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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 11.09.2001
Aktenzeichen: 2 Ws 225/01
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 57 II
StPO § 458 II
In den Fällen der Anschlussvollstreckung mehrerer Freiheitsstrafen ist gegen die Ablehnung der Unterbrechung zum Halbstrafenzeitpunkt nach § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB nicht die gerichtliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer gemäß § 458 Abs. 2 StPO gegeben. Weder aus § 456 a StPO noch aus der AV des MJ vom 5. August 1997 betreffend das Absehen von der Strafverfolgung (§ 154 b StPO) und von der Strafvollstreckung (§ 456 a StPO) bei Nichtdeutschen (Nds. Rpfl. 1997, 194) ergibt sich ein Anspruch auf Unterbrechung der Vollstreckung zeitiger Freiheitsstrafen zum Halbstrafenzeitpunkt.
Oberlandesgericht Celle Beschluss

2 Ws 225/01 17 StVK 170/01 LG ####### 42 Js 7279/91 StA #######

In der Strafvollstreckungssache

wegen Gefangenenmeuterei u. a.

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, die Richterin am Oberlandesgericht ###### und den Richter am Landgericht ###### am 11. September 2001 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der 2. kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts ####### vom 23. Juli 2001 wird auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer verbüßt seit dem 26. August 1987 eine lebenslange Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts ####### vom 6. Februar 1987 wegen gemeinschaftlichen Mordes. Vom 19. November 1993 bis zum 18. März 1999 war die Strafvollstreckung aus diesem Urteil unterbrochen zur Vollstreckung von zwei Dritteln der Freiheitsstrafe von acht Jahren aus dem Urteil der großen Strafkammer des Landgerichts ####### bei dem Amtsgericht ####### vom 28. April 1993. Durch dieses Urteil war der Beschwerdeführer der gemeinschaftlichen Gefangenenmeuterei in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen in Tateinheit mit gemeinschaftlichem erpresserischen Menschenraub in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen in Tateinheit mit gemeinschaftlicher Geiselnahme in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen in Tateinheit mit gemeinschaftlicher räuberischer Erpressung in Tateinheit mit einem Vergehen gegen das Waffengesetz schuldig gesprochen worden. Seit dem 19. März 1999 wird wieder die lebenslange Freiheitsstrafe vollstreckt; zwölf Jahre dieser Strafe wird der Beschwerdeführer am 17. August 2003 und 15 Jahre am 17. August 2006 verbüßt haben.

Durch unanfechtbare Verfügung der Stadt ####### vom 8. Juni 1989 wurde der Beschwerdeführer aus der Bundesrepublik ausgewiesen. Der Beschwerdeführer möchte in den ####### abgeschoben werden. Die Staatsanwaltschaft ####### hält eine Verbüßung von zwölf Jahren der lebenslangen Freiheitsstrafe für erforderlich, bevor geprüft wird, ob gemäß § 456 a StPO von der weiteren Vollstreckung abgesehen werden kann. Der Beschwerdeführer hat deshalb bei der Staatsanwaltschaft ####### beantragt, die Vollstreckung der zeitigen Freiheitsstrafe nachträglich zum Halbstrafenzeitpunkt zu unterbrechen, damit er durch Anrechnung der verbüßten Differenzzeit auf die lebenslange Freiheitsstrafe dort eher zwölf Jahre verbüßt hat. Die Staatsanwaltschaft hat seinen Antrag zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat der Beschwerdeführer gemäß § 458 Abs. 2 StPO die Strafvollstreckungskammer angerufen. Die Strafvollstreckungskammer hat in dem angefochtenen Beschluss offengelassen, ob das Rechtsmittel zulässig ist, weil es jedenfalls in der Sache nicht begründet sei. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg .

Die Strafvollstreckungskammer hat den Antrag im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 458 Abs. 2 StPO auf rückwirkende Unterbrechung der Strafvollstreckung zum Halbstrafenzeitpunkt war bereits unzulässig.

1. Nach § 454 b Abs. 3 StPO entscheidet die Strafvollstreckungskammer über die Aussetzung der Strafreste bei Vollstreckung mehrerer Freiheitsstrafen gleichzeitig.

Die Strafvollstreckungsbehörde unterbricht die Vollstreckung der zunächst vollstreckten Freiheitsstrafe zum Halbstrafenzeitpunkt, wenn die Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB vorliegen, zum Zweidrittelzeitpunkt bei den übrigen zeitigen Freiheitsstrafen und nach fünfzehn Jahren bei lebenslanger Freiheitsstrafe (§ 454 b Abs. 2 StPO). Gegen die Entscheidung der Strafvollstreckungsbehörde nach § 454 b Abs. 2 StPO kann für die dort geregelten Unterbrechungsfälle die gerichtliche Entscheidung beantragt werden; die Strafvollstreckungskammer entscheidet allerdings nicht losgelöst von der Frage der Reststrafaussetzung nach § 454 b Abs. 3 StPO darüber, ob für eine Strafe die Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB vorliegen (vgl. OLG Hamm NStZ 1993, 302; OLG Frankfurt NStZ-RR 1997, 95). Stellt sich bei der Entscheidung über die Reststrafaussetzung heraus, dass eine Unterbrechung zum Halbstrafenzeitpunkt hätte vorgenommen werden müssen, ist der Fehler bei der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung zu kompensieren (zu den möglichen Lösungswegen vgl. KK-Fischer, StPO, 4. Aufl. § 454 b Rdn. 5 ff.).

Die Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB liegen beim Beschwerdeführer offensichtlich nicht vor, weil die zu verbüßende Freiheitsstrafe zwei Jahre übersteigt. Für die Anordnung einer Unterbrechung der Strafvollstreckung unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB unabhängig von der Entscheidung über die Aussetzung aller Reststrafen zu Bewährung ist die Strafvollstreckungskammer nicht zuständig.

2. Die Ablehnung eines Antrags auf Absehen von der Vollstreckung gemäß § 456 a StPO kann nur nach §§ 23 ff EGGVG angefochten werden. Zuständig wäre nach § 25 Abs. 1 EGGVG das Oberlandesgericht #######. Ein von der endgültigen Entscheidung losgelöster Anspruch auf Unterbrechung der Vollstreckung zeitiger Freiheitsstrafen zum Halbstrafenzeitpunkt, der vor der Strafvollstreckungskammer durchgesetzt werden könnte, ergibt sich weder unmittelbar aus § 456 a StPO noch aus der AV des MJ vom 5. August 1997 (Nds. Rpfl. 1997, 194) betreffend das Absehen von der Strafverfolgung (§ 154 b StPO) und von der Strafvollstreckung (§ 456 a StPO) bei Nichtdeutschen. Zwar soll nach Abschnitt III Nr. 1 b der AV bei Verbüßung zeitiger Freiheitsstrafen in der Regel nach Verbüßung der Hälfte von der weiteren Vollstreckung abgesehen werden. Hieraus folgt aber nicht, dass bei Nichtdeutschen, gegen die eine bestandskräftige Ausweisungsverfügung vorliegt, und gegen die mehrere Freiheitsstrafen zu vollstrecken sind, eine Unterbrechung der Strafvollstreckung zum Halbstrafenzeitpunkt vorzunehmen ist. Nach Abschnitt III Nr. 2 e Satz 2 der AV ist vielmehr bei der Berechnung des Zeitpunktes, zu dem gemäß § 456 a StPO von der weiteren Vollstreckung abgesehen werden soll, von der Summe der zu vollstreckenden Strafen auszugehen. Danach sind für die Bestimmung des Zeitpunktes des Absehens von der weiteren Strafvollstreckung unabhängig vom tatsächlichen Unterbrechungszeitpunkt einzelner Strafen alle Strafzeiten und Haftzeiten zusammenzurechnen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.

IV.

Gegen diese Entscheidung ist keine Beschwerde gegeben (§ 304 Abs. 4 StPO).

Ende der Entscheidung

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