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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 28.05.2008
Aktenzeichen: 4 W 33/08
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG § 3 a.F.
WEG § 5 a.F.
WEG § 8 a.F.
BGB § 598
1. Errichtet ein Wohnungseigentümer Räumlichkeiten (hier: Anbau), die zu Wohnzwecken genutzt werden können, führt dies ohne anderweitige Vereinbarung nicht dazu, dass er an diesen Räumen Sondereigentum erwirbt, selbst wenn die Räumlichkeiten von ihm vollständig finanziert worden sind.

2. Die unentgeltliche Gestattung der Nutzung eines im Sondereigentum stehenden Raumes (hier: Flur) ist als Leihe zu qualifizieren.


4 W 33/08

Beschluss

In der Wohnungseigentumssache

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Landgericht ... am 28. Mai 2008 beschlossen:

Tenor:

Auf die weitere Beschwerde der Antragsgegner werden die Beschlüsse der 5. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 18. Februar 2008 und des Amtsgerichts Langen vom 13. November 2007 teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Die Beteiligten (Antragsgegner) zu 3 und 4 werden verpflichtet, jegliche Behinderung des freien Zugangs zu dem Gemeinschaftsraum der Wohnungseigentumsanlage ... - befindlich neben der Garage der genannten Wohnungseigentumsanlage - über den Garten zu unterlassen.

Im Übrigen werden die Anträge der Antragsteller zurückgewiesen.

Die Antragsteller haben die Gerichtskosten des Verfahrens zu je 1/6, die Antragsgegner als Gesamtschuldner zu 2/3 zu tragen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Geschäftswert für das weitere Beschwerdeverfahren sowie in Abänderung des Beschlusses des Landgerichts Lüneburg vom 18. Februar 2008 derjenige für das Verfahren der sofortigen Beschwerde wird auf 1.500 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragsteller begehren den Zutritt zu einem Gemeinschaftsraum, insbesondere über einen bestimmten Flur.

Die Antragsteller sind die Eltern der mit dem Beteiligten zu 3 verheirateten Beteiligten zu 4. Der Antragsteller zu 1 teilte durch notariell beurkundete Teilungserklärung vom 31. März 1987 (UR-Nr. ... aus 1987 des Notars D. K. in L.) den in seinem alleinigen Eigentum befindlichen Grundbesitz dahin auf, dass jeweils ein hälftiger ideeller Miteigentumsanteil an dem Grundstück begründet wurde, jeweils verbunden mit dem Sondereigentum an der im Erdgeschoss bzw. der im Obergeschoss des Hauses gelegenen Wohnung. Gem. der Teilungserklärung ist der im Erdgeschoss gelegene Hauseingangsflur nebst Treppenhaus Bestandteil des Sondereigentums der im Obergeschoss des Hauses gelegenen Wohnung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die in Ablichtung zur Akte gereichte Urkunde Bezug genommen (Bl. 5 ff.). Die Antragsgegner sind jeweils zu 1/2 Miteigentümer der Wohnung im Obergeschoss, die Antragsteller zu jeweils 1/2 Miteigentümer derjenigen im Erdgeschoss.

Die Parteien streiten über die Berechtigung der Antragsteller, einen zeitlich nach der Teilungserklärung errichteten Anbau zumindest in Teilen zu betreten sowie diesen Raum auch über den den Antragsgegnern als Sondereigentum zugewiesenen Hauseingangsflur zu erreichen. Wegen des weitergehenden Sachverhalts wird auf die Feststellungen in den Beschlüssen des Amts und Landgerichts Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat die Antragsgegner antragsgemäß verpflichtet, den Antragstellern Zugang zum Gemeinschaftsraum durch Zutritt durch einen Zugang zu diesem Raum durch eine Holztür mit Glaseinsatz zu gewähren (Anm: damit ist die das Sondereigentum der Parteien im Erdgeschoss trennende Tür gemeint) sowie jegliche Behinderung des freien Zugangs zu unterlassen, insbesondere die Holztür mit Glaseinsatz zu dem Raum zu verschließen oder durch andere Vorrichtungen jeglicher Art zu versperren. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, bei dem in Rede stehenden Gemeinschaftsraum handele es sich mangels einer anderweitigen Vereinbarung zwischen den Parteien um einen im Gemeinschaftseigentum stehenden Raum. Hierzu sei den Antragstellern auch Zutritt durch die in Rede stehende Holztür mit Glaseinsatz zu gewähren. Dies ergebe sich aus der in der Vergangenheit gelebten Praxis, die die Antragsteller nicht in unangemessener Weise oder unzumutbar überschritten hätten.

Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat die Kammer ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen. Zwar hatte das Landgericht infolge eines Versehens bei der Leseabschrift den Parteien mitgeteilt, durch mündliche Verhandlung zu entscheiden. Dies ist jedoch durch Verfügung vom 15. Februar 2008 berichtigt worden. Die Kammer hat am 18. Februar 2008 entschieden. Sie hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Die Antragsgegner könnten das den Antragstellern eingeräumte Nutzungsrecht, nämlich den Zugang durch das Sondereigentum der Antragsgegner, nicht einseitig aufkündigen, da andernfalls das Recht zur Nutzung des Gemeinschaftsraums entwertet würde.

Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner. Sie rügen die fehlende mündliche Verhandlung beim Landgericht sowie eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Insbesondere vertreten sie die Auffassung, der Gemeinschaftsraum stelle kein Gemeinschaftseigentum dar. Den Antragstellern stünde aber jedenfalls kein Recht zum Zutritt des Gemeinschaftseigentums über den in ihrem Sondereigentum befindlichen Hausflur dar.

II.

Die weitere Beschwerde ist teilweise begründet. Die Antragsgegner sind verpflichtet, den Antragstellern Zutritt zu dem in Rede stehenden Gemeinschaftsraum zu gewähren. Sie sind hingegen nicht verpflichtet, den Antragstellern einen Zugang über den in ihrem Sondereigentum befindlichen Hausflur zu verschaffen.

1. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner ist gemäß den §§ 45 Abs. 1 WEG, 27, 29 FGG statthaft und zulässig, insbesondere form und fristgerecht eingelegt worden (§§ 29 Abs. 1 und 4, 22 Abs. 1 FGG). Der Beschwerdewert gemäß § 45 WEG ist erreicht.

2. In der Sache hat die sofortige weitere Beschwerde teilweise Erfolg. Gemäß § 27 Abs. 1 FGG ist das Rechtsmittel im Verfahren der weiteren Beschwerde in der Hauptsache nur begründet, wenn das Beschwerdegericht eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet hat und dessen Entscheidung gerade auf einer derartigen Verletzung des Rechts i. S. der §§ 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 FGG, 546 ZPO beruht. Dies ist im Hinblick auf die Zugangsberechtigung der Antragsteller über den Hausflur der Fall.

a) Es kann dahinstehen, ob das Landgericht mit der o. a. Verfahrensweise das grundsätzlich vorhandene Recht der Parteien auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung, das nach allgemeiner Meinung auch im Verfahren der sofortigen Beschwerde gilt (vgl. Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 44 Rn 24), verletzt hat. Jedenfalls hat es sich nicht entscheidungserheblich ausgewirkt, da eine Einigung nicht zu erwarten war und neuer entscheidungserheblicher Vortrag nicht erfolgt ist.

Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs auch durch eine etwaige Verletzung der Hinweispflicht der Beschwerdekammer ist nicht ersichtlich. Die Antragsgegner haben nicht dargelegt, was sie im Fall eines rechtzeitigen Hinweises oder einer mündlichen Verhandlung noch vorgetragen hätten (vgl. Bärmann/Pick/Merle, a. a. O., § 44 Rn 18).

b) Zunächst geht das Landgericht - mit dem Amtsgericht - zutreffend davon aus, dass es sich bei dem nach der Teilung errichteten Anbau um eine im Gemeinschaftseigentum der Parteien befindliche Räumlichkeit handelt, jedenfalls was den sog. Gemeinschaftsraum sowie die daran angrenzende Toilette mit Duschmöglichkeit betrifft. Dies stellt eine bauliche Änderung gem. § 22 Abs.1 WEG dar, zu der der das Grundstück zunächst allein nutzungsberechtigte Antragsteller zu 1 seine Zustimmung erteilt hat.

Ein Sondereigentum besteht nicht, da es an einer hierfür erforderlichen Bestimmung i. S. d. §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 WEG, wie sie § 5 Abs. 1 WEG voraussetzt, fehlt. Die Errichtung von Räumlichkeiten, die zu Wohnzwecken genutzt werden können, führt nicht zwangsläufig dazu, dass der sie errichtende Wohnungseigentümer Sondereigentum an diesen Räumen erwirbt. Ohne anderweitige Vereinbarung verbleibt es bei dem Grundsatz, dass der geschaffene Raum im Gemeinschaftseigentum steht (OLG München, NJW-RR 2007, 1384 ff. - aus juris, Rn. 17). Abgesehen davon, dass es zur Einräumung des Sondereigentums der notariellen Beurkundung und Eintragung in das Grundbuch bedarf (§ 4 WEG), ist eine solche Vereinbarung zwischen den Parteien weder ausdrücklich noch konkludent erfolgt. Die Tatsache, dass der Anbau mit finanziellen Mitteln der Antragsgegner errichtet worden ist und die Antragsteller hierzu nichts beigesteuert haben, nimmt dem Anbau nicht seinen zunächst im Gemeinschaftseigentum stehenden rechtlichen Charakter. Selbst der Umstand, dass eine Räumlichkeit faktisch im Alleingebrauch eines Wohnungseigentümers steht, begründet noch kein Alleingebrauchsrecht (vgl. OLG München NJW-RR 2008, 247, 249), weswegen es hier auch nicht darauf ankommt, ob und wie häufig die Antragsteller den Gemeinschaftsraum genutzt haben. Der von den Antragsgegnern aufgeworfene Gedanke eines abgesonderten Miteigentums, das sie zur alleinigen Nutzung berechtigen würde, hat im WEG keine rechtliche Grundlage.

c) Die Antragsgegner sind hingegen nicht verpflichtet, den Antragstellern Zugang zu dem streitgegenständlichen Raum über den in ihrem Sondereigentum stehenden Hausflur zu gewähren. Amts und Landgericht haben die Bedeutung des Sondereigentums verkannt. Soweit die Antragsteller das Sondereigentum genutzt haben, resultierte dies aus einem rechtlich als Leihe zu qualifizierenden Verhältnis. Dieses konnten die Antragsgegner jederzeit einseitig widerrufen, was sie auch getan haben. Die Antragsteller können sich nicht auf ein Duldungsrecht der Antragsgegner berufen.

aa) Die Antragsgegner haben in der Vergangenheit den Antragstellern gestattet, unentgeltlich den Gemeinschaftsraum durch die näher bezeichnete Tür mit Glaseinsatz vom Sondereigentum der Antragsteller aus, nämlich über den Hausflur zu betreten. Dieses Nutzungsverhältnis ist gemäß § 598 BGB als Leihe zu qualifizieren. Die Überlassung des Flurs konnten die Antragsgegner gemäß § 604 Abs. 3 BGB jederzeit zurückfordern. Weder war die Dauer der Leihe von vornherein bestimmt noch gab es einen bestimmten Zweck, nach dessen Erfüllung die Antragsteller den Gebrauch des Flures hätten unterlassen müssen. Hierbei kommt es auf die Gründe der Rückforderung i. S. v. § 604 Abs. 3 BGB nicht an. § 605 BGB findet nur auf die Fälle des § 604 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Anwendung, da die Rückforderung gemäß § 604 Abs. 3 BGB keine Kündigung ist (Palandt-Weidenkaff, BGB, 67. Aufl., § 605 Rn. 2). Diese Rückforderung ist hier konkludent dadurch erfolgt, dass die Antragsgegner den Antragstellern den Durchgang verwehrt haben.

bb) Dem Rückforderungsrecht der Antragsgegner stehen auch nicht die Grenzen der §§ 226, 242 BGB entgegen. Hierfür sind ausreichende Gründe seitens der Antragsteller nicht dargetan. Diesen ist es zumutbar, den Zugang zum Gemeinschaftsraum auch über den Garten zu erlangen. Entgegenstehende Argumente haben die Antragsteller nicht vorgetragen.

Entgegen der nicht näher begründeten Auffassung des Landgerichts, es wäre den Antragstellern unzumutbar, den Zugang zum Gemeinschaftsraum über den Garten zu nehmen, geht der Senat davon aus, dass gemäß dem Vortrag der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht eine Nutzung des Gemeinschaftsraumes dann beabsichtigt ist, wenn diese in den Garten gehen wollen. Es ist also so, dass nicht die Nutzung des Gemeinschaftsraums, sondern nur eine Abkürzung über das Sondereigentum der Antragsgegner Grund dafür ist, dass dieser Weg gewählt wird. Soweit darüber hinaus eine Nutzung des Gemeinschaftsraums und der daneben befindlichen Toilette beabsichtigt ist, wenn sich die Antragsteller und/oder Gäste im Garten aufhalten, ist dies für den Zugang über das Sondereigentum der Antragsgegner ohne Belang. Sollten sich die Gäste in der Wohnung der Antragsteller aufhalten, müssen diese auf die Nutzung des in der Erdgeschosswohnung befindlichen Badezimmers verwiesen werden. Beabsichtigen die Antragsteller, in dem Gemeinschaftsraum ein Fest zu feiern, müssen sie den Umweg über den Garten in Kauf nehmen, zumal nicht ersichtlich ist, dass dies häufiger erfolgt ist. Dieser Weg mag zwar umständlich sein. Dies berechtigt jedoch ebenso wie die o.g. Alternativen noch nicht, von den Antragsgegnern die Duldung der Nutzung ihres Sondereigentums zu verlangen. Es bleibt den Antragsgegnern unbenommen, den Antragstellern den Zugang zu ihrem Sondereigentum zu verwehren, wenn das Verhältnis zwischen den Parteien aus persönlichen Gründen zerrüttet ist.

Es kommt deswegen nicht darauf an, ob die Antragsteller das ihnen zuvor eingeräumte Nutzungsrecht missbraucht hätten. Gleiches gilt für den Fall, dass die Holztür mit Glaseinsatz nur zu dem Zweck des Durchgangs zum Gemeinschaftsraum eingebaut worden sein sollte. Dies verschafft noch keinen Rechtsanspruch.

cc) Der Gedanke eines Notwegerechts i. S. v. § 917 Abs. 1 BGB findet hier keine Anwendung, da sich der Durchgang durch den Flur nicht als der einzig mögliche Weg zum Gemeinschaftseigentum darstellt.

dd) Eine Duldungspflicht der Antragsgegner ergibt sich auch nicht aus § 14 Nr. 3 und 4 WEG. Eine Duldung nach § 14 Nr. 3 WEG ist nicht erforderlich, da kein nach § 14 Nr. 1 und 2 WEG zulässiger Gebrauch durch die Antragsteller vorliegt. Ferner geht es auch nicht um das Betreten der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile zur Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums. Vielmehr können die Antragsgegner gemäß § 13 Abs. 1 WEG die Antragsteller von der Einwirkung auf das Sondereigentum, soweit es um das Betreten geht, ausschließen.

Die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 WEG liegen ebenfalls nicht vor. Es geht weder darum, dass die Antragsgegner ihr Sondereigentum in einer unzulässigen Weise gebrauchen noch geht es um Sondereigentum der Antragsteller.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 47 Satz 1 WEG. Sie berücksichtigt, dass der Wert der Benutzung des Gemeinschaftsraums höher anzusetzen ist als der Wert der Zugangsmöglichkeit. Dementsprechend ist ein Geschäftswert für das weitere Beschwerdeverfahren mit 1.500 EUR anzusetzen und die landgerichtliche Festsetzung insoweit abzuändern. Für die Nutzung hat der Senat einen Wert von 1.000 EUR, für den Zugang einen solchen von 500 EUR angenommen. Der Senat sah keine Veranlassung, von der Regel des § 47 Satz 2 WEG Abstand zu nehmen, wonach von der Erstattung außergerichtlicher Kosten abzusehen ist.

Ende der Entscheidung

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