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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 14.03.2002
Aktenzeichen: 4 U 12/01
Rechtsgebiete: BGB, FlurberG, GG


Vorschriften:

BGB § 585 a
BGB § 594 a
BGB § 242
FlurberG § 88
GG Art. 14
Der Entzug von mit Spargelkulturen bewirtschafteten Grundstücksflächen im Flurbereinigungsverfahren kann im Einzelfall nach den Grundsätzen von Treu und Glauben auch für den Pächter, der mit dem Eigentümer nur mündliche und nach §§ 585 a, 594 a BGB kündbare Pachtverträge geschlossen hat, unter dem Gesichtspunkt des Entzuges des Pachtrechts als vermögenswerter Rechtsposition nach § 88 Nr. 5 FlurberG einen Entschädigungsanspruch auslösen, dessen Höhe sich auf der Grundlage nicht nur der verbleibenden Pachtdauer bis zur nächstmöglichen ordentlichen Kündigung, sondern darüber hinaus bis zum Ende (Verbrauch) der bereits angelegten Spargelkultur bemisst.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

4 U 12/01 (Baul.)

Verkündet am 14. März 2002

In dem Baulandverfahren

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts - Senat für Baulandsachen - auf die mündliche Verhandlung vom 5. Februar 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter am Oberverwaltungsgericht ####### und den Richter am Oberlandesgericht ####### für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beteiligten zu 1 (####### ) gegen das am 13. Dezember 2000 verkündete Urteil der Kammer für Baulandsachen bei dem Landgericht Hannover wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beteiligte zu 1 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beteiligte zu 1 darf die Vollstreckung des Beteiligten zu 2 durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Antragstellerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Wert der Beschwer für die Beteiligte zu 1: 75.636,79 €.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die angemessene Höhe einer dem Beteiligten zu 2 zu gewährenden Entschädigung nach Enteignung von ihm zum Spargelanbau genutzter Grundstücksflächen.

Auf der Grundlage eines seit 29. April 1997 unanfechtbaren Planfeststellungsbeschlusses der Bezirksregierung ####### vom 31. Oktober 1996 wurden der Beteiligten zu 1 bedingt durch den vierspurigen Ausbau der Bundesstraße ####### Flächen der Gemarkungen #######, ####### und ####### zu Eigentum übertragen. Mit Beschluss vom 11. Dezember 1996 wurde für die genannten Flächen die Flurbereinigung angeordnet, die die Beteiligte zu 3 als Unternehmensflurbereinigung durchführte. Mit dem Eigentümer der Flächen, der Erbengemeinschaft ####### wurde am 2. Oktober 1997 mit Besitzübergang zum 1. Januar 1997 ein Bauerlaubnisvertrag abgeschlossen, ferner ein weiterer Bauerlaubnisvertrag mit dem Beteiligten zu 2 vom 12. April 1998 mit rückwirkendem Besitzübergang zum 1. Oktober 1997.

Der Beteiligte zu 2 hatte hier in Rede stehende Flächen seit dem Jahre 1978 auf der Grundlage eines mit der Erbengemeinschaft ####### mündlich geschlossenen Pachtvertrages zum Teil selbst und zum Teil im Wege der Unterverpachtung an Dritte mit Spargelanbau bewirtschaftet. Mit Wirkung vom 2. Januar 1998 schloss der Beteiligte zu 2 mit der Erbengemeinschaft ferner einen schriftlichen Pachtvertrag für die Dauer vom 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 2007.

Mit der Ermittlung der angemessenen Entschädigung für den Entzug der Flächen hat die Beteiligte zu 3 im Einvernehmen mit der Straßenbauverwaltung im Verwaltungsverfahren die vereidigte Sachverständige für Gartenbau Frau Dipl. agr. ####### beauftragt. Diese hat in zwei Gutachten vom 4. Dezember 1997 sowie 4. Juni 1998 schriftliche Gutachten erstellt. Auf der Grundlage des letztgenannten Gutachtens hat die Beteiligte zu 3 die seitens der Beteiligten zu 1 an den Beteiligten zu 2 zu leistende Entschädigung auf insgesamt 87.369,57 € (170.880 DM) festgesetzt.

Gegen diese Entschädigungsfestsetzung haben sowohl die Beteiligte zu 1 als auch der Beteiligte zu 2 Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt.

Die Beteiligte zu 1 hat gemeint, dass die gutachterlichen Ausführungen der Sachverständigen ####### keine hinreichend nachvollziehbare und deshalb für eine gerichtliche Festsetzung ausreichende Grundlage einer Entschädigung in der genannten Höhe bildeten. Insbesondere habe die Sachverständige sowohl für Kosten als auch die Erträge der Spargelanlage Zahlen und Werte übernommen, die nicht durch ausreichend konkrete und sichere Feststellungen gedeckt seien. Die Entschädigungshöhe könne deshalb nur anhand der Richtwertdeckungsbeiträge der Landwirtschaftskammer ####### - bereinigt um die Vermarktungskosten - ermittelt werden. Danach ergebe sich hier jedoch nur eine Entschädigung zur Höhe von 11.732,77 € (22.947,30 DM).

Die Beteiligte zu 1 hat beantragt,

die Entschädigungssumme für die Spargelanlage auf 22.947,30 DM festzusetzen.

Der Beteiligte zu 2 hat beantragt,

diesen Antrag zurückzuweisen.

Der Beteiligte zu 2 hat seinerseits beantragt,

die Entschädigungssumme auf 92.707,96 € (181.321 DM) entsprechend dem ersten Gutachten der Sachverständigen ####### festzusetzen.

Die Beteiligte zu 1 hat beantragt,

diesen Antrag zurückzuweisen.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch mündliche Erläuterung ihrer schriftlichen Gutachten seitens der Sachverständigen #######. Wegen der Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll vom 14. November 2000 Bezug genommen.

Mit Urteil vom 13. Dezember 2000 hat das Landgericht die Anträge auf gerichtliche Entscheidung sowohl der Beteiligten zu 1 als auch des Beteiligten zu 2 zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, dass die Beteiligte zu 3 die dem Beteiligten zu 2 nach § 88 Nr. 5 und 6 des Flurbereinigungsgesetzes geschuldete Entschädigung der Höhe nach ohne Rechtsfehler ermittelt habe. So habe die Sachverständige insbesondere bei der Ermittlung der Entschädigungshöhe die restliche Nutzungsdauer der vom Beteiligten zu 2 unterhaltenen Spargelkultur zutreffend zugrunde gelegt. Dabei werde nicht verkannt, dass nach § 585 a BGB mündlich abgeschlossene Verträge nur als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen gelten und nach § 594 a BGB eine Kündigung des Vertrages spätestens am dritten Werktag eines jeden Pachtjahres zum Schluss des nächsten Pachtjahres zulässig sei. Gleichwohl liege im vorliegenden Fall eine auch über diesen Stichtag (Ende 1999) hinausgehende gesicherte und nach Art. 14 Abs. 3 GG entschädigungspflichtige Rechtsposition vor, weil angesichts der Besonderheiten von Spargelkulturen als Dauerkulturen (lange Anwuchsphase mit nennenswerten Erträgen erst ab ca. dem dritten Jahr pp.) hier besondere Fallumstände vorlägen, die es rechtfertigten, davon auszugehen, dass die Parteien des Pachtvertrags das Kündigungsrecht auch ohne konkrete Absprachen von vornherein dahin eingeschränkt hätten, dass eine Kündigung erst zum Ende der Spargelkultur zulässig sei. Im Übrigen habe der Beteiligte zu 2 eine etwaige gleichwohl ausgesprochene Kündigung jedenfalls nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) abwehren können und deshalb eine gesicherte Rechtsposition i. S. der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehabt.

Im Übrigen habe die Sachverständige ####### die Höhe der Entschädigung auch zutreffend nach der 'Methode Löhden' ermittelt. Die Feststellungen der Sachverständigen seien insbesondere auch auf der Grundlage ihrer Anhörung vor der Kammer deshalb nachvollziehbar und ausreichend konkret, weil die Sachverständige die Kosten- und Ertragsstruktur individuell vor Ort ermittelt habe, sodass entgegen früher von der Kammer selbst vertretene Auffassung die Richtlinien der Landwirtschaftskammer auch auf eine ganz andere Vermarktungsstruktur (Großbetriebe) zugeschnitten seien. Das gilt umso mehr, als die von der Sachverständigen ermittelten Durchschnittspreise und auch Deckungsbeiträge noch am unteren Ende der Skala lägen und daher eher vorsichtig geschätzt seien.

Gegen dieses Urteil wendet sich die rechtzeitig eingelegte und begründete Berufung der Beteiligten zu 1. Die Beteiligte zu 1 wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Sie wendet sich insbesondere gegen die Auffassung des Landgerichts, dass trotz des von dem Beteiligten zu 2 nur mündlich geschlossenen Pachtvertrages für die Ermittlung der Entschädigungshöhe ein Pachtzeitraum bis zum Ende der laufenden Spargelkultur anzusetzen sei. Wegen der Kündigungsmöglichkeit aus § 594 a BGB bestehe vielmehr gerade keine gesicherte Rechtsposition im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung, sondern eine grundsätzlich nicht entschädigungspflichtige bloße Chance oder Aussicht. Angesichts der zwingenden Regelung in § 594 a BGB könne auch entgegen der Auffassung der Baulandkammer, der Vertrag des Beteiligten zu 2 mit dem Eigentümer nicht im Sinne eines vertraglich vereinbarten Ausschlusses des Kündigungsrechts ausgelegt oder die Ausübung des Kündigungsrechts als mit Treu und Glauben unvereinbar bewertet werden.

Im Übrigen hält die Beteiligte zu 1 unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags an ihrer Auffassung fest, dass die Entschädigung nach den Richtwerten der Landwirtschaftskammer zu bemessen sei, weil andere konkrete Bemessungsgrundlagen wie Buchführungsunterlagen pp. jedenfalls für den vorliegenden Fall nicht vorlägen. Konkrete individuelle Feststellungen, die geeignet sein könnten, die Anwendung der Richtwerte zu ersetzen, habe auch die Sachverständige ####### bislang nicht aufgezeigt. Eine bloße Ortsbesichtigung reiche insoweit nicht aus.

Die Beteiligte zu 1 beantragt,

1. unter Abänderung des am 13. Dezember 2000 verkündeten Urteils der Baulandkammer des Landgerichts Hannover (7 0 (Baul.) 500/99) den Entschädigungsfestsetzungsbeschluss des Amtes für Agrarstruktur ####### vom 3. Dezember 1998 (1.61-611 ####### 09.1-1/1-23/98) dahin zu ändern, dass die Entschädigungssumme für den Beteiligten zu 2 (Pächter #######) für dessen Spargelanlage auf 11.732,77 € (22.947,30 DM) festgesetzt wird.

2. Im Falle der Bestimmung einer Sicherheitsleistung der Beteiligten 1 zu gestatten, Sicherheit in Form der Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder Volksbank zu leisten.

Der Beteiligte zu 2 beantragt,

die gegnerische Berufung zurückzuweisen

sowie für den Fall einer Maßnahme nach § 711 ZPO anzuordnen, dass Sicherheit auch eine selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, Volksbank oder öffentlichen Sparkasse sein darf.

Der Beteiligte zu 2 verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags das angefochtene Urteil. Er behauptet, vor dem Spargelanbau durch ihn mit dem Eigentümer ####### ausdrücklich vereinbart zu haben, dass dieser vor Ablauf der angebauten Kultur den mündlich abgeschlossenen Pachtvertrag keinesfalls habe kündigen dürfen. Vielmehr habe der Eigentümer ####### dem Beteiligten zu 2 zugesichert, dass der Beteiligte zu 2 die Fläche für die nächsten 12 Jahre habe behalten und mit Spargel bewirtschaften dürfe.

Im Übrigen vertritt auch der Beteiligte zu 2 die Auffassung, dass der Erbengemeinschaft ####### jedenfalls nach § 242 BGB ein Recht zur Kündigung des mündlich geschlossenen Pachtvertrages vor Beendigung der angelegten Spargelkultur nicht zugestanden habe. Außerdem sei für den Fall einer etwa doch zulässigen Kündigung zu bedenken, dass dem Beteiligten zu 2 dann seinerseits Anspruch auf Auskehr des Mehrwertes nach § 591 Abs. 1 BGB zustehe. Dieser belaufe sich mindestens auf die vom Landgericht schließlich zuerkannte Entschädigung.

Soweit das Landgericht sich auf die Gutachten der Sachverständigen ####### bezogen und die Entschädigung auf dieser Grundlage festgelegt habe, sei auch dies nicht zu beanstanden, insbesondere die Richtwerte der Landwirtschaftskammer im vorliegenden Fall nicht anzuwenden.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines weiteren Gutachtens der Sachverständigen ####### nach Maßgabe des Senatsbeschlusses vom 13. August 2001. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Gutachten der Sachverständigen ####### vom 29. Oktober 2001.

Im Übrigen wird zur Darstellung der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die informationshalber beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beteiligten zu 1 ist unbegründet. Das Landgericht. hat dem Beteiligten zu 2 mit Recht eine Entschädigung zur Höhe von insgesamt 87.369,56 € (170.880 DM) zuerkannt und den Antrag der Beteiligten zu 1 auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen.

I.

Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1 ist der dem Beteiligten zu 2 zukommende Entschädigungsanspruch nicht von vornherein auf eine Nutzungsdauer seiner Spargelanlage bis Ende 1999 deshalb zu begrenzen, weil der Beteiligte zu 2 mit dem Grundstückseigentümer, der Erbengemeinschaft ####### , seit 1978 nur durch einen mündlich geschlossenen Pachtvertrag verbunden war und dieser nach den §§ 585 a, 594 a BGB bis Ende 1999 kündbar gewesen wäre.

1. Zwar ist mit der Beteiligten zu 1 im Ausgangspunkt davon auszugehen, das dem Beteiligten zu 2 eine i. S. des § 88 Nr. 5 FlurBerG 'Vermögenswerte Rechtsposition' nur dann entzogen sein kann, wenn es sich bei dieser Rechtsposition - hier dem Pachtrecht - um eine auch über das Jahr 1999 hinausgehende - also die gesamte restliche Nutzungsdauer der Spargelanlage umfassende - gesicherte Rechtsposition handelt. Bloße Aussichten oder Chancen sind nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht ausreichend, eine Entschädigungspflicht auszulösen. Enteignungsrechtlich erheblich ist vielmehr grundsätzlich nur, welche Pachtdauer rechtlich gesichert war (vgl. statt aller BGH BRS 53, 403 ff. m. w. N.).

Von diesem Ausgangspunkt her gesehen ist der Beteiligten zu 1 zuzugeben, dass die grundsätzlich nach den §§ 585 a, 594 a BGB zum nächstmöglichen Termin objektiv gegebene Kündigungsmöglichkeit für eine Begrenzung auch der Entschädigungspflicht der Beteiligten zu 1 sprechen könnte. Diese objektive Rechtslage (Kündigungsmöglichkeit) bleibt auch grundsätzlich davon unberührt, ob die Erbengemeinschaft ####### den Beteiligten zu 2 wiederum mündlich zugesichert haben sollte, die Spargelanlage jedenfalls bis zur wirtschaftlichen Ausnutzung der vorhandenen und bereits begonnenen Spargelanlagen behalten zu dürfen. Weiter wird auch nicht verkannt, dass es der Sinn gerade auch der Formvorschriften der §§ 585 a, 594 a BGB ebenso wie etwa der Vorschrift des § 571 BGB im Falle der Grundstücksveräußerung ist, dass nur mündliche Absprachen grundsätzlich nicht auf volle Dauer binden sollten und folglich der Vertragspartner (hier der Beteiligte zu 2) darauf auch grundsätzlich nicht vertrauen konnte.

2. Gleichwohl ist der Senat mit der Baulandkammer der Auffassung, dass im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine Begrenzung der Entschädigungspflicht der Beteiligten zu 1 bis zum ersten möglichen Kündigungstermin wegen der besonderen Umstände des vorliegenden Falles nicht in Betracht kommt. Dass auch im Rahmen der Entschädigungspflicht und der Frage, was als gesicherte Rechtsposition im vorstehend aufgezeigten Sinne zu verstehen ist, auch die Grundsätze von Treu und Glauben anzuwenden sind, ist schon deshalb nicht zu bezweifeln, weil es sich bei diesem Grundsatz um eine das gesamte Rechtsleben durchdringendes Prinzip handelt. Auch der Bundesgerichtshof hat deshalb bereits entschieden, dass auch im Rahmen der Frage, was enteignungsrechtlich zu entschädigen ist, die Grundsätze von Treu und Glauben mit heranzuziehen sind (BGH BRS 45, 492, 493).

Im vorliegenden Fall ist gerade unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben jedoch mit der Kammer auch nach Auffassung des Senats zum einen zu berücksichtigen, dass die Bewirtschaftung mit Spargelkulturen von der Sache her - insoweit auch unstreitig - stets auf eine auf langfristige Bewirtschaftungsdauer angelegt und auch nur dann eine wirtschaftlich sinnvolle Investition ist. Auch wenn in Einzelheiten unter den Beteiligten streitig, besteht unter ihnen nämlich Übereinstimmung dahin und ist im Übrigen auch durch die Gutachten der Sachverständigen belegt, dass neu angelegte Spargelkulturen in den ersten drei bis vier Jahren gar keine und in den folgenden Jahren nur geringe Erträge abwerfen und erst nach erheblicher Dauer von mindestens ca. 10 Jahren erhebliche Erträge erzielen lassen, die die in die Anlaufphase gesteckten erheblichen Investitionen dann erst wieder auszugleichen in der Lage sind. Davon ausgehend würde jedoch eine Beschränkung der enteignungsrechtlichen Rechtsposition auf die grundsätzlich nächste Kündigungsmöglichkeit im Einzelfall zu dem unbilligen Ergebnis führen können, dass die Kündigung gerade in die Anlaufphase fällt, der Pächter also über Jahre hinweg erhebliche Investitionen in die Anlage gesteckt hat, ohne die Chance zu haben, sie im Fall z. B. der Ausübung eines Kündigungsrechts nach nur zwei oder dreijähriger Dauer durch Schaffen entsprechender Erträge wieder ausgleichen zu können.

In diesem Zusammenhang ist im konkreten Fall auch zu berücksichtigen, dass sich die Eigentümergemeinschaft ####### - wenn das auch allein zur Begründung einer gesicherten Rechtsposition im entschädigungsrechtlichen Sinne nach dem vorstehend Gesagten nicht ausreichen mag - doch seit dem Jahre 1978 über 20 Jahre hinweg auf eine pachtrechtliche Nutzung der Grundstücke eingelassen hatte. Das daraus resultierende Vertrauen des Beteiligten zu 2 in die Unverbrüchlichkeit des Worts bzw. die persönliche Zuverlässigkeit seines Verpächters als Vertragspartner wäre in unerträglichem Maß enttäuscht, wenn gleichwohl durch die objektiv vorhandene Kündigungsmöglichkeit das so geschaffene Pachtrecht zeitlich in seinem Entschädigungsumfang begrenzt würde.

Dies wäre nach Treu und Glauben umso unerträglicher, als das Vertrauen des Beteiligten zu 2 in die Person seines Verpächters, die Erbengemeinschaft ####### , im vorliegenden Fall ja gerade gerechtfertigt war: Denn es mag zwar sein, dass ein mündlicher Pachtvertrag insofern keine gesicherte Rechtsposition enthält, als es um die Beziehung der Pachtvertragsparteien untereinander geht. Mit anderen Worten ist zwar richtig, dass der Pächter, der sich auf mündliche Verträge einlässt, insofern gegenüber seinem Vertragspartner bei einem nicht schriftlich geschlossenen Pachtvertrag insoweit weniger gesichert ist, als in der Person des Verpächters liegende Umstände (Tod des Verpächters und ungewisse Fortsetzung mit den Erben oder Insolvenz) zur vorzeitigen Beendigung führen können. Derartige in der Person des Verpächters ####### liegende Umstände haben aber hier gerade nicht das Pachtrecht des Beteiligten zu 2 in seiner Dauer in Frage gestellt. Der Verpächter Parlasca hat vielmehr noch im Jahre 1998 - mithin bereits in Kenntnis der Flurbereinigungsverfahren - mit den Beteiligten zu 2 sogar noch einen auf weitere 10 Jahre angelegten schriftlichen Pachtvertrag abgeschlossen.

Der einzige Umstand, der überhaupt zu der Diskussion der Frage geführt hat, ob und mit welcher Bedeutung die nach objektiver Rechtlage bestehende Kündigungsmöglichkeit die Werthaltigkeit des Pachtrechts des Beteiligten zu 2 berühren könnte, ist also das von der Beteiligten zu 1 eingeleitete Enteignungsverfahren, das gleichsam von außen kommend in das Vertragsverhältnis und Pachtrecht des Beteiligten zu 2 eingegriffen und die Spargelanlagen zerstört hat. Vor allem unter diesem Aspekt erscheint es im vorliegenden Fall nach Treu und Glauben und Abwägung aller Umstände der Beteiligten zu 2 verwehrt, sich auf ein objektives Kündigungsrecht als die Entschädigungspflicht mindernd zu berufen.

II.

Ohne Erfolg wendet die Beteiligte zu 1 auch weiterhin ein, dass die Höhe der von der Beteiligten zu 3 festgesetzten Entschädigung übersetzt, insbesondere lediglich nach den Richtwerten der Landwirtschaftskammer zu bemessen sei.

1. Die Richtwertbeiträge der Landwirtschaftskammer sind - weil auf Großbetriebe und eine andere Vermarktungsstruktur zugeschnitten - allenfalls dann anzuwenden, wenn sich konkrete auf den Betrieb des jeweiligen Pächters - hier des Beteiligten zu 2 - bezogene Feststellungen zur Ertragslage und Kostenstruktur nicht ausreichend ermitteln ließen. Dies jedoch ist jedoch aufgrund der vorgelegten und vom Senat zusätzlich eingeholten Gutachten der Sachverständigen ####### jedenfalls in einer Weise der Fall, dass im Wege einer Schätzung nach § 287 ZPO die von der Beteiligten zu 3 festgesetzte Entschädigung der Höhe nach als angemessen angesehen werden kann.

2. So hat die Sachverständige ####### schon in ihren im Verwaltungsverfahren erstatteten schriftlichen Gutachten ausgeführt, dass aufgrund der von ihr durchgeführten Ortsbesichtigung nebst Befragung von Landwirten und Spargelbauanlageberatern die festgesetzte Entschädigung in ihrer Höhe realistisch erscheint. Grundsätzlich ist der Senat der Auffassung, dass diese Ermittlungen der Sachverständigen vor Ort unter Berücksichtigung des jeweils auf den Flächen vorhandenen Nutzungsstandes der Spargelanlagen konkreter, direkter und deshalb insgesamt zuverlässigere Ermittlungsgrundlagen abgeben als die Anwendung bloßer Pauschaltabellen. Auch ist die von der Sachverständigen angewendete Berechnungsmethode nach 'Löhden' als solche sachlich geeignet, wie zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit steht.

3. Allerdings ist der Beteiligten zu 1 zuzugeben, dass die Sachverständige ####### weder in ihren schriftlichen Gutachten im Verwaltungsverfahren - noch - soweit dem Sitzungsprotokoll vom 14. November 2000 zu entnehmen - im Rahmen ihrer Anhörung vor der Baulandkammer die von ihr zugrunde gelegten Ermittlungsgrundlagen betreffend die Spargelpreise und die Lohnkosten im Einzelnen offen gelegt hat. Das hat die Sachverständige ####### auf der Grundlage des Beweisbeschlusses des Senats vom 13. August 2001 jedoch in ihrem Ergänzungsgutachten vom 29. Oktober 2001 hinreichend deutlich nachgeholt. Die fachliche Richtigkeit dieses Ergänzungsgutachtens hat die Beteiligte zu 1 als solche auch nicht mehr angegriffen, sondern lediglich noch bezweifelt, dass die von der Sachverständigen zugrunde gelegten Ertragsmengen insgesamt so zutreffen. Von der Richtigkeit der Feststellungen der Sachverständigen insoweit ist der Senat aber zumindest in einem Maße überzeugt, dass sie im Wege einer Schätzung nach § 287 ZPO zugrunde gelegt werden können:

Denn es trifft zwar zu, dass die Sachverständige mit den Befragungspersonen im Wesentlichen Landwirte herangezogen hat, die - weil ebenfalls von Enteignungsverfahren betroffen - letztlich Parteien der jeweiligen Verfahren mit entsprechendem Eigeninteresse sind. Die daraus hergeleiteten Bedenken der Beteiligten zu 1 gegenüber der Richtigkeit der Erklärungen der befragten Landwirte teilt der Senat gleichwohl nicht. Die Gefahr unrichtiger Aussagen zum eigenen Vorteil ist schon deshalb wesentlich herabgesetzt, weil sämtliche Landwirte und in diesem und den Parallelprozessen beteiligte Pächter und Eigentümer von Spargelanlagen letztlich untereinander Konkurrenten sind, was zu einer Überprüfbarkeit der Angaben untereinander führt und die Gefahr unrichtiger Angaben zumindest herabsetzt. Im Übrigen hat die Sachverständige auch in ihrem Ergänzungsgutachten sich nicht nur auf die Befragung der beteiligten Landwirte gestützt, sondern darüber hinaus Auskünfte bei anderen Landwirtschaftskammern pp. eingeholt, die ihr Ergebnis bestätigt haben. Darüber hinaus sind die Werte, die die Sachverständige zugrunde gelegt hat, auch der Höhe nach eher im unteren Bereich angesetzt und vorsichtig geschätzt. Auch den Umstand, dass der Spargelverkauf in ####### direkt an der viel befahrenen Bundesstraße B ####### im Einzugsbereich der Großstadt ####### stattfand, hat die Sachverständige nachvollziehbar als Preisfaktor berücksichtigt.

Alle diese Umstände veranlassen den Senat, die Feststellungen der Sachverständigen ####### als im Sinne einer Schätzung ausreichend zuverlässige Grundlage anzusehen. Dass die Sachverständige bei dem Beteiligten zu 2 keine Buchführungsunterlagen ausgewertet hat, steht dem nicht entgegen, weil derartige Unterlagen nicht vorhanden waren. Ob der Beteiligte zu 2 zur Führung solcher Unterlagen verpflichtet gewesen wäre, obliegt dabei nicht der Entscheidung des Senats. Im Übrigen hat sich in dem Parallelverfahren '####### ' auch gezeigt, dass vorhandene Unterlagen wenig aussagekräftig sind und den Feststellungen der Sachverständigen nicht von vornherein entgegenstehen müssen, weil ohnehin wegen der Besonderheit der Bewirtschaftung von Spargelanlagen, insbesondere ihre Witterungsabhängigkeit gravierende Unterschiede von Saison zu Saison auftreten können, sodass ohnehin nur Erfahrungsdurchschnittswerte gebildet werden können. Diese hat die Sachverständige nachvollziehbar dargestellt. Dass ein anderer Gutachter über der Sachverständigen ####### überlegenere Erkenntnismethoden verfügen könnte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Deshalb bestand auch kein Anlass zur Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens.

4. Nach alledem war die Berufung der Beteiligten zu 1 mit der Kostenfolge der §§ 221 BauGB i. V. m. 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache gemäß § 543 Abs. 2 ZPO n. F. weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Insbesondere hat der Bundesgerichtshof - wie dargelegt - bereits entschieden, dass im Rahmen der Frage, ob eine entschädigungspflichtige gesicherte Rechtsposition vorliegt, auch die Grundsätze von Treu und Glauben mit zu berücksichtigen sind.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711, 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO.

Die Festsetzung des Werts der Beschwer beruht auf § 26 Nr. 8 EGZPO.

Ende der Entscheidung

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