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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 20.06.2005
Aktenzeichen: 3 U 65/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 596
ZPO § 533
Eine Abstandnahme vom Urkundenprozess ist im zweiten Rechtszug nicht zugelassen. Der Rechtsstreit bleibt im Urkundenprozess anhängig. Eine Zurückverweisung an die erste Instanz kommt nicht in Betracht.
3 U 65/05

Beschluss

In dem Rechtsstreit

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 15. Februar 2005 verkündete Urteil des Einzelrichters der 9. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht einstimmig. Sie ist nicht anfechtbar.

Gründe:

1. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf seinen Beschluss vom 24. Mai 2005. Wesentlich Neues enthält zu den dort angesprochenen Fragen der Schriftsatz vom 13. Juni 2005 nicht.

2. Der Klägerin ist es verwehrt, im jetzigen Verfahrensstadium gemäß § 596 ZPO von dem Urkundenprozess Abstand zu nehmen, um den Rechtsstreit im ordentlichen Verfahren weiter zu betreiben.

§ 596 ZPO kann zu der Frage der Zulässigkeit der Abstandnahme im Berufungsverfahren nichts entnommen werden. Jedenfalls vor Inkrafttreten der Novellierung der ZPO zum 1. Januar 2002 galt für eine solche Abstandnahme in der Berufungsinstanz, dass die Zulässigkeit der Abstandnahme analog § 263 ZPO zu behandeln sei. Danach musste der Beklagte einwilligen oder das Gericht die Abstandnahme für sachdienlich erachten (vgl. OLG Frankfurt, MDR 1988, 326 m. w. N.).

Nach neuem Recht ist von weiter verschärften Voraussetzungen auszugehen (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 24. Aufl., § 596, Rn. 4). Zum einen gilt - insoweit nach wie vor - dass dem Beklagten eine Instanz im ordentlichen Verfahren verloren geht und schon deswegen § 596 ZPO nicht einschränkungslos auf die Berufungsinstanz übertragen werden kann. Zu verweisen ist aber vor allem darauf, dass § 533 ZPO n. F. § 531 ZPO a. F. verdrängt hat. Nach altem Recht galt für die Einführung von ändernden Anträgen, dass die entsprechenden Vorschriften als Sonderregelungen gegenüber den Präklusionsvorschriften angesehen wurden und der Prozessökonomie zur Vermeidung doppelter Prozesse der Vorrang gegenüber der innerprozessualen Beschleunigung durch Präklusion gegeben wurde. Nach § 533 ZPO n. F. ist eine Klageänderung nicht schon dann zulässig, wenn der Gegner einwilligt oder dies das Gericht für sachdienlich hält. Die Klagänderung muss weiter auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zu Grunde zu legen hat. Neuer Tatsachenstoff, der der Begründung des neuen ändernden Antrags zu Grunde gelegt wird, muss danach gemäß § 529 ZPO in den Prozess eingeführt werden dürfen. Ist dies nicht der Fall, ist die Klagänderung immer unzulässig, unabhängig davon, ob der Gegner einwilligt oder das Gericht Sachdienlichkeit bejaht. Der Intention des Gesetzgebers, die erste Instanz zu stärken und die Berufung in ein Instrument zur Fehlerkontrolle und -beseitigung umzugestalten (BTDrs. 14/3750, S.2), wird damit Nachdruck verliehen.

Dies führt vorliegend dazu, dass die im Schriftsatz vom 13. Juni 2005 erfolgten Beweisangebote der Klägerin (Vernehmung ihres Ehegatten als Zeugen) gemäß § 533 ZPO keine Berücksichtigung mehr finden können. Allgemein gilt, dass auf Grund der geänderten Rechtslage im zweiten Rechtszug eine Abstandnahme vom Urkundenprozess regelmäßig unzulässig ist. Der Senat sieht sich vor diesem Hintergrund - entgegen der Auffassung von Voit (in Musielak, ZPO, 4. Aufl., Rn. 7 zu § 596 ) - auch nicht veranlasst, eine teleologische Reduzierung des § 533 ZPO für Fälle wie den vorliegenden vorzunehmen. Weder sieht der Senat dafür ein ausreichendes Bedürfnis, noch würde damit dem Willen des Gesetzgebers entsprochen, der mit der Neufassung des § 533 ZPO gerade verhindern wollte, dass das Berufungsgericht über eine Flucht in die Klagänderung mit Tatsachenstoff konfrontiert werden könnte, der nach der Neuregelung der §§ 529, 531 ZPO ausgeschlossen ist (vgl. BTDrs. 14/3750, S. 73). Es erscheint dem Senat überdies ausreichend, dass die Klägerin in erster Instanz über eine Abstandnahme vom Urkundenprozess entscheiden konnte, zumal das Landgericht bereits unmittelbar nach Klageinreichung auf "Bedenken gegen die Zulässigkeit der Urkundsklage" hingewiesen hatte.

Wird die Abstandnahme im Rahmen der angekündigten Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO erklärt, muss diese auch schon deshalb unzulässig sein, weil Sinn und Zweck der Zurückweisung durch Beschluss, nämlich Erleichterung und Beschleunigung von Verfahren, offensichtlich unterlaufen würden. Darauf kommt es aber nicht mehr entscheidend an.

Ist danach die Abstandnahme vom Urkundenprozess im zweiten Rechtszug nicht zugelassen, bleibt der Rechtsstreit im Urkundenprozess anhängig (vgl. OLG Frankfurt, a. a. O.) Es hat daher mit der Entscheidung des Landgerichts, dass die Klage im Urkundenprozess unstatthaft ist, sein Bewenden. Eine Zurückverweisung an das Landgericht kommt nicht in Betracht (vgl. BGHZ 29, 337, 339).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Dass der Beschluss unanfechtbar ist, ergibt sich aus § 522 Abs. 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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