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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 21.03.2002
Aktenzeichen: 22 U 148/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 301
Der Erlass eines Teilurteils, mit dem ein Teil der vom Werkunternehmer geltend gemachten Werklohnforderung abgewiesen wird, ist unzulässig, wenn der Bauherr mit einer die gesamte Klageforderung übersteigenden Gegenforderung aufgerechnet hat und beide Forderungen der Höhe nach streitig sind.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

22 U 148/01 (6. ZS)

Verkündet am 21. März 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 5. März 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Oberlandesgericht ######### für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 27. Juni 2001 verkündete Teilurteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Verden aufgehoben und der Rechtsstreit, soweit das Landgericht ihn durch das Teilurteil entschieden hatte, zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Verden zurückverwiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin macht gegen das ############## (im Folgenden: Beklagte) Ansprüche auf restlichen Werklohn aus abgetretenem Recht aus einem Bauvertrag der ############## GmbH & Co KG mit der Beklagten vom 30. Mai 1994 nebst Ergänzungen bezüglich der Errichtung eines standfesten Speicherbehälters, Altlast #######, geltend.

Am 11. April 1997 erteilte die Firma ####### nach Durchführung der Arbeiten ihre Schlussrechnung über 7.436.143,94 DM (Bl. 36 - 89 SH I), auf welche die Beklagte 4.846.143,94 DM zahlte. Abzüglich akzeptierter Kürzungen sowie der Sicherheitsleistung und zuzüglich eines Teuerungszuschlages hat die Klägerin eine restliche Forderung von 1.997.561,37 DM geltend gemacht.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.997.561,37 DM nebst 11 % Zinsen von 1.855.978,76 DM seit 27. April 1998 (Klagzustellung) und von weiteren 141.582,61 DM seit dem 9. Oktober 1998 (Zustellung des Schriftsatzes vom 5. Oktober 1998) zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat nur eine rechnerische Restforderung von 742.868,31 DM anerkannt (Bd. I d. A. Bl. 61) und i. ü. wegen behaupteter Mängel und Bauverzögerungen die Aufrechnung mit behaupteten Gegenansprüchen in Höhe von ca. 2,3 Mill. DM erklärt (Bd. I d. A. Bl. 61 - 94).

Das Landgericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 8. Mai 1999 angekündigt, zunächst die Höhe der Klageforderung zu klären (Bd. I d. A. Bl. 112) und hierzu gem. Beweisbeschlüssen vom 30. Juni 1999 (Bd. II d. A. Bl. 146 - 149) und 11. Januar 2001 (Bd. III d. A. Bl. 81 f.) Beweis durch Vernehmung von Zeugen und Einholung eines Sachverständigengutachtens erhoben. Mit Teilurteil vom 27. Juni 2001 hat das Landgericht die Klage in Höhe von 991.460,01 DM abgewiesen (Bd. III d. A. Bl. 138 - 153). Zur Begründung hat es ausgeführt, unabhängig von der weiter vorzunehmenden Sachaufklärung sei die Klage nach der durchgeführten Beweisaufnahme jedenfalls in der aus dem Urteilstenor ersichtlichen Höhe nicht begründet. Am Ende der Entscheidungsgründe hat es ferner darauf hingewiesen, wegen der geltend gemachten Gegenansprüche sei weitere Sachaufklärung erforderlich. Insoweit sei ein weiterer Auflagen- und Beweisbeschluss zu erlassen. Hierbei gehe das Gericht davon aus, dass die Parteien damit einverstanden seien, dass ein solcher erst nach Rechtskraft dieses Teilurteils ergehe (LGU 16 = Bd. III d. A. Bl. 153).

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie vertritt die Ansicht, das erlassene Teilurteil sei unzulässig. Ferner behauptet sie, die Kürzung ihrer Werklohnforderung durch das Landgericht sei zu Unrecht erfolgt. Außerdem hat sie die Klage um einen Betrag von 347.542, 87 DM erhöht.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.345.104,24 DM nebst Zinsen in Höhe von 1% über dem Zinssatz der Spitzen-Finanzierungsfazilität der ####### Zentralbank zu zahlen, und zwar auf 1.855.978,76 DM seit Klagzustellung, auf weitere 141.582,61 DM seit

Zustellung des Schriftsatzes vom 5. Oktober 1998 sowie auf weitere 347.542,87 DM seit Zustellung der Berufungsbegründung (15. November 2001).

Hilfsweise regt die Klägerin an,

das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Verden zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt ferner,

durch Versäumnisurteil zu entscheiden.

Die Beklagte ist zu Händen ihres erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten am 15. November 2001 zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 5. März 2002 geladen worden (Bd. IV d. A. Bl. 213).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist begründet.

Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Rechtsstreit wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels an das Landgericht zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen (§ 539 ZPO a.F.).

Das vom Landgericht erlassene Teilurteil ist gem. § 301 Abs.1 ZPO unzulässig, weil der entschiedene Teil nicht unabhängig vom restlichen Streitstoff ist. Ein Teilurteil darf nur erlassen werden, wenn es von der Entscheidung über den Rest des Anspruchs unabhängig ist, wenn also die Gefahr widersprechender Entscheidungen, auch infolge einer abweichenden Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht, ausgeschlossen ist (BGHZ 107, 236, 242; 120, 376, 380; NJW 2000, 958, 960; 1997, 1709, 1710; OLG Hamm, NJW-RR 1989, 827, 828). Hiernach ist ein Teilurteil insbesondere auch dann unzulässig, wenn der Beklagte mit einer die gesamte Klageforderung übersteigenden Gegenforderung aufgerechnet hat und beide Forderungen der Höhe nach streitig sind (OLG Hamm, a.a.O.; Zöller, ZPO, § 301 Rdnr. 9; Kniffka/ Koeble, Kompendium des Baurechts, S. 652; einschränkend OLG Koblenz NJW-RR 1988, 532 für den - hier nicht vorliegenden - Fall eines Teilurteils, mit dem über einen Feststellungsantrag entschieden wird, wenn die Aufrechnung mit einer den Zahlungsantrag übersteigenden Gegenforderung erklärt wurde und beide Klagebegehren auf demselben Schadensereignis beruhen).

Im vorliegenden Fall besteht die Gefahr einander widersprechender rechtskräftiger Entscheidungen über die von der Beklagten zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen. Falls das Berufungsgericht entgegen der Auffassung des Landgerichts die Klage in dem durch das Teilurteil abgewiesenen Bereich (gegebenenfalls auch nur teilweise) für begründet halten sollte, müsste über die zur Aufrechnung gestellten Forderungen entschieden werden. Hierüber hätte aber auch das Landgericht zu erkennen, soweit es wegen des bei ihm rechtshängig gebliebenen Teils der Klage nunmehr über die Berechtigung der zur Aufrechnung gestellten Forderungen entscheiden müsste.

Soweit das Landgericht dies dadurch zu verhindern sucht, dass es entsprechend der Ankündigung im Urteil das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Teilurteil nicht weiter betreibt, insbesondere den angekündigten Auflagen- und Beweisbeschluss bezüglich der Berechtigung der Gegenforderungen nicht erlässt, ist diese Verfahrensweise unzulässig. Das vom Landgericht unterstellte Einverständnis der Parteien mit dieser Vorgehensweise liegt nicht vor. In erster Instanz ist ein derartiges Einverständnis nicht erklärt worden. In zweiter Instanz hat die Klägerin dieser Verfahrensweise ausdrücklich widersprochen (Bd. IV dA Bl.191f.). Ohne Einverständnis der Parteien mit einer derartigen Aussetzung bzw. einem Ruhen des Verfahrens gem. § 251a ZPO kommt eine derartige Vorgehensweise aber nicht in Betracht.

Eine eigene Sachentscheidung des Senats gem. § 540 ZPO a. F. ist nicht sachdienlich. Hierzu müsste der Senat auch den in erster Instanz anhängigen Teil "an sich ziehen" und über diesen mitentscheiden (vgl. BGH NJW 1987, 441; OLG Hamm, a. a. O.). Das würde den Parteien indessen nicht nur eine Instanz nehmen, sondern entspräche auch nicht der Prozessökonomie, da vermutlich jedenfalls bezüglich der zur Aufrechnung gestellten Forderungen eine Beweisaufnahme erforderlich wäre. Auch der Erlass eines Grundurteils durch den Senat kommt beim derzeitigen Verfahrensstand nicht in Betracht, da den eingeklagten ca. 2 Mill. DM aufrechenbare Gegenforderungen von ca. 2,3 Mill. DM gegenüber gestellt werden.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO n. F. für die Zulassung der Revision nicht erfüllt sind.

Ende der Entscheidung

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