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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 02.10.2007
Aktenzeichen: 2 W 85/07
Rechtsgebiete: ZPO, JVEG


Vorschriften:

ZPO § 407 a Abs. 3
JVEG § 4 Abs. 3
Bei einem Verstoß des gerichtlich bestellten Sachverständigen gegen die Pflicht aus § 407 a Abs. 3 ZPO (Überschreitung des Vorschusses ohne vorherige Anzeige) kommt eine Kürzung der Sachverständigenvergütung nur dann in Betracht, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls im Rahmen einer Prognoseentscheidung festgestellt werden kann, dass auch bei pflichtgemäßer Anzeige die Tätigkeit des Sachverständigen eingeschränkt oder ihre Fortsetzung unterbunden worden wäre.
2 W 85/07

Beschluss

In der Beschwerdesache

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht R., den Richter am Oberlandesgericht Dr. L. und den Richter am Amtsgericht Dr. L. am 2. Oktober 2007 beschlossen:

Tenor:

Die am 24. September 2007 eingelegte Beschwerde des Bezirksrevisors gegen den Beschluss der Einzelrichterin der 13. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 20. September 2007 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Das Landgericht Hannover beauftragte den Sachverständigen Dipl.Ing. P. G. mit der Erstattung eines Gutachtens über die Ursache eines Wasserschadens in einem Wohnhaus in der Nähe von H., wobei im Auftragsschreiben darauf hingewiesen wurde, dass eine Überschreitung des angeforderten Vorschusses in Höhe von 2.000 EUR rechtzeitig vorher mitzuteilen sei. Der Sachverständige legte Ende August 2007 das Gutachten vor und überreichte eine Kostenrechnung in Höhe von 3.886,23 EUR. Der Bezirksrevisor beim Landgericht Hannover beantragte daraufhin mit Schreiben vom 7. September 2007, die Vergütung wegen erheblicher Überschreitung des Kostenvorschusses und Verletzung der Anzeigepflicht gem. § 407 a Abs. 3 Satz 2 ZPO auf 2.500 EUR (Vorschuss + 25 %) festzusetzen. Mit Beschluss vom 20. September 2007 hat das Landgericht die Vergütung des Sachverständigen auf 3.886,23 EUR festgesetzt. Hiergegen hat der Bezirksrevisor Beschwerde eingelegt.

Die gem. § 4 Abs. 3 JVEG zulässige Beschwerde des Bezirksrevisors beim Landgericht Hannover als Vertreter der Staatskasse ist nicht begründet.

Das Landgericht hat mit zutreffenden Erwägungen, auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt, die Vergütung des Sachverständigen auf einen Betrag in Höhe von 3.886,23 EUR festgesetzt.

Auch das Vorbringen in der Beschwerdebegründung rechtfertigt keine andere Entscheidung. Zu Recht hat das Landgericht unter Hinweis auf die Entscheidung des Bayerischen Obersten Landgerichts vom 11. Dezember 1997 (NJWRR 1998, 1294 f.) die Auffassung vertreten, dass bei einem Verstoß gegen die Pflicht aus § 407 a Abs. 3 ZPO eine Kürzung dann zu unterbleiben hat, wenn bei verständiger Würdigung aller Umstände unter Anlegung eines objektiven Maßstabs davon auszugehen ist, dass auch bei pflichtgemäßer Anzeige die Tätigkeit des Sachverständigen weder eingeschränkt noch ihre Fortsetzung unterbunden worden wäre (vgl. auch OLG Zweibrücken JurBüro 1997, 96, 97). Es bedarf insoweit einer Prognoseentscheidung, die das Gericht auf der Grundlage eines fiktiven Geschehensablaufs unter Würdigung aller Umstände zu treffen hat, wobei das Risiko der Unaufklärbarkeit allerdings den Sachverständigen trifft (BayObLG, a. a. O.; vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 20. Februar 2006, Az.: 4 W 100/06). Die Beschwerde zeigt keine Gründe auf, welche die vom Landgericht getroffene Prognoseentscheidung in Frage stellen. Vielmehr hat das Landgericht zutreffend darauf abgestellt, dass im Hinblick auf die (mutmaßliche) Interessenlage der Parteien sowie mit Rücksicht auf die Höhe der Klageforderung von 21.611,96 EUR, welche die Gutachterkosten um mehr als das Fünffache übersteigt, es äußerst unwahrscheinlich ist, dass die Parteien (allein) wegen einer Kostensteigerung von 1.900 EUR bei Gesamtkosten von 3.886,23 EUR von der Einholung des Gutachtens abgesehen und ggf. eine vergleichsweise Einigung getroffen hätten. Im Übrigen ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass es im vorliegenden Fall nicht fern lag, dass der vom Gericht in Ansatz gebrachte Betrag von 2.000 EUR die tatsächlich zu erwartenden Gutachterkosten nicht abdecken würde, weil das Streitobjekt in H. lag und hierdurch allein schon für den Ortstermin erhebliche Kosten zu erwarten waren. Vor diesem Hintergrund war die Überschreitung des Vorschusses weder für das Gericht noch die Parteien überraschend (vgl. zu diesem Aspekt LG Osnabrück JurBüro 1996, 322, 322). Da es auch zu den Amtspflichten des Gerichts gehört, den Kostenvorschuss ausreichend zu bemessen, ist auch diesem Umstand im Rahmen der gebotenen Prognoseentscheidung Rechnung zu tragen (vgl. OLG Zweibrücken, JurBüro 1997, 96, 97).

Ende der Entscheidung

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