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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 29.02.2008
Aktenzeichen: 2 W 50/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 4
ZPO § 104
ZPO § 107
Enthält ein Prozessvergleich eine Regelung, wonach die vereinbarte Kostenquote für den Fall der nicht fristgerechten Zahlung eines bestimmten Geldbetrags abgeändert wird, steht dies der Kostenfestsetzung schon vor Ablauf der Zahlungsfrist nicht entgegen, weil der durch die Kostenfestsetzung Beschwerte im Falle des Eintritts der Bedingung einen (neuen) Kostenfestsetzungsantrag und gleichzeitig die Aufhebung des alten Kostenfestsetzungsbeschlusses beim Rechtspfleger beantragen kann.
2 W 50/08

Beschluss

In der Beschwerdesache

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht R., den Richter am Oberlandesgericht Dr. L. und den Richter am Amtsgericht Dr. L. am 29. Februar 2008 beschlossen:

Tenor:

Die am 5. Februar 2008 beim Landgericht Lüneburg eingegangene sofortige Beschwerde der Kläger vom 1. Februar 2008 gegen den am 24. Januar 2008 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 22. Januar 2008 wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens gesamtschuldnerisch zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 1.200 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die gemäß den §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, 569 ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist nicht begründet.

Die Rechtspflegerin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg hat nach Eingang der Kostenausgleichsanträge beider Parteien zu Recht einen Kostenfestsetzungsbeschluss erlassen.

Die Kläger können sich insoweit nicht mit Erfolg darauf berufen, dass eine Kostenfestsetzung deshalb hätte unterbleiben müssen, weil der zwischen den Parteien geschlossene Prozessvergleich eine veränderte Kostenquote für den Fall vorsieht, dass die Beklagten nicht bis zum 31. März 2008 an die Kläger einen bestimmten Geldbetrag geleistet haben. Die diesbezügliche Regelung in Ziffer 3 des Vergleichs lautet:

"Von den Kosten des Rechtsstreits sowie des Vergleichs trägt die Klagepartei 80 % und die Beklagten 20 %. Bei nicht fristgemäßer Zahlung gemäß Punkt 2 werden die Kosten gegeneinander aufgehoben."

Die in Ziffer 3 Satz 1 des Vergleichs vereinbarte Kostenquote von 80 % (Kläger) zu 20 % (Beklagte) steht unter einer auflösenden Bedingung, welche der Kostenfestsetzung derzeit nicht entgegensteht, weil die Bedingung bisher nicht eingetreten ist (§ 158 Abs. 2 BGB). Dem Prozessvergleich kann auch im Wege der Auslegung nicht entnommen werden, dass eine Kostenfestsetzung erst nach dem 31. März 2008 hätte erfolgen dürfen. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Vergleichs ist die Kostenfestsetzung nicht vom Eintritt eines bestimmten Ereignisses abhängig. Dies gilt unabhängig davon, ob die Regelungen in Ziffer 1 und 2 des Vergleichs dahin auszulegen sind, dass die von den Beklagten übernommene Zahlungsverpflichtung erst am 31. März 2008 fällig wird. Auch die beiderseitige Interessenlage rechtfertigt nicht die Annahme, dass die Kostenfestsetzung erst dann zulässig sein sollte, wenn der genannte Stichtag abgelaufen war. Durch die Regelung in Ziffer 3 des Vergleichs wird auf die Beklagten lediglich Druck ausgeübt, damit diese ihrer in Ziffer 1 und 2 übernommenen Zahlungsverpflichtung binnen der genannten Frist nachkommen. Dadurch geben die Parteien aber zu erkennen, dass sie davon ausgehen, dass sie an einer fristgerechten Erfüllung grundsätzlich keine Zweifel hegen und daher auch vom Bestand einer Kostenquote 80 % zu 20 % ausgehen. Die nicht fristgerechte Zahlung stellt damit den Ausnahmefall dar. Angesichts dieses Regel-Ausnahmeverhältnisses kann der Prozessvergleich nicht so verstanden werden, dass erst bei nicht fristgerechter Zahlung eine Kostenfestsetzung erfolgen darf. Im Übrigen darf bei der Auslegung nicht außer Betracht bleiben, dass die Kläger selbst mit Antrag vom 10. Dezember 2007 (Bl. 492 d. A.) die Kostenausgleichung beantragt haben. Das spätere Verhalten einer Partei ist ein gewichtiges Indiz bei der Auslegung einer Erklärung (vgl. Palandt/Heinrichs/Ellenberger, BGB, 68. Auflage, § 133 Rdz. 17). Der Antrag der anwaltlich beratenen Kläger macht deutlich, dass auch die Kläger ersichtlich nicht davon ausgegangen sind, dass eine Kostenfestsetzung bis zum Ablauf des 31. März 2008 zu unterbleiben hatte.

Eine Aussetzung des Verfahrens gem. § 104 Abs. 3 Satz 2 ZPO kam ebenfalls nicht in Betracht. Diese Vorschrift erlaubt nur eine Aussetzung bis zur Rechtskraft der dem Festsetzungsantrag zugrunde liegenden Entscheidung. Erfasst werden also nur solche Fälle, in denen gegen eine Entscheidung Rechtsmittel eröffnet sind und daher die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit erfolgt. Auf einen Vergleich, der gem. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ohne weitere Einschränkung vollstreckt werden kann, ist § 104 Abs. 3 Satz 2 ZPO mithin nicht anwendbar.

Diese Beurteilung führt auch nicht dazu, dass die Kläger schutzlos gestellt werden. Entgegen der Auffassung der Rechtspflegerin sind die Kläger nicht ohne weiteres darauf zu verweisen, eine Vollstreckungsabwehrklage gem. § 767 ZPO zu erheben. Den Klägern steht im vorliegenden Fall vielmehr die Möglichkeit offen, bei nicht fristgerechter Zahlung ggf. einen (neuen) Kostenfestsetzungsantrag auf Erstattung der Hälfte der verauslagten Gerichtskosten zu stellen und gleichzeitig die Aufhebung des angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschlusses zu beantragen. Ein Kostenfestsetzungsbeschluss ist kein selbständiger Titel, sondern füllt nur die Kostengrundentscheidung aus. Er teilt daher unmittelbar das Schicksal der Kostengrundentscheidung - Grundsatz der Akzessorität - (vgl. OLG München MDR 2001, 414. OLG Naumburg RPfleger 2002, 38. OLG Karlsruhe RPfleger 2000, 555). Eine Aufhebung oder Abänderung der Kostengrundentscheidung führt demgemäß dazu, dass der ursprüngliche Kostenfestsetzungsbeschluss ohne Rücksicht auf eine bereits eingetretene Rechtskraft wirkungslos wird (vgl. Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Auflage, § 103 Rdz. 7. MüKo-Giebel, ZPO, 3. Auflage, § 104 Rdz. 134). Es bedarf daher eines neuen Antrags auf Kostenfestsetzung (vgl. MüKo-Giebel, a. a. O., Rdz. 136. vgl. auch Landgericht Berlin, JurBüro 1984, 1574).

Daneben steht dem Beschwerten in analoger Anwendung des § 107 ZPO aber auch das Recht zu, eine klarstellende Entscheidung des Rechtspflegers über die Unwirksamkeit des ursprünglichen Kostenfestsetzungsbeschlusses zu erwirken (so auch MüKo-Giebel, ZPO, § 104 Rdz. 135 i. V. m. 133). Gem. § 107 Abs. 1 ZPO ist die Kostenfestsetzung auf Antrag abzuändern, wenn nach der Kostenfestsetzung eine Entscheidung ergeht, durch die der Wert des Streitgegenstandes festgesetzt wird und diese Entscheidung von der dem Kostenfestsetzungsbeschluss zugrunde liegenden Wertfestsetzung abweicht. § 107 ZPO ermöglicht aus Gründen der Billigkeit bzw. der Kostengerechtigkeit einen prozessualen Gestaltungsanspruch auf Anpassung des Kostenfestsetzungsbeschlusses unter Durchbrechung der Rechtskraft (vgl. MüKo-Giebel, a. a. O., § 107 Rdz. 1). Kostenfestsetzungsbeschlüsse sind nämlich sowohl der formellen als auch der materiellen Rechtskraft fähig (vgl. BGH MDR 2003, 476, zitiert nach JURIS Rdz. 3). Infolge dieser Rechtskraft verbietet sich eine erneute Entscheidung über denselben Streitgegenstand (BGH a. a. O.). Wenn daher in einem Kostenfestsetzungsbeschluss alle in Ansatz gebrachten Kostenpositionen vollständig Berücksichtigung gefunden haben und somit Gegenstand der Kostenfestsetzung geworden sind, verbleibt auch bei einer nachträglichen Änderung der Ausgleichsquote kein Rest, der von den Wirkungen der Rechtskraft ausgenommen wird. Hier gilt nichts anderes als bei einer Senkung des Zinssatzes nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens. Auch in letzterem Fall ist die Erhebung einer Nachforderung und somit eine Nachfestsetzung ausgeschlossen (BGH a. a. O.). Um hier Unbilligkeiten zu vermeiden, erlaubt § 107 ZPO eine nachträgliche Abänderung zu Gunsten eines Erstattungsberechtigten. Der dieser Vorschrift zugrunde liegende Rechtsgedanke lässt sich ohne Einschränkung auf den vorliegenden Fall übertragen, in dem die Parteien übereinstimmend im Vergleich eine Regelung getroffen haben, wonach bei Eintritt einer bestimmten (auflösenden) Bedingung die Kostenquote nachträglich abgeändert wird, so dass diese Änderung der Kostenquote schon von Beginn an in der Kostenregelung angelegt ist.

Ist der Eintritt der Bedingung unstreitig oder wird der Eintritt der Bedingung glaubhaft gemacht, muss es dem Beschwerten daher möglich sein, eine Aufhebung des ursprünglich erlassenen Kostenfestsetzungsbeschlusses durch den Rechtspfleger zu erreichen. Dieses Recht ist dem Beschwerten zumindest in Fällen der vorliegenden Art zuzubilligen, in denen aus einem Prozessvergleich vollstreckt wird, der eine bestimmte Kostenverteilung unter einer auflösenden Bedingung zum Gegenstand hat. Dem Beschwerten ist es nämlich bei Eintritt der auflösenden Bedingung nicht möglich, sich gegen eine Zwangsvollstreckung gem. § 775 durch Vorlage einer abändernden Entscheidung zur Wehr zu setzen, weil eine abändernde Entscheidung bei einem Vergleich, der schon von Anfang an die Regelung zu einer Veränderung der Zahlungs- und Kostentragungspflichten enthält, nicht in Betracht kommt. Daneben ist zwar eine Vollstreckungsabwehrklage gem. § 767 ZPO denkbar (vgl. MüKo-Giebel, a. a. O., Rdz. 135). Wenn aber schon ein neuer Kostenfestsetzungsantrag zulässig und möglich ist, spricht schon aus prozessökonomischen Gründen nichts dagegen, dem durch den ursprünglichen Kostenfestsetzungsbeschluss Beschwerten das Recht einzuräumen, eine klarstellende Entscheidung des Rechtspflegers im Kostenfestsetzungsverfahren herbeizuführen. Solange diese Möglichkeit besteht, dürfte für eine Vollstreckungsabwehrklage bereits das Rechtsschutzbedürfnis fehlen.

Hat die durch den ursprünglichen Kostenfestsetzungsbeschluss beschwerte Partei hingegen schon Überzahlungen geleistet, kann sie neben der neuen Kostenfestsetzung sowie der Aufhebung des ursprünglichen Beschlusses eine Rückfestsetzung beantragen. Diese Möglichkeit ergibt sich unmittelbar aus § 91 Abs. 4 ZPO, wonach zu den Kosten des Rechtsstreits auch solche Kosten gehören, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlauf des Rechtsstreits gezahlt hat. Diese Vorschrift greift den Rechtsgedanken des § 717 Abs. 2 ZPO auf und ermöglicht die Rückfestsetzung zu Gunsten des nach Abschluss des Rechtsstreits Erstattungsberechtigten (vgl. MüKo-Giebel, a. a. O., § 91 Rdz. 36). Diese Vorschrift kommt insbesondere dann zum Tragen, wenn ein Kostenfestsetzungsbeschluss wirkungslos wird, weil beispielsweise die Kostenentscheidung aufgrund einer anderen Entscheidung oder eines Vergleichs aufgehoben oder abgeändert worden ist (vgl. MüKo-Giebel, a. a. O.).

Die sofortige Beschwerde der Kläger war daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 574 Abs. 2 ZPO. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert. Die Entscheidung des Senats fügt sich in den durch die zitierte Rechtsprechung und Literatur vorgezeichneten Kontext ein.

Ende der Entscheidung

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