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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 01.06.2005
Aktenzeichen: 3 U 303/04
Rechtsgebiete: BNotO


Vorschriften:

BNotO § 19 Abs. 1
Zur Subsidiarität der Notarhaftung im Fall der Verletzung der allgemeinen Betreuungspflicht bei Abwicklung eines Grundstückskaufvertrages.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

3 U 303/04

Verkündet am 1. Juni 2005

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 18. Mai 2005 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht S#######, des Richters am Landgericht K####### sowie des Richters am Oberlandesgericht Dr. S####### für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 20. Oktober 2004 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Der Kläger nimmt die Beklagten wegen notarieller Amtspflichtverletzung aus § 19 Abs. 1 BNotO auf Schadensersatz in Anspruch.

Der Kläger und seine beiden Geschwister hatten ein Hausgrundstück geerbt. Sie veräußerten dieses an die Eheleute P#######. Der Kaufvertrag wurde durch den Beklagten zu 1 am 12. Dezember 2000 - UR-Nr. 211/2000 - beurkundet. Der Kaufpreis belief sich auf 350.000 DM. Er war zu gleichen Teilen an den Kläger und seine beiden Geschwister als Verkäufer zu zahlen, und zwar nicht über ein Notaranderkonto des Beklagten zu 1, sondern unmittelbar von den Käufern an die Verkäufer. Der Notar übernahm lediglich die Aufgabe, den Käufern die Fälligkeit des Kaufpreises mitzuteilen.

Im Zusammenhang mit der Nachlassverteilung trafen die Verkäufer, schon seinerzeit anwaltlich vertreten, am 27. Dezember 2001 eine Vereinbarung, die eine anderweitige Aufteilung des Kaufpreises zwischen ihnen vorsah: Danach sollten den beiden Geschwistern des Klägers aus dem Kaufpreis lediglich 101.666,67 DM zustehen, dem Kläger 146.666,67 DM. In dieser Summe war ein Teilbetrag von 10.900 DM enthalten, den alle drei Verkäufer beanspruchten, der jedoch vorab zunächst dem Kläger zufließen sollte. In der Vereinbarung heißt es weiter:

"Notar M####### wird angewiesen, den Käufer zu bitten, an jeden der Verkäufer bei Fälligkeit aus der ersten Kaufpreisrate je 33.333,33 DM auf die bereits angegebenen Konten zu überweisen.

Notar M####### wird angewiesen, den Käufer zu bitten, an jeden der Verkäufer bei Fälligkeit der zweiten Kaufpreisrate den jeweiligen Differenzbetrag zu dem jedem der Verkäufer zustehenden Kaufpreisanteil auf die bereits angegebenen Konten zu überweisen."

Tatsächlich erfolgte der Geldfluss jedoch aufgrund der Zahlungen der Käufer zu jeweils gleichen Teilen an den Kläger und seine beiden Geschwister, der Kauf wurde mithin entsprechend dem Inhalt des beurkundeten Vertrages abgewickelt. Die Käufer sind Anfang 2003 im Grundbuch eingetragen worden. Die Geschwister des Klägers haben diesem aus dem ihnen zugeflossenen Kaufpreisanteil weitere 4.500 EUR sowie 5.113 EUR ausgezahlt. Zur Herausgabe eines weiteren Restbetrages, der sich rechnerisch auf die Klagforderung, mithin 5.725,75 EUR beläuft, sind sie nicht bereit.

Wegen dieses Betrages hat der Kläger die Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch genommen, und zwar den Beklagten zu 1 als beurkundenden Notar, den Beklagten zu 2 als bestellten Abwickler des Notariats. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Beklagte zu 1 sei verpflichtet gewesen, die zwischen dem Kläger und seinen Geschwistern getroffene Vereinbarung an die Käufer weiterzuleiten. Bei Erfüllung dieser Pflicht hätten die Käufer entsprechend der Vereinbarung vom 27. Dezember 2001 eine anderweitige Aufteilung des Kaufpreises vorgenommen, ihm wäre dann der in dieser Vereinbarung festgelegte Kaufpreisanteil von 146.666,67 DM in vollem Umfang zugeflossen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 5.725,75 EUR zuzüglich Zinsen zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben geltend gemacht, die Vereinbarung vom 27. Dezember 2001 über die anderweitige Aufteilung des Kaufpreises sei wegen fehlender notarieller Beurkundung gemäß § 311 b BGB unwirksam. Im Übrigen sei diese Vereinbarung so, wie sie vorgelegt sei, später offenkundig nochmals abgeändert worden, da der Zahlungsfluss zeitlich abweichend von der Vereinbarung erfolgt sei: Tatsächlich haben die Käufer nach Zahlung der ersten Kaufpreisrate von 3 x 17.043,07 EUR (33.333,33 DM) am 28. Januar 2002 bereits am 27. August 2002 jeweils weitere 15.000 EUR und schließlich am 2. Dezember 2002 jeweils 27.607,66 EUR an die Verkäufer geleistet. Der Beklagte zu 1 macht für sich geltend, an der Vereinbarung vom 27. Dezember 2001 in der getroffenen Form nicht beteiligt gewesen zu sein. Die in jener Vereinbarung enthaltene Anweisung habe er nicht angenommen. Im Übrigen sei dem Kläger kein Schaden entstanden, da er seine Geschwister auf Auskehrung des Restbetrages in Anspruch nehmen könne, wenn - was im Übrigen gar nicht feststehe - ihm im Innenverhältnis ein entsprechender Zahlbetrag zustehe. Der Beklagte zu 2 hat geltend gemacht, am Urkundsgeschäft in keiner Weise beteiligt gewesen zu sein.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Beklagte zu 2 hafte aus keinem denkbaren Gesichtspunkt, da er erst nach Zahlung des Kaufpreises und Eintragung der Käufer im Grundbuch zum Abwickler des Notariats M####### bestellt worden sei. Der Beklagte zu 1, so das Landgericht, hafte nicht, da dem Kläger kein Schaden entstanden sei. Dieser habe gegenüber seinen Geschwistern einen Ausgleichsanspruch, den er geltend machen könne. Sein Hinweis, mit der Inanspruchnahme der Geschwister seien familiäre Belastungen verbunden, sei nicht als materieller Schaden anzusehen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, der sein erstinstanzliches Zahlungsbegehren weiterverfolgt, seinen Sachvortrag wiederholt und nunmehr unter Beweisantritt behauptet, der Beklagte zu 1 habe den in der Vereinbarung vom 27. Dezember 2001 enthaltenen Auftrag angenommen.

Der Beklagte zu 2 verteidigt sich unter Wiederholung seines Vorbringens erster Instanz, der Beklagte zu 1 bestreitet weiterhin, eine ihm erteilte Weisung angenommen zu haben. Der ursprüngliche Vertragsentwurf über die Änderung der Zahlungsflüsse habe eine Beteiligung der Käufer vorgesehen. Dies sei vom Kläger und seinen Geschwistern, sämtlich anwaltlich vertreten, nicht umgesetzt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat im Ergebnis keinen Erfolg. Dem Kläger stehen gegen die Beklagten keine Schadensersatzansprüche wegen notarieller Amtspflichtverletzung zu.

1. Eine Haftung des Beklagten zu 2 gemäß § 19 Abs. 1 BNotO kommt aus keinem denkbaren Gesichtspunkt in Betracht. Der Beklagte zu 2 hat keine ihm gegenüber dem Kläger obliegenden Pflichten verletzt. Aufgrund der vorliegenden Unterlagen, insbesondere der Ablichtung der Bestellungsurkunde der Präsidentin des Oberlandesgerichts Celle vom 15. Januar 2003 steht fest, dass der Beklagte zu 2 erst durch jene Verfügung, bei ihm eingegangen am 20. Januar 2003, zum Amtsnachfolger des Beklagten zu 1 bestellt worden ist. Der Beklagte zu 2 war mithin weder an der Beurkundung des Kaufvertrages noch an dessen Abwicklung beteiligt. Seine Bestellung erfolgte erst, nachdem der Kaufvertrag in vollem Umfang, insbesondere durch Zahlung des Kaufpreises und Eintragung der Käufer als Eigentümer im Grundbuch vollzogen war.

Auch eine Haftung des Beklagten zu 2 als Gesamtschuldner neben der des Beklagten zu 1 ist ausgeschlossen: Die hoheitliche Funktion des Notars als unabhängigem Amtsträger und seine Pflicht zur persönlichen, selbständigen Amtsausübung verbieten eine gesamtschuldnerische Haftung (allgemeine Auffassung, vgl. etwa BayObLG DNotZ. 1981, 317; Haug, Die Amtshaftung des Notars, 2. Aufl. § 5 Nr. 108 m. w. N.). Die Voraussetzungen des § 46 BNotO liegen ersichtlich nicht vor.

2. Auch gegenüber dem Beklagten zu 1 besteht kein Schadensersatzanspruch des Klägers.

a) Allerdings ist nicht auszuschließen, dass dem Beklagten zu 1 gegenüber dem Kläger eine Pflichtverletzung zur Last fällt. Zwar war der Beklagte zu 1 an der Vereinbarung vom 27. Dezember 2001 nicht beteiligt. Nach seinem eigenen, unwidersprochen gebliebenen Vorbringen ist ein Entwurf, den er selbst zunächst gefertigt hatte, von den Beteiligten nicht in der vorgesehenen Form umgesetzt worden, insbesondere sind die Käufer nicht an der Vereinbarung über die anderweitige Aufteilung des Kaufpreises beteiligt worden. Die in der Vereinbarung enthaltene Weisung, also den Auftrag, diese Vereinbarung weiterzuleiten und den Käufern die anderweitige Aufteilung des Kaufpreises mitzuteilen, hat der Beklagte, so seine Behauptung, nicht angenommen.

Zweifelhaft ist allerdings, ob ein solcher Auftrag einer (ausdrücklichen) Annahme durch den Notar bedurfte. Durch die Beurkundung des Kaufvertrages war zwischen den Beteiligten ein öffentlichrechtliches Auftragsverhältnis zum Notar entstanden. Aus einem solchen Verhältnis heraus ist der Notar grundsätzlich verpflichtet, den Beteiligten die nötige Aufklärung zu geben, damit diese vor nicht bedachten Folgen ihrer Erklärungen bewahrt blieben. Der Notar darf es nicht geschehen lassen, dass Beteiligte, die über die rechtlichen Folgen ihrer Erklärung falsche Vorstellungen haben, dadurch ihre Vermögensinteressen vermeidbar gefährden. Unter diesem Gesichtspunkt der allgemeinen Betreuungspflicht des Notars liegt nahe, dass dieser jedenfalls verpflichtet war, die Vereinbarung vom 27. Dezember 2001, nachdem sie ihm zugegangen war, entweder weiterzuleiten oder jedenfalls den Verkäufern mitzuteilen, dass er, und zwar schon deshalb, weil er mit der Überwachung des Geldflusses nicht beteiligt war, nicht für die Käufer in dem ihm angetragenen Sinne tätig werden konnte oder wollte.

b) Letztlich kann die Frage einer Pflichtverletzung des Beklagten jedoch dahinstehen. Schadensersatzansprüchen des Klägers steht jedenfalls entgegen, dass dieser schon das Entstehen eines Schadens nicht schlüssig dargelegt hat. Ein Schaden wäre dem Kläger allenfalls dann entstanden, wenn ihm die Klagforderung von 5.725,57 EUR im Verhältnis zu seinen Geschwistern, also als weiterer Anteil am Verkaufserlös des Grundstücks zustehen würde. Dies ist jedoch, obgleich vom Beklagten zu 1 ausdrücklich bestritten, seitens des Klägers in keiner Weise dargelegt. Die Geschwister des Klägers sind, offenbar im Hinblick auf die Erbauseinandersetzung, nicht bereit, dem Kläger diesen Restbetrag auszuzahlen. Ob er dem Kläger zusteht, er mithin durch die Zahlungen an seine Geschwister einen Schaden erlitten hat, steht mithin nicht fest. Aus der Vereinbarung vom 27. Dezember 2001 ergibt sich jedenfalls, dass schon bei Abschluss jener Vereinbarung zwischen den Verkäufern intern streitig war, ob dem Kläger ein Teil des Kaufpreises in Höhe von 10.900 DM zusätzlich zufließen sollte.

c) Unabhängig hiervon vermag der Senat auch die Kausalität einer etwaigen Amtspflichtverletzung des Beklagten zu 1 für den vom Kläger geltend gemachten Schaden nicht festzustellen. Der Beklagte zu 1 hatte keinen Auftrag, die richtige Verteilung des Kaufpreises sicherzustellen: Die Zahlungen sind ausweislich des notariellen Vertrages nicht über ein Notaranderkonto des Beklagten zu 1 abgewickelt worden. Auf das Zahlungsverhalten der Käufer hatte der Beklagte zu 1 mithin keinerlei rechtlichen Einfluss. Selbst wenn er die Vereinbarung der Verkäufer vom 27. Dezember 2001 den Käufern zugeleitet hätte, bliebe fraglich, ob diese sich in Abweichung vom notariellen Vertrag an eine solche interne Vereinbarung der Verkäufer gehalten oder entsprechend der mit ihnen im notariellen Kaufvertrag getroffenen Vereinbarung die Kaufpreiszahlung erbracht hätten.

d) Ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Klägers wäre auch nicht fällig, da dem Kläger eine anderweitige Ersatzmöglichkeit in Form der Inanspruchnahme seiner Geschwister zusteht. Zwar ist, worauf auch der Kläger zutreffend hingewiesen hat, die einem Notar von den Kaufvertragsparteien aufgetragene, eine tatsächlich und rechtliche Prüfung verlangende Bestätigung, dass die die Fälligkeit des Kaufpreises auslösenden Voraussetzungen vorliegen, nicht mehr Teil der Beurkundungstätigkeit, sondern Gegenstand eines selbständigen Betreuungsgeschäfts, weshalb sich der Notar insoweit nicht auf das Haftungsprivileg des § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO berufen kann (vgl. etwa BGH WM 1999, 1642 ff; WM 1997, 325; BGHZ 96, 157 ff). Bei der dem Beklagten zu 1 vorgeworfenen Pflichtverletzung geht es jedoch nicht um die Prüfung der Fälligkeit des Kaufpreises. Die mögliche Pflichtverletzung liegt vielmehr darin, dass der Notar die Vereinbarung der Verkäufer vom 27. Dezember 2001 über die interne anderweitige Aufteilung des Kaufpreises nicht an die Käufer weitergeleitet hat. Dies ist mit der im notariellen Vertrag übernommenen Verpflichtung, die Voraussetzungen für die Fälligkeit des Kaufpreises festzustellen und diese den Parteien mitzuteilen, nicht identisch. Unstreitig hat der beklagte Notar die ihm insoweit obliegenden Pflichten beanstandungsfrei erfüllt. Die Verpflichtung zur Weiterleitung der Vereinbarung der Verkäufer vom 27. Dezember 2001 ist hiervon zu unterscheiden. Sie ist auch weder ein Geschäft im Sinne von § 23 BNotO noch gehört sie zu den Amtsgeschäften nach § 24 BNotO, also der Betreuung und Vertretung der Beteiligten. Die Weiterleitung von Schriftstücken steht vielmehr unmittelbar mit der Beurkundung des Kaufvertrages im Zusammenhang, ist Teil der sich hieraus ergebenden Betreuungstätigkeit des Notars und unterfällt daher auch dem Haftungsprivileg des § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen die Revision zuzulassen wäre, sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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