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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 12.09.2007
Aktenzeichen: 3 U 85/07
Rechtsgebiete: BGB, InsO


Vorschriften:

BGB § 138
BGB § 765
BGB § 767
InsO § 309 Abs. 1 Nr. 2
1. Zur Beschränkung der Bürgschaft auf die Anlassforderung im Falle einer - unzulässigen - weiten Zweckerklärung.

2. Zur Bedeutung der Möglichkeit der Restschuldbefreiung, zur Zukunftsprognose und zur Bedeutung der Höhe des Bürgschaftsbetrages im Fall einer krassen finanziellen Überforderung des Bürgen.

3. Zur Widerlegung der Vermutung der Ausnutzung der emotionalen Beziehung zwischen Hauptschuldner und Bürgen durch die Bank. Dabei genügt die Mitarbeit des Bürgen im Betrieb des Hauptschuldners nicht, und zwar auch dann nicht, wenn die Mitarbeit erheblich ist und auch die Miterledigung "des Geschäftlichen" umfasst. Erforderlich ist, dass der Bürge aufgrund konkreter und rechtlich gesicherter Vereinbarungen mit dem Hauptschuldner an dem finanzierten Projekt in einem nennenswerten Umfang beteiligt werden soll.


Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

3 U 85/07

Verkündet am 12. September 2007

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... auf die mündliche Verhandlung vom 1. August 2007 für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das am 27. Februar 2007 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bückeburg geändert. die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin macht mit ihrer Klage die Feststellung einer Forderung gegen den Beklagten zur Insolvenztabelle geltend.

Durch schriftlichen Vertrag vom 12. Oktober 1999 verbürgte sich der Beklagte gegenüber der Klägerin "zur Sicherung aller bestehenden, künftigen und bedingten Ansprüche" der Klägerin gegen die Hauptschulderin, Frau K., die damalige Lebensgefährtin und jetzige Ehefrau des Beklagten. Die Hauptschuldnerin war zu dieser Zeit Inhaberin eines - seit 2001 insolventen - Garten und Landschaftsbaubetriebes. Zu der Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten kam es, weil die Hauptschuldnerin ihren Dispo-Kredit bei der Klägerin in erheblichem Umfang überzogen hatte.

Der Beklagte hatte zur Zeit der Abgabe der Bürgschaftserklärung bereits die Eidesstattliche Versicherung abgegeben und erhielt ausweislich der der Klagerwiderung beigefügten Abrechnungen (Anlagen B 1, Bl. 34 ff. d. A.) einen "Aushilfslohn" in Höhe von 630 DM.

Durch Beschluss des Amtsgerichts Bückeburg vom 8. Oktober 2004 wurde über das Vermögen des Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Beklagte hat die Forderung der Klägerin in dem Insolvenzverfahren bestritten.

Im Jahr 2005 verstarb der Vater des Beklagten. Aufgrund Testaments vom 29. September 1999 (Bl. 39) wurde der Bruder des Beklagten Alleinerbe.

Die Klägerin hat behauptet, bereits bei Abgabe der Bürgschaftserklärung sei absehbar gewesen, dass der Beklagte nach dem Tod seines Vaters eine umfangreiche Erbschaft erlangen würde. Außerdem habe der Beklagte insbesondere wegen der Erhaltung seines Arbeitsplatzes ein eigenes Interesse daran gehabt, dass die Hauptschuldnerin von der Klägerin weitere Kredite erhalte.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Bürgschaft sei angesichts seiner Mittellosigkeit sittenwidrig. Außerdem hätten ihm die Mitarbeiter der Klägerin erklärt, die Bürgschaft werde nur für bankinterne Zwecke benötigt. Über die Erbschaft sei nicht gesprochen worden.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Mitarbeiter der Klägerin D. und B. sowie der Ehefrau des Beklagten (Bl. 68 ff./85 f. ). Den Beklagten hat es persönlich angehört.

Das Landgericht hat sodann der Klage antragsgemäß stattgegeben.

Die Bürgschaft sei nicht wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Zwar sei, wie die Beweisaufnahme ergeben habe, der Bürgschaftsvertrag nicht im Hinblick auf eine zu erwartende Erbschaft geschlossen worden. Die Beweisaufnahme habe demgegenüber ergeben, dass der Beklagte die Bürgschaft nicht nur wegen der engen Verbundenheit zu der Hauptschuldnerin, sondern zumindest auch aus eigenem wirtschaftlichen Interesse übernommen habe, denn er habe tatsächlich in einem erheblichen Umfang im Betrieb mitgearbeitet und dabei auch an unternehmerischen Entscheidungen mitgewirkt oder solche sogar allein getroffen.

Es könne offen bleiben, ob die Mitarbeiter der Klägerin dem Beklagten erklärt hätten, die Bürgschaft werde nur "für bankinterne Zwecke" benötigt. Einer solchen Äußerung könne nicht entnommen werden, dass die Bürgschaft als Scheingeschäft i. S. d. § 117 BGB oder als nicht ernstgemeintes Rechtsgeschäft i. S. d. § 118 BGB anzusehen sei. Letztlich diene jede Bürgschaft gegenüber einer Bank nur "bankinternen Zwecken", nämlich der Sicherung von Forderungen der Bank.

Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung unter Aufrechterhaltung seines erstinstanzlichen Klagabweisungsantrages.

Der Beklagte wiederholt seinen erstinstanzlichen Vortrag zu seiner finanziell krassen Überforderung. Entgegen der Ansicht des Landgerichts habe er aber aus dem Darlehen an die Hauptschuldnerin keine eigenen unmittelbaren Vorteile erlangt. Eine Beteiligung des Beklagten an dem finanzierten Objekt habe nicht bestanden.

Der Beklagte beantragt,

unter Änderung des am 27. Februar 2007 verkündeten Urteils des Landgerichts Bückeburg (Az.: 2 O 186/06) die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Sie wiederholt und vertieft dazu ihren erstinstanzlichen Vortrag. Falls die Hauptschuldnerin nicht ohnehin nur Strohfrau für den Beklagten als wahren Unternehmensinhaber gewesen sei, so habe zumindest zwischen ihnen ein gemeinsames Wirtschaften vorgelegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien samt Anlagen, das angefochtene Urteil sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. der geltend gemachte Anspruch steht der Klägerin nicht zu.

1. Die Bürgschaft ist zwar nicht unter dem Gesichtspunkt der weiten Zweckerklärung unwirksam.

Der Wirksamkeit des Bürgschaftsvertrages vom 12. Oktober 1999 (Anlage K 1, Bl. 5 f. d. A.) steht an sich entgegen, dass die Bürgschaft ausweislich Ziffer 1 des Vertrages zur Sicherung aller bestehenden, künftigen und bedingten Ansprüche der Klägerin gegen die Hauptschuldnerin übernommen wurde. Die Erstreckung der Bürgschaft auf alle bestehenden und künftigen Forderungen der Klägerin in der als Allgemeine Geschäftsbedingung anzusehenden vorformulierten Vertragserklärung stellt eine unangemessene Benachteiligung i. S. d. § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGB-Gesetz bzw. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB n. F. dar. Eine solche Ausweitung der Bürgenhaftung ist mit § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB, wonach durch ein Rechtsgeschäft, das der Hauptschuldner nach der Übernahme der Bürgschaft übernimmt, die Verpflichtung des Bürgen nicht erweitert wird, nicht zu vereinbaren (ständige Rechtsprechung seit BGH, ZIP 1995, 1244), und zwar unabhängig von der Person des Bürgen (vgl. BGH, NJW 1998, 3708, für einen Kaufmann) sowie auch für den Fall einer Höchstbetragsbürgschaft (vgl. BGH, NJW 2000, 658, unter III. 2. b), weil die Begrenzung der Haftung auf einen Höchstbetrag den Bürgen nicht ausreichend vor der Gefahr schütze, wegen einer Forderung in Anspruch genommen zu werden, die er nicht kenne.

Eine Einschränkung dieser Rechtsprechung ergibt sich daraus, dass nach Ansicht des Bundesgerichtshofs eine Totalnichtigkeit der Bürgschaft - gemessen am Schutzzweck des AGB-Gesetzes - eine überschießende Rechtsfolge wäre. Daraus ergibt sich, dass der Beklagte jedenfalls für die sogenannte Anlassforderung haftet. Der Bundesgerichtshof sieht darin keine unzulässige geltungserhaltende Reduktion (vgl. BGH, ZIP 1995, 1244, 1250).

Der Vortrag der Parteien zur Anlassforderung ist zwar dürftig. Letztlich ist aber unstreitig, dass, so insbesondere der persönlich angehörte Beklagte vor dem Landgericht Hannover selbst, der der Hauptschuldnerin eingeräumte Dispo-Kredit in Höhe von 40.000 DM - vor Abgabe der Bürgschaft - bis auf einen Sollstand von etwa 80.000 DM durch die Hauptschuldnerin ausgeweitet worden war. Die Klägerin hat sich diesen Vortrag letztlich zu eigen gemacht (Bl. 131).

Danach ist davon auszugehen, dass die Bürgschaft zwar auf den Anlasskredit begrenzt ist, dieser aber hinter dem Bürgschaftsbetrag nicht zurückbleibt. Anderes ist auch nicht behauptet worden.

2. Die Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten ist aber sittenwidrig und damit nichtig.

a) Bei einseitig verpflichtenden Verträgen wie einer Bürgschaft, bei denen eine Anwendung des § 138 Abs. 2 BGB von vornherein ausscheidet, weil es an einem Leistungsaustausch fehlt, tritt stattdessen bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit an die Stelle eines auffälligen Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung ein krasses Missverhältnis zwischen dem Verpflichtungsumfang und der Leistungsfähigkeit des dem Hauptschuldner nahestehenden Bürgen.

Ein solches Missverhältnis begründet, wenn dem Hauptschuldner der Bürge aufgrund einer Ehe oder vergleichbaren engen Beziehung emotional eng verbunden ist und sich deshalb bei einer Bürgschaftsübernahme sehr häufig nicht von einer rationalen Einschätzung des wirtschaftlichen Risikos leiten lässt, auch ohne Hinzutreten weiterer Umstände die widerlegliche (§ 292 ZPO) tatsächliche Vermutung, dass die Bank die emotionale Beziehung zwischen dem Hauptschuldner und dem Bürgen in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat.

Dabei entspricht es der Rechtsprechung des Senats, dass auch in den Fällen, in denen die Bürgschaft einen relativ geringen Betrag ausmacht, die vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze zur Sittenwidrigkeit der Mithaftung naher Angehöriger gelten, wenn der Mithaftende nur über relativ geringfügige Einkünfte verfügt (NJWRR 2006, 131). Wie in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen erörtert, ist das von der Klägerin angeführte Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 16. März 1999 durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs überholt (vgl. Senat, OLGR 2004, 311. NJWRR 2006, 131. OLGR 2007, 521. zustimmend OLG Frankfurt, NJW 2004, 2392. sowie LG Mönchengladbach, NJW 2006, 67, für einen Betrag, der niedriger ist als der vorliegend in Rede stehende). Demgegenüber kann die Klägerin sich auch nicht mit Erfolg auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1993 (NJW 1993, 36) berufen. Soweit dort (ebenda, 39) eine Verfassungsbeschwerde einer Bürgin zurückgewiesen wurde, geschah dies gerade nicht unter Berufung auf eine feste Wertgrenze, sondern - auch - deswegen, weil es dort um einen Konsumentenkredit für die Gründung eines gemeinsamen Hausstandes von Bürgin und Darlehensschuldner ging. Damit ist der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar.

Weiter steht hier einer Sittenwidrigkeit der Bürgschaft auch nicht entgegen, dass für sie vorliegend die Möglichkeit der Restschuldbefreiung nach §§ 286 ff. InsO besteht. Nach der Rechtsprechung des Senats ändert die Möglichkeit von Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung nichts an einer Sittenwidrigkeit der Bürgschaft eines nahen Angehörigen, wenn deren Voraussetzungen vorliegen (MDR 2006, 1243. ebenso OLG Frankfurt, NJW 2004, 2392. LG Mönchengladbach, NJW 2006, 67).

Für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit eines Vertrages ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgebend. Dabei hat es nicht ohne weiteres mit dem Hinweis sein Bewenden, die krasse finanzielle Überforderung liege immer dann vor, wenn der Verpflichtete außer Stande sei, die laufenden Zinsen auf Dauer aufzubringen (vgl. BGHZ 146, 37, 42). Es ist vielmehr, worauf die Klägerin durchaus zutreffend hingewiesen hat, auch eine Zukunftsprognose anzustellen (vgl. BGH, WM 2005, 421, 422), wobei wegen der damit verbundenen Schwierigkeiten der Senat in der Vergangenheit bereits auf § 309 Abs. 1 Nr. 2 InsO abgestellt hat (MDR 2006, 1243), wo der Gesetzgeber die Vermutung aufgestellt hat, dass sich die Einkommens und Vermögensverhältnisse des Schuldners während des gesamten Insolvenzverfahrens und der anschließenden Frist bis zur gesetzlichen Restschuldbefreiung nicht ändern.

Vorliegend ist insbesondere anzuführen, dass der Beklagte bereits bei Abschluss des Bürgschaftsvertrages die Eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte. Höhere als die durch die vorgelegten Abrechnungen belegten Bezüge stehen nicht fest, wobei ohnehin sehr viel höhere Bezüge erforderlich gewesen wären, um aus diesen jedenfalls die Zinsen zahlen zu können. Ohnehin spricht die Insolvenz des Betriebes der Hauptschuldnerin dagegen, dass der Betrieb so viel abwarf, dass deutlich höhere Bezüge an den Beklagten hätten gezahlt werden können.

Eine "anstehende" Erbschaft mag im Einzelfall geeignet sein, den Vorwurf der Sittenwidrigkeit zu entkräften. Hier kann Näheres dahinstehen, denn auf der Grundlage der Zeugenaussagen ergibt sich, ohne dass dies von einer der Parteien in der Berufung noch näher wieder aufgegriffen worden wäre, dass diese Erbschaft bei den Gesprächen im Vorfeld der Bürgschaft ohnehin kein Thema war.

Für eine optimistische Zukunftsprognose, die die Vermutung aus § 309 Abs. 1 Nr. 2 InsO zu widerlegen geeignet wäre, sieht der Senat keine Grundlage.

b) Fraglich ist in vorliegender Sache hingegen insbesondere, ob gerade im Hinblick auf die Stellung des Beklagten in der Unternehmung der Hauptschuldnerin die tatsächliche Vermutung gerechtfertigt bzw. wegen des eigenen Interesses des Beklagten an der Kreditvergabe die Vermutung der Ausnutzung der emotionalen Beziehung zwischen Hauptschuldner und Bürgen durch die Bank widerlegt ist.

Dabei genügt es nicht, dass der Beklagte an der Kreditgewährung an die Hauptschuldnerin deswegen ein Interesse hatte, weil er in deren Betrieb arbeitete. Im Bürgschaftsfall - wegen Ausfalls der Hauptschuldnerin - war diese Verdienstmöglichkeit ohnehin mindestens erheblich gefährdet.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt es zur Widerlegung der Vermutung eines Handelns aus emotionaler Verbundenheit auch nicht, dass der Bürge in dem Betrieb an verantwortlicher Stelle mitarbeiten soll (WM 2005, 421). Auch in einem solchen Fall bleibt es dabei, dass die Tätigkeit für das finanzierte Unternehmen bloß einen mittelbaren geldwerten Vorteil darstellt, der zur Widerlegung der Vermutung, dass die ruinöse Bürgschaft aus emotionaler Verbundenheit übernommen und die Bank dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat, nicht ausreicht.

Eine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich erst dann, wenn der finanziell krass überforderte Bürge aufgrund konkreter und rechtlich hinreichend gesicherter Vereinbarungen mit dem Kreditnehmer an dem finanzierten Objekt in einem nennenswerten Umfang beteiligt werden soll (ebenda, 423). Da der Bürge in einem solchen Fall freiwillig ein unternehmerisches Risiko eingeht und sich seine Rechtsstellung bei wertender Betrachtung nicht wesentlich von der eines echten Mitdarlehensnehmers unterscheidet, soll es der kreditgebenden Bank grundsätzlich gestattet sein, ihn - wie einen Darlehensnehmer - ohne Rücksicht auf eine geringe finanzielle Leistungsfähigkeit in die darlehensvertragliche Haftung einzubinden, wofür nach Ansicht des Bundesgerichtshofs auch spricht, dass Gesellschafter einer kreditsuchenden Gesellschaft gewöhnlich ohne weiteres in die Mithaftung genommen werden können und hierfür unter Umständen auch ein unmittelbar bevorstehender Erwerb einer bedeutsamen Beteiligung an der Hauptschuldnerin ausreichen könne.

Unter diesem Gesichtpunkt ist die angefochtene Entscheidung durchgreifenden Bedenken ausgesetzt. Das Landgericht verzichtet nämlich auf die Feststellung "rechtlich hinreichend gesicherter Vereinbarungen mit dem Kreditnehmer", und lässt es genügen, dass der Beklagte in dem Betrieb der Hauptschuldnerin in erheblichem Umfang gearbeitet und teilweise auch das Geschäftliche zusammen mit der Hauptschuldnerin oder auch ohne diese geregelt habe. Das alleine genügt aber nicht. Auch leitende Angestellte treffen eigene Entscheidungen in einem fremden Unternehmen und arbeiten häufig über die durchschnittliche Arbeitszeit hinaus, ohne dass allein deswegen eine Widerlegung der genannten Vermutung gerechtfertigt wäre (vgl. ebenda).

Soweit die Klägerin in ihrer Berufungserwiderung (S. 6) die o.g. Entscheidung des Bundesgerichtshofs nur für "bedingt einschlägig" hält, mag das insoweit zutreffen, als es dort in der Tat um ein Existenzgründungsdarlehen ging. Weiter mag es so sein, dass es vorliegend um Verbindlichkeiten geht, die auf der Grundlage eines gemeinsamen Wirtschaftens von Beklagtem und Hauptschuldnerin bereits entstanden waren. Aber das alles ist nicht die vom Bundesgerichtshof hervorgehobene rechtliche Position des Bürgen. Das von der Klägerin in den Vordergrund ihrer Betrachtung und Bewertung gerückte gemeinsame Wirtschaften oder die sonst in tatsächlicher Hinsicht gleichberechtigte Position des Beklagten gegenüber der Hauptschuldnerin genügt danach nicht.

Unklar bleibt der Hinweis der Berufungserwiderung (S. 7) auf die Ehegatteninnengesellschaft. Es ist nicht ersichtlich, dass bei Abschluss des Darlehensvertrages der Beklagte und die Hauptschuldnerin bereits verheiratet gewesen wären. Überdies kommt zwar bei einer Mithilfe eines Ehegatten im Erwerbsgeschäft des anderen über das übliche Maß hinaus die Annahme einer Ehegatteninnengesellschaft in Betracht, wobei wieder alles von den Umständen des Einzelfalls abhängen soll. Es ist für den Senat nicht ersichtlich, was sich aus dem Vorliegen einer Innengesellschaft für die Klägerin ergeben soll.

Mangels Feststellbarkeit "rechtlich hinreichend gesicherter Vereinbarungen mit dem Kreditnehmer" ist das angefochtene Urteil daher abzuändern.

c) Eine Bürgschaft kann nicht nur wegen krasser finanzieller Überforderung, sondern auch aus sonstigen Gründen unwirksam sein. Ob insbesondere die Behauptung des Beklagten, die Mitarbeiter der Klägerin hätten ihm erklärt, dass die Bürgschaft nur für bankinterne Zwecke benötigt werde (vgl. dazu nur BGH, MDR 2003, 1365, 1366 m. w. N.), zutrifft, ist aber aus obigen Gründen nicht mehr entscheidungserheblich.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Anlass, gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO die Revision zuzulassen, hat der Senat nicht (vgl. II. 2. a).

Ende der Entscheidung

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