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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 06.06.2002
Aktenzeichen: 4 U 15/02
Rechtsgebiete: ZPO, ZVG


Vorschriften:

ZPO § 256
ZVG § 57c
Für eine von dem betreibenden Gläubiger im laufenden Zwangsversteigerungsverfahren gegen denjenigen Beteiligten, der Rechte gem. § 57 c ZVG angemeldet hat, gerichtete Feststellungsklage mit dem Ziel, festzustellen, dass solche Rechte nicht bestehen, besteht bis zum Zeitpunkt des Ersteigerungsfalles in der Regel kein Feststellungsinteresse.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

4 U 15/02

Verkündet am 6. Juni 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 24. Mai 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter am Oberlandesgericht ####### sowie den Richter am Landgericht ####### für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 3. Dezember 2001 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Verden geändert.

Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits aus beiden Rechtszügen hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Wert der Beschwer der Klägerin beträgt 15.000 €.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die mit dem ursprünglichen Antrag auf die Feststellung gerichtete Klage, dass der Beklagten keine Rechte aus § 57 c ZVG zustehen, ist unzulässig, weil für dieses Klagbegehren entgegen der Auffassung des Landgerichts kein Feststellungsinteresse i. S. v. § 256 ZPO besteht.

Die zulässige Anschlussberufung der Klägerin ist unbegründet. Die rechtlichen Voraussetzungen für den im Wege des Anschlussrechtsmittels hilfsweise modifizierten Feststellungsantrag dahin, dass der Beklagten im Zwangsversteigerungsverfahren des Amtsgerichts ####### (#######) betreffend das Hausgrundstück ####### in ####### keinerlei Beteiligungsrechte zustehen und die Beklagte insbesondere nicht Mieterin des vorgenannten Hauses ist und ihr auch kein Abwohnrecht zusteht, liegen nicht vor.

1. Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Die mit dem ursprünglichen Antrag auf Feststellung dahin, dass der Beklagten aus dem Mietvertrag vom 1. Mai 1995, der Abtretungserklärung vom 1. August 1998 und dem Vertrag vom 2. September 1998 kein Abwohnrecht gemäß § 57 c ZVG zustehe, gerichtete Feststellungsklage ist unzulässig. Es fehlt insoweit an dem notwendigen Feststellungsinteresse gemäß § 256 ZPO.

Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses nur Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

a) Zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits besteht schon kein Rechtsverhältnis im vorgenannten Sinn. Die Frage, ob im Hinblick auf die von der Beklagten behaupteten Mietverträge und daraus abgeleiteten Abwohnrechte nur eingeschränkte Kündigungsmöglichkeiten nach Maßgabe des § 57 c ZVG bestehen, betrifft grundsätzlich nicht das Verhältnis der Prozessparteien untereinander, sondern den bislang nicht eingetretenen Fall, dass das Zwangsversteigerungsobjekt von einem Ersteher erworben wird. Erst dann wird die Frage aktuell, ob der Beklagten - wie von ihr behauptet - gegenüber diesem Ersteher Abwohnrechte nach Maßgabe des § 57 c ZVG einem etwaigen Kündigungsbegehren des Erstehers entgegen gehalten werden können. Ein solches Rechtsverhältnis ist zwischen der Klägerin als betreibender Gläubigerin nach dem gegenwärtigen Stand des Zwangsversteigerungsverfahrens nicht eingetreten und auch nicht in einer die Zulässigkeit der Feststellungsklage begründenden Weise ausreichend konkret angelegt, weil derzeit noch völlig offen ist, wer das in der Zwangsversteigerung befindliche Grundstück überhaupt einmal erwerben wird. Die Frage, ob und in welchem Umfang dem künftigen Ersteher Kündigungsrechte gegenüber der Beklagten und des von ihr behaupteten Abwohnrechts (aus abgetretenem Recht) zustehen, ist deshalb schon von der Struktur des § 57 c ZVG her gesehen grundsätzlich einer etwa zwischen dem Ersteher und der Beklagten gesondert zu führenden Auseinandersetzung gegebenenfalls in gerichtlichem Wege zugewiesen. Ein Feststellungsinteresse der Klägerin schon zum jetzigen Zeitpunkt besteht nicht. Das bestätigt auch die weitere Überlegung, dass - würde die Klägerin ein im Sinne ihrer ursprünglich gestellten Klaganträge obsiegendes Urteil bereits zum jetzigen Zeitpunkt erhalten - dies für eine künftige Auseinandersetzung zwischen einem von der Klägerin verschiedenen Ersteher mit der Beklagten zu führenden Rechtsstreit keinerlei Rechtskraftwirkung erzeugen könnte.

b) In diesem Zusammenhang führt auch die rechtliche Erwägung der Klägerin, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 83, 122, 125; BGH NJW 1993, 2539 f.) grundsätzlich auch Feststellung von Drittrechten verlangt werden kann, wenn diese Auswirkung zugleich auch auf die Rechtsbeziehungen der Parteien untereinander haben können, im vorliegenden Fall zu keiner abweichenden Beurteilung. Ganz abgesehen davon, dass die vorgenannte höchstrichterliche Rechtsprechung im Schrifttum zumindest umstritten ist (vgl. die zusammenfassende Darstellung bei Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 256 Rn. 3 b), ist nämlich im vorliegenden Fall zu berücksichtigen:

Auch der Bundesgerichtshof setzt in den von ihm bejahten Fällen der zulässigen Feststellung von Drittrechtsverhältnissen im Klagewege voraus, dass solche Drittrechtsverhältnisse überhaupt bestehen können und sich nicht nur als rein theoretische Möglichkeit darstellen. Gerade Letzteres ist hier jedoch der Fall. Denn im vorliegenden Fall ist nicht nur völlig offen, wer überhaupt und mit welchen Konsequenzen gegenüber etwa geltend gemachten Abwohnrechten Ersteher des Grundstücks wird. Vielmehr besteht die durchaus realistische Möglichkeit, dass bei einem Einfamilienhaus, das der Schuldner mit seiner Familie bewohnt hat, zum Zwecke der Erhaltung des 'Familienbesitzes' der andere Ehegatte - hier die Beklagte - dieses Objekt ersteigert. Wäre dem so, würden die Vermieter- und Ersteher-Stellung zusammenfallen und aus diesem Grunde schon kein i. S. v. § 256 ZPO der Feststellung bedürftiges Drittverhältnis entstehen. Ebenso besteht die reale weitere und jedenfalls nicht ungewöhnliche Alternative, dass die Klägerin als betreibende Gläubigerin das Objekt ersteht. Wäre dem so, würde ebenfalls ein Feststellungsinteresse zum jetzigen Zeitpunkt entfallen, weil die Klägerin dann als Ersteherin immer noch im Wege der Leistungsklage nach Kündigung des Mietverhältnisses das von der Beklagten geltend gemachte Abwohnrecht bestreiten könnte, so dass sie auch dann einer Feststellung wie zum jetzigen Zeitpunkt beantragt nicht bedürfte.

So oder so ist jedenfalls zum vorliegenden Zeitpunkt noch nicht konkret absehbar, ob es überhaupt zu einem der Feststellungsklage zugänglichem Drittverhältnis, das für die Klärung des Kündigungsrechts von Bedeutung wäre, kommen wird. Mit der bloßen Anmeldung des Rechts aus § 57 c ZVG wird ein solches Verhältnis jedenfalls auch noch nicht geschaffen. Vielmehr wird mit dieser Anmeldung nur die formale Grundlage dafür geschaffen, dass der Mieter ein solches Recht gegenüber einem Ersteher überhaupt einwenden kann, und er damit nicht schon mangels Anmeldung ausgeschlossen ist. Ob das angemeldete Recht auch zu Recht besteht, wird bei der Aufnahme in die Versteigerungsbedingungen nicht entschieden, so dass es an einem Feststellungsinteresse der Klägerin zum Hauptantrag fehlt und die Berufung der Beklagten Erfolg haben musste.

2. Auch die zulässige Anschlussberufung der Klägerin hat nach dem vorstehend Gesagten keinen Erfolg.

Wie schon ausgeführt, muss wegen der ansonsten eingreifenden Ausschlusswirkung von § 57 c ZVG ein Mieter, der sich eines solchen Rechts berühmt, dieses im eigenen Interesse selbst dann anmelden, wenn objektiv zweifelhaft sein mag, ob es besteht. Deshalb könnte die Voraussetzung für die mit der Anschlussberufung der Klägerin verfolgte Feststellung, dass der Beklagten keinerlei Beteiligungsrechte am Zwangsversteigerungsverfahren zustehen, allenfalls in der von der Klägerin darzulegenden Ausnahmesituation begründet sein, dass die Beklagte ihre Anmeldung in der auch aus ihrer subjektiven Sicht sicheren Erkenntnis, dass in Wahrheit Mietrechte pp. wie von ihr behauptet, nicht bestünden, mutwillig und sittenwidrig i. S. v. § 826 BGB vorgenommen hätte. Die Voraussetzungen eines derartigen Ausnahmesachverhalts hat die Klägerin jedoch nicht ausreichend dargetan. Ihr bloße, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens unter Beweis gestellte Behauptung, dass der Mietvertrag vom 1. Mai 1995, die Abtretungserklärung vom 1. August 1998 und der Vertrag vom 2. September 1998 nachträglich, nämlich nicht zum in diesen schriftlichen Verträgen ausgewiesenen Datum, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt Anfang des Jahres 2001 gefertigt sein sollen, ist insoweit unbehelflich. Denn selbst wenn die vorgelegten schriftlichen Verträge entgegen den in den vorgelegten Urkunden ausgewiesenen Daten aus den Jahren 1995 und 1998 nicht zu jenen früheren Zeitpunkten, sondern erst im Jahre 2001 gefertigt und zurückdatiert worden sein sollten, ist damit nicht dargetan oder belegbar, dass nicht zu den genannten früheren Zeiträumen entsprechend mündlich getroffene Absprachen nur später schriftlich fixiert und bestätigt wurden. Dass überhaupt die Mietverträge mit dem Zeugen ####### bestanden und die Beklagte die Urkunden nur vorgelegt hat, um in sittenwidriger Schädigungsabsicht den weiteren Fortgang der Zwangsversteigerung zum Nachteil der Klägerin zu behindern, lässt sich jedenfalls durch die seitens der Klägerin durch Einholung eines Sachverständigengutachtens unter Beweis gestellte Behauptung einer Fertigung der Urkunden erst zu Anfang des Jahres 2001 nicht beweisen. Andere taugliche Beweismittel insoweit bietet die Klägerin nicht an. Deshalb hat sie jedenfalls nicht ausreichend unter Beweis gestellt, dass die Beklagte die Anmeldung ihrer Mieterrechte rechtsmissbräuchlich bzw. in der subjektiven Absicht sittenwidriger Schädigung der Klägerin und nicht eventuell doch in subjektiver Überzeugung der wenn auch bestrittenen und objektiv zweifelhaften Mieterrechte angemeldet hat. Für Letzteres spricht zum Nachteil der Klägerin immerhin auch, dass Investitionen des Schwiegersohns der Beklagten - des Zeugen ####### - in nicht unerheblicher Größenordnung behauptet sind und der Zeuge ####### nach Behauptung der Beklagten in dem fraglichen Zeitraum - teilweise urkundlich belegt - auch gearbeitet und entgegen der Annahme des Landgerichts auch Besitz an der Wohnung genommen haben soll.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO sowie (wegen der Anschlussberufung) auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache gemäß § 543 Abs. 2 ZPO n. F. weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Die Festsetzung des Wertes der Beschwer beruht auf § 26 Nr. 8 EGZPO. Wie schon im Streitwertbeschluss des Senats vom 18. April 2002 (Bl. 136 d. A.) ausgeführt und im Senatstermin vom 24. Mai 2002 unter dem Gesichtspunkt der Beschwer erneut und seitens der Parteivertreter unwidersprochen geblieben erörtert, konnte die Beschwer nicht höher als auf 15.000 € festgesetzt werden, zumal auch zum Zeitpunkt der Klagerhöhung im August 2001 bereits drei Jahre à monatlich 900 DM im Sinne des von der Beklagten behaupteten Abwohnrechts verbraucht waren und im Übrigen entgegen der Auffassung der Einzelrichterin keinesfalls die seitens der Beklagten zur Größenordnung von 65.675 DM behaupteten Aufbauleistungen für Streitwert und Beschwer der Klägerin zugrunde zu legen waren, sondern allenfalls das Interesse der Klägerin an einer etwa zu ihrem Nachteil eingetretenen Erschwernis der Durchführung des Zwangsversteigerungsverfahrens. Die Anschlussberufung der Klägerin hat weder Streitwert noch Beschwer erhöht, weil das Anschlussrechtsmittel dasselbe Interesse der Klägerin wie ihr Hauptklagebegehren betrifft.

Ende der Entscheidung

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