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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 13.05.2009
Aktenzeichen: 3 U 137/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 280
Zu den Sorgfaltspflichten des professionellen Vermögensverwalters, insbesondere beim Einsatz der Derivaten.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

3 U 137/08

Verkündet am 13. Mai 2009

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 29. April 2009 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ..., der Richterin am Oberlandesgericht ... sowie des Richters am Oberlandesgericht ... für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 28. Mai 2008 verkündete Urteil der 22. Zivilkammer des Landgerichts Hannover geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 787.000,40 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %Punkten über den Basiszinssatz auf 621.760,50 EUR seit dem 26. September 2007 sowie auf weitere 165.239,90 EUR seit dem 4. September 2008 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe eines die vollstreckbare Forderung um 10 % übersteigenden Betrages abzuwenden, soweit nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit leistet, die die jeweils zu vollstreckende Forderung um 10 % übersteigt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch. Sie begehrt den Ausgleich eines Verlustes in Höhe von 787.000,40 EUR, der ihr im Zusammenhang mit Optionsgeschäften, die die Beklagte für das Sondervermögen N.Fonds der Klägerin abgeschlossen hatte, entstanden ist.

Die Parteien sowie die X. Bank schlossen im August 2005 einen Rahmenvertrag betreffend die Verwaltung des Sondervermögens N.Fonds durch die Beklagte. Die Klägerin war einzige Anlegerin des Sondervermögens, für das die X. Bank als Depotbank nach §§ 20 ff. Investmentgesetz (InVG) fungierte. Dem Rahmenvertrag lagen Allgemeine Vertragsbedingungen (AVB) und besondere Vertragsbedingungen (BVB) zugrunde. Nach § 1 AVB unterlag die Beklagte den Vorschriften des Investmentgesetzes. § 3 AVB regelte hinsichtlich der Fondsverwaltung:

"1. Die Gesellschaft erwirbt und verwaltet die Vermögensgegenstände in eigenem Namen für gemeinschaftliche Rechnung der Anleger mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes. Sie handelt bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben unabhängig von der Depotbank und ausschließlich im Interesse der Anleger und der Integrität des Marktes.

2. Die Gesellschaft ist berechtigt, mit dem von den Anlegern eingelegten Geld Vermögensgegenstände zu erwerben, diese wieder zu veräußern und den Erlös anderweitig anzulegen. sie ist ferner ermächtigt, alle sich aus der Verwaltung der Vermögensgegenstände ergebenden sonstigen Rechtshandlungen vorzunehmen."

Konkretisierend hierzu bestimmt § 9 AVB hinsichtlich des Handelns mit Derivaten:

"Die Gesellschaft bestimmt in den besonderen Vertragsbedingungen, ob und in welchem Umfang und mit welchem Zweck für Rechnung des Sondervermögens Geschäfte in Derivaten getätigt werden dürfen. Beim Einsatz von Derivaten wird die Gesellschaft die gemäß § 51 Abs. 3 InvG erlassene Rechtsverordnung über Risikomanagement und Risikomessung in Sondervermögen nach dem Investmentgesetz beachten."

Nach § 5 der Besonderen Vertragsbedingungen war die Beklagte berechtigt, im Rahmen der Verwaltung des Sondervermögens Derivate einzusetzen, und zwar - so § 5 Nr. 3 der Besonderen Vertragsbedingungen - in jegliche Derivate, mit Ausnahme von Derivaten auf Schuldscheindarlehen gemäß § 52 Nr. 4 zu investieren, die von Vermögensgegenständen, die gemäß § 2 Nr. 1, 2, 4, 5 und 6 für das Sondervermögen erworben werden dürfen oder von anerkannten Finanzindizes, Zinssätzen, Wechselkursen oder Währungen abgeleitet sind. Ziel des Einsatzes von Derivaten (so § 5 Nr. 5 der Besonderen Vertragsbedingungen) war deren Einsatz zum Zweck der Absicherung, der effizienten Portfolio-Steuerung und der Erzielung von Zusatzerträgen.

Gemäß den Anlagerichtlinien für das Kalenderjahr 2007 war die Beklagte berechtigt, bei Optionsgeschäften alle short- und long-Positionen einzugehen.

Die Klägerin wirft der Beklagten vor, beim Kauf von A.Aktien sowie damit in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Optionsgeschäften im Jahr 2007 gegen die vertraglichen Vereinbarungen verstoßen zu haben. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Im September 2006 veräußerte die A. AG für einen Gesamtkaufpreis von 4,7 Mrd. EUR ihr Pharmageschäft. Mit adhoc Mitteilung vom 13. März 2007 gab die A. AG bekannt, dass der Aufsichtsrat einem Vorschlag des Vorstandes zugestimmt habe, den Erlös aus dem Verkauf der Pharmasparte zur Ausschüttung einer Sonderdividende in Höhe von 33 EUR nebst Bonusdividende in Höhe von 0,50 EUR zuzüglich zur ordentlichen Dividende von 1,30 EUR zu verwenden. Die Dividende sollte am 3. Mai 2007 ausgeschüttet, ab dem 4. Mai 2007 sollte die Aktie ohne Dividendenrecht gehandelt werden. In unmittelbarer Folge darauf teilte die Terminbörse Eurex mit Rundschreiben vom 14. März 2007 mit, dass die Dividendenausschüttung der A. AG zu einer Anpassung der Eurex-Optionen auf Aktien der A. AG führen werde. Grundlage für die Anpassung sollte der Schlussauktionspreis der A.Aktie am 3. Mai 2007 sein. Entsprechende Berechnungsmuster wurden zur Information mit veröffentlicht.

Die Beklagte erwarb daraufhin für das von ihr für die Klägerin verwaltete Sondervermögen in der Zeit vom 24. bis zum 30. April 2007 insgesamt 40.000 Aktien der A. AG. Die Einstandspreise bewegten sich in einer Spanne zwischen 52,05 EUR und 54,60 EUR. Zugleich verkaufte die Beklagte call-Optionen über den Bestand der 40.000 Aktien zu Basispreisen zwischen 52 und 54 EUR, wodurch das Sondervermögen verpflichtet wurde, eine entsprechende Anzahl von Aktien bis zum Verfallstag am 18. Mai 2007 zu liefern. Hierdurch wurden Optionsprämien in Höhe von 119.378,43 EUR erzielt.

Am 3. Mai 2007 beschloss die Hauptversammlung der A. AG entsprechend der Ankündigung vom 13. März 2007 die Ausschüttung von Dividenden einschließlich der Sonder und Bonusdividende. Die Hauptversammlung endete um 15:48 Uhr. Bis zum Handelsschluss fanden Verkäufe von A.Aktien in einer Größenordnung von 31 Mio. Aktien statt, was etwa 20 % des Grundkapitals der Aktiengesellschaft ausmachte. Dies führte zu einem Kursverlust der Aktie um ca. 10 %, die zum Schluss des Handelstages mit 46,56 EUR notierte. Bereinigt um die Dividende ergab sich damit ein rechnerischer Preis von 11,76 EUR. Bei Eröffnung der Börse am Folgetag stieg der Kurs massiv an, lag zunächst bei 16,99 EUR und erhöhte sich weiter. Entsprechend der Ankündigung der Eurex-Terminbörse erfolgte zudem die Anpassung der bestehenden Optionskontrakte mit der Folge, dass der Basispreis von ursprünglich 52 EUR auf 13,50 EUR bzw. von 54 EUR auf 14,03 EUR angepasst wurde. Ebenfalls erfolgte die Anpassung der Anzahl der Optionen unter dem jeweiligen Optionskontrakt. Hieraus ergab sich ein Bezugsverhältnis von 384,98 Aktien je call anstelle von zuvor 100 Aktien. Für das von der Beklagten verwaltete Sondervermögen folgte hieraus die Verpflichtung zur Lieferung von insgesamt 153.959 A.Aktien zu den genannten Basispreisen. Die Beklagte, die für das Sondervermögen lediglich über 40.000 Aktien verfügte, veräußerte diese und deckte die von ihr eingegangenen Lieferverpflichtungen durch Kauf von call-Optionen zum Preis von insgesamt 951.298,51 EUR.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe durch das Optionsgeschäft gegen ihre Verpflichtungen aus § 9 AVB i. V. m. § 4 der Derivateverordnung verstoßen. Insbesondere habe es die Beklagte versäumt, die Entstehung einer ungedeckten Lieferverpflichtung für das Sondervermögen zu verhindern. Noch am 3. Mai 2007 sei eine Glattstellung des Geschäfts zu deutlich günstigeren Konditionen möglich gewesen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich unter Berücksichtigung der Aufwendungen, die erforderlich gewesen wären, um durch den Kauf von call-Optionen noch am 3. Mai 2007 die eingegangenen Lieferverpflichtungen sicherzustellen, einen Schaden in Höhe von 621.760,56 EUR ermittelt und beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 621.760,50 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %Punkten über den Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, nach den vertraglichen Verpflichtungen habe keinerlei Zweckbeschränkung für den Einsatz von Optionen bestanden. Auch liege kein Verstoß gegen das Leerverkaufsverbot des § 59 InvG vor. Vielmehr ergebe sich aus dieser Regelung, dass sie nicht verpflichtet gewesen sei, während der gesamten Laufzeit der Option die entsprechenden Basiswerte im Bestand zu halten.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, es fehle an einer vorwerfbaren Pflichtverletzung der Beklagten. Wie die Beklagte zutreffend geltend gemacht habe, sei es nach § 59 InvG nicht verboten, während des Laufs einer Optionsfrist Leerpositionen entstehen zu lassen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft und insbesondere die Auffassung vertritt, im Hinblick auf die von der Eurex-Terminbörse angekündigten Anpassungen der Basispreise und Bezugsrechte hätte die Beklagte nur in einem solchen Umfang Lieferverpflichtungen aus Optionsgeschäften eingehen dürfen, wie unter Berücksichtigung der Kontraktänderungen A.Aktien im Vermögensbestand vorhanden waren. Aufgrund steuerlicher Erwägungen sei mit einem massiven Verkauf von A.Aktien vor Ausschüttung der Sonderdividenden und einem nachfolgenden, durch Rückkäufe bedingten Ansteigen des Kurses der A.Aktie zu rechnen gewesen. Ihren Schaden beziffert die Klägerin nunmehr mit dem Verlust, der ihr insgesamt durch das Engagement in A.Aktien und die hiermit im Zusammenhang stehenden Optionsgeschäfte entstanden ist.

Sie beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 787.000,40 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %Punkten über dem Basiszinssatz aus 621.760,50 EUR seit Rechtshängigkeit sowie aus 165.239,90 EUR seit dem 4. September 2008 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags das angefochtene Urteil und vertritt die Auffassung, die Kursentwicklung der A.Aktie sei zu keinem Zeitpunkt objektiv vorhersehbar gewesen. Nach den zwischen den Parteien vereinbarten Anlagerichtlinien seien Optionsgeschäfte, die immer spekulativen Charakter hätten, zulässig gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, wegen des Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. sie hat auch in der Sache Erfolg. Der Klägerin stehen gegen die Beklagte Ansprüche auf Schadensersatz gemäß § 280 Abs. 1 i. V. m. § 675 BGB in Höhe von insgesamt 787.000,40 EUR zu.

1. Nach den für die Beziehung der Parteien maßgeblichen vertraglichen Regelungen war die Beklagte zwar gemäß § 4 AVB i. V. m. § 2 BVB berechtigt, für die Klägerin Wertpapiere i. S. v. § 47 InvG, also insbesondere neben Aktien auch Derivate gemäß § 51 InvG zu erwerben. In Konkretisierung zu § 9 der Allgemeinen Vertragsbedingungen (Bestimmung zu Derivaten) heißt es in § 5 Nr. 3 der Besonderen Vertragsbedingungen, dass für den - unstreitig vorliegenden - Fall des Einsatzes von Derivaten unter Nutzung des qualifizierten Ansatzes im Sinne der Derivateverordnung es der Beklagten gestattet war, für das Sondervermögen in Derivate zu investieren, wobei sie aber Derivate zum Zweck der Absicherung, der effizienten Portfolio-Steuerung und der Erzielung von Zusatzerträgen einzusetzen hatte. Gegen diese vertraglichen Vereinbarungen hat die Beklagte verstoßen.

a) Zwar liegt dem Wortlaut nach kein Verstoß gegen § 5 Nr. 2 der Besonderen Vertragsbedingungen vor. Die Beklagte hat bei Abschluss der Optionsgeschäfte in der Zeit vom 24. bis zum 30. April 2007 den nach § 5 Nr. 3 BVB zulässigen Risikobereich nicht überschritten. Auch gegen die für das Jahr 2007 vereinbarten Anlagerichtlinien ist insoweit dem Wortlaut nach nicht verstoßen. Hierin heißt es, dass die Beklagte berechtigt sei, alle short- und long-Positionen einzugehen.

b) Bei wörtlicher Auslegung liegt auch kein Verstoß der Beklagten gegen die nach § 9 AVB zu beachtenden Bestimmungen der Derivateverordnung vor. Danach (§ 3 Derivateverordnung) durfte die Beklagte durch den Abschluss von Optionsgeschäften nicht gegen das in § 59 InvG normierte Leerverkaufsverbot verstoßen. Zudem musste sichergestellt sein (§ 4 Derivateverordnung), dass die Beklagte allen für Rechnung eines Sondervermögens eingegangenen, bedingten und unbedingten Liefer und Zahlungsverpflichtungen aus Derivaten in vollem Umfang nachkommen konnte. An einem Verstoß gegen diese Regelung fehlt es bei wörtlicher Auslegung ebenfalls, da die Beklagte bei Abschluss des Optionsgeschäftes die sich hieraus ergebende Verpflichtung, 40.000 A.Aktien zu liefern, aus dem vorhandenen Depotbestand erfüllen konnte.

c) Eine solche, auf den Wortlaut der Vertragsbedingungen abstellende, rein formale Betrachtungsweise berücksichtigt jedoch nicht in der gebotenen Weise den zwischen den Parteien mit Abschluss des Vertrages über die Verwaltung des Sondervermögens vereinbarten Zweck. Ziel der Vermögensverwaltungsvereinbarung war es, das Sondervermögen für die Klägerin bestmöglich zu verwalten. Hierbei hatte die Beklagte mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes zu handeln. Soweit sie zu dem vereinbarten Zweck Geschäfte in Derivaten tätigte, sollte dies zur Absicherung, der effizienten Portfolio-Steuerung und der Erzielung von Sondererträgen erfolgen. Dementsprechend war, wie ausgeführt, das Leerverkaufsverbot nach § 51 InvG zu beachten.

Vorliegend hat die Beklagte in der Zeit vom 24. bis zum 30. April 2007 zunächst 40.000 A.Aktien erworben. Der Erwerb erfolgte zu einem Zeitpunkt, zu dem bereits aufgrund der adhoc Mitteilung der A. AG bekannt war, dass diese ihr Pharmageschäft, das den ganz wesentlichen Teil ihrer Geschäftsaktivitäten ausgemacht hatte, für einen Betrag von 4,7 Mrd. EUR veräußert hatte und die erzielten Erlöse in Form einer Sonderdividende an die Aktionäre weitergereicht werden sollte. Dabei war aufgrund der Aktionärsstruktur der A. AG, bei der Frau S. K. über die ihr gehörende Sa. GmbH über mehr als 50 % der Stimmrechte verfügte, als sicher vorauszusehen, dass die Hauptversammlung dem Vorschlag zur Ausschüttung der Sonderdividende zustimmen würde.

Die Mitteilung des Vorstandes der A. AG vom 13. März 2007 führte bereits am Folgetag, den 14. März 2007 zu dem Rundschreiben der Terminbörse Eurex, mit dem diese auf die Anpassung nicht nur der Basispreise, sondern auch der Kontraktgrößen hinwies. Danach war sicher voraussehbar, dass es nicht nur zu einer rechnerisch vorzunehmenden Anpassung der Optionspreise kommen würde, sondern auch zu einer Vervielfachung der bei call-Optionen bestehenden Lieferverpflichtungen, und zwar mit einem Faktor von - rechnerisch ermittelbar - 3,5 bis 4.

In Kenntnis dieser Sachlage hat die Beklagte nicht nur im genannten Zeitraum 40.000 A.Aktien erworben, sondern sogleich durch den Verkauf von 40.000 call-Optionen das Sondervermögen verpflichtet, bis zum Verfalltag am 18. Mai - mithin bis ca. zwei Wochen nach der Hauptversammlung - eine entsprechende Anzahl von Aktien zu liefern. Die Beklagte wusste mithin bereits bei Abschluss dieses Optionsgeschäftes, dass sie sich, sollte die Option nach der Hauptversammlung der A. AG ausgeübt werden, zur Lieferung von Aktien in einem Umfang von geschätzt 140.000 bis 160.000 A.Aktien verpflichtete. Bereits mit Abschluss des Optionsgeschäfts geriet damit das von der Beklagten verwaltete Sondervermögen in eine Situation, die ohne jedes weitere eigene Zutun der Beklagten in eine Leerverkaufsposition führte. Mit dem Beschluss der Hauptversammlung der A. AG zur Ausschüttung der Sonderdividende ergab sich für das Sondervermögen der Klägerin aus dem Optionsgeschäft die Gefahr, über die im Bestand befindlichen 40.000 A.Aktien hinaus weitere 100.000 bis 120.000 Stück A.Aktien liefern zu müssen.

Durch § 59 InvG war es der Beklagten untersagt, Vermögensgegenstände zu verkaufen, wenn diese im Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses nicht zum Sondervermögen gehörten. Mit dieser in die Vertragsvereinbarungen der Prozessparteien einbezogenen Regelung soll verhindert werden, dass der Vermögensverwalter durch reine Spekulationsgeschäfte das von ihm verwaltete Vermögen mit besonderen Risiken belastete und zu Leistungen verpflichtete, für die der konkrete Aufwand bei Abschluss des Geschäfts nicht einzuschätzen war. Anders als in den Fällen, in denen sich der Vermögensverwalter im Rahmen einer laufenden, durch den physischen Aktienbestand gedeckten Lieferverpflichtung aufgrund der Kursentwicklung, also der Beobachtung des Marktes dazu entschließt, den vorhandenen Aktienbestand zu veräußern (und in der Regel durch den günstigeren Kauf von call-Optionen die mögliche Lieferverpflichtung absichert, was insbesondere dann in Betracht kommt, wenn aufgrund einer negativen Kursentwicklung mit einer Ausübung der Option nicht zu rechnen und der Verkauf angezeigt ist, um Verluste infolge eines weiteren Kursverfalls zu begrenzen), geriet durch das von der Beklagten abgeschlossene Optionsgeschäft das Sondervermögen, ohne dass die Beklagte dies hätte verhindern oder beeinflussen können, in die Gefahr einer durch den vorhandenen Aktienbestand nicht gedeckten Lieferverpflichtung und damit in eine Situation, deren Eingehung § 59 InvG verbietet.

2. Unabhängig hiervon hat die Beklagte mit dem Abschluss des Optionsgeschäftes auch gegen ihre sich aus § 3 der Allgemeinen Vertragsbedingungen ergebende Pflicht, das Sondervermögen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes zu verwalten, verstoßen. Danach war die Beklagte verpflichtet, im Rahmen der Verwaltung des Vermögens diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die ein gewissenhafter und umsichtiger Angehöriger des Gewerbes für erforderlich halten muss, um seinen Geschäftspartner vor Schaden zu bewahren. Daher schuldete die Beklagte eine professionelle Vermögensverwaltung, bei der sie die ihr zur Verfügung stehenden Informationsmittel in vollem Umfang einsetzte und die Maßnahmen ergriff, die nach dem sachkundigen Urteil eines wirtschaftlich denkenden Vermögensverwalters zu erwarten waren. Die Beklagte hatte dabei zur Einhaltung der Anlagerichtlinien und zur Erreichung des Anlageziels eine fortlaufende Überwachung der Märkte und der Finanzinstrumente sicherzustellen. Vereinbarten Anlagerichtlinien musste sie Folge leisten (vgl. BGHZ 137, 69, 73).

In Ausfüllung dieser Regelungen enthält § 5 Nr. 5 der Besonderen Vertragsbedingungen die zitierten Zweckbestimmungen beim Einsatz von Derivaten. Dies bedeutet, dass auch bei Geschäften mit Derivaten, die zwangsläufig einen spekulativen Charakter in sich tragen, deren Einsatz auf den Zweck der Absicherung, der effizienten Portfolio-Steuerung und der Erzielung von Zusatzerträgen gerichtet sein musste. Reine Risikogeschäfte, wie sie etwa Leerverkäufe darstellen, sollten auch hiernach im Verhältnis der Parteien vermieden werden.

Gegen diese vertraglichen Verpflichtungen hat die Beklagte ebenfalls verstoßen. Dabei kann dahinstehen, ob und in welchem Umfang die am Tag der Hauptversammlung und am Folgetag infolge der Ausschüttung der Sonderdividende eingetretene Kursentwicklung für die Beklagte voraussehbar war. Zwar sprechen die von der Klägerin vorgetragenen, in sich schlüssigen und nachvollziehbaren steuerlichen Aspekte für die Annahme, dass sich insbesondere Privatanleger wegen der für sie negativen steuerlichen Behandlung einer hohen Dividendenausschüttung jedenfalls vorübergehend von A.Aktien trennen würden und damit für die Richtigkeit der Darstellung der Klägerin, dass mit einem erheblichen Verkaufsdruck vor und einem Rückkauf nach Ausschüttung der Sonderdividende und jedenfalls tendenziell einer Preisentwicklung für die A.Aktie, wie sie tatsächlich eingetreten ist, zu rechnen war.

Letztlich kann dies jedoch dahinstehen. Gegen die Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Kaufmannes bei der Verwaltung fremden Vermögens hat die Beklagte - wenn nicht schon durch den Kauf der A.Aktien selbst - so doch jedenfalls durch das getätigte Optionsgeschäft deshalb verstoßen, weil es sich bei der Ausschüttung einer Sonderdividende, die ca. 2/3 des Aktienkurses ausmachte, und den damit verbundenen Anpassungen des Aktienkurses sowie der Optionskurse, insbesondere aber der Vervielfachung der sich aus call-Optionen ergebenden Lieferverpflichtungen um einen Sonderfall handelte, für den es - jedenfalls im beschriebenen Umfang - im deutschen Börsengeschäft an jeglichen Vergleichsfällen fehlte. Für die Anlageentscheidung der Aktieninhaber und damit unmittelbar verbunden die Entwicklung der Aktienkurse fehlte es an jeglichen Erfahrungswerten. Schon aus diesem Grund war bereits der Kauf der Aktie selbst mit einem besonderen, nur schwer zu kalkulierenden Risiko verbunden. Erst recht galt dies für den Abschluss von Optionsgeschäften durch Eingehung von Lieferverpflichtungen für einen Aktienbestand, der im Sondervermögen nicht vorhanden war und dessen Beschaffung zu einem gesicherten Preis - etwa durch Verschaffung eigener Lieferansprüche aus Optionsgeschäften - nicht abgedeckt war.

Die Beklagte hat auch im laufenden Prozess in keiner Weise die Erwägungen, die den von ihr eingegangenen Geschäften zugrunde lagen, nachvollziehbar dargelegt. Insbesondere ist in keiner Weise deutlich geworden, ob und inwieweit sie die aufgrund der Sonderausschüttung sich ergebenden besonderen Risiken erkannt, diese bewertet und bei ihren Anlageentscheidungen berücksichtigt hat.

3. Die Klägerin hat durch die Pflichtverletzung der Beklagten einen Schaden in Höhe von (jedenfalls) 787.000,40 EUR erlitten. Da die Pflichtverletzung der Beklagten im Abschluss des Optionsgeschäftes liegt, hat sie der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der durch die Abwicklung des Optionsgeschäftes entstanden ist. Dieser Schaden ergibt sich aus der Differenz zwischen den erzielten Optionsprämien einerseits in Höhe von 119.378,43 EUR und dem Aufwand für den Kauf der call-Optionen andererseits in Höhe von 951.298,51 EUR. Der von der Klägerin geltend gemachte Schaden, die sich ihrerseits den Vorteil aus dem reinen Aktiengeschäft anrechnet, ist damit in vollem Umfang zu ersetzen.

4. Ein Mitverschulden der Klägerin kommt nicht in Betracht. Insbesondere waren die Mitglieder der Klägerin im Anlageausschuss nicht gehalten, auf den Kauf der A.Aktien und die in diesem Zusammenhang geschlossenen Optionsgeschäfte Einfluss zu nehmen. Der Anlageausschuss tagt, was die Parteivertreter in der mündlichen Verhandlung dem Senat übereinstimmend erläutert haben, in der Regel zweimal jährlich, um grundlegende Richtlinien zu erarbeiten. Eingriffe in Einzelpositionen des Tagesgeschäfts nimmt der Anlageausschuss nicht vor.

5. Die Klägerin ist berechtigt, Zahlung an sich selbst zu verlangen. Das - allein aus ihrem Vermögen gebildete - Sondervermögen des N.Fonds besteht nicht mehr, ist vielmehr aufgelöst. Mit der Rückführung des Fondsvermögens in das Vermögen der Klägerin ist diese selbst unmittelbar mit dem dem Fondsvermögen entstandenen Schaden belastet.

III.

Der Zinsanspruch folgt aus § 291 BGB. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen die Revision zuzulassen ist (§ 543 Abs. 2 ZPO), sind im Hinblick darauf, dass die Entscheidung des Senats Pflichten des Vermögensverwalters in einem Einzelfall betrifft, nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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