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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 10.09.2008
Aktenzeichen: 2 W 176/08
Rechtsgebiete: RVG


Vorschriften:

RVG § 11 Abs. 5
Die Geltendmachung einer nicht gebührenrechtlichen Einwendung hindert die Kostenfestsetzung nur dann, wenn tatsächliche Umstände dargelegt werden, die geeignet sind, einen materiellrechtlich der Gebührenordnung entgegen stehenden Einwand zu begründen.
2 W 176/08

Beschluss

In dem Vergütungsfestsetzungsverfahren

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. L. als Einzelrichter am 10. September 2008

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 7. August 2008 wird der Beschluss des Rechtspflegers der 9. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 29. Juli 2008 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückgegeben, das auch über die Frage der etwaigen Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren zu entscheiden hat.

Gründe:

Die gemäß §§ 567, 569 ZPO zulässige, insbesondere form und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Antragstellers hat insoweit Erfolg, als sie zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht führt.

1. Zu Unrecht hat das Landgericht in dem angefochtenen Beschluss vom 29. Juli 2008 angenommen, der Antragsgegner mache in zureichender Art und Weise Einwendungen geltend, die nicht im Gebührenrecht wurzeln, weshalb die beantragte Festsetzung nach § 11 Abs. 5 Satz 1 RVG abzulehnen sei. Im Ausgangspunkt ist das Landgericht zwar zutreffend davon ausgegangen, dass nicht erforderlich sei, dass der Gegenanspruch begründet sei oder die Aufrechnungsvoraussetzungen schlüssig dargelegt worden seien. nur dann, wenn die Einwendungen offensichtlich unbegründet, haltlos oder aus der Luft gegriffen seien, stehe dies einer Festsetzung nach § 11 RVG nicht entgegen. Das Landgericht hat jedoch übersehen, dass letztgenannte Voraussetzungen vorliegen.

Das Gesetz will durch die Regelung in § 11 RVG den Prozessbevollmächtigten nicht wegen eines jeden rechtlich haltlosen Gegenvorbringens auf den Klageweg verweisen. Deshalb stehen völlig unsubstantiierte, nicht fallbezogene Einwendungen der Vergütungsfestsetzung nach § 11 RVG nicht entgegen (vgl. OLG München FamRZ 1998, 1381). Die Geltendmachung einer nicht gebührenrechtlichen Einwendung hindert die Kostenfestsetzung nur dann, wenn tatsächliche Umstände dargelegt werden, auf denen die Einwendung aufbauen soll (vgl. LAG Düsseldorf JurBüro 1992, 680). Es genügt, dass der Kern an tatsächlichem Vorbringen sichtbar wird, der geeignet ist, einen materiellrechtlich der Gebührenordnung entgegen stehenden Einwand zu begründen (vgl. OLG Frankfurt NJWRR 1993, 11276. OLG Sachsen Anhalt, Beschluss vom 11. August 2000, 3 W 96/00, zitiert nach JURIS).

Ausführungen des Antragsgegners bis zum Erlass der angefochtenen Entscheidung, die diesen Mindestanforderungen an zu haltenden Vortrag genügen würden, finden sich im Streitfall nicht. Lediglich im Schriftsatz vom 5. Juni 2008 hat der Antragsgegner geltend gemacht, er behaupte erhebliche Schadensersatzansprüche, die ihm gegen den Antragsteller sowie die mit ihm verbundenen Unternehmen zustünden, weshalb ihm nach seiner Auffassung das Recht zur Aufrechnung zustehe. Danach lässt sich weder feststellen, aufgrund welcher tatsächlichen Grundlagen der Antragsgegner meint, Schadensersatzansprüche gegen den Antragsteller zu besitzen, noch finden sich irgendwelche Ausführungen des Antragsgegners zu diesen Ansprüchen, weshalb auch nicht ansatzweise ersichtlich ist, ob solche Ansprüche überhaupt bestehen könnten. Es handelt sich um die Geltendmachung halt und substanzloser Angriffe, die nicht dazu führen können, dass die begehrte Vergütungsfestsetzung nach § 11 Abs. 5 Satz 1 RVG abzulehnen wäre.

2. Auch den Ausführungen des Antragsgegners im Schriftsatz vom 21. August 2008 lässt sich nicht mit der gebotenen Deutlichkeit entnehmen, dass Ansprüche bestehen könnten, die der Antragsgegner dem Antragsteller mit Erfolg entgegenhalten könnte.

Den Ausführungen lässt sich bereits nicht entnehmen, dass überhaupt ein Anspruch gegen den Antragsteller persönlich in Betracht kommen könnte. Hierzu trägt der Antragsgegner nichts vor. Er macht lediglich geltend, der Antragsteller sei als Steuerberater im Rahmen des Firmengeflechts des Antragstellers für den Antragsgegner tätig gewesen. Sollte die steuerliche Beratung des Antragstellers im Rahmen eines Auftrages erfolgt sein, den der Antragsgegner einer Kapitalgesellschaft erteilt hat, deren Gesellschafter oder Geschäftsführer der Antragsteller ist, stünde dem Antragsgegner gegen den Antragsteller persönlich keinerlei Schadensersatzanspruch zu. Schadensersatzansprüche könnten allenfalls der Kapitalgesellschaft gegenüber bestehen, für die der Antragsteller die Beratung vorgenommen hätte. Da der Antragsgegner aber nicht konkret behauptet, mit dem Antragsteller persönlich einen Vertrag über eine steuerliche Beratung geschlossen zu haben, ist schon nicht im Ansatz ersichtlich, dass ein Schadensersatzanspruch überhaupt bestehen könnte.

Selbst wenn man unterstellen würde, es hätte ein Vertragsverhältnis zwischen den Parteien bestanden, aus dessen Verletzung ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach entstanden sein könnte, könnte eine Aufrechnung zwar grundsätzlich dazu führen, dass eine beantragte Vergütungsfestsetzung nach § 11 Abs. 5 Satz 1 RVG zu versagen wäre. Das würde aber voraussetzen, dass überhaupt ein aufrechenbarer Gegenanspruch bestünde. Dieses behauptet der Antragsgegner nicht einmal. Der Antragsgegner führt ausdrücklich aus, Schadensersatzansprüche würden erst dann zur Aufrechnung gestellt werden, wenn sie beziffert werden könnten. Da eine Bezifferung derzeit nicht möglich ist, liegt mithin auch noch gar keine Aufrechnung vor. Denn die Aufrechnung muss als Gestaltungsrecht gemäß § 388 BGB erklärt werden. Da die Aufrechnung aber noch nicht erklärt ist und auch noch gar erklärt werden kann, besteht derzeit kein aufrechenbarer Anspruch des Antragsgegners, den dieser der beantragten Vergütungsfestsetzung entgegenhalten könnte.

Hinzu kommt, dass der Antragsgegner jeden Vortrag dazu vermissen lässt, dass aufrechenbare Ansprüche in einer Höhe bestehen könnten, die die begehrte Vergütungsfestsetzung übersteigen würden. Mithin lässt sich auch nicht einmal feststellen, dass wenn aufrechenbare Ansprüche in Betracht kommen würden, diese der begehrten Vergütungsfestsetzung in voller Höhe entgegenstehen würden.

3. Aus Vorstehendem folgt, dass der begehrten Vergütungsfestsetzung nichts entgegensteht. Das Verfahren nach § 11 Abs. 5 RVG dient nicht dazu, eine beantragte Vergütungsfestsetzung im Hinblick auf etwaige, noch gar nicht bestehende und evtl. erst in Zukunft womöglich in geringerer Höhe bestehende Gegenansprüche zu versagen. Ebenso, wie bei einer geltend gemachten Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen aus Anwaltsverschulden die bloße Ankündigung, später aufrechnen zu wollen, ohne Revelanz ist und daher die Festsetzung nicht hindert (vgl. Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl., § 11 RVG Rdnr. 129), reicht die bloße Ankündigung späterer Aufrechnung nicht aus, wenn ein Anspruch aus einem gänzlich anderen Vertragsverhältnis eingewendet wird.

4. Mithin wird das Landgericht nunmehr über die Kostenfestsetzung des Antragstellers erneut zu entscheiden haben. Aus seiner Sicht folgerichtig hat es sich mit der beantragten Vergütungsfestsetzung der Höhe nach noch überhaupt nicht auseinander gesetzt. Es ist nicht die Aufgabe des Senates, diese Prüfung erstmals im Beschwerdeverfahren vorzunehmen.

Ende der Entscheidung

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