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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 30.05.2007
Aktenzeichen: 3 U 260/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 328
BGB § 611
1. Zum konkludenten Zustandekommen eines Steuerberatungsvertrages.

2. Der Steuerberatungsvertrag mit einer GmbH ist jedenfalls in der Regel kein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten des GmbHGeschäftsführers.


Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

3 U 260/06

Verkündet am 30. Mai 2007

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 23. Mai 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das am 8. November 2006 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Stade wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird gestattet, die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe eines die vollstreckbare Forderung um 20 % übersteigenden Betrages abzuwenden, soweit nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger macht mit seiner Klage Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte wegen fehlerhafter steuerlicher Beratung im Zusammenhang mit der Veräußerung von GmbHAnteilen des Klägers geltend.

Der Kläger war Geschäftsführer der V... GmbH. Die Beklagte war seit Mitte der 80er Jahre für die GmbH als Abschlussprüferin und Steuerberaterin tätig.

Ende des Jahres 1989 beschlossen der Kläger und sein Mitgeschäftsführer L... R... die Anteilsmehrheit an der V... GmbH zu übernehmen. Am 22. Dezember 1989 erwarb der Kläger Geschäftsanteile in Höhe von nominal 759.500 DM, sodass sich aufgrund des Stammkapitals von 4,9 Mio. DM eine Beteiligung von 15,5 % ergab.

1996 wurde die V... GmbH auf die V...Vermittlungs GmbH als übernehmender Rechtsträger verschmolzen. Die V...Vermittlungs GmbH wurde in V... GmbH umfirmiert. Das Stammkapital der neuen V... GmbH betrug 4,91 Mio. DM.

Durch Erhöhung des Stammkapitals auf 7,91 Mio. DM im Dezember 1996 sank der Anteil des Klägers auf 9,6 %.

Zu Beginn des Jahres 2001 führte der Kläger erste Gespräche mit Vertretern eines USUnternehmens hinsichtlich der Veräußerung seiner Anteile, wobei der Kläger von der Anwaltskanzlei L... beraten wurde, und zwar durch Rechtsanwalt G....

Mit notariellem Vertrag vom 17. Juli 2001 veräußerte der Kläger zum 30. September 2001 seine Geschäftsanteile an das USUnternehmen zu einem Kaufpreis von 2.255.945 DM.

Mit Datum vom 26. Juli 2004 erließ das Finanzamt O... gegenüber dem Kläger einen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001, wonach der Kläger aufgrund § 17 EStG Einkommensteuer in Höhe von 435.718 EUR nachzuzahlen hatte. Ein Einspruch gegen den Steuerbescheid blieb ohne Erfolg.

Der Kläger hat gemeint, die Beklagte habe ihn im Zusammenhang mit der Veräußerung der Geschäftsanteile beraten, und zwar dahingehend, dass Gewinne aus dem Verkauf der Anteile nicht zu versteuern seien.

Der Kläger hat ursprünglich Ersatz eines Schadens in Höhe von 435.718 EUR zuzüglich außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.740 EUR geltend gemacht, zuletzt aber nur noch 196.828,17 EUR.

Das Landgericht hat zu der Frage, ob die Beklagte den Kläger beraten habe, den Geschäftsführer der Beklagten als Partei vernommen.

Es hat sodann die Klage als unbegründet abgewiesen. Der Kläger habe nicht darlegen und beweisen können, dass es zwischen ihm und der Beklagten zum Abschluss eines Steuerberatungsvertrages gekommen sei. Die vom Kläger herangezogenen Hilfstatsachen reichten nicht aus, um sichere Rückschlüsse auf den Abschluss eines Vertrages zu ziehen, was die Kammer im Einzelnen ausgeführt hat. Auch ein Schadensersatzanspruch aus einem nichtvertraglichen Gefälligkeitsverhältnis bestehe nicht, § 675 Abs. 2 BGB; es fehle auch an einem Verpflichtungswillen, der ausnahmsweise Schadensersatzansprüche auslösen könnte.

Dagegen wendet sich die Berufung des Klägers, mit der er seinen in erster Instanz zuletzt gestellten Zahlungsantrag weiter verfolgt.

Das Landgericht habe verkannt, dass die Beklagte selbst in ihren Stundennachweisen zu ihren Honorarrechnungen vom 29. Juni und 3. August 2001 (Anlagen K 6/K 13, gesondert geheftet) Steuerberaterleistungen aufgeführt und abgerechnet habe, die ausschließlich steuerliche Interessen des Klägers im Zusammenhang mit dem Verkauf seiner Gesellschaftsanteile betroffen hätten. Die Rechnung der Beklagten vom 3. August 2001 (K 13) betreffe eine Tätigkeit im Umfang von vier Stunden für ein Gespräch im alleinigen steuerlichen Interesse des Klägers aus Anlass der Veräußerung seiner B...Anteile. Weiter habe die Kammer auch das Schreiben der Beklagten vom 10. Juni 2001 übergangen (K 9), welches ebenfalls die steuerliche Beratung im alleinigen Verkäuferinteresse betroffen habe. Es sei auch eine nicht unübliche Vorgehensweise bei Unternehmen, auch Steuerberatungsleistungen, die nur einen äußeren Bezug zum Unternehmen aufweisen, jedoch im alleinigen steuerlichen Interesse eines Gesellschafters liegen, über das Unternehmen abzurechnen. Der Kläger verweist weiter auf ein Telefax der Beklagten, in dem diese am 11. Mai 2001 über § 17 EStG informiert habe (K 25, Bl. 188).

Und selbst wenn Auftraggeber die GmbH gewesen sein sollte, hätte es sich, soweit das Mandat Interessen des Klägers betroffen hätte, um einen Vertrag zugunsten Dritter, zumindest aber mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gehandelt.

Die Argumentation der Beklagten von ihrer Befangenheit bzw. berufsrechtlicher Hinderung an der Ausübung einer Tätigkeit für den Kläger träfen nicht zu. Selbst wenn, ändere dies nichts am Erbringen von Leistungen der Beklagten gegenüber dem Kläger.

Die Äußerung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht, sein Steuerberater in Privatangelegenheiten sei damals und bis heute der Steuerberater K..., sei nicht dahingehend zu verstehen, dass K... mit der Beratung hinsichtlich des Verkaufs der Geschäftsanteile befasst gewesen wäre. Auf ihr abweichendes Verständnis dieser Aussage hätte die Kammer gemäß § 139 ZPO hinweisen müssen.

Der Aussage des Geschäftsführers B... sei unrichtig. Die Beklagte habe selbst eingeräumt, im Zusammenhang mit der Anteilsveräußerung tätig geworden zu sein, wobei der Anteilskaufvertrag für die Kapitalgesellschaft steuerlich irrelevant gewesen sei. Der Geschäftsführer müsse erneut vernommen werden, um ihm Unterlagen vorhalten zu können.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Stade vom 8. November 2006 (Az.: 2 O 176/06) zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 196.828,17 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27. Juli 2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Hinsichtlich neuen Vortrags rügt sie Verspätung. Sie verweist weiter darauf, dass der Kläger für seine persönlichen Belange zwei Steuerberater gehabt habe. Unzutreffend sei die Annahme des Klägers, die Regelungen zum Übergang vom Anrechnungsverfahren zum Halbeinkünfteverfahren beträfen nicht die Körperschaft. Das Faxschreiben K 25 datiere tatsächlich vom 5. November 2001 und damit nach erfolgter Beurkundung der Anteilsveräußerung. Auch in der Angelegenheit B... sei die Beklagte allein für die GmbH tätig geworden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien samt Anlagen, das angefochtene Urteil, sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers bleibt in der Sache ohne Erfolg.

1. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass das Zustandekommen eines (Steuerberatungs)Vertrages mit dem Kläger, den die Beklagte durchweg nachdrücklich bestritten hat, seitens des Klägers nicht bewiesen worden ist.

Dass der Kläger nach allgemeinen Grundsätzen darlegungs und beweispflichtig dafür ist, dass ein Vertrag, auf dessen Verletzung der Kläger seine Schadensersatzansprüche stützt, geschlossen worden ist, nimmt auch der Kläger nicht in Abrede.

Unstreitig ist ein schriftlicher Vertrag nicht geschlossen worden. Ein Steuerberatungsvertrag kann aber auch konkludent, also durch schlüssiges Verhalten der Vertragsparteien, geschlossen werden. Eine solche Annahme setzt aber voraus, dass aufgrund einer umfassenden Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls das Verhalten des Auftraggebers vom Steuerberater nach Treu und Glauben als entsprechendes Vertragsangebot zu werten ist und sein eigenes nachfolgendes Verhalten als dessen Annahme gedeutet werden darf. Insoweit sind im Interesse der Rechtssicherheit aber strenge Anforderungen zu stellen (vgl. Zugehör, WM Sonderbeilage Nr. 3/2006, S. 5, Fn. 23 m. w. N.).

Insoweit fehlen im Vortrag des Klägers schon Angaben dazu, durch welche Erklärungen oder welches tatsächliches Tun Angebot und Annahme erklärt worden sein sollen.

Wie das Landgericht im einzelnen ausgeführt hat, rechtfertigen allein die vom Kläger bezeichneten Indizien keinesfalls den Abschluss eines Steuerberatungsvertrages zwischen den Parteien.

Die Rechnung vom 29. Juni 2001 (K 6) richtet sich nicht an den Kläger, sondern an die V... GmbH, für die die Beklagte seit vielen Jahren tätig war. Aus dem der Rechnung beigefügten Stundennachweis, der nur stichwortartig die erfasste Tätigkeit der Beklagten bezeichnet, ergibt sich nicht, dass die Beklagte gerade für den Kläger und nicht für die GmbH tätig geworden ist.

Nichts anderes gilt für die weitere Rechnung vom 3. August 2001 (K 13). Der Kläger legt auch nicht näher dar, woraus er entnimmt, dass es sich insoweit um Beratung gerade für ihn gehandelt haben soll und warum es aus Sicht der GmbH gleichgültig gewesen sein soll, ob und wann Anteile verkauft werden sollen. Gerade die Ansicht des Klägers, die Umstellung vom Anrechnungsverfahren zum Halbeinkünfteverfahren zum Jahreswechsel 2001/2002 sei aus der Sicht der GmbH ohne Bedeutung gewesen, trifft nicht zu. Der Stundennachweis als Anlage zur Rechnung vom 3. August 2001 (K 13) zeigt, dass die Beklagte sich mit dieser Frage im Hinblick gerade auf die GmbH ("intensive Prüfung der Steuersituation V...") ausführlich beschäftigt hat. Der Übergang vom Anrechnungsverfahren zum Halbeinkünfteverfahren hat auch für die Körperschaft erhebliche Bedeutung. Wurde im Anrechnungsverfahren die (höhere) Körperschaftsteuer auf die Einkommensteuer des Anteilseigners verrechnet, geht das Halbeinkünfteverfahren dahin, dass Gewinne der Körperschaft nur noch zu einem Teil von dieser, zum anderen Teil aber vom Anteilseigner versteuert werden (§§ 8 KStG, 20 Abs. 1 Nr. 1, 3 Nr. 40 EStG). Auch soweit der Kläger behauptet, die Rechnung vom 3. August 2001 (K13) habe eine vierstündige Beratung betreffend die Veräußerung der B...Anteile des Klägers zum Gegenstand, ergibt sich daraus nicht, dass gerade auf der Grundlage eines besonderen Vertrages nicht die GmbH, sondern der Kläger beraten wurde.

Nichts anderes gilt für das Schreiben der Beklagten an die Rechtsanwälte L..., dort Rechtsanwalt Dr. G... (K 9). Es liegt auf der Hand, dass die Veräußerung der GmbHGeschäftsanteile des Klägers sowohl die Interessen des Klägers als auch der GmbH berührten. Diesem Umstand hat auch der Gesetzgeber Rechnung getragen. In § 15 Abs. 5 GmbHG ist bestimmt, dass durch den Gesellschaftsvertrag die Abtretung der Gesellschaftsanteile an weitere Voraussetzungen geknüpft, insbesondere von der Genehmigung der Gesellschaft abhängig gemacht werden kann. Dies bedeutet aber eben auch, dass eine Beratung durch die langjährige Steuerberaterin der GmbH dieser gegenüber nicht zwingend zu der Annahme führen kann, gleichzeitig sei im Rahmen eines nur konkludent geschlossenen Beratungsvertrages auch der Kläger von der Beklagten beraten worden.

Es kann dahinstehen, ob es gemäß dem Vortrag des Klägers eine nicht unübliche Vorgehensweise bei Unternehmen ist, dass auch Steuerberatungsleistungen, die nur einen äußeren Bezug zum Unternehmen aufweisen, tatsächlich aber im steuerlichen Interesse eines Gesellschafters liegen, über das Unternehmen abgerechnet werden. Der Senat kann aus seiner Tätigkeit jedenfalls keine solche Praxis bestätigen, wenn es auch Einzelfälle geben mag. Solche Einzelfälle geben aber für den vorliegenden Sachverhalts nichts her, taugen insbesondere nicht als Nachweis dafür, dass die an die GmbH adressierten Rechnungen der Beklagten der Adressierung ungeachtet "eigentlich" eine Tätigkeit für den Kläger betreffen. Dass der Kläger in die Beratung eingebunden war, ist für sich genommen ebenso selbstverständlich wie im Hinblick auf den Vortrag des Klägers irrelevant, denn eine GmbH kann nicht selbst handeln, sondern wird durch ihre Geschäftsführer vertreten (§ 35 GmbHG).

Ohne Aussagekraft ist auch das erstmals in der Berufungsinstanz als Anlage K 25 vorgelegte Telefax der Beklagten. Der Vortrag des Klägers belegt schon nicht, dass es tatsächlich vom 11. Mai 2001 (und nicht vom 5. November 2001) datiert. Davon unabhängig gibt das Übersenden eines Gesetzestextes, den sich jedermann auf vielfältige Weise beschaffen kann, selbst wenn die Übersendung nicht an den Kläger in seiner Funktion als Geschäftsführer erfolgt sein sollte und ein Kommentarauszug beilag, nichts für die Annahme eines Beratungsvertrages her, zumal es nach der klarstellenden Äußerung des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht einmal ein Anschreiben zu diesem Telefax gibt. Selbst wenn der Kläger gemeint haben sollte, dass damit gerade ihm gegenüber (d. h. nicht in seiner Funktion als Geschäftsführer) die Beklagte eine Leistung erbracht hätte, ergäbe sich aus der Entgegennahme dieser Leistung durch den Kläger noch kein Vertrag (vgl. BGH, NJW 1997, 1982).

2. Der Vertrag zwischen der GmbH und der Beklagten stellt auch weder einen Vertrag zugunsten des Klägers noch einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten des Klägers dar.

a) Von vornherein kommt die Annahme eines echten, berechtigenden Vertrages zugunsten Dritter nicht in Betracht. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger als Dritter (und nicht in seiner Funktion als für die GmbH handelnder Geschäftsführer) nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien einen eigenen Anspruch gegen die Beklagte "unmittelbar" (§ 328 Abs. 1 BGB) hätte erwerben sollen. Die Beklagte war seit Mitte der 80er Jahre laufend für die GmbH bzw. deren Rechtsvorgängerin als Abschlussprüferin und Steuerberaterin tätig gewesen. Der Kläger behauptet selbst nicht, dass von Anfang an diese Vertragsbeziehung "ermächtigenden" Charakter zugunsten des Klägers gehabt hätte. Aber auch später bestand für die Vertragsparteien kein übereinstimmendes Interesse und kein übereinstimmender Wille, dem Kläger, auf dessen Interesse es dabei nicht ankommt, einen eigenen vertraglichen Anspruch gegen die Beklagte entsprechend dem vertraglichen Anspruch der GmbH zu gewähren.

b) Der Vertrag zwischen der Beklagten und der GmbH stellt aber auch keinen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter - hier des Klägers - dar.

Die Praxis hat mehrere Kriterien entwickelt, die den Zweck verfolgen, eine angemessene Begrenzung des Drittschutzes auf bestimmte Personenkreise zu erreichen, nämlich Leistungsnähe, Gläubigernähe und Erkennbarkeit. Der Dritte muss der Leistung des Schuldners so nahe stehen, dass er mehr oder minder zwangsläufig mit ihr in Berührung kommt, was vorliegend allenfalls für einen Teilbereich der Leistung der Beklagten gelten kann. Außerdem muss der Dritte dem Gläubiger so nahe stehen, dass dem Gläubiger eine ordnungsgemäße Erfüllung aller Haupt und Nebenpflichten gegenüber dem Dritten so wichtig ist wie gegenüber sich selbst, insbesondere, weil der Gläubiger für das "Wohl und Wehe" des Dritten mitverantwortlich ist und diesem Schutz und Fürsorge schuldet. Schließlich muss diese besondere Nähe für den Schuldner erkennbar sein.

Dabei kann von vornherein keinem Zweifel unterliegen, dass Drittschutz nicht jedem gewährt werden kann, der - irgendwie - durch eine mangelhafte Vertragserfüllung beeinträchtigt wird. Für den Steuerberater wie für den Rechtsanwalt gilt insoweit, dass gegenüber dem Dritten, anders als gegenüber dem Mandanten, kaum eine Möglichkeit rechtsgeschäftlicher Haftungsbeschränkung besteht, andererseits aber Haftungsrisiken entstehen, ohne dass diesen Gebührenansprüche korrespondieren. Ob im Einzelfall ein Vertrag als ein solcher "mit Schutzwirkung für Dritte" ausgelegt werden kann, bedarf mithin sorgfältiger Prüfung schon deshalb, weil sich für den Schuldner daraus eine nicht vereinbarte Haftungserweiterung ergibt, die eines rechtfertigenden Grundes bedarf.

Die "Wohl und Wehe"Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs passt auf das Verhältnis von Kapitalgesellschaft und Gesellschafter von vornherein nicht. Es müsste nämlich die GmbH "sozusagen für das Wohl und Wehe des Dritten mitverantwortlich sein, weil deren Schädigung auch ihn trifft, indem sie ihm gegenüber zu Schutz und Fürsorge verpflichtet ist (vgl. BGHZ 51, 91, 96), was am ehesten für die familienrechtliche Unterhalts und Fürsorgepflicht gilt, nicht aber für das Verhältnis der GmbH zu ihren Gesellschaftern und Geschäftsführern. Der Bundesgerichtshof hat nicht nur darauf hingewiesen, dass die Ausweitung vertraglicher Sorgfaltspflichten über den Kreis der Vertragsparteien hinaus von vornherein nur in engen Grenzen in Betracht kommen kann; er hat darüber hinausgehend betont, dass bei bloßen Sach und Vermögensschäden ein besonders strenger Maßstab zu gelten hat (BGH, NJW 1968, 1929, 1931).

Dem Kläger ist auch im Hinblick auf die mündliche Verhandlung lediglich einzuräumen, dass der Bundesgerichtshof den Anwendungsbereich des drittschützenden Vertrages nicht mehr strikt auf die "Wohl und Wehe" Fälle beschränkt, auch wenn die Wurzeln dieser Rechtsprechung insbesondere im Bereich der Miet und Beförderungsverträge liegen und dort die Notwendigkeit, den Anwendungsbereich deliktsrechtlicher Vorschriften, insbesondere des § 831 BGB, einzuschränken, am Größten ist. Von irgendeiner Notwendigkeit der Einbeziehung des Klägers in den Schutzbereich des Vertrages zwischen der GmbH und der Beklagten kann freilich keine Rede sein. Anders als dies etwa für den minderjährigen Sohn eines Mieters gilt, konnte der Kläger ohne Weiteres selbst einen Steuerberatungsvertrag schließen und auf diese Weise seine Interessen wahren. Er hat doch auch selbst vorgetragen, einen "eigenen" Steuerberater zu haben.

Der Bundesgerichtshof ist in letzter Zeit zunehmend zurückhaltend damit, Dritte in den Schutzbereich eines Vertrages einzubeziehen, insbesondere dort, wo es lediglich um Vermögensschäden geht. In einem Urteil vom 6. April 2006 (III ZR 256/04) spricht er im Zusammenhang mit der Dritthaftung von Wirtschaftsprüfern für falsche Testate ausdrücklich von einer "restriktiven" Anwendung der Grundsätze der vertraglichen Dritthaftung. Hohe Anforderungen an eine Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich eines Vertrages finden sich auch in einem weiteren Urteil vom 15. Dezember 2005 (III ZR 424/04).

Das vom Kläger in seiner Berufungsbegründung angeführte Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29. September 1982 (NJW 1983, 1053) trifft keine Aussage, aus der der Kläger für sich etwas herleiten könnte. Es ging dort gerade darum, dass eine Kapitalgesellschaft einen Steuerberater beauftragt hatte, damit der Anfall von Steuern bei den Gesellschaftern vermieden würde. Im unstreitigen Teil des Tatbestandes heißt es ausdrücklich, dass der Beklagte in einem Gutachten die Möglichkeiten aufzeigen sollte, wie die Darlehen der Gesellschaft an ihre Gesellschafter ohne steuerlichen Nachteil für die GmbH und ihre Gesellschafter zurückgeführt werden könnten. Es ist aber nicht ersichtlich und auch nicht substantiiert vorgetragen, dass der Inhalt des Vertrages zwischen der GmbH und der Beklagten gerade oder auch nur neben anderen Aufgaben dazu gedient hätte, den Anfall von Steuern beim Kläger zu vermeiden. In der genannten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof gerade nicht ausgesprochen, dass der steuerliche Berater einer Kapitalgesellschaft auch die steuerlichen Belange der Gesellschafter im Auge behalten müsse.

Ansprüche aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter müssen daher vorliegend ausscheiden (s. auch Senat, WM 2007, 740, 741).

3. Um die Frage berufsrechtlicher Implikationen geht es vorliegend nicht. Selbst wenn die Beklagte aus (berufs)rechtlichen Gründen nicht an der Begründung eines Beratungsvertrages mit dem Kläger gehindert gewesen sein sollte, sagt dies nicht das Mindeste darüber aus, ob tatsächlich auch ein solcher Vertrag zustande gekommen ist. Ausführungen zum Berufsrecht bzw. zu einer "Befangenheit" der Beklagten (etwa nach § 49 WiPrO) sind daher entbehrlich.

4. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Kläger sich in welchen Angelegenheiten anderweitig steuerrechtlich hat beraten lassen. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger persönlich erklärt, sein Steuerberater in Privatangelegenheiten sei damals der Steuerberater K... gewesen und sei dies bis heute. Ob dieser Steuerberater oder ein Dritter den Kläger wegen der Veräußerung seiner GmbHAnteile beraten hat, kann dahingestellt bleiben. Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, ergäbe sich daraus nicht, dass aus diesem Umstand auf einen Beratungsvertrag zwischen den Parteien geschlossen werden könnte. Man mag die Auffassung vertreten, dass es nicht sehr wahrscheinlich ist, dass sich der Kläger schon wegen der wirtschaftlichen Bedeutung der Sache gar nicht steuerrechtlich hat beraten lassen. Die Indizwirkung eines solchen Umstandes ist freilich ganz gering, sodass daraus keinesfalls auf den Abschluss des vom Kläger behaupteten Vertrages geschlossen werden kann.

5.

a) Die Aussage des Geschäftsführers der Beklagten hat das Landgericht gewürdigt. Anlass, die Parteivernehmung zu wiederholen, hat der Senat nicht. Die Vernehmung durch die Kammer war nicht verfahrensfehlerhaft, die Beweiswürdigung nicht ersichtlich ungenügend und schließlich besteht für den Senat auch kein Anlass, die Aussage anders zu würdigen. Soweit der Kläger nunmehr meint, dem Geschäftsführer der Beklagten müssten Unterlagen vorgehalten werden, rechtfertigt dies eine erneute Vernehmung nicht. Die Gelegenheit zu Vorhalten bestand bereits in der ersten Instanz, jedenfalls ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass der Kläger zu Vorhalten keine Gelegenheit gehabt hätte. Dass er im Anschluss an die Aussage des Geschäftsführers der Beklagten Nachfrage gehalten hat, belegt das Protokoll der mündlichen Verhandlung.

b) Für die Vernehmung des Klägers gibt es keine Grundlage. Insbesondere ist die vom Kläger behauptete Tatsache eines Vertragsschusses nicht schon i. S. d. § 448 ZPO "anbewiesen". Auf obige Ausführungen kann verwiesen werden.

6. In der Sache zutreffend ist es schließlich auch, dass das Landgericht Schadensersatzansprüche aus einem nichtvertraglichen Gefälligkeitsverhältnis verneint hat. Die Berufungsbegründung erwähnt das landgerichtliche Urteil insoweit auch nur am Rande (Seite 14), legt aber nicht dar, aus welchem Grund das angefochtene Urteil in diesem Punkt unzutreffend sein soll.

7. Auf die zwischen den Parteien ebenfalls strittige Frage des Schadens kommt es damit nicht mehr an.

8. Aus obigen Gründen bleibt die Berufung des Klägers mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO ohne Erfolg. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Anlass, gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO die Revision zuzulassen, hat der Senat nicht.

Ende der Entscheidung

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