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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 10.01.2007
Aktenzeichen: 7 U 119/06
Rechtsgebiete: MAV, UStG


Vorschriften:

MAV § 10
MAV § 12 Abs. 3
UStG § 1 Abs. 1
Macht der Pächter bei Beendigung des Pachtvertrages von seinem Recht nach § 12 Abs. 3 MAV Gebrauch, die Anlieferungs-Referenzmenge vom Verpächter für 67 % des Gleichgewichtspreises zu übernehmen, handelt es sich für letzteren um ein umsatzsteuerpflichtiges Geschäft.

Gleichwohl kann der Verpächter dem Pächter die Umsatzsteuer nicht zusätzlich in Rechnung stellen, weil der Gleichgewichtspreis nach § 10 MAV sich als Bruttopreis einschließlich Umsatzsteuer darstellt.


Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

7 U 119/06

Verkündet am 10. Januar 2007

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 2006 unter Mitwirkung des Richters am Oberlandesgericht #######, der Richterin am Oberlandesgericht ####### und der Richterin am Oberlandesgericht ####### für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Verden vom 23. März 2006 geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz und des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Beschwer für den Kläger: unter 20.000 EUR.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte, nachdem diese eine Milchreferenzmenge gegen Zahlung von 67 % des Gleichgewichtspreises des maßgeblichen Übertragungstermins übernommen hatte, ergänzend auf Zahlung von 16 % Mehrwertsteuer in Anspruch.

Wegen des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil des Landgerichts (Bl. 64ff. GA) Bezug genommen.

Durch Urteil vom 23. März 2006 hat das Landgericht der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 6.221,66 EUR nebst Zinsen zu zahlen sowie angefallene Anwaltskosten zu erstatten. Nach Ansicht des Gerichts bestehe in Bezug auf die Referenzmenge ein Übertragungsvertrag zwischen den Parteien, welcher umsatzsteuerpflichtig sei und dem Regelsteuersatz von 16 % unterliege. Die Beklagte habe dabei nicht davon ausgehen können, dass es sich bei dem gezahlten Preis um einen Bruttopreis handele. Denn der Preis sei zwischen den Parteien nicht ausgehandelt worden, sondern bestimme sich nach dem Gleichgewichtspreis der Milchverkaufsstelle. Hierbei handele es sich um einen umsatzsteuerfreien Betrag. Zudem seien die Parteien beide davon ausgegangen, dass die Umsatzsteuer in dem zu zahlenden Preis nicht enthalten sei.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Sie macht geltend, es liege überhaupt kein umsatzsteuerpflichtiges Übertragungsgeschäft vor. Zumindest habe das Landgericht einen einheitlichen Endpreis annehmen müssen, der die Umsatzsteuer mit einschließe.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Er meint, es liege ein umsatzsteuerpflichtiges Geschäft vor, welches unbeschadet dessen, dass er pauschalierender Landwirt sei, der Regelbesteuerung unterliege. Angesichts der Veröffentlichung der Gleichgewichtspreise, die mit dem Hinweis "Preise ohne Mehrwertsteuer" erfolgt sei, habe die Beklage nicht davon ausgehen dürfen, dass der durch die Milchverkaufsstelle festgelegte Gleichgewichtspreis ein Bruttopreis einschließlich der Mehrwertsteuer sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg.

Der Kläger kann von der Beklagten über die bereits erbrachte Zahlung in Höhe von 38.885,36 EUR hinaus kein weiteres Entgelt für die übernommene Milchreferenzmenge verlangen.

Übernimmt der Pächter die an sich zurückzugewährende Anlieferungs-Referenzmenge von dem Verpächter, hat er diesem gemäß § 12 Abs. 3 Milchabgabenverordnung (MAV) 67 % des Gleichgewichtspreises zu zahlen. Dementsprechend hat die Beklagte auf der Grundlage des hier maßgeblichen Gleichgewichtspreises von 0,39 EUR/kg für die übernommene Milchreferenzmenge von 148.815 kg an den Kläger unstreitig einen Betrag in Höhe von 38.885,36 EUR (148.815 kg x 0,39 EUR/kg x 0,67) gezahlt. Daneben kann der Kläger von der Beklagten nicht weitere 6.221,66 EUR als Mehrwertsteuer (16 % von 38.885,36 EUR) beanspruchen.

Zwar handelt es sich bei der Übernahme des Milchanlieferungsrechts durch den Pächter gegen Zahlung des Gleichgewichtspreises an den Verpächter für diesen, sofern er Unternehmer ist, um ein umsatzsteuerpflichtiges Geschäft.

Der Verkauf der Milchquote durch einen Landwirt, der Unternehmer ist, ist seit jeher umsatzsteuerpflichtig, wobei sich der Mehrwertsteuersatz nach dem umsatzsteuerlichen Status des Verkäufers richtet (vgl. Stephany, AUR 2004, 240, 243 unter II.). Dies gilt auch in Bezug auf die Ausübung des Übernahmerechts nach § 12 Abs. 3 MAV, wonach der Pächter nach Ablauf des Pachtverhältnisses von dem Verpächter die an sich zurückzugewährende Anlieferungs-Referenzmenge gegen Entgelt übernimmt. Auch insoweit liegt ein umsatzsteuerpflichtiges Geschäft des Verpächters als Unternehmer vor.

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegen Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, der Umsatzsteuer. Während die Lieferung die Verschaffung der Verfügungsmacht an einem Gegenstand ist, kann die sonstige Leistung in einem positiven Tun, einem Dulden oder Unterlassen bestehen. Die Steuerbarkeit der Leistung entfällt nicht dadurch, dass der Umsatz aufgrund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung ausgeführt wird oder nach gesetzlicher Anordnung als ausgeführt gilt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG). Deshalb sind etwa Zwangsübereignungen und Zwangsenteignungen grundsätzlich umsatzsteuerpflichtig. Unbeachtlich ist hier also, ob der Verpächter damit einverstanden ist, dass der Pächter kraft des ihm zustehenden Rechts die an sich ihm zurückzugewährende Referenzmenge übernimmt. Entscheidend für die Umsatzsteuerpflicht ist, ob ein Leistungsaustausch zwischen dem Verpächter und dem Pächter vorliegt, denn nur die vom Unternehmer gegen Entgelt erbrachte Leistung ist umsatzsteuerpflichtig. Ein Leistungsaustausch ist gegeben, wenn sich die Leistung auf den Erhalt einer Gegenleistung richtet und damit die gewollte, erwartete oder erwartbare Gegenleistung auslöst, so dass die wechselseitig erbrachten Leistungen miteinander verbunden sind (Sölch/Ringleb, UStG, Kommentar, zu § 1 Rdnr. 36). Auf die Bezeichnung der Gegenleistung (etwa als Entschädigung) kommt es nicht an. Nur im Falle des echten Schadensersatzes, der mit keinem Rechtsverzicht des Gläubigers einhergeht, liegt kein umsatzsteuerbares Leistungsentgelt vor (Sölch/Ringleb, aaO, Rdnr. 60). Im Falle des § 12 Abs. 3 MAV sind indes die Voraussetzungen eines Leistungsaustausches erfüllt. Dadurch, dass der Pächter von seinem Übernahmerecht Gebrauch macht, veranlasst er den Verpächter zu einer Leistung, nämlich zum Verzicht auf sein Recht auf Rücknahme der Referenzmenge, wobei der Pächter für diese Leistung eine Gegenleistung, nämlich ein Entgelt in Höhe von 67 % des Gleichgewichtspreises zu zahlen hat. Dass der Verpächter kraft Gesetzes zu dieser Leistung gezwungen ist, ist, wie oben ausgeführt, unbeachtlich. Unerheblich ist auch, dass der Pächter zuvor bereits Rechtsinhaber der Milchquote war. Denn die Milchquote war ihm nur für die Dauer des Pachtverhältnisses überlassen, während es nun um den endgültigen Verbleib des Rechts bei dem Pächter geht, das dieser dem Verpächter mit Ausübung des Übernahmerechts "abkauft".

Auch wenn hier sonach ein umsatzsteuerpflichtiges Erwerbsgeschäft vorliegt, kann der Kläger, der als pauschalierender Landwirt nach § 24 Abs. 1 UStG grundsätzlich 9 % Umsatzsteuer in Ansatz zu bringen hat, von der Beklagten über das gezahlte Entgelt von 38.885,36 EUR hinaus keinen weiteren Betrag als Mehrwertsteuer beanspruchen. Denn die geleisteten 38.885,36 EUR stellen sich als Bruttopreis einschließlich Mehrwertsteuer dar.

Allgemein gilt ohnehin der Grundsatz, dass bei Fehlen gegenteiliger Vereinbarungen die Mehrwertsteuer ein unselbständiger Bestandteil des vereinbarten Entgelts ist, der vereinbarte Preis sich mithin als Bruttopreis (Endpreis) darstellt mit der Folge, dass die Mehrwertsteuer, sofern sie seitens des Veräußerers anfällt, nicht gesondert beansprucht werden kann (BGH, NJW 1988, 2042; BGH, NJWRR 2000, 1652 m.w.N.). Da die Parteien vorliegend das Entgelt für das Milchanlieferungsrecht nicht gemäß § 12 Abs. 3 Satz 4 MAV ausgehandelt haben, hat sich der Ankaufspreis nach dem Gleichgewichtspreis bestimmt, bei dem es sich um einen Endpreis (Bruttopreis) handelt. Denn dieser Gleichgewichtspreis wird gemäß § 10 MAV von der Verkaufsstelle für jeden Übertragungstermin unter Berücksichtigung der Mehrwertsteuer ermittelt. Der Gleichgewichtspreis bestimmt sich dabei vor allem nach den Angeboten der die Referenzmengen anbietenden Landwirte. Da die Andienung der Milchreferenzmenge an die Verkaufsstelle der Umsatzsteuer unterliegt, haben sowohl der pauschalierende Landwirt als auch der Regelbesteuerer in ihren Angeboten gegenüber der Verkaufsstelle das verlangte Entgelt als Bruttobetrag anzugeben (vgl. Busse, Milchquotenbörse und Umsatzsteuer, AUR 2006, 229, 235 unter 1). Aufgrund dieser von den Anbietern genannten Bruttobeträge legt die Verkaufsstelle den Gleichgewichtspreis fest, der sich demzufolge ebenfalls als Endpreis (Bruttopreis einschließlich Umsatzsteuer) darstellt (vgl. Stephany, AUR 2004, 240, 244/245). Dies gilt sowohl im Verhältnis zum Anbieter als auch im Verhältnis zum Nachfrager. Denn der ermittelte Gleichgewichtspreis wird bei der Weiterleitung der Anlieferungs-Referenzmenge durch die Verkaufsstelle an den Nachfrager nach der derzeitigen Praxis der Finanzverwaltung nicht mit einer weiteren zusätzlichen Umsatzsteuer belegt (vgl. Stephany, aaO, auch Busse, aaO, Seite 237). Soweit anlässlich der Veröffentlichung der Ergebnisse der Milchquotenbörse darauf hingewiesen wird (wie sich aus der Veröffentlichung Anlage K 4 ergibt, Bl. 40 GA), dass die "Preise ohne Mehrwertsteuer sind", kann dieser Hinweis im Hinblick auf die Praxis der Verkaufsstellen nur dahingehend verstanden werden, dass die bekannt gegebenen Gleichgewichtspreise Endpreise ohne Mehrwertsteuer sind, von der Verkaufsstelle also keine Mehrwertsteuer erhoben wird oder gesondert ausgewiesen werden kann. Der Hinweis in der Veröffentlichung der Ergebnisse der Milchquotenbörse ist damit vor allem für die Nachfrager von Bedeutung, die von der Verkaufsstelle nicht die Ausstellung einer Rechnung mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer verlangen können (vgl. hierzu Busse, aaO, Seite 237). Für die Preisgestaltung im Rahmen der Ausübung des Übernahmerechts des Pächters nach § 12 Abs. 3 MAV ist der vorbezeichnete Hinweis dagegen unbedeutend; diese richtet sich, sofern die Parteien nach Satz 4 keine Preisvereinbarung getroffen haben, allein nach dem Gleichgewichtspreis, bei dem es sich unabhängig von den Vorstellungen der Parteien um einen Endpreis handelt.

Versteht sich nach alledem das von der Beklagten gezahlte Entgelt als Bruttopreis, kann dieser nicht um die gesetzliche Mehrwertsteuer erhöht werden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die übrigen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711, 543 Abs. 2 ZPO. Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen gewesen. Die Frage, ob es sich bei dem von der Verkaufsstelle ermittelten Gleichgewichtspreis um einen Endpreis handelt, ist über den hiesigen Rechtsstreit hinaus von allgemeiner Bedeutung und höchstrichterlich noch nicht entschieden.

Anmerkung: Gegen das Urteil ist Revision eingelegt worden, die unter dem Aktenzeichen VIII ZR 42/07 beim Bundesgerichtshof anhängig ist.

Ende der Entscheidung

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