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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 24.01.2002
Aktenzeichen: 2 W 4/02
Rechtsgebiete: InsO, EGInsO


Vorschriften:

InsO § 304 Abs. 1
InsO § 304 Abs. 2
InsO § 309
InsO § 7
EGInsO Art. 103 a
1. Die Zulassung einer sofortigen weiteren Beschwerde gegen einen Beschluss des Landgerichts, in dem die Ersetzung der Zustimmung eines Gläubigers zu dem vom Schuldner vorgelegten Schuldenbereinigungsplan abgelehnt wurde, ist nach In-Kraft-Treten des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes ausgeschlossen, wenn der Schuldner nach der nunmehr geltenden Abgrenzungsvorschrift des § 304 InsO nicht mehr dem Verbraucherinsolvenzverfahren, sondern dem Regelinsolvenzverfahren zuzurechnen ist.

2. Vereinfachte Insolvenzverfahren, in denen am 1. Dezember 2001 noch keine rechtskräftige Entscheidung über die Ersetzung der Zustimmung der Gläubiger zu dem vom Schuldner vorgelegten Schuldenbereinigungsplan ergangen ist, sind von Amts wegen in das Regelinsolvenzverfahren überzuleiten, eine Fortsetzung als Verbraucherinsolvenzverfahren kommt nach In-Kraft-Treten der Gesetzesänderung nicht mehr in Betracht.

3. Es kann offen bleiben, ob eine Schlechterstellung der Gläubiger im gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren bereits dann vorliegt, wenn der Schuldenbereinigungsplan keine sogenannte 'Verfallklausel' enthält; ob diese Klausel ggf. in den Schuldenbereinigungsplan selbst aufgenommen werden muss, oder auch an anderer Stelle in den Verfahrensunterlagen erklärt werden kann, bleibt ebenfalls unentschieden.


Beschluss

In der Insolvenzsache betreffend

pp.

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ####### und die Richter am Oberlandesgericht ####### und ####### am 24. Januar 2002 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Schuldners auf Zulassung der sofortigen weiteren Beschwerde gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 26. November 2001 wird zurückgewiesen.

Die sofortige weitere Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des Landgerichts Stade vom 26. November 2001 wird als unzulässig verworfen.

Der Schuldner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Beschwerdewert wird auf 4.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

Der als Augenoptikermeister tätige Schuldner hat aus dem gescheiterten Versuch, eine Tennishalle zu betreiben, Verbindlichkeiten in Höhe von insgesamt ca. 1,2 Millionen DM, die sich auf mehr als 30 Gläubiger verteilen. Er hat im Dezember 2000 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens im vereinfachten Verfahren nach den § 305 ff. InsO gestellt. Nachdem mehr als die Hälfte seiner Gläubiger dem von ihm vorgelegten Schuldenbereinigungsplan nicht widersprochen hatten, hat das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 10. Oktober 2001 die Einwendungen mehrerer widersprechender Gläubiger ersetzt.

Gegen diesen Beschluss hat die Antrags- und Beschwerdegegnerin sofortige Beschwerde mit der Begründung eingelegt, der Schuldner habe die Verpflichtung missachtet, sie im Schuldenbereinigungsplan nicht schlechter zu stellen, als bei einem durchgeführten vereinfachten Insolvenz- und Rechtschuldbefreiungsverfahrens, weil er in dem Schuldenbereinigungsplan keine Verfallklausel aufgenommen habe, sodass ihre ursprüngliche Forderung auch dann nicht wieder auflebe, wenn die zugesagten Leistungen des Schuldners - der Schuldner bietet allen Gläubigern Befriedigungsquoten von 2,48 % an - ausblieben.

I.

Auf diese sofortige Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 26. November 2001 die die Zustimmung der widersprechenden Gläubigerin ersetzende Entscheidung des Insolvenzgerichts geändert und den Antrag auf Zustimmungsersetzung bezüglich dieser Gläubigerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Amtsgericht hätte die Zustimmung der Gläubigerin nicht ersetzen dürfen, weil diese durch den Plan wirtschaftlich schlechter gestellt sein könnte, als sie bei Durchführung des Verfahrens über den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die Erteilung der Restschuldbefreiung in diesem Verfahren möglicherweise stünde. Bei Durchführung des gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahrens könne der Fall eintreten, dass bei Nichtzahlung der vom Schuldner angebotenen Befriedigungsquote von 2,48 % dieser Plan nicht erfüllt werde. Die Gläubigerin verliere dann aufgrund der Wirkung des Schuldenbereinigungsplans als Vergleich (§ 308 Abs. 1 InsO) möglicherweise gleichwohl ihre Forderung in Höhe des mit dem Plan verbundenen Teilerlasses. Hieraus folge eine Schlechterstellung gegenüber den durchgeführten Verfahren.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Schuldner mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde vom 11. Dezember 2001. Er macht geltend, mit Schreiben vom 24. Juli 2001 zu den Einwendungen der Gläubiger Stellung genommen zu haben und in diesem Schreiben der Aufnahme einer Verfallklausel in den Schuldenbereinigungsplan zugestimmt zu haben. Zwar enthalte der Zustimmungsersetzungsbeschluss des Insolvenzgerichts keinen ausdrücklichen Hinweis auf diese Verfallklausel; der Schuldner habe jedoch davon ausgehen können, dass das Schreiben vom 24. Juli 2001 bei der Entscheidung berücksichtigt werden würde. Der Beschwerde führenden Gläubigerin sei also bekannt gewesen, dass der Schuldner der Aufnahme einer Verfallklausel in den Schuldenbereinigungsplan zugestimmt habe. Das Fehlen dieser Klausel hätte deshalb vom Landgericht nicht zur Begründung für die Aufhebung der Ersetzung der Zustimmung der Gläubigerin herangezogen werden dürfen.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist nicht zuzulassen.

Zwar enthält die sofortige weitere Beschwerde des Schuldners keinen ausdrücklichen Antrag auf Zulassung. Die Beschwerdeschrift vom 11. Dezember 2001 kann aber dahingehend ausgelegt werden, dass der Schuldner mit seinem Rechtsmittel geltend machen will, das Beschwerdegericht habe das Gesetz verletzt, indem es von der Erforderlichkeit der Aufnahme einer Verfallklausel in den Schulenbereinigungsplan ausgegangen sei. Diese Frage könnte grundsätzlich geeignet sein, die Zulassung er sofortigen weiteren Beschwerde gemäß § 7 Abs. 1 InsO, der im vorliegenden Verfahren noch in seiner ursprünglichen Fassung anzuwenden ist, weil die Entscheidung des Landgerichts vor dem 31. Dezember 2001 ergangen ist (zum Übergang der Zuständigkeit für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde in Insolvenzsachen auf den BGH ab dem 1. Januar 2002 und zur Behandlung von Verfahren, in denen das Landgericht noch vor dem 1. Januar 2002 entschieden hat, Senat, Beschl. v. 14.1.02 - 2 W 96/01), zu rechtfertigen. Bei der Frage, ob und in welcher Form eine Verfallklausel in den Schuldenbereinigungsplan eingearbeitet werden muss, damit keine Benachteiligung der Gläubiger im Verhältnis zu den Ergebnissen eines durchgeführten vereinfachten Insolvenz- und Rechtschuldbefreiungsverfahrens anzunehmen ist, handelt es sich auch um eine Frage von allgemeiner Bedeutung, deren Entscheidung für die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erforderlich sein kann.

1. Gleichwohl sieht der Senat keine Veranlassung, die sofortige weitere Beschwerde zuzulassen. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 InsO a. F. waren auf das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde nach § 7 InsO die Vorschriften der §§ 550, 551, 561 und 563 ZPO a. F. entsprechend anzuwenden. Gemäß § 563 ZPO in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung war die Revision auch dann zurückzuweisen, wenn zwar die Entscheidungsgründe eine Gesetzesverletzung ergaben, die Entscheidung sich aber aus anderen Gründen als richtig darstellte. Diese Vorschrift ist vorliegend anzuwenden. Die Entscheidung des Landgerichts, die Zustimmungsersetzung wegen des Fehlens einer Verfallklausel aufzuheben, könnte zwar auf einer Gesetzesverletzung beruhen. Diese Gesetzesverletzung könnte sich aber gleichwohl nicht mehr auswirken, weil in dem vorliegenden Insolvenzverfahren die Vorschriften der §§ 304 ff. InsO nicht mehr anzuwenden sind. Der Schuldner gehört nach den am 1. Dezember 2001 in Kraft getretenen Regelungen des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes nicht mehr in das Verbraucherinsolvenzverfahren. Eine Zustimmungsersetzung scheidet deshalb aus.

2. Gemäß § 304 Abs. 1 InsO in der seit dem 1. Dezember 2001 gültigen Fassung finden auf einen Schuldner, der eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt hat, die Vorschriften der §§ 304 ff. InsO nur dann Anwendung, wenn seine Vermögensverhältnisse überschaubar sind und gegen ihn keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen bestehen. Überschaubarkeit der Vermögensverhältnisse ist gemäß § 304 Abs. 2 InsO n. F. unter anderem nur dann gegeben, wenn der Schuldner zu dem Zeitpunkt, zu dem der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt wird, weniger als 20 Gläubiger hat (vgl. zu der Abgrenzung zwischen Regel- und Verbraucherinsolvenzverfahren nach der geänderten Fassung des § 304 InsO, Wenzel, in: Kübler/Prütting, InsO, 11. Lfg. 11/01, § 304 Rn. 10 ff.). Anders als bisher kommt es bei ehemaligen selbstständigen Schuldnern nicht mehr ausschließlich auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens an, vielmehr spielt auch die Frage eine Rolle, aus was für einer Tätigkeit die Verbindlichkeiten des Schuldners stammen und wie viele Gläubiger am Verfahren beteiligt sind (zur Abgrenzung nach der früheren Fassung des § 304 InsO s. Wenzel, in: Kübler/Prütting, InsO, § 304 Rn. 21 ff.). Vorliegend gehört der Schuldner nach der Neufassung des § 304, die am 1. Dezember 2001 in Kraft getreten ist, unzweifelhaft in das Regelinsolvenzverfahren. Die Zahl seiner Gläubiger übersteigt eindeutig die Grenze von weniger als 20 Gläubigern. Die Art seiner früheren Tätigkeit als Betreiber einer Tennishalle stellte eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit dar. Ein Schuldenbereinigungsverfahren mit dem nach § 309 InsO möglichen Zustimmungsersetzungsverfahren bei Erreichen einer Zustimmungsquote von mehr als 50 % der Gläubiger nach Summen und Köpfen ist deshalb hier nach der Neufassung der Insolvenzordnung nicht mehr möglich. Das aufgrund der Aufhebung der Entscheidung des Insolvenzgerichts durch das Beschwerdegericht nicht abgeschlossene Zustimmungsersetzungsverfahren kann nicht fortgeführt werden.

3. Dieser Entscheidung steht nicht entgegen, dass ursprünglich die Voraussetzungen für die Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners vorlagen und das Insolvenzgericht zu Recht zunächst ein Schuldenbereinigungsverfahren eingeleitet hatte. Nach der Übergangsvorschrift des Art. 103 a EGInsO sind auf Insolvenzverfahren, die vor dem 1. Dezember 2001 eröffnet worden sind, die bis dahin geltenden gesetzlichen Bestimmungen anzuwenden, für Insolvenzverfahren, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht eröffnet waren, gelten dagegen die geänderten Bestimmungen des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes. Hieraus folgt für Schuldenbereinigungsverfahren, bei denen am 1. Dezember 2001 noch keine rechtskräftige Entscheidung über den gerichtlichen Schuldenbereinigungsplan vorlag, dass diese Verfahren nicht weiter als Verbraucherinsolvenzverfahren fortgesetzt werden können, sondern vielmehr in ein Regelinsolvenzverfahren 'zu überführen' sind (s. auch Göbel, ZInsO 2001, 500, 501; Wenzel, in: Kübler/Prütting, InsO, § 304 Rn. 29 ff., 31). Zwar bedeutet es für den Schuldner eine erhebliche Härte, wenn - etwa wie im vorliegenden Verfahren - das Schuldenbereinigungsverfahren abgebrochen werden muss, weil noch keine rechtskräftige Entscheidung über die Zustimmungsersetzung vorliegt - ob auch bereits eine rechtskräftige Entscheidung über die Bestätigung des Schuldenbereinigungsplan nach § 308 Abs. 1 Satz 1 InsO vorliegen muss, oder ob es auf diesen Beschluss, der in erster Linie der Klarstellung dient und der nicht anfechtbar ist (s. Wenzel, in: Kübler/Prütting, InsO, § 308 Rn. 3) nicht ankommt, kann hier offen bleiben - und das Verfahren im Übrigen zur Entscheidung reif ist. Auch nach der Begründung zu Art. 103 a EGInsO (abgedruckt bei Kübler/Prütting, InsO, Anhang III, S. 71), sieht der Senat jedoch keine Möglichkeit, trotz der inzwischen eingetretenen Gesetzesänderung das Verbraucherinsolvenzverfahren fortzusetzen. Die Grenze für die Anwendung des neuen Rechts sollte eindeutig mit der Verfahrenseröffnung bis zum 30. November 2001 gezogen werden. Dass trotz Durchführung von Schuldenbereinigungsverfahren bei unternehmerisch tätigen Personen, die unter die Voraussetzungen der Neufassung des § 304 Abs. 1 Satz 2 InsO fallen, ein Regelinsolvenzverfahren zu eröffnen ist, wird in der Begründung zu Art. 103 a EGInsO ausdrücklich ausgeführt.

4. Im Übrigen muss bei der Beurteilung der Anwendbarkeit des neuen Rechts in der vorliegenden Fallkonstellation auch beachtet werden, dass der Schuldner aufgrund der Überleitungsvorschrift des Art. 103 a EGInSO nunmehr auch die Möglichkeiten der Stundung der Verfahrenskosten nach den § 4 a bis d InsO (dazu Prütting/Wenzel, in: Kübler/Prütting, 11. Lfg. 11/01, §§ 4 a ff.) in Anspruch nehmen kann. Diese Vergünstigung gilt für solche Verfahren, bei denen am 1. November 2001 noch keine Verfahrenseröffnung erfolgt ist. Insoweit wirkt sich die Anwendbarkeit des neuen Rechts für den Schuldner auch positiv aus. Eine Regelung des Inhalts, dass der Schuldner sowohl die Vorteile des alten als auch des neuen Rechts für sich in Anspruch nehmen kann, gibt es nicht. Der Senat sieht deshalb für das vorliegende Verfahren auch keine Möglichkeit mehr, dass es noch zu einer Ersetzung der Zustimmung der widersprechenden Gläubigerin kommen kann. Entsprechend der vom Insolvenzgericht bereits vollzogenen Überleitung des Verfahrens - das Verfahren wird beim Insolvenzgericht inzwischen unter dem Aktenzeichen 73 IN 3/02 geführt - ist das Verfahren nunmehr als Regelinsolvenzverfahren fortzusetzen.

III.

Da das nicht abgeschlossene gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren aufgrund der Änderung des Gesetzes als gescheitert anzusehen ist und aus diesem Grund auch keine Veranlassung besteht, die sofortige weitere Beschwerde zuzulassen, muss auch die sofortige weitere Beschwerde des Schuldner als unzulässig verworfen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 4 InsO, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes ist entsprechend den vom Senat in dem Beschluss vom 29. Oktober 2001 (2 W 71/01) entwickelten Grundsätzen erfolgt. Eine Festsetzung auf den vollen Wert der Forderung des widersprechenden Gläubigers ist im Hinblick auf die marginale Befriedigungsquote, die vom Schuldner mit 2,48 % angegeben worden ist, nicht angebracht. Entsprechend war auch die in erster Instanz erfolgte Wertfestsetzung auf den vollen Wert der Forderung des Gläubigers in entsprechender Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG auf den Regelstreitwert von jetzt 4.000 € für das Beschwerdeverfahren zu ändern.



Ende der Entscheidung

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