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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 16.07.2001
Aktenzeichen: 4 U 35/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1092
Voraussetzungen einer konkludenten Gestattung der Ausübung einer Dienstbarkeit.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

4 U 35/01

Verkündet am 16. Juli 2001

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 4. Zivilsenat des ###### auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juni 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ###### und die Richter am Oberlandesgericht #### und #### für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 2. Februar 2001 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Wert der Beschwer: 6.000 DM.

Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Jedenfalls in dem eingeschränkten Umfang der Feststellung durch das Landgericht ist die Klage begründet.

I. Zulässigkeit der Feststellungsklage:

1. Eine Feststellungsklage war vorliegend statthaft. Die Klägerin musste - entgegen der Ansicht der Beklagten - keine Leistungsklage auf Gestattung der Nutzung bzw. Überlassung zur Ausübung an einen bestimmten namentlich zu bezeichnenden Dritten erheben, da vorliegend die begehrte Feststellung umfassend auch für die Zukunft klärt, ob auch für alle zukünftigen Mieter, die derzeit noch gar nicht feststehen, ein Wegerecht besteht. Mit dem Feststellungsantrag wird mithin der Inhalt des Wegerechts umfassend geklärt.

2. Auch das gemäß § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse der Klägerin ist gegeben. Die Beklagte hat durch die versuchte Untersagung mit anwaltlichem Schriftsatz vom 8. März 2000 an den Mieter der Klägerin, #####, auch das Mietverhältnis zwischen der Klägerin und #### berührt, da die Klägerin - unbestritten - ihrem Mieter die Benutzung des Weges der Beklagten gestattet hat.

3. Die Einrede anderweitiger Rechtshängigkeit oder Rechtskraft ist nicht begründet, da durch die Verfahren 12 C 540/99 und 13 C 5419/99 AG Uelzen keine Rechtskraftwirkung gegenüber der Klägerin, die an diesem Verfahren gar nicht beteiligt war, eingetreten ist.

II. Begründetheit:

1. Aktivlegitimation:

Zu Recht hat das Landgericht die Aktivlegitimation der Klägerin bejaht, da die beschränkte persönliche Dienstbarkeit gemäß § 1092 BGB die Klägerin als Eigentümerin des Grundstücks - Flurstück #### und #### - gegenüber dem dienenden Wegegrundstück der Beklagten - Flurstück #### berechtigt.

Da nur die Klägerin als Berechtigte aus der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit das Recht innehat, den streitbefangenen Weg zu nutzen, kann auch nur sie auf Überlassung des Wegerechts für ihre Mieter klagen, während diese selbst - gegebenenfalls - nur ein Abwehrrecht gegenüber einer Klage der Eigentümerin aus § 1004 BGB geltend machen könnten (vgl. MünchKomm./Joost, BGB, 3. Aufl., § 1092 Rn. 6 unter Verweis auf BGHZ 59, 51 <57>).

2. Konkludente Gestattung der Ausübung der Dienstbarkeit durch die Beklagte gemäß § 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB:

a) Ein Recht zur Benutzung des Weges über das Wegegrundstück der Beklagten ###### zur Birkenallee hin haben die Mieter der Klägerin betreffend des ehemaligen Bürogebäudes, nunmehr als Wohnraum genutzt, und der Lagerhalle, zurzeit durch eine Mieterin als Lagerraum für ihren ####betrieb genutzt, nur im Fall einer Überlassung zur Ausübung durch die Klägerin als Berechtigte der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit auf Grund ihrer Eigentümerstellung des berechtigten Grundstücks, gemäß § 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB indes aber auch nur dann, wenn dies auch die Beklagte gestattet hat, was durch die jahrzehntelange von der Beklagten unbeanstandete Nutzung der Mieter konkludent erfolgt ist.

aa) Die Überlassung gemäß § 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB erfolgt durch formlosen Vertrag zwischen den Dienstbarkeitsberechtigten, also der Klägerin, und dem Dritten, also ihren Mietern (vgl. MünchKomm., a. a. O.). Voraussetzung ist aber eine Gestattung des Eigentümers, vorliegend also der Beklagten, die eine auch stillschweigend getroffene Vereinbarung zwischen Eigentümer und Berechtigten darstellt (vgl. Palandt/Bassenge, BGB, 60. Aufl., § 1092 Rn. 8 unter Verweis auf BGH LM § 1090 Nr. 7).

bb) Unstreitig gibt es eine ausdrückliche Vereinbarung zwischen den Parteien nicht, sodass, wie vom Landgericht auch angenommen, nur eine konkludente Gestattung durch die jahrelange Duldung der Nutzung dieses Weges durch die Mieter in Betracht kommt.

Aus der historischen und chronologischen Zeitabfolge der Nutzung dieses Weges, ohne dass dies die Beklagte bis 1999 beanstandet hat, folgt eine konkludente Gestattung der Beklagten.

Eingeräumt wurde das Wegerecht bereits 1958, um auf dem ehemaligen Grundstück #### der Eheleute ###### einen Landhandel zu errichten. Wohl zu diesem Zweck wurden aus dem Grundstück die Flurstücke #### - privates Wohnhaus - und ##### - Betriebsgrundstück - geschaffen (vgl. Liegenschaftskarte Bl. 11 GA). Ab 1976 bewohnte die Beklagte das Haus auf dem dienenden Grundstück (Flurstück ####). Bis etwa 1980 wurde der Landhandel durchgeführt bzw. auf dem Betriebshof eine Auslieferungsfirma für Getränke betrieben sowie Büroräume an eine Sackhandlung vermietet. Ab 1980 wurde das ehemalige Bürogebäude ausschließlich zu Wohnzwecken vermietet. Das kleine Wohnhaus wurde ebenfalls vermietet. In der Zeit von 1980 bis 1987 sollen der Mieter #### ####, in der Zeit von 1991 bis 1996 eine Mieterin Ella Meyer Mieter der Klägerin gewesen sein.

Als aktuelle Mieter der ###### hat die Klägerin Karsten XX und ###### angegeben sowie für einen Lagerraum in der Lagerhalle ##### für ihren ####betrieb.

Zwar bestreitet die Beklagte, und darauf stützt sich im Wesentlichen auch ihre Berufung, die Mieter zu kennen und meint, deshalb habe sie auch keine Gestattung i. S. des § 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB vorgenommen. Dieser Einwand ist jedoch ohne Substanz. Aus der überreichten Liegenschaftskarte und den Fotos ist ersichtlich, dass die Grundstücke der Parteien direkt nebeneinander liegen. Da man üblicherweise jedenfalls seine direkten Nachbarn kennt, wenn es sich nicht gerade um ein Hochhaus handelt, ist dieser Einwand der Beklagten nicht nachvollziehbar und nicht überzeugend. Schließlich ist der Einwand auch widersprüchlich, da sich die Beklagte zur Begründung ihrer Ablehnung einer Gestattung auch und gerade auf die Beeinträchtigung durch den Autoverkehr der Mieter wendet. Im Übrigen steht dem - jedenfalls teilweise - auch sowohl das Verfahren der Beklagten gegen ##### zu 12 C 540/99 AG Uelzen entgegen wie die anwaltliche Aufforderung der Beklagten an den ##### gemäß Schreiben vom 8. März 2000 (Bl. 12 f. GA), die Nutzung des Weges zu unterlassen, woraus ebenfalls die Kenntnis der Beklagten ersichtlich ist.

In der jahrzehntelangen unbeanstandeten Nutzung der Mieter ist eine Gestattung der Beklagten i. S. von § 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB zu sehen. Aus den Gesamtumständen vorliegend, insbesondere der jahrelangen Duldung ohne Beanstandung, und zwar die Beklagte selbst seit 1976, mithin bis 1999 immerhin auch 23 Jahre, muss eine stillschweigende Vereinbarung der Nutzungsgestattung zwischen Eigentümer und Berechtigten, also vorliegend zwischen den Parteien, angenommen werden.

Soweit die Beklagte behauptet, der Nutzung vor 1999 widersprochen zu haben, fehlt dem Vortrag jegliche Substanz. Mit Schriftsatz vom 18. Juni 2001 (Bl. 168 GA) will die Beklagte den Mieter #### auf ein fehlendes Recht zum Befahren des Weges angesprochen haben, ohne dies näher nach Zeit und Ort darzulegen. Selbst im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Beklagte bei ihrer Anhörung insoweit auch nur allgemein angegeben, Mieter angesprochen zu haben. Darüber hinaus hat sie eingeräumt, dass sie die Klägerin selbst zudem gar nicht aufgefordert habe, den Mietern das Befahren zu untersagen. Es fehlt daher ein substantiierter Vortrag der Beklagten, vor 1999 der Nutzung widersprochen zu haben, sodass das Landgericht zu Recht eine konkludente Gestattung angenommen hat.

Soweit die Beklagte einwendet, dass der Personenkreis der Nutzer zu unbestimmt sei, ist dieser Einwand ebenfalls unbegründet.

Nach § 1091 BGB bestimmt sich der Umfang einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit nach dem persönlichen Bedürfnis des Berechtigten, allerdings nur im Zweifel, also als Auslegungsregel für den Fall, dass die Vereinbarung nicht eindeutig ist, wobei die persönlichen Bedürfnisse weit zu fassen sind (vgl. Palandt a. a. O., § 1091 Rn. 1).

Die jeweiligen Mieter der Klägerin als der Berechtigten aus der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit lassen sich feststellen. Die Zahl der Mietwohnungen ist begrenzt, mithin auch die Zahl der Nutzer und des Nutzungsumfangs. Im Übrigen wurde bereits dargelegt, dass die Behauptung der Beklagten, die Mieter nicht zu kennen, auf Grund der tatsächlichen Verhältnisse weder glaubhaft noch hinreichend substantiiert ist. Es geht immerhin um sehr lange Zeiträume und einen örtlich eng begrenzten Bereich.

Jedenfalls in dem von dem Landgericht eingeräumten Umfang, sowohl was die Nutzer selbst als auch was den Umfang der Nutzung anbetrifft, ist die Annahme einer konkludenten Gestattung durch das Landgericht nicht zu beanstanden, wobei dahinstehen kann, ob der von dem Landgericht vorgenommene Umfang so exakt bestimmt werden muss, da dies nicht Berufungsgegenstand ist, weil die Klägerin keine Berufung/Anschlussberufung eingelegt hat. In dem von der Kammer vorgenommenen Umfang ist die Klage jedenfalls begründet.

Der Personenkreis mit den zwei jeweiligen Wohnraummietparteien und dem jeweiligen Mieter der Lagerhalle ist sehr begrenzt, überschaubar und auch ausreichend bestimmbar. Die Festlegung der Nutzung durch die Kammer nach der bisherigen und üblichen Nutzung als des Umfangs der Gestattung durch die Beklagte ist in den Entscheidungsgründen im Einzelnen angeführt (vgl. Seite 6 unten, Bl. 119 R GA). Danach darf jeder Wohnraummieter mit einem Pkw durchschnittlich den Weg zweimal am Tag befahren und die Mieterin des Lagerraums in der Lagerhalle für den Floristikbetrieb mit einem Kleintransporter. Zusätzlich soll ca. einmal die Woche für jeden Mieter Anlieferung über den Weg erfolgen dürfen. Ferner sind Rettungsdienste - das wurde ausdrücklich gar nicht entschieden, weil es selbstverständlich ist - und bei Mieterwechsel eine Befahrung des Weges durch das Umzugsunternehmen gestattet.

cc) Zu Recht hat die Kammer dargelegt, dass die von der Beklagten vorgenommene konkludente Gestattung einseitig nicht widerrufbar ist (vgl. Palandt a. a. O. Rn. 8, m. w. N.).

dd) Letztlich steht der Würdigung einer konkludenten Gestattung durch die Beklagte auch nicht das Verfahren 12 C 540/99 AG Uelzen entgegen. Zwar hat in dem Rechtsstreit die Beklagte den Enkelsohn der Klägerin dieses Rechtsstreits erfolgreich auf Unterlassung des Betretens und Befahrens des Wegegrundstücks in Anspruch genommen. Zur Begründung der ausgesprochenen Unterlassung hat das Amtsgericht zwar eine stillschweigende Gestattung verneint, da der Beklagte in jenem Verfahren nicht vorgetragen habe, dass die Eigentümerin des Wegegrundstücks Kenntnis von der Nutzung des Weges durch die Mieter gehabt habe. Insoweit hätte es an einem substantiierten Vortrag der Beklagten gefehlt.

Das Landgericht hat insoweit nur ausgeführt, dass eine konkludent geschlossene Vereinbarung nicht ersichtlich sei, da der Beklagte sich seit zwei Jahren nur gelegentlich auf dem Grundstück aufhalte.

Ob diese Entscheidungen zutreffend sind, kann vorliegend dahingestellt bleiben, da sie jedenfalls - wie bereits unter I. 3. ausgeführt - der vorliegenden Entscheidung nicht entgegenstehen, insbesondere keine anderweitige Rechtskraft vorliegt.

III.

Die Berufung ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 713.

Die Festsetzung des Wertes der Beschwer beruht auf § 546 Abs. 2 Satz 1.

Ende der Entscheidung

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