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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 24.07.2003
Aktenzeichen: 6 W 60/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 348
ZPO § 572
Entscheidet der Einzelrichter anstelle der funktionell zuständigen Kammer, bedeutet dieses einen Verfahrensfehler, der im Beschwerdeverfahren zur Zurückverweisung zwingt.
6 W 60/03

Beschluss

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 16. Juni 2003 gegen den Beschluss des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim vom 27. Mai 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ####### als Einzelrichter am 24. Juli 2003 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an die 4. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim als Kammer zurückverwiesen.

Beschwerdewert: 2.200 EUR.

Gründe:

Das Rechtsmittel ist insoweit begründet, als der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen war.

I.

Er leidet an einem wesentlichen Verfahrensmangel.

1. Die Parteien sind dem gesetzlichen Richter entzogen worden (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Der Einzelrichter hat entschieden, obwohl ausweislich des von dem Kammervorsitzenden unterzeichneten Vermerks vom 5. November 2002 (Bl. 21 d. A.) "originäre Kammersache (Ass.)", wobei der Zusatz "Ass." offenbar für einen Richter auf Probe steht, der noch nicht als Einzelrichter tätig werden durfte, ursprünglich die Kammerzuständigkeit begründet war (§ 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO), ohne dass die Kammer die Sache dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen hat (§ 348 a Abs. 1 ZPO).

2. Die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses war nicht zu beschränken, auch wenn der Beklagte mit seinem Rechtsmittel nur begehrt hat, die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben, statt sie ihm allein aufzuerlegen, nicht dagegen, allein die Klägerin mit ihnen zu belasten. Die Bindung des Gerichts an das Begehren des Rechtsmittelführers, wie die Vorschrift des § 528 Satz 2 ZPO sie für das Berufungsverfahren vorsieht und für das Beschwerdeverfahren entsprechend gilt, betrifft nur das materielle Recht, nicht Verfahrensvorschriften, deren Einhaltung das Rechtsmittelgericht ungeachtet des Parteiwillens von Amts wegen zu prüfen hat.

II.

Das Ermessen, dem Landgericht, von welchem die angefochtene Entscheidung stammt, die weitere Anordnung zu übertragen oder in der Sache zu entscheiden (§ 572 Abs. 3 ZPO), reduzierte sich in diesem Falle derart, dass nur die Zurückverweisung übrigblieb. Denn die Entscheidung des Einzelrichters des Senats wäre ebenso wenig diejenige des gesetzlichen Richters, wie die Entscheidung des Einzelrichters beim Landgericht es war. Bei richtigem Verfahren des Landgerichts hätte der Senat über die sofortige Beschwerde befinden müssen. (zu dem Ganzen für den umgekehrten Fall der Entscheidung durch die funktionell unzuständige Kammer: Beschl. d. Sen. v. 27. Sept. 2002 - OLGReport 2003, 8 f.)

III.

Abschließend sei auf folgendes hingewiesen, auch wenn diese Hinweise in Hinblick auf die Ausführungen zu vorstehend Ziffer II nicht verbindlich sein können. Die Klägerin dürfte jedenfalls insoweit mit den Kosten zu belasten sein, als sie Auseinandersetzung über die Geldforderungen des Nachlasses gegen Kreditinstitute und Wertpapiere durch Zustimmung des Beklagten zur Kündigung der Verträge mit den Kreditinstituten und Hinterlegung der Erlöse beim Amtsgericht begehrt hat. Dieses Begehren entsprach nicht dem Gesetz.

1. Die Klägerin hätte auf Abtretung der Forderungen durch den Beklagten (und sie selbst als Gesamthandsgläubiger) an sich und den Beklagten als Teilgläubiger je zur Hälfte bei Bildung danach getrennter Konten sowie auf Zustimmung zur hälftigen Teilung gleichartiger Wertpapiere bei Bildung getrennter Depots klagen müssen. Nur dieses entsprach der gesetzlich vorgeschriebenen und bei diesen Forderungen und den Wertpapieren möglichen Teilung in Natur (§ 752 Satz 1, § 2042 Abs. 2 BGB; vgl. auch: Palandt-Sprau, BGB, 62. Aufl., § 752 Rdnr. 3).

2. Das Anerkenntnis der Klagforderung durch den Beklagten vom 19. Dezember 2002 ändert an der Einschätzung zu vorstehend Nummer 1 nichts. Es ist prozessual wie materiell unerheblich. Denn weder hat es zu einem Anerkenntnisurteil noch zur Erfüllung der Klagforderung geführt. Vielmehr haben die Parteien sich anschließend anderweitig über die Auseinandersetzung geeinigt. - Auch geht es nicht darum, ob dem Beklagten aufgrund des Anerkenntnisses Einwendungen abgeschnitten sind oder die Möglichkeit zum Bestreiten von Anspruchstatsachen genommen ist. Vielmehr fand der Klagantrag in dem vorbeschriebenen Umfang von vornherein im Gesetz keine Stütze.

Der Beschwerdewert war nach der Hälfte der bis zu dem angefochtenen Beschluss angefallenen Kosten zu bemessen.

Ende der Entscheidung

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