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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 21.08.2003
Aktenzeichen: 4 AR 77/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 29 c
BGB § 312
§ 29 c Abs. 1 S. 1 ZPO begründet - im Gegensatz zu § 29 c Abs. 1 S. 2 ZPO - keinen ausschließlichen Gerichtsstand für Aktivprozesse des Verbrauchers.
4 AR 77/03

Beschluss

In dem Verfahren über die Bestimmung des zuständigen Gerichts

pp.

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter am Oberlandesgericht ####### und die Richterin am Amtsgericht ####### am 21. August 2003 beschlossen:

Tenor:

Das Landgericht Hannover ist zuständig.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Gründe:

Das Landgericht Hannover war gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO als zuständiges Gericht zu bestimmen. Denn der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Hannover vom 18. Juni 2003 ist in schwer wiegender Weise rechtsfehlerhaft und deshalb für das Landgericht Heilbronn ausnahmsweise nicht gemäß § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO bindend.

Denn entgegen der Ansicht des Einzelrichters des Landgerichts Hannover stand der Klägerin vor Erhebung der Klage sehr wohl ein - mit Klagerhebung im Jahre 2002 verbrauchtes - Wahlrecht gemäß § 35 ZPO zu.

Neben dem Sitz der Beklagten in Hannover als allgemeiner Gerichtsstand gemäß § 17 Abs. 2 ZPO stand der Klägerin nämlich entgegen der Auffassung des Landgerichts Hannover als besonderer Gerichtsstand gemäß § 29 c Abs. 1 Satz 1 ZPO der ihres Wohnsitzes im Landgerichtsbezirk Heilbronn zur Wahl. Diese Wahlmöglichkeit ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil es sich bei § 35 Abs. 1 Satz 1 ZPO um einen ausschließlichen Gerichtsstand handele. Das ist ersichtlich nicht der Fall, wie sich aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut, insbesondere aus § 29 c Abs. 1 Satz 2 ZPO ergibt. Die dort ausdrücklich für Klagen des Unternehmers gegen den Verbraucher angeordnete ausschließliche Zuständigkeit des Wohnsitzgerichts des Verbrauchers lässt keinen anderen Schluss zu, als dass im Übrigen, also hier für Klagen des Verbrauchers gegen den Unternehmer gerade kein ausschließlicher, sondern nur ein weiterer besonderer Gerichtsstand vom Gesetzgeber gewollt ist.

Diese Rechtslage ändert sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses des hier in Rede stehenden Vertrages § 7 Abs. 1 des damals geltenden HaustürWG für Klagen aus Geschäften i. S. d. § 1 HaustürWG einen ausschließlichen Gerichtsstand an dem Ort begründete, in dessen Bezirk der Kunde zurzeit der Klagerhebung seinen Wohnsitz hatte. Denn § 7 HaustürWG ist durch § 29 c ZPO gerade ersetzt worden. Soweit der Anwendungsbereich dieser neuen Vorschrift reicht - was vorliegend jedenfalls der Fall ist, weil die Klage nach dem 1. Januar 2002 erhoben worden ist - gilt für die Frage der Zuständigkeit nur noch § 29 c ZPO und ist der Zeitpunkt der Klagerhebung und nicht der des Vertragsschlusses maßgebend (vgl. auch Zöller/Vollkommer, ZPO. 23. Aufl., § 29 c Rn. 1, 8).

Entgegen der Auffassung des Einzelrichters des Landgerichts Hannover steht dem auch nicht die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 7. Januar 2003 - X ARZ 362/02 - (NJW 2003, 1190) entgegen. Diese Entscheidung, die auf Vorlage des erkennenden Senats ergangen ist und deren Sachverhalt dem Senat daher im Einzelnen bekannt ist, lässt nicht erkennen, dass der Bundesgerichtshof tatsächlich entgegen dem - wie eingangs dargelegt - ausdrücklichen Gesetzeswortlaut für Klagen der vorliegenden Art eine ausschließliche Zuständigkeit annehmen wollte. Vielmehr liegt - nach Auffassung des Senats offenkundig - nur eine ungenaue Formulierung vor und war tatsächlich mit der Redewendung im genannten Beschluss keine andere "ausschließliche" sondern "gemeinsame" Zuständigkeit gemeint. Die Gründe, die dafür sprechen, insbesondere der Umstand, dass es in der genannten Entscheidung, die keinen negativen Kompetenzkonflikt betraf, sondern einen Antrag auf Bestimmung eines gemeinsamen Gerichtsstandes mit der Folge, dass sich die im vorliegenden Verfahren streitige Frage in jenem Verfahren in dieser Schärfe gar nicht stellte sowie vor allem, dass auch die weiteren Ausführungen des Bundesgerichtshofs im genannten Beschluss in ihrem Gesamtzusammenhang eindeutig ergeben, dass der Bundesgerichtshof sich in der genannten Entscheidung nur an einer Stelle ungenau ausgedrückt und im Übrigen keine ausschließliche Zuständigkeit für Fälle der vorliegenden Art gemeint haben kann, hat das Landgericht Heilbronn in seinem Beschluss vom 31. Juli 2003 (dort zu Ziffer 2 b sowie Ziffer 3, Bl. 316 f d. A.) im Einzelnen zutreffend herausgearbeitet. Darauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

Die Klägerin hatte somit mit Zustellung der Klage ein ihr zustehendes Wahlrecht in Bezug auf einen Gerichtsstand an ihrem Wohnort verbraucht. In Verkennung dieser Rechtslage ist aus den ebenfalls im Beschluss des Landgerichts Heilbronn (dort zu Ziffer 4, Bl. 318 d. A.) die durch das Landgericht Hannover erfolgte Verweisung als "objektiv willkürlich" anzusehen, sodass die Verweisung das Landgericht Heilbronn nicht bindet, zumal auch die Beklagte der Verweisung ihrerseits ausdrücklich widersprochen hatte. Die Nichtbeachtung der verbindlichen Ausübung des Wahlrechts gehört - wie für die Ausübung im Mahnantrag auch vom Bundesgerichtshof entschieden ist (BGH NJW 2002, 3634) - geradezu zum klassischen Fall der objektiven Willkür.

Nach alledem war das Landgericht Hannover als das örtlich zuständige Gericht zu bestimmen. Der Senat hält das im Übrigen auch deshalb für sachgerecht, nachdem vor diesem Gericht das Verfahren bereits längere Zeit angedauert hatte und sogar schon prozessleitende Beweisanordnungen vor diesem Gericht getroffen worden waren.

Ende der Entscheidung

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