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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 06.12.2007
Aktenzeichen: 2 Ws 383/07
Rechtsgebiete: JGG


Vorschriften:

JGG § 42 Abs. 3
JGG § 108
1. Der in § 42 Abs. 3 i.V.m. § 108 JGG zum Ausdruck kommende Grundsatz, dass Heranwachsende sich vor dem für ihren Wohnort zuständigen Gericht verantworten sollen, darf grundsätzlich nur durchbrochen werden, wenn sonst erhebliche Erschwernisse das Verfahren belasten würden.

2. Die Verbindung von Strafsachen gegen Heranwachsende und Erwachsene ist dann geboten, wenn ihnen gemeinschaftlich begangene Straftaten zur Last gelegt werden und voraussichtlich eine umfangreiche Beweisaufnahme erforderlich wird.


Oberlandesgericht Celle Beschluss

2 Ws 383/07

In der Strafsache

gegen 1. N. B., geboren am 29. September 1985 in B. (Türkei), ohne festen Wohnsitz, z. Zt. in der JVA B.-O.,

wegen schweren Bandendiebstahls

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft V. gegen den Beschluss der 3. großen Strafkammer des Landgerichts V. vom 22.11.2007 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und der Angeschuldigten durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Landgericht ####### am 6. Dezember 2007 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben, soweit das Verfahren gegen die Angeschuldigten B. und G. abgetrennt worden ist. Im Übrigen wird die Beschwerde verworfen.

Die Landeskasse trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

I.

Die Staatsanwaltschaft V. hat unter dem 08.11.2007 gegen die Angeschuldigten B. und G. als Erwachsene und die Angeschuldigten U., C. und Ce. als Heranwachsende Anklage erhoben, in der Zeit vom 25.12.2006 bis zum 13.08.2007 in unterschiedlicher Beteiligung in insgesamt 15 Fällen bandenmäßig Einbruchsdiebstähle begangen zu haben bzw. dies versucht zu haben.

Tatorte sind nach der Anklage in zehn Fällen B. und in zwei Fällen jeweils L. und S. sowie in einem Fall O.. Vier der Angeschuldigten haben ihren Wohnsitz in B. und einer der Angeschuldigten ist ohne festen Wohnsitz. Nach der Anklage sind etwa 27 Zeugen in B. und etwa 7 Zeugen in V. bzw. L. wohnhaft. Weitere Zeugen stammen aus O., A., T., S. und D.. Nach dem wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen haben die Angeschuldigten U., Ce. und C. die Taten im Wesentlichen eingeräumt. Der Angeschuldigte G. hat die Taten bis zur Außervollzugsetzung des Haftbefehls am 23.05.2007 im Wesentlichen eingeräumt, danach keine weitere Einlassung abgegeben. Der Angeschuldigte B. hat sich bisher nicht eingelassen.

Die Staatsanwaltschaft hat beantragt, das Hauptverfahren vor dem Landgericht V. - Jugendstrafkammer - zu eröffnen.

Mit Beschluss vom 22.11.2007 hat die Jugendstrafkammer des Landgerichts V. sich hinsichtlich der angeschuldigten Heranwachsenden als örtlich unzuständig erklärt und hinsichtlich der erwachsenen Angeschuldigten das Verfahren abgetrennt. Gegen diesen Beschluss wendet sich die Staatsanwaltschaft V. mit ihrer Beschwerde vom 26.11.2007, der die Jugendstrafkammer des Landgerichts V. mit Beschluss vom gleichen Tag nicht abgeholfen hat.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Beschluss des Landgerichts V. aufzuheben.

II.

1. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet, soweit die Jugendstrafkammer sich für örtlich unzuständig erklärt hat. Die Strafkammer hat für das vorliegende Verfahren zu Recht die örtliche Zuständigkeit der Jugendstrafkammer des Landgerichts V. verneint. Denn der in § 42 Abs. 3 i. V. m. § 108 JGG zum Ausdruck kommende Grundsatz, dass Heranwachsende sich vor dem für ihren Aufenthaltsort zuständigen Gericht verantworten sollen, darf grundsätzlich nur durchbrochen werden, wenn sonst erhebliche Erschwernisse das Verfahren belasten würden (vgl. BGH 2. Strafsenat, Entscheidung vom 10.05.2006, Az.: 2 ARs 176/06 m. w. N.). Solche erheblichen Erschwernisse können etwa vorliegen, wenn die Notwendigkeit der Vernehmung einer größeren Anzahl von Zeugen besteht, die aus großer Entfernung anreisen müssen und mit deren kommissarischer Vernehmung sich das Gericht nicht begnügen kann (ebenso BGH a. a. O.). Solche oder vergleichbare erhebliche Erschwernisse sind nicht ersichtlich. Vielmehr ist nach der Anklageschrift davon auszugehen, dass der weit überwiegende Anteil der Zeugen in B., am Wohnsitz der heranwachsenden Angeschuldigten, wohnt.

Da insbesondere die drei heranwachsenden Angeschuldigten geständig sind, ist durch eine Anklage am Gericht des Wohnsitzes der Angeschuldigten auch keine weitere Verzögerung zu befürchten.

2. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist begründet, soweit sie sich gegen die Abtrennung des Verfahrens gegen die Angeschuldigten B. und G. durch den Beschluss der Strafkammer des Landgerichts V. wendet. Gemäß § 103 Abs. 1 JGG können Strafsachen gegen Jugendliche und Erwachsene dann verbunden werden, wenn es zur Erforschung der Wahrheit oder aus anderen wichtigen Gründen geboten ist. Dies kann vor allem dann im Interesse einer geordneten Rechtspflege liegen, wenn den heranwachsenden und den erwachsenen Angeschuldigten gemeinschaftlich begangene Straftaten zur Last gelegt werden und voraussichtlich eine umfangreiche Beweisaufnahme erforderlich wird (vgl. hierzu KG Berlin, 5. Strafsenat, Beschluss vom 26.04.2000, Az.: 1 AR 467/00; OLG Köln, Beschluss vom 11.04.2007, NStZ-RR 2000, 313) Das ist hier der Fall. Nach dem wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft V. sind die drei heranwachsenden Angeschuldigten bislang geständig. Von den Erwachsenen hat indessen lediglich der Angeschuldigte G. zunächst geständige Angaben gemacht, lässt sich aber gegenwärtig ebenso wie der Angeschuldigte B. nicht mehr zur Sache ein. Danach steht eine umfangreiche Beweisaufnahme an, die sachgerecht in einem Verfahren gegen alle Angeschuldigten durchzuführen ist.

Überdies ist die Verbindung der Verfahren auch unter dem Gesichtspunkt der einheitlichen gerichtlichen Entscheidung sachgerecht und zweckmäßig (vgl. etwa Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 2 Rdnr. 2).

Zudem sind auch die beiden erwachsenen Angeschuldigten nur wenig älter als 21 Jahre und damit nur wenig älter als die heranwachsenden Angeschuldigten, sodass auch unter diesem Gesichtspunkt eine Trennung der Verfahren wenig sachgerecht wäre.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 4 StPO.

Ende der Entscheidung

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