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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 26.09.2001
Aktenzeichen: 7 U 124/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 648
BGB § 885 I 2
BGB § 242
Durchbrechung des Identitätserfordernisses des § 648 BGB zwischen Besteller und Grundstückseigentümer nach Treu und Glauben.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

7 U 124/01

Verkündet am 26. September 2001

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht #######, der Richterin am Oberlandesgericht #######und des Richters am Oberlandesgericht ####### auf die mündliche Verhandlung vom 13. September 2001 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Verfügungsklägerin wird das am 27. Juni 2001 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Stade geändert:

Im Wege einstweiliger Verfügung wird angeordnet:

Im Grundbuch von ####### Blatt 7233, lfd. Nr. 1 bis 11, Gebäude- und Freifläche #######, ist zugunsten der Klägerin eine Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Einräumung einer Bauhandwerkersicherungshypothek für die Ansprüche aus den Werkverträgen ####### ####### (Außenanlagen-Straßenbau), ####### ####### (Innenhöfe) sowie Stundenlohnarbeiten Hochbau in Höhe von 340.280,68 DM nebst 10,5 % Zinsen seit dem 1. Dezember 2000 und einem Kostenquantum in Höhe von 26.658,34 DM einzutragen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Verfügungsbeklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Wert der Beschwer und Streitwert für das Berufungsverfahren: 122.313 DM.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Verfügungsklägerin (im Folgenden Klägerin) hat Erfolg.

Die Klägerin kann gegenüber der Verfügungsbeklagten (im Folgenden Beklagte) im Wege einstweiliger Verfügung Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung ihres Anspruches auf Einräumung einer Bauhandwerkersicherungshypothek gemäß §§ 648 Abs. 1, 885 Abs. 1 Satz 2 BGB verlangen.

Zum Erlass einer einstweiligen Verfügung und Beantragung einer Vormerkung ist es nicht erforderlich, eine Gefährdung des zu sichernden Anspruchs glaubhaft zu machen.

Der Klägerin steht ein unstreitiger Restwerklohnanspruch für Tiefbauarbeiten an dem Bauvorhaben ####### in ####### aus ihrer vierten und fünften Abschlussrechnung vom 28. Februar bzw. 30. März 2001, ihrer Abschlagsrechnung vom 30. November 2000 zu ihrem Nachtragsangebot zu dem vorgenannten Tiefbauauftrag sowie schließlich aus ihren Stundenlohnrechnungen vom 5., 8., 11. und 18. September 2000 in Höhe von insgesamt 340.280,68 DM zu.

Dieser Anspruch richtet sich jedoch gegen ihre Vertragspartnerin, die Firma ############## und nicht gegen die Beklagte. Gleichwohl kann die Klägerin trotz Auseinanderfallens von Auftraggeber einerseits und Grundstückseigentümer andererseits Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Einräumung einer Bauhandwerkersicherungshypothek auf dem im Eigentum der Beklagten stehenden Grundstück ####### in ####### verlangen.

§ 648 Abs. 1 BGB erfordert an sich Identität zwischen Grundstückseigentümer und Auftraggeber. In Rechtsprechung und Literatur besteht Einigkeit, dass diese erforderliche Identität zwischen Besteller und Grundstückseigentümer formaljuristisch zu beurteilen ist. Der Unternehmer kann die Einräumung einer Sicherungshypothek mithin nur verlangen, wenn Besteller und Grundstückseigentümer im Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs rechtlich dieselbe Person sind. Eine Übereinstimmung nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise hingegen genügt in der Regel nicht (BGHZ 102, 95 ff.).

Es ist jedoch anerkannt, dass in Ausnahmefällen eine Durchbrechung dieses Identitätsgrundsatzes nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB geboten sein kann. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss das Identitätserfordernis jedenfalls dann zurücktreten, wenn 'die Wirklichkeit des Lebens und die Macht der Tatsachen es gebieten, die personen- und vermögensrechtliche Selbständigkeit von Besteller und Eigentümer' zurücktreten zu lassen. Die förmliche Verschiedenheit darf nicht etwa dazu führen, dem Bauhandwerker die ihm redlicherweise zustehende Sicherheit vorzuenthalten. Bejaht hat die Rechtsprechung diese Voraussetzungen z. B., wenn der Grundstückseigentümer die beherrschende Position gegenüber dem Besteller inne hat, die tatsächlichen Vorteile aus der Werkleistung zieht oder der zahlungsunfähige Mieter als Bestellung für umfangreiche Reparaturarbeiten vom Grundstückseigentümer nur vorgeschoben wird pp.

Die Umstände des zur Entscheidung anstehenden Einzelfalles gebietet es nach Treu und Glauben, dem Kläger die Inanspruchnahme der Beklagten zu gestatten, obwohl diese nicht seine Vertragspartnerin ist. Dabei verkennt der Senat nicht, dass es sich bei dem Umstand des Auseinanderfallens von Generalunternehmer und Eigentümer des zu bebauenden Grundstücks um eine alltägliche Situation handelt. Zu Recht hat deshalb der 14. Senat des Oberlandesgericht Celle in seiner Entscheidung vom 8. Juli 1999 (NJW-RR 2000, 387 f.) dem Subunternehmen normalerweise das Insolvenzrisiko des Hauptunternehmers zugewiesen.

Auch die unstreitige räumliche und personelle Verflechtung der beiden Gesellschaften gebietet allein betrachtet keine Durchbrechung des Identitätserfordernisses des § 648 BGB. Der Klägerin war - auch bereits aus früherer Geschäftsbeziehung - bekannt, dass es sich um zwei verschiedene juristische Personen handelte. Auch wenn die Klägerin nunmehr darauf verweist, die Beklagte und die ####### seien im Rechtsverkehr ohne Trennung der juristischen Personen aufgetreten, in dem z. B. auf dem Briefpapier die falsche HRB-Nummer verwendet worden sei, behauptet die Klägerin jedoch nicht, die Beklagte und ihre Auftraggeberin, die#######, etwa verwechselt zu haben. Auch wenn die Beklagte und die ####### zu einer Firmengruppe gehörten und z. B. in ihrem Briefkopf das identische Logo verwendeten, hat sich aus den den Geschäftsbeziehungen der Parteien zugrundeliegenden Aufträgen für die Klägerin hinreichend klar ergeben, welche der beiden Firmen jeweils ihre Auftraggeberin war. Dementspechend hat die Klägerin ihre Angebote auch teils an die Beklagte, teils an die ####### gerichtet und - völlig korrekt - auch die streitbefangenen Arbeiten nur gegenüber der ####### abgerechnet (vgl. Bl. 52, 54, 60, 66, 72, 78 und 84 d. A.).

Gleichwohl gebieten die Umstände des vorliegenden Einzelfalles, das Identitätserfordernis des § 648 BGB zu durchbrechen. Der für die Beurteilung des Sachverhalts entscheidungsrelevante Zeitpunkt ist der der Ausführung der Arbeiten (vgl. BGH a. a. O., Ziffer III a. E.).

Die von der Klägerin für die Firma ####### erbrachten Arbeiten zogen sich bis März 2001 hin. Dies ergibt sich zwanglos aus der Tatsache, dass die Klägerin noch unter dem 30. März 2001 eine Abschlagsrechnung erteilte, die Schlussrechnung hingegen noch ausstand. Zu diesem Zeitpunkt war es zur vollständigen Personenidentität der Gesellschafter der Beklagten und der ####### gekommen, denn seit November 2000 war nicht nur #######, sondern zusätzlich ####### Gesellschafter auch der #######. Entscheidend für die Durchbrechung des Identitätserfordernisses des § 648 BGB zwischen Grundstückseigentümer und Auftraggeber ist jedoch, dass eben diese personenidentischen Gesellschafter beider Firmen noch zum Zeitpunkt des Andauerns des Tätigwerdens der Klägerin planmäßig die ####### aufgaben, deren Sitz nach ####### verlegen wollten und ihre Gesellschaftsanteile an den vermögenslosen ####### übertrugen. Dieser Vorgang war bereits am 20. März 2001 - nach Vorbereitung - mit Übernahme aller Geschäftsanteile durch Herrn ####### vollzogen (siehe eidesstattliche Versicherung ####### vom 12. Juni 2001, Bl. 142 d. A.).

Die Vermögensverhältnisse des neuen Gesellschafters ####### hat die Klägerin durch Vorlage der Auskunft der Kreditreform vom 12. Juni 2001 (Bl. 214 d. A.) hinreichend glaubhaft gemacht; über das Vermögen der ####### ist durch Beschluss des Amtsgerichts Syke vom 6. August 2001 (Az. 15 IN 140/01) Insolvenzsicherung angeordnet worden.

Die beiden personenidentischen Gesellschafter der Beklagten und ####### und ####### haben damit 'sehenden Auges' die Gläubiger der ####### ins Leere laufen lassen. Dies rechtfertigt nach Treu und Glauben ihre Inanspruchnahme durch die Klägerin gemäß § 648 BGB trotz ihrer fehlenden Stellung als Auftraggeberin.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 708 Nr. 10, 713, 545 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Der Geschäftswert ist auf 1/3 des vollen Wertes der gesicherten Forderung von insgesamt 366.939,02 DM festgesetzt worden.

Ende der Entscheidung

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