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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 02.03.2005
Aktenzeichen: 3 U 233/04
Rechtsgebiete: BNotO


Vorschriften:

BNotO § 19 I
Beim Kauf eines bebauten Grundstücks, das durch Teilung des Grundstücks die bestehende Anbindung an eine öffentliche Straße verliert, ist der beurkundende Notar gem. § 17 I BeurkG gehalten, mit den Vertragsbeteiligten die Lage der vorhandenen Versorgungsleitungen zu erörtern.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

3 U 233/04

Verkündet am 2. März 2005

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 26. Januar 2005 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ... sowie der Richter am Oberlandesgericht ... und ... für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 29. Juli 2004 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Stade teilweise geändert und unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels der Klägerin insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10.203,02 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. März 2003 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin 2/5, dem Beklagten 3/5 auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Die Klägerin nimmt den beklagten Notar auf Schadensersatz in Anspruch. Dieser beurkundete am 23. Oktober 1998 einen Kaufvertrag der Klägerin mit dem Verkäufer H.U. K., durch den die Klägerin Teilflächen eines dem Verkäufer gehörenden größeren, mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks erworben hat. Unstreitig laufen die Versorgungsleitungen für das von der Klägerin erworbene Hausgrundstück (Strom, Frisch und Abwasser, Telefon) über das Restgrundstück des Veräußerers. Das von der Klägerin erworbene Teilgrundstück wurde neu durch eine Zuwegung zum Forstweg erschlossen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird insoweit auf die Lageskizze (Bl. 9 der Akten) verwiesen.

Die Klägerin hat in einem Vorprozess (5 O 382/01 LG Stade) den Verkäufer des Grundstücks vorrangig auf Bewilligung der Eintragung einer Grunddienstbarkeit des Inhalts, die auf seinem Grundstück verlaufenden Versorgungsleitungen für Strom, Telefon, Frischwasser und Abwasser dauerhaft zu dulden, in Anspruch genommen. Sie ist mit ihrem Begehren lediglich insoweit durchgedrungen, dass der Veräußerer des Grundstücks schuldrechtlich zur Duldung verpflichtet worden ist.

Auf der Grundlage dieses Sachverhalts nimmt die Klägerin nunmehr den Beklagten als beurkundenden Notar auf Schadensersatz in Anspruch. Sie begehrt Erstattung der im Vorprozess entstandenen Kosten in Höhe von 10.203,02 EUR sowie die Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet sei, ihr sämtliche Schäden und Nachteile zu ersetzen, die daraus resultieren, dass keine dingliche Sicherung der bestehenden Leitungsführungsrechte mit dem Verkäufer des Grundstücks vereinbart worden ist. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Beklagte, dem die Lage dieser Leitungen aufgrund der Erörterungen im Beurkundungstermin bekannt gewesen sei, hätte darauf hinweisen müssen, dass eine dingliche Absicherung dieser Rechtsposition durch Eintragung einer Grunddienstbarkeit zugunsten der Klägerin erforderlich sei, da anderenfalls von einem Rechtsnachfolger des Veräußerers keine Duldung verlangt werden könne.

Das Landgericht hat Beweis erhoben über die Frage, ob im Rahmen der Beurkundungsverhandlung die Lage der Versorgungsleitungen zwischen den Vertragsbeteiligten mit dem Notar erörtert worden ist. Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme hat die Kammer die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Beklagte habe nicht gegen die ihm als Notar obliegenden Pflichten verstoßen, da er vom Verlauf der Versorgungsleitungen keine Kenntnis gehabt habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, die unter Aufrechterhaltung ihres erstinstanzlichen Begehrens die Beweiswürdigung des Landgerichts angreift und ihren Vortrag in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vertieft. Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil mit dem Ziel der Zurückweisung der Berufung. Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 9. Februar 2005 hat er behauptet, er sei davon ausgegangen, dass bereits vorher eine Anbindung vom F.Weg aus gegeben war.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils sowie den Inhalt der zwischen den Parteien im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze, wegen der gestellten Anträge auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26. Januar 2005 verwiesen.

B.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig; sie hat in der Sache teilweise Erfolg. Der Beklagte schuldet der Klägerin Schadensersatz gemäß § 19 Abs. 1 BNotO in Höhe der der Klägerin durch den Vorprozess entstandenen Kosten; dies sind 10.203,02 EUR.

I.

Der Beklagte hat gegen die ihm als Notar obliegenden Pflichten, wie sie sich aus § 17 Abs. 1 BeurkG ergeben, verstoßen.

1. Nach § 17 Abs. 1 BeurkG soll der Notar den Willen der Beteiligten erforschen, den Sachverhalt klären, die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäfts belehren und ihre Erklärungen klar und unzweideutig in der Niederschrift wiedergeben. Die Vorschrift soll gewährleisten, dass der Notar eine rechtswirksame Urkunde über den wahren Willen der Beteiligten errichtet. Aus diesem Zweck folgt die inhaltliche Begrenzung der Pflicht zur Rechtsbelehrung. Sie geht nur soweit, wie eine Belehrung für das Zustandekommen einer formgültigen Urkunde erforderlich ist, die den wahren Willen der Beteiligten vollständig und unzweideutig in der für das beabsichtigte Rechtsgeschäft richtigen Form rechtswirksam wiedergibt. Dabei soll der Notar darauf achten, dass unerfahrene und ungewandte Beteiligte nicht benachteiligt werden (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, vgl. DNotZ 1989, Seite 45).

2. Gegen diese sich aus § 17 Abs. 1 BeurkG ergebenden Pflichten hat der beklagte Notar verstoßen.

a) Es kann dahinstehen, ob die Beweiswürdigung der Kammer des Landgerichts, die den Bekundungen des Zeugen M. nicht gefolgt ist, letztlich zutrifft. Darauf, ob die Kaufvertragsparteien im Beurkundungstermin auf die Lage der Strom, Wasser, Abwasser sowie Telefonleitungen hingewiesen haben, kommt es nicht entscheidend an. Der beklagte Notar war auch ohne einen solchen Hinweis der Parteien verpflichtet, die Frage des Anschlusses des Grundstücks an die öffentlichen Versorgungseinrichtungen mit den Urkundsbeteiligten zu erörtern, und zwar schon wegen der besonderen Lage des zu verkaufenden Grundstücks, insbesondere aber auch wegen der erst durch den notariellen Kaufvertrag geschaffenen neuen Zuwegung des Grundstücks an den F.Weg. Das veräußerte Hausgrundstück besaß als Teilfläche des ehemaligen Flurstücks A keine unmittelbare Anbindung an eine öffentliche Straße. Die für das Haus erforderlichen und vorhandenen Versorgungsleitungen mussten mithin über fremden - dem Verkäufer gehörenden - Grund und Boden verlegt sein. Dafür, dass die Versorgungsleitungen zufällig gerade dort lagen, wo die nach dem Teilverkauf weiterer Flurstücke herzustellende, durch ein Waldgrundstück verlaufende Anbindung an den F.Weg geschaffen werden sollte, war nichts erkennbar; dies war auch keinesfalls zu erwarten. Die vom Beklagten in seinem Schriftsatz vom 9. Februar 2005 aufgestellte Behauptung, er sei davon ausgegangen, dass bereits vorher eine Anbindung vom F.Weg aus gegeben war, ist für den Senat nicht nachvollziehbar, da diese Zuwegung erst durch den vom Beklagten selbst beurkundeten Vertrag geschaffen worden ist, in dem es u. a. heißt, der Verkäufer verpflichte sich, die noch zu vermessenden und katastermäßig zu erfassenden Trennstücke so herzurichten, dass eine Zufahrt ohne weiteres möglich ist. Das entgegengesetzte Vorbringen des Beklagten ist insoweit ersichtlich prozessorientiert: der Beklagte selbst hat außergerichtlich die Klägerin darauf verwiesen, sie könne die Versorgungsleitungen ohne weiteres vom F.Weg aus über das Flurstück B (die durch den notariellen Vertrag neu geschaffene Anbindung) verlegen lassen.

b) Bei dieser Sachlage musste sich dem Notar aufdrängen, dass für die Käuferin auch und gerade wegen der neu zu schaffenden Anbindung des Grundstücks an eine öffentliche Straße, den F.Weg, die Gefahr bestand, dass die Klägerin die bestehenden Versorgungsleitungen bei Weigerung des jeweiligen Eigentümers des Nachbargrundstücks, welches ebenfalls verkauft werden sollte und inzwischen auch verkauft worden ist, nicht weiter würde nutzen können und eine Neuverlegung über die geschaffene Anbindung an den F.Weg erforderlich werden würde. Auf diese sich durch die Gestaltung des Kaufvertrages ergebende Gefahr hätte der beklagte Notar die Beteiligten von sich aus hinweisen müssen. Bei entsprechender Aufklärung wäre, sollte dies nicht im Beurkundungstermin ohnehin der Fall gewesen sein, die Lage der Versorgungsleitungen, die über das verbleibende Flurstück A verliefen, erörtert und festgestellt worden. Der Beklagte hätte die Parteien sodann darüber aufklären müssen, dass wegen der neu zu schaffenden Zuwegung eine Duldungspflicht des verkaufenden Eigentümers unmittelbar nicht mehr bestand und aus Sicht der Klägerin eine dauerhafte Nutzung der Leitungsrechte nur durch Einräumung einer Grunddienstbarkeit hätte geschaffen werden können, wohingegen vertragliche Verpflichtungen des verkaufenden Eigentümers nur Bindung diesem gegenüber, nicht jedoch gegenüber einem neuen Erwerber entfalteten.

3. Aufgrund dieser Pflichtverletzung des Notars ist der Klägerin ein Schaden in Höhe von 10.203,02 EUR entstanden.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der Geschädigte, der einen Anspruch nach § 19 Abs. 1 BNotO geltend macht, darzulegen und zu beweisen, dass der ihm entstandene Schaden auf der Pflichtverletzung des Notars beruht. Ob ein solcher Zusammenhang besteht, hängt davon ab, welchen Verlauf die Dinge genommen hätten und wie sich die Vermögenslage des Geschädigten entwickelt hätte, wenn der Notar pflichtgemäß gehandelt hätte. Da es sich insoweit um eine Frage der haftungsausfüllenden Kausalität handelt, ist hierüber nach den Grundsätzen des § 287 ZPO zu befinden. Ausreichend ist mithin eine deutlich überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass sich die Sachlage so, wie vom Geschädigten behauptet, entwickelt hätte (BGHZ 78, 341, 349; NJWRR 1996, 781 m. zahlreichen w. N.).

b) Der Senat vermag nicht festzustellen, dass es bei einer sachgerechten Aufklärung durch den beklagten Notar über die Möglichkeit einer dinglichen Sicherung zur Eintragung einer Grunddienstbarkeit gekommen wäre; jedenfalls lässt sich ein möglicher Schaden der Klägerin insoweit nicht feststellen. Dem steht entgegen, dass nicht auszuschließen ist, dass der Verkäufer des Grundstücks bei Eintragung einer dinglichen Sicherung, insbesondere einer Grunddienstbarkeit, seinerseits, wie auch von ihm selbst im Vorprozess geltend gemacht, wegen der damit verbundenen wirtschaftlichen Belastung des dienenden Grundstücks einen höheren Kaufpreis von der Klägerin verlangt und auch durchgesetzt hätte. Die Klägerin, die für ihren Schaden darlegungs- und beweispflichtig ist, hat jedoch weder behauptet noch unter Beweis gestellt, dass es ihr tatsächlich gelungen wäre, eine dingliche Sicherung der Leitungsrechte in Form einer Grunddienstbarkeit ohne eigene Gegenleistung, etwa in Form der Zahlung eines höheren Kaufpreises, durchzusetzen. Ihre in der Klageschrift aufgestellte Behauptung, sie hätte bei Aufklärung durch den Beklagten darauf hingewirkt, dass eine entsprechende Grunddienstbarkeit eingetragen worden wäre oder aber - ohne Eintragung der Grunddienstbarkeit - der Kaufpreis um die Kosten, die durch eine Neuverlegung der Versorgungsleitungen entstehen können, entsprechend reduziert worden wäre, ist durch keinerlei sachliche Erwägungen oder Argumente erhärtet und auch nicht unter Beweis gestellt; vielmehr hat die Klägerin selbst mit Schriftsatz vom 15. Januar 2004 eingeräumt, es möge "sein, dass der Verkäufer bei Bestellung eines dinglichen Rechts einen deutlich höheren Kaufpreis verlangt hätte."

Der Schriftsatz des Klägervertreters vom 28. Februar 2005 gibt keinen Anlass für eine abweichende Entscheidung.

c) Ein Schaden ist der Klägerin jedoch in Form von Prozesskosten in unstreitiger Höhe von 10.203,02 EUR entstanden. Die Kaufvertragsparteien hätten, wären sie durch den Notar über die rechtliche Problematik hinsichtlich der Versorgungsleitungen belehrt worden, eine Regelung, in welcher Form auch immer, getroffen; naheliegend etwa in der Weise, wie die Regelung für einen möglichen Gasanschluss in § 4 des notariellen Vertrages aufgenommen worden ist. Jedenfalls wäre bei einer Erörterung des Problems dieses einer Lösung zugeführt worden mit der Folge, dass der Ausgangsprozess und die dadurch entstandenen Kosten vermieden worden wären.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen die Revision zuzulassen sind, sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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