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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 23.08.2006
Aktenzeichen: 22 W 57/06
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 62 Abs 3 Satz 2
Gibt der von Abschiebungshaft Betroffene sein die Abschiebung verhinderndes Verhalten im Sinne von § 62 Abs. 3 Satz 2 AufenthG auf, kann die Haft von diesem Zeitpunkt an jedenfalls nicht über sechs Monate hinaus aufrechterhalten werden, sofern das entsprechende Verhinderungsverhalten für ein Fehlschlagen der Abschiebung nicht mehr ursächlich ist.
22 W 57/06

Beschluss

In der Abschiebehaftsache

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die weitere sofortige Beschwerde des Betroffenen vom 20. Juli 2006 gegen den Beschluss des Landgerichts Hannover vom 5. Juli 2006 durch den Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Oberlandesgericht ####### am 23. August 2006 beschlossen:

Tenor:

Dem Betroffenen wird für das Verfahren der weiteren sofortigen Beschwerde Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt F. aus H. bewilligt.

Der Beschluss des Landgerichts Hannover vom 5. Juli 2006 sowie der Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 13. Juni 2006 werden aufgehoben, soweit hiermit die Abschiebungshaft über den 10. Juli 2006 hinaus angeordnet worden war.

Im Übrigen wird die weitere sofortige Beschwerde des Betroffenen zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens sowie außergerichtliche Kosten des Betroffenen werden der Beteiligten zur Hälfte auferlegt. Im Übrigen trägt der Betroffene die Kosten sowie seine außergerichtlichen Kosten.

Der Beschwerdewert wird auf 3.000, Euro festgesetzt.

Gründe:

1. Der Betroffene wendet sich mit seinem Rechtsmittel gegen einen Beschluss des Landgerichts Hannover vom 5. Juli 2006, mit welchem seine sofortige Beschwerde gegen einen die Anordnung der Abschiebungshaft verlängernden Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 13. Juni 2006 zurückgewiesen wurde.

2. Die weitere sofortige Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache teilweise Erfolg.

Die Fortdauer der Abschiebungshaft ist rechtswidrig, soweit sie über den 10. Juli 2006 hinaus angeordnet bzw. aufrechterhalten worden war. Der Betroffene hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die angefochtene Entscheidung gegen die Vorschrift des § 62 Abs. 3 Satz 1 und 2 AufenthG verstößt.

Nach dieser Vorschrift darf die Sicherungshaft grundsätzlich bis zu einer Dauer von sechs Monaten angeordnet werden. Eine Verlängerung über den Zeitraum von sechs Monaten hinaus kommt nur in Betracht, wenn der Betroffene seine Abschiebung verhindert. Ein Verhindern in diesem Sinne ist anzunehmen, wenn wie (zunächst) vorliegend der Betroffene seine gebotene Mitwirkung am Beschaffen erforderlicher Personaldokumente verhindert (vgl. nur Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl., § 62 Rn. 23), etwa durch die Angabe falscher Personalien. Hieraus folgt aber nicht, dass bei anfänglichem Verweigern der gebotenen Mitwirkung die Abschiebungshaft stets über den Zeitraum von sechs Monaten hinaus bis zur Höchstfrist angeordnet bzw. aufrechterhalten werden darf. Vielmehr stellt die Vorschrift des § 62 Abs. 3 AufenthG eine besondere Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar und muss das Verhalten des Betroffenen ursächlich für die Nichtabschiebung sein bzw. bleiben, um eine Verlängerung der Haft über einen Zeitraum von sechs Monaten hinaus zu rechtfertigen (Renner a.a.O.). Gibt der Betroffene nach anfänglich fehlender Mitwirkung sein verweigerndes Verhalten aber auf und ist sein ursprüngliches Verhinderungsverhalten nicht mehr ursächlich im Sinne von § 62 Abs. 3 Satz 2 AufenthG, kann hiernach die Haft nicht über einen Zeitraum von sechs Monaten hinaus angeordnet bzw. aufrechterhalten werden (vgl. hierzu OLG Hamm vom 12.2.2001, 19 W 21/01; BayObLG NVwZ 2001, Beilage I S. 14; Saarl. OLG vom 1.7.1999, 5 W 198/99; Melchior, www.abschiebungshaft.de, Kommentar, zu § 57 Abs. 3 Satz 2 AuslG). Denn auch bei ursprünglich zutreffenden Angaben würde die Abschiebungshaft nicht über einen Zeitraum von sechs Monaten hinaus aufrechterhalten werden können.

Nach den vom Landgericht nunmehr getroffenen Feststellungen hat der Betroffene im Januar 2006 Angaben zu seinen Personalien gemacht, die in der Folge zu seiner Identifizierung geführt haben. Aus dem dem Senat im Verfahren der weiteren sofortigen Beschwerde zugänglichen Protokoll der Anhörung vor dem Amtsgericht Hannover vom 13. Juni 2006 (Bl. 30 ff. d.A.) geht hervor, dass diese Angaben am 10. Januar 2006 vor dem Amtsgericht Kassel erfolgt sind. Hiernach hat der Betroffene sein anfänglich verweigerndes Verhalten aufgegeben mit der Folge, dass nach den zuvor genannten Erwägungen von diesem Zeitpunkt an die Haft nicht über einen Zeitraum von sechs Monaten aufrechterhalten werden kann.

Anderes würde nur dann gelten, wenn die anfängliche Weigerung an einer Mitwirkung auch nach Ablauf von sechs Monaten noch fortwirkt, mithin noch ursächlich dafür ist, dass die Abschiebung bislang nicht hat durchgeführt werden können. Für diese Annahme besteht vorliegend aber kein hinreichender Anhalt. Dass erforderliche Unterlagen aus Aserbaidschan bislang nicht vorliegen, hat jedenfalls zum derzeitigen Zeitpunkt nicht der Betroffene zu verantworten.

Der Betroffene ist demnach mit sofortiger Wirkung aus der Abschiebungshaft zu entlassen.

3. Im Übrigen hat die weitere sofortige Beschwerde hingegen keinen Erfolg.

Soweit die Haft bis zum 10. Juli 2006 betroffen ist, hält die angefochtene Entscheidung des Landgerichts der auf die weitere sofortige Beschwerde hin vorzunehmenden rechtlichen Nachprüfung nach § 27 Abs. 1 FGG stand. Die Entscheidung beruht insoweit nicht auf einer Verletzung des Gesetzes. Das Landgericht ist rechtlich beanstandungsfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die vom Amtsgericht angeordnete Verlängerung der Abschiebungshaft insoweit verfahrensfehlerfrei zustande gekommen und auch sonst aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist. Auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung kann zum Vermeiden von Wiederholungen insoweit Bezug genommen werden.

Auch das Vorbringen im Rahmen der weiteren sofortigen Beschwerde führt zu keiner anderen Bewertung.

Soweit der Betroffene erneut vorbringt, es fehle mangels Zustellung des verwaltungsgerichtlichen Urteils an einer vollziehbaren Ausreisepflicht, hat der Senat bereits mit Beschluss vom 15. Mai 2006 hierzu abschließend Stellung genommen. Gründe, diese Entscheidung in Frage zu stellen, liegen auch in Anbetracht des jetzigen Vorbringens nicht vor.

Soweit der Betroffene vorträgt, er habe sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des aserbaidschanischen Staatsangehörigkeitsgesetzes nicht dort aufgehalten, ist dies in tatsächlicher Hinsicht neuer und im Verfahren der weiteren sofortigen Beschwerde daher grundsätzlich unbeachtlicher Vortrag (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Juli 2005, 22 W 40/06) und betrifft mit der Frage nach der hiernach herzuleitenden Staatszugehörigkeit des Betroffenen in rechtlicher Hinsicht eine allein verwaltungsrechtliche Vorfrage, die im Haftverfahren vor den ordentlichen Gerichten daher nicht zu klären ist (vgl. nur Senatsbeschluss vom 12. Juni 2006, 22 W 19/06). Neu und daher für den Senat unbeachtlich ist ebenfalls das Vorbringen im Hinblick auf die aserbaidschanischen Melderegister. Ein Verstoß gegen die Aufklärungspflicht lässt sich hieraus ebenfalls nicht herleiten.

4. Da Erfolgsaussichten für das Verfahren der weiteren sofortigen Beschwerde bestanden, war hierfür wie beantragt Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Fahlbusch aus Hannover zu bewilligen, §§ 14 FGG, 114 ZPO.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 13 a FGG, 16 FreihEntzG. Aufgrund des teilweisen Erfolges des Rechtsmittels war eine Kostenquotelung vorzunehmen, die der Senat nach billigem Ermessen zu gleichen Teilen bestimmt. Nach den zum Erfolg des Rechtsmittels dargelegten Erwägungen bestand für die Beteiligte kein Anlass im Sinne von § 16 FreihEntzG, die Fortdauer der Haft über den Zeitraum des 10. Juli 2006 hinaus zu beantragen.

Ende der Entscheidung

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