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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 01.09.2004
Aktenzeichen: 21 Ss 47/04
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 4 aF
UWG § 16 aF
Eine Werbung ist unwahr und damit strafbar gemäß § 4 UWG a. F. bzw. § 16 UWG n. F., wenn die sogenannte Korrektur (oder Einschränkung) des Hauptwerbetextes auf der Anzeige/Werbung praktisch nicht wahrnehmbar ist.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

21 Ss 47/04

In der Strafsache

wegen strafbarer Werbung

ha der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die Revision der Staatsanwaltschaft Hannover gegen das Urteil der 8. kleinen Strafkammer des Landgerichts Hannover vom 11. Februar 2004 in der Sitzung vom 1. September 2004, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht ####### als Vorsitzender, Richter am Oberlandesgericht #######, Richterin am Oberlandesgericht ####### als beisitzende Richter,

Oberstaatsanwalt ####### als Beamter der Generalstaatsanwaltschaft,

Rechtsanwalt B####### aus P####### als Verteidiger des Angeklagten,

Justizhauptsekretär ####### als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Landgerichts Hannover vom 11. Februar 2004 wird aufgehoben.

Der Angeklagte ist wegen strafbarer Werbung gemäß § 4 Abs. 1 UWG schuldig.

Zum Rechtsfolgenausspruch wird das Verfahren zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Hannover zurückverwiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht hatte den Angeklagten wegen strafbarer Werbung zu einer Geldstrafe von 200 Tagessätzen zu je 20 EUR verurteilt und dabei als gesetzliche Grundlage § 4 Abs. 1 UWG herangezogen.

Das Landgericht hat durch sein Urteil vom 11. Februar 2004 den Angeklagten vom Vorwurf der strafbaren Werbung gemäß § 4 Abs. 1 UWG freigesprochen.

Hiergegen richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft.

Das Landgericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt:

Der Angeklagte veranlasste als Geschäftsführer der Firma ####### GmbH durch Anzeigenvertrag vom 16. April 2002 in der Ausgabe Nr. 5 der russischsprachigen Zeitschrift "Rayonka" eine Werbeanzeige in russischer Sprache, die sich überwiegend an in Deutschland lebende russischstämmige Bürger wendet. Der Text dieser Anzeige lautete (in deutscher Übersetzung):

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Die Gesprächsdauer ist auf 10 Minuten eingeschränkt und nur bis zum 31. Mai gültig."

Vertikal zu dieser farbig gestalteten Anzeige wurde am rechten oberen Rand nach den Ausführungen des Landgerichts durch Sternzeichen entsprechend den Vorgaben der Regulierungsbehörde auf eine schwer lesbare Weise in der Schriftgröße Nr. 7 und in deutscher Sprache folgender Text abgedruckt:

"Kostenlos die erste 2min Danach 20 EUR pro Verbindung zzg 2,49 EURMin"

Wegen der Einzelheiten der Gestaltung der Anzeige verwies das landgerichtliche Urteil auf die Originalanzeige in Hülle Bl. 18 d. A.. Nach den weiteren Feststellungen lief bei Benutzung der angegebenen Telefonnummern zu Beginn eines jeden Telefonats eine Bandansage in deutscher Sprache, in der darauf hingewiesen wurde, dass das Gespräch ab der dritten Minute kostenpflichtig sei. Der Telefonkunde wurde darauf hingewiesen, dass er nur dann weiter telefonieren könne, wenn er durch Eingeben der Tastenkombination 1 und 9 mit dieser Tatsache sein Einverständnis dokumentiert habe. Erst anschließend wurde die Leitung freigeschaltet.

Das Landgericht führt aus, diese Feststellungen rechtfertigten nicht eine Verurteilung gemäß § 4 Abs. 1 UWG.

Zwar habe der Angeklagte in der Absicht gehandelt, den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen; die Werbung habe sich auch an einen größeren Kreis von Personen gerichtet und auf die Preisbemessung von gewerblichen Leistungen bezogen; die Angaben seien auch zur Irreführung der potentiellen Kunden geeignet gewesen.

Aber die Angaben in der fraglichen Anzeige seien nicht unwahr gewesen.

Zwar vermittelte die Anzeige auf den ersten Blick den Eindruck, dass bis zu zehn Minuten kostenlos in die angegebenen Länder telefoniert werden könne. Dieser Eindruck werde jedoch durch den in deutscher Sprache formulierten Hinweis, ab der dritten Minute würden 20 EUR zuzüglich 2,49 EUR pro Gesprächsminute fällig, korrigiert. Durch diesen Hinweis, der den im Wettbewerbsrecht geltenden Grundsätzen (sie fänden sich in jeder HandyWerbung wieder) in Schriftgröße usw. entspreche, würde der Inhalt der Anzeige insgesamt wahr i. S. von § 4 UWG. Die Unwahrheit werde auch nicht dadurch herbeigeführt, dass der seitliche Klarstellungstext in deutscher Sprache abgefasst sei, während der übrige Text in russischer Sprache und an russischsprachige Bürger gerichtet sei. Im Hinblick auf die vorstehend beschriebene Problematik verlange das Wettbewerbsrecht grundsätzlich, dass in der Bundesrepublik Deutschland ein entsprechender Korrekturtext in deutscher Sprache abzufassen sei; in der Bundesrepublik sei die Amtssprache Deutsch, weswegen in fremdsprachig gestalteten Anzeigen ein deutschsprachiger Korrekturtext nicht als nicht existent angesehen werden könne mit der Folge, dass der "wahre" Inhalt einer Anzeige von dem Inhalt des deutschen Textes nicht beeinflusst werde.

Mit der Revision erhebt die Staatsanwaltschaft den Vorwurf der Verletzung materiellen Rechts. Insbesondere rügt sie, dass das Landgericht die in der Anzeige enthaltenen Angaben als nicht unwahr i. S. des § 4 Abs. 1 UWG angesehen hat.

Das Rechtsmittel erweist sich als begründet.

Das Landgericht hat zu Recht ausgeführt, dass der Angeklagte in der Absicht handelte, den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen, indem sich die Werbung an einen größeren Kreis von Personen richtete und auf die Preisbemessung von gewerblichen Leistungen bezog. In nicht zu beanstandender Weise hat das angefochtene Urteil ferner die Angaben als zur Irreführung geeignet angesehen.

Darüber hinaus sind die in der festgestellten Anzeige gemachten Angaben aber auch unwahr.

Der in russischer Sprache gehaltene Text, der die Anzeige ausfüllt und insoweit an allen Stellen gut lesbar ist, ist in seiner Aussage eindeutig:

Zehn Minuten lang ist das Telefonieren nach Russland, in die Ukraine und nach Kasachstan in der Zeit bis zum 31. Mai kostenlos, wobei das Wort "kostenlos" durch Schrägdruck, besondere Buchstabenwahl und Hinzufügen eines Ausrufungszeichens hervorgehoben wird, ohne dass bei diesem Wort oder auch bei dem Hinweis auf die Länge des Telefongesprächs und den Gültigkeitszeitraum irgendeine Einschränkung erkennbar wird, etwa durch Hinzufügen eines Sternchens o. ä..

Das ist aber objektiv nicht wahr. Vielmehr sollten nur die ersten zwei Minuten kostenfrei sein. Es wird also in wirtschaftlicher Hinsicht ein besonders günstiges Angebot vorgetäuscht.

Die Unwahrheit folgt daraus, dass die am rechten oberen Rand der Anzeige im 90 GradWinkel zum russischen Text in kleinster Schriftgröße nur in deutscher Sprache verfasste Korrektur mit dem Inhalt, dass offenbar "kostenlos die erste 2min Danach 20 EUR pro Verbindung zzg 2,49 EURMin" sein sollen, selbst bei genauem Betrachten der Anzeige nicht als Text, sondern höchstens als Druckfehlfarbe wahrnehmbar ist. Darüber hinaus geschieht die Art und Weise der Platzierung dieses Korrekturtextes in der Anzeige dergestalt, dass sie praktisch als aus der Anzeige herausgenommen, d. h. ohne jeden Bezug zum russischen Text erscheint. Dies gilt umso mehr, als im russischen Text keinerlei Hinweis auf eine mögliche Einschränkung oder Korrektur des eindeutigen Inhalts (zehn Minuten kostenfreies Telefonieren) erfolgt, etwa durch Hinzufügen eines Sternchens bei dem Wort "Kostenlos" oder bei dem Satz "Die Gesprächsdauer ist auf zehn Minuten eingeschränkt und nur bis zum 31. Mai gültig". Daran ändert auch nichts die vom Landgericht angeführte Äußerung, diese Einschränkung bzw. Korrektur entspreche den im Wettbewerbsrecht geltenden Grundsätzen in Schriftgröße usw.. Denn der Ort der Platzierung und die praktisch nicht mögliche Wahrnehmung infolge des mangelhaften Druckbildes - es wird allein der Eindruck eines Druckfarbfehlers erzeugt - unterscheiden sich von sogenannten zulässigen Korrekturen, auf die durch das Setzen eines Sternchens im Haupttext hingewiesen wird und die am unteren Ende eines Textes direkt unter dem Haupttext horizontal dazu erscheinen.

Für die Frage, ob der Anzeigentext wahr oder - wie hier - unwahr ist, kommt es daher nicht mehr darauf an, dass sich die russisch verfasste Anzeige in einer russischsprachigen Zeitung an einen russischsprachigen Bevölkerungsteil wendet und wenden will, bei dem die Beherrschung der deutschen Sprache und schon deren Abkürzungen im Ernstfalle nicht vorhanden ist, der sogenannte Korrekturtext hingegen in deutscher - noch nicht einmal korrekter - Sprache mit diversen deutschen Abkürzungen erscheint und daher für den Adressatenkreis der Anzeige kaum verständlich ist. Es kommt entgegen der Ansicht des Landgerichts auch nicht darauf an, ob in der Bundesrepublik die Amtssprache Deutsch ist und im deutschen Netz die vorgespannte Bandansage in deutscher Sprache geschaltet war.

Der Vorsatz, mit dem der Angeklagte gehandelt hat, folgt schon aus den objektiven Feststellungen: Fehlen eines Sternchens im Haupttext, durch das auf eine Änderung oder Einschränkung hingewiesen wird, die Platzierung außerhalb der Anzeige, sodass eine Verbindung zum Haupttext nicht erkennbar ist, und außerdem die praktisch nicht mögliche Lesbarkeit, die sogenannte Korrektur bzw. Einschränkung der Kostenlosigkeit erscheint für den Normalleser nur als Druckfarbfehler. Hinzu kommt, dass der Angeklagte die sogenannte Korrektur allein in deutscher Sprache verfasst hat, obwohl der Haupttext in russischer gehalten ist und sich an russischstämmige, russischsprechende Menschen wendet, die der deutschen Sprache nicht oder nur unvollständig mächtig sind.

Da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, kann der Senat zum Schuldspruch gemäß § 354 Abs. 1 StPO eine eigene Sachentscheidung treffen. Danach ist der Angeklagte der strafbaren Werbung gemäß § 4 Abs. 1 UWG schuldig.

Der Senat hat im Schuldspruch § 4 Abs. 1 UWG a. F. und nicht die Vorschrift des seit dem 8. Juli 2004 geltenden § 16 Abs. 1 UWG zugrundegelegt, weil § 16 Abs. 1 UWG n. F. nicht das mildere Gesetz ist (§ 2 Abs. 3 StGB).

Zum Rechtsfolgenausspruch muss hingegen das Verfahren zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Hannover zurückverwiesen werden.

Ende der Entscheidung

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