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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 12.11.2002
Aktenzeichen: 4 U 157/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 233
ZPO § 85 Abs. 2
1. Die Sorgfaltspflichten eines einen anderen Anwalt mit der Einlegung einer Berufung beauftragenden Anwalts erschöpfen sich grundsätzlich nicht im rechtzeitigen Absenden des Auftragsschreibens, sondern er muss vielmehr dafür Sorge tragen, dass der mit der Rechtsmitteleinlegung beauftragte Anwalt den Auftrag innerhalb der laufenden Rechtsmittelfrist bestätigt und den rechtzeitigen Eingang dieser Bestätigung überwachen.

2. Eine schuldhafte Pflichtverletzung eines bei einem Rechtsanwalt angestellten juristischen Mitarbeiters (hier: Assessors) ist dem Rechtsanwalt und gem. § 85 Abs. 2 ZPO auch der Partei selbst nur zuzurechnen, wenn dem angestellten Mitarbeiter die Sache zur selbstständigen Bearbeitung in voller anwaltlicher Verantwortung übertragen worden ist.


4 U 157/02

Beschluss

In dem Rechtsstreit

Tenor:

wird der Klägerin auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gewährt.

Die Kosten der Wiedereinsetzung hat die Klägerin zu tragen.

Gründe:

Der zulässige Wiedereinsetzungsantrag ist begründet.

Zwar ist die Versäumung der Berufungsfrist auf einen schuldhaften Pflichtenverstoß des bei dem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin, Rechtsanwalt ####### in #######, angestellten Assessors ####### zurückzuführen. Denn die Sorgfaltspflichten eines einen anderen Anwalt mit der Berufungseinlegung beauftragenden Anwalts erschöpfen sich nicht im rechtzeitigen Absenden des Auftragsschreibens, hier also mit der (einmal unterstellt) rechtzeitigen Absendung des Schreibens vom 24. September 2002 (Bl. 80 d. A.). Vielmehr muss dafür Sorge getragen werden, dass der mit der Rechtsmitteleinlegung beauftragte Anwalt den Auftrag innerhalb der laufenden Frist bestätigt und solange die laufende Frist überwacht wird, weil nur so sichergestellt wird, dass im Falle einer Ablehnung der Mandatsübernahme durch den beauftragten Anwalt der Rechtsmittelauftrag noch einem anderen Anwalt rechtzeitig übertragen werden kann (BGH NJW 2001, 3195, 3196).

Assessor ####### hat diese Pflicht schuldhaft verletzt, indem er nach (unterstellt: erfolgter) Absendung des Schreibens vom 24. September 2002 die notierte Vor- und die Berufungsfrist löschte, ohne sich über die Auftragsannahme durch die Rechtsanwälte ####### zu vergewissern. Hiervon war er auch nicht deshalb entbunden, weil der erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte Rechtsanwalt ####### in der Vergangenheit wiederholt mit dem Anwaltsbüro ####### . in ####### zusammengearbeitet haben mag. Hieraus allein ergibt sich noch nicht, dass mit dem Anwaltsbüro ####### etwa allgemein oder gar im vorliegenden Fall abgesprochen gewesen sei, dass dieses generell Rechtsmittelaufträge annehmen, prüfen und ausführen werde. Eine Fallgestaltung, bei der ausnahmsweise der Absender eines Rechtsmittelauftragsschreibens grundsätzlich sich darauf verlassen darf, dass der Auftrag den zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten erreicht und dieser den Auftrag annimmt (vgl. auch hierzu BGH a. a. O.) ist damit nicht gegeben.

Der Klägerin war gleichwohl die beantragte Wiedereinsetzung zu bewilligen, weil die schuldhafte Pflichtverletzung von Assessor ####### nicht dem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin Rechtsanwalt ####### und damit auch nicht gemäß § 85 Abs. 2 ZPO der Klägerin selbst zuzurechnen ist.

Denn Assessor ####### kann entgegen der Ansicht des Beklagten nicht als Vertreter des erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin und damit der Klägerin selbst angesehen werden. Für einen angestellten Rechtsanwalt hat der BGH (NJW-RR 1992, 1019, 1020) das nur für den Fall bejaht, dass jenem die Sache zur selbstständigen Bearbeitung in voller anwaltlicher Verantwortung übertragen ist, dagegen verneint, wenn er nach Weisungen des Prozessbevollmächtigten, der sich selbst Entscheidungen vorbehält, tätig wird. Letztgenannte Fallgestaltung liegt auch hier vor: Assessor ####### konnte schon mangels anwaltlicher Zulassung keinen der Schriftsätze erster Instanz unterschreiben und er ist auch nicht vor Gericht in der Sache aufgetreten. Seine Stellung im Büro des Rechtsanwalts ####### muss deshalb als die eines sog. "juristischen Hilfsarbeiters" bewertet werden, dessen Verschulden dem Prozessbevollmächtigten ebenso wenig zugerechnet werden kann wie das von Büropersonal.

Im Übrigen ist durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherung vom 11. Oktober 2002 auch hinreichend glaubhaft gemacht, dass Rechtsanwalt ####### in seiner Kanzlei auch gegenüber Assessor ####### Weisung erteilt hatte, im Fristenkalender eingetragene Rechtsmittelfristen erst zu löschen, wenn das mit der Berufungseinlegung beauftragte Anwaltsbüro diesen Auftrag bestätigt hat und Assessor ####### hiervon nur in einem Einzelfall eigenmächtig abgewichen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 238 Abs. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

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