ist, ob die Entscheidung des Landgerichts über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in ihrer gegenwärtige Form Bestand haben kann. Die Sache muss deshalb an das Landgericht zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen werde (s. auch OLG Celle, NJWRR 2003, 647).

Soweit das Landgericht den Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen hat, ist bislang nicht eindeutig geklärt, ob überhaupt eine wirksame Zustellung des Mahnbescheids und des Vollstreckungsbescheids durch das nur in Form der Abkürzung "H." bekannt Zustellunternehmen vorliegt. Ob es sich bei diesem Unternehmen, dessen Firmenbezeichnung und Anschrift in den Zustellungsurkunden nicht mitgeteilt wird, um ein nach § 33 Abs. 1 PostG beliehenes Unternehmen handelt, dessen Zustellungsurkunden die Beweiskraft öffentlicher Urkunden haben (dazu Zöller/Stöber, a. a. O., § 182 Rz. 14), oder ob es sich bei den Zustellungsurkunden lediglich um Privaturkunden handelt, hat das Landgericht letztlich offen gelassen. Insofern wäre aber zweifelhaft - unterstellt es handelt sich tatsächlich nicht um eine öffentliche Urkunde - ob allein die schlichte Erklärung des Zustellers der H., die Schriftstücke in den Briefkasten der Beklagten eingelegt zu haben, die nicht einmal durch eine eidesstattliche Versicherung unterlegt ist, ausreicht, um die eidesstattlichen Versicherungen der Beklagten zu widerlegen, denen zufolge der Zusteller der H., dessen Zustellversuche jeweils abends um 18:30 Uhr bzw. 18:33 Uhr an einem Samstag und einem Freitag erfolgt sein sollen, tatsächlich nicht stattgefunden haben.

Im Hinblick auf die Zweifel, die an der Identität und der Rechtsform des Zustellunternehmens sowie der Frage der Befugnis zur Ausstellung öffentlicher Urkunden des vom Amtsgericht beauftragten Zustellunternehmen herrschen, wird das Landgericht zunächst diese Identität und Rechtsform näher zu überprüfen haben. Sodann wird es - sollte das Zustellunternehmen nicht ein nach den Vorschriften des Postgesetzes beliehenes Unternehmen sein - neu zu entscheiden sein, ob die schlichte Erklärung des Zustellers i. V. m. den von der Beschwerdeführerin aufgezeigten Unzulänglichkeiten der Zustellurkunde tatsächlich mehr Gewicht hat, als das Bestreiten der Zustellung.

Gerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren sind im Hinblick auf den Verstoß der Entscheidung des Landgerichts gegen § 341 Abs. 2 ZPO nicht zu erheben.

Ende der Entscheidung

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