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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 06.02.2003
Aktenzeichen: 2 W 5/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 341 Abs. 2
ZPO §§ 567 ff.
Eine Überleitung des Beschwerdeverfahrens in ein Berufungsverfahren bei einer entgegen § 341 Abs. 2 ZPO erfolgten Verwerfung des Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil durch Beschluss, kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn das Landgericht durch einen Einzelrichter entschieden hat, gegen dessen Beschluss aufgrund des Meistbegünstigungsprinzips die sofortige Beschwerde zum originären Einzelrichter des Berufungsgerichts gegeben ist; der Verwerfungsbeschluss ist in diesem Fall aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen.
2 W 5/03

8 O 284/02 Landgericht ###########

Beschluss

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts ######auf die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 15. Januar 2003 gegen den Beschluss des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts ######## vom 6. Januar 2003 durch den Richter am Oberlandesgericht ######## als Einzelrichter am 6. Februar 2003 beschlossen:

Tenor:

Der am 6. Januar 2003 erlassene Beschluss des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts ######## über die Verwerfung des Einspruchs des Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 28. Oktober 2002 und die Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung des Einspruchs wird aufgehoben und zur erneuten Entscheidung - auch über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Landgericht ######## zurückverwiesen.

Gerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren werden wegen unrichtiger Sachbehandlung nicht erhoben.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Einzelrichters vom 6. Januar 2003 ist begründet. Das Rechtsmittel muss zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache führen, weil das Landgericht in prozessual nicht zulässiger Art und Weise über den Einspruch des Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 28. Oktober 2002 entschieden hat.

I.

Zwar ist die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss vom 6. Januar 2002 auch insoweit als zulässig anzusehen, als der Beklagte sich gegen die Verwerfung seines Einspruches wendet, obwohl regulär gegen die Einspruchsverwerfung nach § 341 Abs. 1 Satz 2 ZPO nur die Berufung in Betracht kommt. Die sofortige Beschwerde ist im Hinblick auf die gebotene Meistbegünstigung des Beklagten zulässig (zur Anwendung des Meistbegünstigungsgebots Schenkel, MDR 2003, 136 ff.). Da das Landgericht in prozessual unzulässiger Art und Weise über den Einspruch gegen das Versäumnisurteil durch Beschluss entschieden hat, muss auch die sofortige Beschwerde, über die hier gemäß § 568 Satz 1 ZPO der Einzelrichter zu entscheiden hat, weil die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter erlassen worden ist, als zulässig angesehen werden. Dies gebietet der Grundsatz, dass den Parteien durch eine formal inkorrekte Entscheidung kein Nachteil entstehen darf.

In der Sache selbst muss die sofortige Beschwerde des Beklagten zur Aufhebung und Zurückverweisung des Beschlusses über die Verwerfung des Einspruchs gegen das Versäumnisurteil führen, weil nach der Neufassung der ZPO durch das Zivilprozessrechtsreformgesetz 2001 die Entscheidung über die Verwerfung des Einspruches gegen ein Versäumnisurteil stets durch Urteil ergehen muss, wie sich aus § 341 Abs. 2 ZPO ergibt (s. etwa auch Thomas/Putzo/Reichhold, ZPO, 24. Aufl., § 341 Rz. 5; Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., § 341 Rz. 9; Schenkel, MDR 2003, 136, 138). Der Verstoß gegen die Vorschrift des § 341 Abs. 2 ZPO, die das Landgericht zwar in seiner Entscheidung zitiert hat, an deren Inhalt es sich aber nicht gehalten hat, muss zu einer Aufhebung und Zurückverweisung der Sache führen.

Die Aufhebung und Zurückverweisung der Sache ist vorliegend analog § 538 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig, weil das Landgericht den Einspruch des Beklagten als unzulässig verworfen hat (s. Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 572 Rz. 31). Eine eigene Sachentscheidung des Senats entsprechend § 538 Abs. 1 ZPO kommt zum einen nicht in Betracht, weil das Landgericht sich bislang nicht inhaltlich mit der Klage auseinander gesetzt hat, zum anderen wäre für eine solche Entscheidung auch nicht der originäre Einzelrichter, sondern der Senat zuständig, der jedoch nicht über die sofortige Beschwerde gegen den Verwerfungsbeschluss zu befinden hat.

Eine Überleitung der Sache ins Urteilsverfahren, wie sie von Schenkel (MDR 2003 , 136 ff.) generell für richtig gehalten wird, kommt in der hier vorliegenden Fallkonstellation nicht in Betracht. Aufgrund der erstinstanzlichen Einzelrichterentscheidung mittels Beschluss ist gemäß § 568 Satz 1 ZPO der originäre Einzelrichter beim Oberlandesgericht für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde zuständig. Bei der an sich prozessual zutreffenden Entscheidung durch Urteil wäre für die Entscheidung der Senat und damit ein anderer Spruchkörper zuständig gewesen. Dieser könnte gemäß § 526 ZPO die Sache allenfalls auf den entscheidenden Einzelrichter übertragen, sofern sich der Rechtsstreit dafür eignen würde und die weiteren Voraussetzungen vorlägen. Umgekehrt könnte der Einzelrichter das Beschwerdeverfahren nur unter den Voraussetzungen des § 568

Satz 2 ZPO, die hier nicht vorliegen, auf den Senat übertragen. Eine originäre Zuständigkeit des Senats, wie sie im Urteilsverfahren bestehen würde, kommt bei der gegebenen Fallkonstellation in keinem Fall in Frage. Mithin ist es aufgrund der prozessual fehlerhaften Entscheidung des Landgerichts zu einer gesetzwidrigen Verschiebung der Zuständigkeit gekommen, die durch die Zurückverweisung der Sache zu korrigieren ist.

Im Übrigen würde eine Überleitung des Verfahrens in das prozessual zulässige Berufungsverfahren auch bedeuten, dass nur noch eine Zurückverweisung auf Antrag einer Partei in Betracht käme, obwohl sich das Landgericht bislang nicht inhaltlich mit der Sache befasst hat und damit möglicherweise alle Fragen in nur einer Instanz behandelt werden müssten. Auch dies spricht gegen eine umfassende Überleitungspflicht, wie sie von Schenkel (MDR 2003, 136, 137 f.) für richtig gehalten wird. Zwar ist vorliegend nicht zu entscheiden, ob eine Überleitung generell auszuschließen ist, wenn das Erstgericht in der prozessual unrichtigen Form entschieden hat. Bei der hier gegebenen Zuständigkeitsverschiebung für die zweite Instanz durch die Wahl der unzutreffenden Entscheidungsform und die fehlende inhaltliche Auseinandersetzung des Erstgerichts mit der Sache muss eine Überleitungspflicht jedoch verneint werden.

II.

Die Aufhebung und Zurückverweisung der Sache gilt für den Beschluss insgesamt Sie betrifft auch die Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Insoweit weist der Senat schon jetzt vorsorglich darauf hin, dass das Landgericht bei seiner Entscheidung den unbestrittenen Vortrag des Beklagten, die Klägerin darauf hingewiesen zu haben, dass ihn Zustellungen unter der Anschrift '##############' in ###### nicht erreichten und er deshalb darum bitte, ihn unter der Geschäftsadresse '##############' in ######anzuschreiben, nicht beachtet hat. Zwar hat die Klägerin in Abrede gestellt, auf die Schwierigkeiten des Postempfangs des Beklagten unter der Anschrift ############## durch eine E-Mail des Beklagten hingewiesen worden zu sein. Die Klägerin räumt aber ein, zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt vom Beklagten telefonisch auf die Probleme des Zugangs von Schriftstücken aufmerksam gemacht worden zu sein und daraufhin den Schriftverkehr mit dem Beklagten umgestellt zu haben. Aus den bei der Akte befindlichen Schreiben der Klägerin an den Beklagten ergibt sich demgemäß auch, dass die Klägerin den Beklagten spätestens ab Ende April 2002 nicht mehr unter der Anschrift ############## in ######, sondern vielmehr unter der Anschrift ############## in ######angeschrieben hat. Dies wird von den Verfahrensbevollmächtigten der Beklagten in dessen Stellungnahme vom 29. Januar 2003 auch eingeräumt und ist bereits in der sofortigen Beschwerde vom 13. Januar 2003 mit Substanz ausgeführt worden, ohne dass sich das Landgericht mit diesen Ausführungen in seiner Nichtabhilfeentscheidung vom 15. Januar 2003 in irgendeiner Form befasst hat.

Das Landgericht wird insoweit zu prüfen haben, ob die von ihm bemängelte fehlende Sorge für den ordnungsgemäßen Zugang von Schriftstücken, auf die es die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsgesuchs gestützt hat, nicht gerade darin zu sehen ist, dass der Beklagten der Klägerin eine andere Zustelladresse mitgeteilt hat, die die Klägerin bis zur Erhebung der Klage auch benutzt hat. Da unstreitig diese vom Beklagten getroffene Vorkehrung seitens des Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin bei Erhebung der Klage, die unter der Anschrift ############## in ###### erhoben worden ist, nicht mehr beachtet wurde, wird das Landgericht die Frage zu prüfen haben, ob es insoweit tatsächlich von einem Verschulden des Beklagten bezüglich der Versäumung der Einspruchsfrist ausgehen kann. Dies erscheint im Hinblick auf die vorhergehenden Schreiben der Klägerin, die alle an die Anschrift ############## gerichtet sind - dies gilt u. a. auch für die Kündigung des Mietverhältnisses vom 24. Mai 2002 (Bl. 23 d. A.) - höchst zweifelhaft.

Nachdem der Beklagte ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass Schreiben, die in den Gemeinschaftsbriefkasten seiner Wohnanschrift eingeworfen werden, teilweise nicht ankommen und die Klägerin daraufhin den Schriftwechsel über die Geschäftsadresse geführt hat, brauchte der Beklagte mit einer Zustellung der Klage unter seiner Wohnsitzanschrift nicht unbedingt zu rechnen. Vorkehrungen dafür, dass ihn die Schreiben der Klägerin erreichten, hatte er getroffen.

III.

In der Sache hat sich das Landgericht mit dem Rechtsstreit bislang nicht auseinander gesetzt; Ausführungen zur Begründetheit der Klage sind daher nicht zu machen.

Ferner wird sich das Landgericht bei seiner erneuten Entscheidung auch mit der Frage auseinander zu setzen haben, welche Partei die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen hat. Gerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind im Hinblick auf die Nichtbeachtung der Neufassung des § 341 Abs. 2 ZPO nicht zu erheben. Insoweit wird auf § 8 Abs. 1 GKG verwiesen.

Ende der Entscheidung

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