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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 20.10.2003
Aktenzeichen: 22 Ss 139/03
Rechtsgebiete: StPO, AO


Vorschriften:

StPO § 318 S. 1
AO § 371
Bei einer Verurteilung wegen eines Steuerdelikts ist die Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch nicht wirksam, wenn nach den Feststellungen eine strafbefreiende Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO in Betracht kommt.
Oberlandesgericht Celle Beschluss

22 Ss 139/03

In der Strafsache

wegen Steuerhinterziehung

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 6. kleinen Strafkammer des Landgerichts ####### vom 12. Mai 2003 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ####### sowie die Richter am Oberlandesgericht ####### und ####### am 20. Oktober 2003 beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts ####### zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hatte den Angeklagten wegen "Steuerverkürzung" in sieben Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 30 € verurteilt. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts erklärte der Angeklagte für die Jahre 1996 bis 2000 jeweils gegenüber dem Finanzamt ####### seine Einkünfte aus selbstständiger Arbeit nicht in voller Höhe und gab entweder - obwohl er steuerpflichtige Umsätze aus selbstständiger Arbeit erzielt hatte - keine oder unvollständige Umsatzsteuererklärungen ab, wodurch er für 1996 die Einkommenssteuer um 5.271 DM und die Umsatzsteuer um 3.892 DM, für 1997 die Einkommenssteuer um 10.237 DM und die Umsatzsteuer um 2.976 DM, für 1998 die Einkommenssteuer um 4.424 DM und die Umsatzsteuer um 1.142 DM, für 1999 die Einkommenssteuer um 10.055 DM und die Umsatzsteuer um 2.815 DM und für 2000 die Einkommenssteuer um 6.412 DM und die Umsatzsteuer um 2.689 DM verkürzte.

Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Landgericht mit der Maßgabe verworfen, dass dem Angeklagten gestattet wird, die Geldstrafe in monatlichen Raten von 100 € zu zahlen.

Nachdem der Angeklagte in der Berufungshauptverhandlung erklärt hatte, die Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch zu beschränken und die Staatsanwaltschaft dem zugestimmt hatte, ist das Landgericht von einer wirksamen Beschränkung der Berufung ausgegangen. Dementsprechend hat das Landgericht lediglich ergänzende Feststellungen zu den für die Strafzumessung relevanten Umständen getroffen. Unter Anderem hat die Kammer festgestellt, dass der ledige Angeklagte unbestraft ist und als Parodist monatlich etwa 1.775 € verdient, wovon 532 € Einkommenssteuer und 150 € Beitrag zur Künstlersozialkasse zu zahlen sind. Weiter hat die Kammer ausgeführt, dass der Angeklagte gegenüber dem Finanzamt hinsichtlich der abgeurteilten Taten eine Selbstanzeige erstattet hat.

Gegen das landgerichtliche Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat bereits mit der Sachrüge Erfolg, sodass es eines Eingehens auf die gleichfalls erhobene Aufklärungsrüge nicht bedarf. Die Strafkammer hat keine Feststellungen zum Schuldspruch getroffen, weil sie von einer wirksamen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ausgegangen ist. Die von dem Angeklagten erklärte Rechtsmittelbeschränkung war indes unwirksam.

Das Revisionsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob das Berufungsgericht zu Recht von einer wirksamen Berufungsbeschränkung ausgegangen ist (vgl. z. B. BGHSt. 27, 70, 72; BayObLG wistra 1992, 279, 280; BayObLG NStZ-RR 2002, 89, 90).

Grundsätzlich ist der Rechtsfolgenausspruch zwar allein anfechtbar. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn Schuldspruch und Strafzumessung so miteinander verknüpft sind, dass eine getrennte Überprüfung nicht möglich wäre, ohne den nicht angefochtenen Teil mit zu berühren (BGHSt. 33, 59; BGH NJW 1996, 2663, 2664; BayObLG NStZ-RR 2002, 89, 90). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn nach den Feststellungen völlige Straflosigkeit in Betracht kommt. Denn es ist dem Berufungsgericht untersagt, über die Rechtsfolgen einer Handlung zu befinden, die möglicherweise nicht strafbar ist (BGH NJW 1996, 2663, 2665; BayObLG wistra 1992, 279, 280). So liegt die Sache hier.

Die Strafkammer hat im Rahmen ihrer Strafzumessungserwägungen (S. 3 UA) festgestellt, dass der Angeklagte gegenüber dem Finanzamt eine Selbstanzeige vorgenommen hat. Nähere Feststellungen hat die Kammer hierzu nicht getroffen.

Das ist fehlerhaft, weil das Landgericht sich damit hätte auseinander setzen müssen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO strafbefreiende Wirkung zukam (vgl. BGHR AO § 371, Selbstanzeige Nr. 2). Dass dies offensichtlich vorliegend nicht in Betracht kam, lässt sich dem angefochtenen Urteil wegen des Fehlens jeglicher Feststellungen zu Zeitpunkt, Inhalt und Umfang der Selbstanzeige sowie zu den Voraussetzungen der Ausschließungsgründe nach § 371 Abs. 2 und 3 AO nicht entnehmen. Bei dieser Sachlage liegt eine wirksame Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch nicht vor, weil nach den Feststellungen des Landgerichts möglicherweise der Strafaufhebungsgrund des § 371 Abs. 1 AO gegeben ist und der Angeklagte straffrei sein könnte (vgl. BGH NJW 1996, 2663, 2665, zum Strafaufhebungsgrund des § 24 StGB).

Da infolge der fehlerhaften Annahme einer wirksamen Berufungsbeschränkung die Kammer zur Schuldfrage keine Feststellungen getroffen hat, unterliegt das angefochtene Urteil insgesamt der Aufhebung.

Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass die vom Amtsgericht getroffenen äußerst knappen Feststellungen zu den verschiedenen Steuerhinterziehungen keine sichere Beurteilung zulassen, ob die zugrundegelegten Taten zutreffend voneinander abgegrenzt sind.

Ende der Entscheidung

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