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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 04.03.2008
Aktenzeichen: 322 SsBs 226/07
Rechtsgebiete: FPersV


Vorschriften:

FPersV § 20
Die Verpflichtung eines Beförderungsunternehmers aus § 20 FPersV, seinen Fahrern eine Bescheinigung über arbeitsfreie und im Sinne der vorgeschriebenen Lenkzeiten berücksichtigungsfreie Tage auszustellen, bezieht sich nicht nur auf seine angestellten Fahrer, sondern auch auf solche Fahrer, die als formal selbständig Gewerbebetreibende dennoch in enger persönlicher Abhängigkeit zu dem Unternehmen stehen.
Oberlandesgericht Celle Beschluss

322 SsBs 226/07

In der Bußgeldsache

gegen K. P. D.,

geboren am 01.03.1960 in H.,

wohnhaft W. 10, N. W.,

wegen Ordnungswidrigkeit nach der Fahrpersonalverordnung

hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Celle nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Oberlandesgericht ####### am 04.03.2008 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Das Urteil des Amtsgerichts L. vom 10.07.2007 wird mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts L. zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht wegen zweier tateinheitlich begangener Verstöße gegen § 20 FPersV gegen den Betroffenen eine Geldbuße von 225,- EUR verhängt, weil dieser fahrlässig als Unternehmer bei ihm beschäftigten Fahrern keine Bescheinigung nach § 20 FPersV ausgestellt hat.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts ist der Betroffene Geschäftführer eines in der Rechtsform einer GmbH betriebenen Unternehmens, das den Auf- und Abbau von Absperrgittern bei öffentlichen Veranstaltungen zum Gegenstand hat. Das Unternehmen beschäftigt für die Durchführung entsprechender Aufträge keine eigenen Arbeitskräfte, sondern setzt Subunternehmer oder Leiharbeitnehmer ein.

Am 17.10.2006 waren die Zeugen W. und Wi. als Fahrer mit einem von dem Unternehmen des Betroffenen zur Verfügung gestellten Lkw zur Abwicklung eines Auftrages eingesetzt. Im Rahmen einer an diesem Tage durchgeführten Polizeikontrolle führten die beiden Zeugen keine durch den Unternehmer auszustellende Bescheinigung gemäß § 20 Abs. 1 FPersV über berücksichtigungsfreie Tage bezogen auf den 16.10.2006 mit sich.

Nach den weiteren Feststellungen des Amtsgerichts handelt es sich bei dem Zeugen W. um den Cousin des Betroffenen. Der Zeuge betreibt seit Januar 2006 selbständig ein Gewerbe, das sich mit dem Tätigkeitsbereich des Unternehmens des Betroffenen deckt. Er ist im Wesentlichen nur für dieses Unternehmen tätig.

Bei dem Zeugen Wi. handelt es sich um einen selbständigen Gastwirt, der gelegentlich als Lkw-Fahrer tätig ist. Zu der Tätigkeit für das Unternehmen des Betroffenen am Vorfallstag kam es, nachdem der Betroffene den Zeugen H., einen Leiharbeitnehmervermittler, telefonisch um die Vermittlung eines Kraftfahrers gebeten hatte. Da sich der Zeuge H. während des Telefonats in der Gaststätte des Zeugen Wi. aufhielt und ihm dessen Freude am Lkw-Fahren bekannt war, fragte er den Zeuge Wi., ob er bereit sei, für das Unternehmen des Betroffenen tätig zu werden, was dieser spontan zusagte.

Gegen dieses Urteil hat der Betroffene durch Schriftsatz seines Verteidigers vom 05.09.2007 Rechtsbeschwerde eingelegt, mit der er seinen Freispruch verfolgt.

II.

Die form- und fristgerecht erhobene Rechtsbeschwerde, die der Einzelrichter durch Beschluss vom 13.02.2008 zugelassen und dem Senat zur Entscheidung übertragen hat, hat vorläufigen Erfolg.

1. Die Feststellungen des Tatgerichts tragen den Schuldspruch wegen eines fahrlässigen Verstoßes gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 11 FPersV nicht.

Nach der genannten Vorschrift handelt ordnungswidrig, wer als Unternehmer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 20 Abs. 1 S. 2 oder Abs. 2 FPersV eine dort genannte Bescheinigung nicht ausstellt oder nicht aushändigt. Der in Bezug genommene § 20 FPersV regelt, dass Fahrer, die an sich nach Art. 15 Abs. 7 der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 oder Kapitel III Artikel 11 des Anhangs zum AETR zum Mitführen von Schaublättern verpflichtet sind, für die Tage der laufenden Woche eine Bescheinigung darüber bei sich zu führen haben, dass sie an den Tagen, für die keine Schaublätter vorliegen, arbeitsfrei hatten oder kein nachweispflichtiges Kraftfahrzeug geführt haben. Die Pflicht zur Ausstellung dieser Bescheinigung trifft gemäß § 20 Abs. 1 S. 2 FPersV den Unternehmer, für den die betroffenen Fahrer tätig sind. Abs. 2 erweitert die Pflicht des Unternehmers dahin, dass die in Abs. 1 genannte Bescheinigung durch den Unternehmer nachträglich auf Verlangen der Kontrollbehörden ausgestellt werden muss, wenn die berücksichtigungsfreien (etwa arbeitsfreien) Tage unterwegs angefallen sind.

a) Der persönliche Anwendungsbereich von § 20 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 FPersV erfasst den Unternehmer. Als Unternehmer ist grundsätzlich derjenige anzusehen, der eine wirtschaftliche Unternehmung auf eigene Rechnung und Gefahr führt und hierbei als Arbeitgeber Arbeiter oder Angestellte gegen festen Lohn oder festes Gehalt beschäftigt (Mindorf, in: Lütkes/Ferner/Kramer, Straßenverkehr, 179. Lieferung, Dezember 2007, § 20 FPersV Rn 3). Der so inhaltlich beschriebene Unternehmer ist vor dem Fahrtantritt gegenüber seinen angestellten Fahrern für die Erstellung und Aushändigung der in § 20 Abs. 1 S. 2 geforderten Bescheinigung verantwortlich (Mindorf, in: Lütkes/Ferner/Kramer, a.a.O., § 20 FPersV Rn. 3). Die Pflicht zur Ausstellung der Bescheinigung nach § 20 Abs. 1 S. 2 FPersV trifft also lediglich den Unternehmer, der bei ihm angestellte Fahrer einsetzt. Setzt das Unternehmen dagegen Fahrer ein, bei denen es sich wiederum um selbstständige Unternehmer handelt, sind diese berechtigt und verpflichtet, sich selbst eine entsprechende Bescheinigung über arbeitsfreie Tage auszustellen.

Allerdings kann trotz des Umstandes, dass zwischen dem Unternehmer und dem Fahrer kein Arbeits- oder Dienstvertrag geschlossen worden ist, sondern die Fahrer als formal selbstständige Subunternehmer tätig werden, von einem Arbeitgeber-/Arbeitnehmerverhältnis im Sinne des § 20 FPersV auszugehen sein. Das FPersG und die FPersV, die die Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 (geändert durch Verordnung [EG] Nr. 561/2006) umsetzen, bezwecken die Einhaltung und Überwachung der sozialrechtlichen und arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen im Güterkraftverkehr, insbesondere die Kontrollierbarkeit der Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten von Lkw-Fahrern. Vor dem Hintergrund dieses Regelungszwecks kann die den persönlichen Anwendungsbereich des § 20 FPersV bestimmende Abgrenzung zwischen einer abhängigen und einer selbstständigen Tätigkeit eines Fahrers lediglich anhand der vertraglichen Merkmale und der tatsächlichen Durchführung des jeweiligen Vertrages beurteilt werden (vgl. BAG NZA 1998, 364). Als selbstständig kann allein derjenige angesehen werden, der seine Tätigkeit frei gestalten und seine Arbeitszeit selbst bestimmen kann (BAG NZA 1999, 374; BGH NZA 1999, 310; LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 14.10.2005 - L 4 KR 2083/03). Die selbständige Tätigkeit als Unternehmer im Kraftverkehr ist lediglich dann gegeben, wenn die fragliche Person im eigenen Namen nach außen auftritt, für eigene Rechnung und unter eigener Verantwortung handelt sowie vor allem die überwiegenden Einfluss- und Mitwirkungsmöglichkeiten auf den gesamten Geschäftsablauf hat. Umgekehrt sind die Aufgaben des abhängig tätigen Fahrers auf das Lenken und andere fahrzeugbezogene Tätigkeiten beschränkt. Er ist hinsichtlich der Durchführung der jeweiligen Fahrt von den Weisungen des Arbeitgebers, insbesondere auch im Hinblick auf die zeitliche Durchführung der Arbeiten, abhängig. Vor allem fehlt bei den abhängig beschäftigten Fahrern die eigene Verantwortung gegenüber dem Auftraggeber der Beförderung (Andresen/Winkler, Fahrpersonalgesetz und Sozialvorschriften für Kraftfahrer, 3. Aufl., 2001, S. 16 f.). Vielmehr übt er seine Tätigkeit in enger persönlicher Abhängigkeit vom Auftraggeber aus (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 14.10.2005 - L 4 KR 2083/03).

b) Für den Zeugen Wi. scheidet danach eine Tätigkeit als abhängig tätiger Fahrer des Unternehmens des Betroffenen aus. Es fehlt an einer die abhängige Tätigkeit prägende Ausübung in enger persönlicher Abhängigkeit vom Auftraggeber. Ausweislich der Feststellungen hat sich der Zeuge Wi. auf den Anruf des Betroffenen bei dem Zeugen H. Letzterem gegenüber spontan zu der Durchführung der konkreten Fahrt am 17.10.2006 bereit erklärt, weil er gerne Lkw fährt. Weder aus der Art der Anbahnung des Kontakts zu dem Betroffenen noch aus der einmaligen Durchführung einer ganz bestimmten Einsatzfahrt lässt sich eine durch enge persönliche Abhängigkeit zu dem Unternehmen des Betroffenen als Auftraggeber oder eine über den konkreten einmaligen Einsatz hinausgehende Eingliederung in das von dem Betroffenen geführte Unternehmen erkennen. Fehlt es daran aber, so ist der persönliche Anwendungsbereich des § 20 Abs. 1 S. 2 und damit auch der des Ordnungswidrigkeitentatbestandes des § 21 Abs. 1 Nr. 11 FPersV nicht eröffnet. Auf die Frage, ob es dem Betroffenen tatsächlich möglich gewesen wäre, durch Nachfragen in Erfahrung zu bringen, welcher Tätigkeit der Zeuge Wi. am 16.10.2006 nachgegangen war, kommt es daher nicht an. Der Betroffenen war insoweit nicht verpflichtet, für den Zeugen Wi. eine Bescheinigung nach § 20 Abs. 1 S. 2 FPersV zu erstellen.

Im Hinblick auf die unterbliebene Ausstellung einer Bescheinigung für den Zeugen W. fehlt es indes an Feststellungen für die Voraussetzungen des persönlichen Anwendungsbereichs von § 20 Abs. 1 S. 2 FPersV. Das angefochtene Urteil teilt insoweit lediglich mit, dass es sich bei dem Zeugen um den Cousin des Betroffenen handelt, der Zeuge selbständig ein Gewerbe im Tätigkeitsbereich des Unternehmens des Betroffenen betreibt, er im Wesentlichen nur für dessen Unternehmen tätig ist und eine Rechnung gegenüber dem Unternehmen des Betroffenen für den Juni 2007 gestellt hat. Diese Feststellungen genügen nach den genannten rechtlichen Maßstäben nicht, um beurteilen zu können, ob die Tätigkeit des Zeugen W. als abhängige Beschäftigung zu qualifizieren ist. Die Feststellungen des Urteils ermöglichen es dem Senat nicht nachzuvollziehen, ob die Tätigkeit des Zeugen für das Unternehmen des Betroffenen zur Tatzeit als abhängige oder als selbständige Beschäftigung zu beurteilen ist.

2. Nach allem war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Ein Teilfreispruch im Hinblick auf die fehlende Bescheinigung für den Zeugen Wi. kam nicht in Betracht, weil Tateinheit mit der unterlassenen Ausstellung einer Bescheinigung für den Zeugen W. besteht.

Das Amtsgericht wird bei der erneuten Verhandlung insbesondere aufzuklären haben, wie sich die selbständige Gewerbeausübung des Zeugen W. konkret darstellt. Vor allem ist zu ermitteln, in welchem Umfang der Zeuge bisher für das Unternehmen des Betroffenen oder andere Unternehmen mit entsprechendem Geschäftsbereich tätig geworden ist. Entsprechend den entwickelten rechtlichen Maßstäben kommt es neben der Häufigkeit der Tätigkeit für das Unternehmen des Betroffenen vor allem auch auf die Art und Weise der Durchführung der Aufträge für den Betroffenen, das Auftreten gegenüber den jeweiligen Auftraggebern und auf die Modalitäten der Entgeltzahlung im Verhältnis des Zeugen zu dem Unternehmen des Betroffenen an. In Bezug auf die Art und Weise der Durchführung der Aufträge für das Unternehmen des Betroffenen wird aufzuklären sein, ob der Zeuge bei der Ausführung zeitlich eigenständig disponieren konnte oder strikt den Vorgaben des Betroffenen unterlag.

Ende der Entscheidung

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