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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 08.03.2007
Aktenzeichen: 3 U 5/07
Rechtsgebiete: StGB, BGB


Vorschriften:

StGB § 263
BGB § 611
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen davon ausgegangen werden kann, dass der Mandant den von ihm beauftragten Rechtsanwalt über seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Sinne des § 263 StGB getäuscht hat (hier: Feststellungsantrag von Rechtsanwälten, dass ihre Honorarforderungen gegen den Mandanten auch aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung begründet sind).
3 U 5/07

Beschluss

In dem Rechtsstreit

Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 2. Oktober 2006 verkündete Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Hannover ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats nicht erfordert.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass ihre Honorarforderungen gegen den Beklagten auch aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung begründet sind.

Der Beklagte war Geschäftsführer der O. GmbH. Nachdem die X Bank der GmbH am 5. Dezember 2001 sämtliche Kredite gekündigt und die Konten gesperrt hatte, beauftragte der Beklagte die Klägerin damit, ein Gutachten über die Vermögens und Ertragslage der GmbH zu erstellen, um weiteren Kredit zu erhalten. Aus dem der Klägerin überreichten Unterlagen ergaben sich u. a. Mietrückstände der GmbH gegenüber der U. S. Vermietungen und Verpachtungen, einem Einzelunternehmen des Beklagten. Bei Erstellung des Gutachtens war der Klägerin bekannt, dass Sozialversicherungsbeiträge trotz Fälligkeit nicht mehr abgeführt worden waren.

Anfang Januar 2002 nahm die Klägerin an einem Gespräch mit Mitarbeitern der X Bank teil, in dem der Beklagte erklärte, keine zusätzlichen Sicherheiten mehr anbieten zu können.

Auf ein Schreiben des Bankhauses X vom 25. Januar 2002 zeigte die Klägerin mit Schreiben vom 4. Februar 2002 die Interessenvertretung des Beklagten an und bat um Fristverlängerung zur Rückführung des Soll-Saldos auf dem Girokonto des Beklagten in Höhe von 34.498,62 EUR (Bl. 125).

Die Bestellung einer Buchgrundschuld mit Zwangsvollstreckungsunterwerfung vom 29. Januar 2002 scheiterte, weil das zu belastende Gartengrundstück, wie sich beim Versuch der Eintragung ins Grundbuch zeigte, bereits in den Haftungsverband des belasteten Hausgrundstücks des Beklagten einbezogen worden war.

Die Klägerin hat vorgetragen, bei Übernahme der hier in Rede stehenden Mandate habe sie keine Kenntnis von der schlechten finanziellen Situation des Beklagten gehabt. Bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Beklagten hätte sie die Mandate nicht übernommen.

Der Beklagte hat eine Täuschung in Abrede genommen.

Das Landgericht hat, nachdem es am 26. Mai 2006 bereits einen rechtlichen Hinweis erteilt hatte, mit Urteil vom 2. Oktober 2006 die Klage abgewiesen. Den Gesellschaftern der Klägerin sei bereits bei Übernahme des ersten Mandats zur Erstellung eines Sanierungsgutachtens bekannt gewesen, dass sich auch der Beklagte persönlich in finanziellen Schwierigkeiten befunden habe, was im Einzelnen ausgeführt wird.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihren erstinstanzlichen Feststellungsantrag weiter verfolgt. Sie wiederholt und vertieft ihren Vortrag erster Instanz. Insbesondere weist sie darauf hin, dass sie nicht gewusst habe und auch nicht habe erkennen können, dass der Beklagte selbst überschuldet gewesen sei. Auch aus den ausgebliebenen Mietzahlungen an den Beklagten und der Kenntnis der Klägerin von der Unfähigkeit des Beklagten, der X Bank im Januar 2002 weitere Sicherheiten anzubieten, ergebe sich insoweit nichts.

II.

Der Senat hält die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO für gegeben. Namentlich ist nicht ersichtlich, dass die Berufung der Klägerin Aussicht auf Erfolg hat.

Der Senat hält die Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil für zutreffend und tritt ihnen nach eigener Prüfung bei. Im Hinblick auf das Vorbringen in der Berufungsbegründung ist lediglich zusammenfassend und ergänzend noch wie folgt anzumerken:

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann von einem Betrug durch den Beklagten nicht ausgegangen werden. § 263 StGB setzt in seinem objektiven Tatbestand an erster Stelle eine Täuschung über Tatsachen voraus. Täuschung ist ein auf Irreführung gerichtetes Verhalten, wobei das Merkmal der Täuschung einen subjektiven Einschlag dahingehend hat, dass stets das Bewusstsein des Täters erforderlich ist, dass zwischen dem vorgegebenen Sachverhalt und der Wirklichkeit eine Diskrepanz besteht. Wer einen Vertrag schließt, erklärt, dass er zur Erfüllung fähig und willig ist, es sei denn, er erklärt dabei ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten etwas Gegenteiliges. Wer wie der Beklagte zur Zeit des ersten Auftrags an die Klägerin Verbindlichkeiten gegenüber einem Dritten, hier der Firma R., in nicht unerheblicher Höhe hat, macht gegenüber seinem Vertragspartner damit deutlich, möglicherweise die aus einem Vertragsschluss sich ergebenden Verbindlichkeiten nicht erfüllen zu können. Ob der Mitteilung von Verbindlichkeiten gegenüber einem Dritten ein solcher Erklärungsinhalt beigemessen werden kann, ist Frage des Einzelfalls. Dafür spricht hier, dass der Beklagte kein hohes Gehalt bezog, "seine" Gesellschaft, deren Gesellschafter und Geschäftsführer er war, erhebliche finanzielle Probleme hatte und die einzigen Einkünfte seiner Einzelfirma aus den Mietzahlungen der GmbH bestanden, die aber auf Grund ihrer wirtschaftlichen Situation seit einiger Zeit keine Leistungen mehr an ihn, den Beklagten, erbrachte, wohingegen er selbst Leistungen an seinen Vermieter, die Firma R., zu erbringen hatte. Bei der Auslegung dessen, was hinsichtlich seiner Zahlungsfähigkeit der Beklagte bei Erteilung des ersten Auftrags an die Klägerin im Dezember 2001 mitgeteilt hat, ist in jedem Fall die Kenntnis der Klägerin von diesen Verbindlichkeiten mit zu berücksichtigen. Ob damit eine vollständige Aufklärung der Klägerin über die Zahlungsfähigkeit des Beklagten erfolgt war, mag zwar zweifelhaft erscheinen. Dieses Aufklärungsrisiko ist beim Betrugstatbestand aber gerade von erheblicher Bedeutung (vgl. Ranft, Jura 1992, 66). Einige Aufklärung durch den Beklagten war jedenfalls erfolgt, sodass die Klägerin sich fragen lassen muss, warum sie nicht entweder einen üblichen und von der damals noch geltenden BRAGO in § 17 auch ausdrücklich als zulässig angesehenen Vorschuss vom Beklagten angefordert oder hinsichtlich seiner Zahlungsfähigkeit, deren Zweifelhaftigkeit ihr bekannt oder jedenfalls erkennbar war, nicht nachgefragt hat. Wenn sie, was in Anbetracht der konkreten Situation angezeigt erschien, von solchen Möglichkeiten keinen Gebrauch machte, muss ihr auch kein strafrechtlicher Schutz zugedacht werden (s. auch ebenda, Fn. 9, mit Hinweis auf BGH, JZ 1989, 759 f.).

Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte durch Täuschung einen Irrtum, d. h. eine unrichtige Vorstellung über Tatsachen, erregt oder weiter unterhalten hat. Das Landgericht hat im angefochtenen Urteil die wesentlichen Aspekte hervorgehoben. Die Klägerin wusste, dass die GmbH keine Zahlungen mehr leisten konnte, folglich der Beklagte auch keine Mieteinnahmen mehr erzielte, dies ungeachtet der weiter bestehenden Verpflichtung des Beklagten gegenüber dem Vermieter. Außerdem war der Klägerin auch bekannt, dass die Arbeitnehmeranteile der Sozialversicherung nicht mehr abgeführt worden waren, was in Anbetracht der Strafwürdigkeit dieses Verhaltens eine deutliche Aussage über die Zahlungsfähigkeit des Beklagten beinhaltete.

Was die Bestellung der Grundschuld angeht, hat die Klägerin selbst vorgetragen, dass sie im Vorfeld vom Beklagten erfahren hatte, dass dieser zur Begleichung der zu dieser Zeit bereits angefallenen Gebühren nicht in der Lage war. Für die zu dieser Zeit bereits angefallenen Gebühren kann die - letztlich misslungene - Grundschuldbestellung ohnehin keine Bedeutung mehr haben. An den Voraussetzungen des § 263 StGB fehlt es im Übrigen hinsichtlich der Grundschuldbestellung auch deshalb, weil die Klägerin im Januar 2002 an einem Gespräch mit Mitarbeitern der X Bank teilgenommen und im Rahmen dieses Gespräches der Beklagte erklärt hatte, zusätzliche Sicherheiten könne er nicht mehr anbieten. Damit konnte die Klägerin auch nicht davon ausgehen, der Beklagte könne ihr gegenüber werthaltige Sicherheiten bestellen. Weiter war der Klägerin spätestens durch das Schreiben der X Bank vom 25. Januar 2002 bekannt, dass der Beklagte sein Girokonto um ca. 35.000 EUR überzogen hatte.

Nicht zu beanstanden ist auch die Argumentation des Landgerichts im angefochtenen Urteil, die Klägerin habe die - weiteren - anwaltlichen Mandate unabhängig von der Werthaltigkeit des Gartengrundstücks übernommen. Von welchem Wert die Klägerin ausgegangen ist, trägt sie nicht vor. Dazu hätte in Anbetracht des Umstandes, dass es sich lediglich um ein - kleines - Gartengrundstück handelte, aber Anlass bestanden. Als sich herausstellte, dass der Versuch, eine Sicherung zu erlangen, fehlgeschlagen war, stellte die Klägerin ihre Tätigkeit für den Beklagten nicht ein. Auf die weiteren Ausführungen im angefochtenen Urteil dazu, insbesondere das Jahr 2003 betreffend, wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Danach kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Vermögensverfügung der Klägerin gerade auf einer Täuschung des Beklagten beruhte.

Insbesondere im Hinblick auf die Grundschuldbestellung erscheint dem Senat auch zweifelhaft, ob von einem Vorsatz des Beklagten ausgegangen werden kann. Es trifft zwar zu, wenn die Klägerin meint, dass eine Vereinigung von Grundstücken ohne Mitwirkung des Eigentümers nicht möglich ist. Daraus ergibt sich aber nur, dass der Beklagte hätte erkennen können, dass eine Grundschuld auf dem Gartengrundstück nicht - mehr - bestellt werden konnte. Die Annahme positiver Kenntnis, wie sie sich im Vortrag der Klägerin findet, ist aber jedenfalls nicht zwingend, zumal nicht vorgetragen worden ist, wann diese Vereinigung von Garten und Hausgrundstück stattgefunden haben soll.

Unverständlich ist es, wenn demgegenüber die Klägerin meint, die bereits in der Bearbeitung befindlichen Mandate hätten vertragsgemäß zu Ende geführt werden müssen. Eine solche Pflicht bestand keineswegs (s. § 627 BGB).

Eine abweichende rechtliche Beurteilung ergibt sich auch nicht für die "letzte" Gebühr in Höhe von 983,68 EUR. Die Klägerin hat diesbezüglich selbst vorgetragen, zu Grunde liegende Leistungen in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Beklagten erbracht zu haben. Dies zu Grunde gelegt ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte über seine Zahlungsfähigkeit und -bereitschaft getäuscht und insoweit bei der Klägerin einen Irrtum hervorgerufen haben könnte. Gerade insoweit gelten die obigen Ausführungen und es bleibt gänzlich unverständlich, dass die Klägerin Leistungen ohne Vorschuss erbracht hat. Dass der Beklagte selbst zum Ausgleich auch dieser letzten Gebührenforderung nicht in der Lage sein würde, lag in Anbetracht seiner desolaten Vermögensverhältnisse auf der Hand. Der pauschale und vage Hinweis, die entstehenden Kosten würden in jedem Fall, "notfalls aus dem familiären Kreis" beglichen, waren als einen Irrtum seitens der Klägerin auslösende Täuschung denkbar ungeeignet.

III.

Der Klägerin bleibt nachgelassen, zu diesem Beschluss Stellung zu nehmen bis zum 26. März 2007 oder - schon aus Kostengründen - ihre Berufung zurückzunehmen.

Ende der Entscheidung

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