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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 23.01.2009
Aktenzeichen: 7 W 5/09
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 120 Abs. 4 Satz 2
ZPO § 124 Nr. 2
Es reicht aus, die Erklärung gemäß §§ 124 Nr. 2, 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO im Beschwerdeverfahren nachzuholen, um die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung abzuwenden. Da § 124 Nr. 2 ZPO keinen Sanktionscharakter hat, bleibt es bei der Grundregel des § 571 Abs. 2 ZPO.

Die Partei braucht die Verletzung der Mitwirkungspflicht nicht zu entschuldigen.


7 W 5/09

Beschluss

In der Beschwerdesache

Tenor:

Der Beschluss des Landgerichts Lüneburg, Az.: 3 O 365/04, vom 7. Oktober 2008 in der Fassung der Nichtabhilfeentscheidung vom 16. Januar 2009 wird aufgehoben.

Gründe:

I.

Dem Beschwerdeführer wurde mit Beschlüssen vom 31. Mai 2005 und 2. August 2006 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt.

Mit Verfügung vom 26. August 2008 wurde der Beschwerdeführer unter Beifügung eines Formulars JV 205 gebeten mitzuteilen, ob und inwieweit sich seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse geändert hätten. Es wurde um Antwort innerhalb von zwei Wochen gebeten. Da diese Frist fruchtlos verstrich, wurde er mit Verfügung vom 19. September 2008 erneut um Übersendung der Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gebeten. Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass die Prozesskostenhilfe aufgehoben würde, sollte er sich nicht fristgerecht, nämlich innerhalb von 10 Tagen, äußern.

Mit dem dem Beschwerdeführer am 11. Oktober 2008 zugestellten Beschluss vom 7. Oktober 2008 wurde die bewilligte Prozesskostenhilfe gemäß § 124 Nr. 2 ZPO aufgehoben. Mit der hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde vom 21. Oktober 2008 hat der Beschwerdeführer zunächst in Kopie den Beschluss des Amtsgerichts Uelzen vom 4. April 2007 (Az.: ...) über die Eröffnung seines Insolvenzverfahrens übersandt.

Mit Verfügung vom 27. Oktober 2008 bat das Landgericht den Beschwerdeführer um Mitteilung, warum er sich trotz zweimaliger Aufforderung nicht über seine wirtschaftlichen Verhältnisse erklärt habe. Allein der Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens reiche nicht aus, da zu prüfen sei, ob einzusetzendes Einkommen gemäß § 115 Abs. 2 ZPO verbleibe. Hierauf reagierte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2008, mit dem er den Leistungsbescheid der Agentur für Arbeit U. vom 22. Januar 2008 sowie mit weiterem Schriftsatz vom 11. Dezember 2008 einen Mietvertrag vom 25. Januar 2007 übersandte.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Der Kläger sei in grob nachlässiger Weise seiner Pflicht zur Abgabe der Erklärung gemäß § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO nicht nachgekommen. Zwar könne die Beschwerde auf neue Angriffs und Verteidigungsmittel gestützt werden. Die Verspätung erfülle diese Voraussetzungen nicht, da der Beschwerdeführer seinen Anspruch bereits durch die Nachlässigkeit verloren habe. Andernfalls bliebe die gesetzliche Sanktion folgenlos. Als ausreichend könne nur eine Erklärung angesehen werden, mit der neben der Erklärung über die wirtschaftlichen Verhältnisse auch eine Begründung für die Pflichtverletzung geliefert würde. Das sei hier nicht geschehen.

II.

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO i. V. m. § 11 Abs. 1, 20 Nr. 4 lit. c. RPflG statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

1. Im Beschwerdeverfahren gegen die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung kann die Partei eine nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO geforderte Erklärung auch dann nachholen, wenn sie die Frist für die Erklärung schuldhaft versäumt hat.

Nach § 124 Ziff. 2 ZPO kann das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei eine Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO nicht abgegeben hat. Nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO hat sich die Partei auf Verlangen des Gerichts darüber zu erklären, ob eine Änderung der für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten ist. Der Kläger ist dem Verlangen des Gerichts bis zur aufhebenden Entscheidung bis zur Aufhebung derselben nicht nachgekommen. Erst mit der sofortigen Beschwerde hat er sich hiergegen gewandt. Das reicht grundsätzlich aus.

Nach § 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO kann die Beschwerde auf neue Angriffs und Verteidigungsmittel gestützt werden. Die Beschwerdeinstanz ist eine vollwertige zweite Tatsacheninstanz. Die Fristen nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO sind auch keine Ausschlussfristen (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 61. Auflage § 120 Rn. 29, § 124 Rn. 39. Zöller/Philippi, ZPO, 27. Auflage 2009, § 120 Rn. 28). Für die Annahme von Ausschlussfristen hätte es einer entsprechenden gesetzlichen Regelung bedurft. Anders als beispielsweise in der Berufungsinstanz, wo verspätetes tatsächliches Vorbringen ausdrücklich von § 531 ZPO sanktioniert werden kann, fehlt es an einer entsprechenden Regelung in § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO. Dieser sieht nur die Einräumung von Erklärungsfristen durch das Gericht vor. Deren Sinn besteht darin, dass erforderliche Erklärungen und Nachweise binnen angemessener Zeit beschafft werden. Ein endgültiger Rechtsverlust ist mit der Versäumung der Fristen nicht verbunden. Auch die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung nach § 124 Ziff. 2 ZPO ist - bis zur Bestandskraft der Entscheidung - nicht in diesem Sinne endgültig. Sie dient nicht der Sanktionierung der Fristversäumung, sondern des Ausbleibens der geforderten Erklärung.

Wie im Falle des § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO geht es auch bei § 124 Ziff. 2 ZPO um die sachlich richtige Entscheidung. Solange die Partei nicht ausreichend mitwirkt, ist im Regelfall mangels anderweitiger Erkenntnisse anzunehmen, dass die Bewilligungsvoraussetzungen nicht (mehr) vorliegen. Doch muss das Gericht im Falle des § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO die Bewilligung nicht sofort aufheben, sondern kann im Rahmen seines Ermessens etwaigen Zweifeln an dem Fortbestehen der Bewilligungsvoraussetzungen nachgehen.

Insoweit vermag auch die vom Landgericht zur Begründung der Auffassung herangezogene Entscheidung des OLG Naumburg vom 14. April 2005 (in FamRZ 2006, 216) nicht zu überzeugen.

Würde man verlangen, dass Entschuldigungsgründe dafür vorgebracht werden, weshalb Vorbringen erst in der Beschwerdeinstanz erfolgt, liefe dies auf eine vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte Einschränkung des Anspruches auf rechtliches Gehör vor Gericht hinaus (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 19. März 1999 in FamRZ 1999, 1354). Hätte der Gesetzgeber nämlich für die nicht erfolgte Mitwirkung im Verfahren über den Entzug von Prozesskostenhilfe eine abweichende Regelung gewollt, hätte er dies zum Ausdruck bringen müssen (OLG Hamm, Beschluss vom 4. November 1998 in FamRZ 2000, 1225). §§ 120 und 124 ZPO enthalten eine derartige Einschränkung jedoch nicht (OLG Oldenburg, Beschluss vom 19. Juni 2003 in FamRZ 2004, 36).

Letztlich verfängt auch der Hinweis auf den Sanktionscharakter des § 124 Nr. 2 ZPO nicht. Die Sanktion - endgültige Aufhebung der bewilligten Prozesskostenhilfe - tritt nämlich ein, wenn der Berechtigte die geforderte Erklärung auch im Beschwerdeverfahren nicht abgibt (OLG Celle, Beschluss vom 23. Juli 1991 in FamRZ 1991, 242. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Dezember 1998 in FamRZ 1999, 1357 f.. OLG Stuttgart, Beschluss vom 14. Januar 1997 in FamRZ 1997, 1089. vgl. umfangreiche Nachweise bei Zöller-Philippi, a. a. O., § 124 Rdnr. 10 a, § 127 Rdnr. 34 jeweils m. w. N.).

2. Auch in der Sache hat der Beschwerdeführer durch Vorlage des Beschlusses über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, des Bescheids der Agentur für Arbeit sowie des Mietvertrages ausreichend dargetan, dass die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe fortdauern, da eine wesentliche Änderung der Verhältnisse nicht eingetreten ist.

Gemäß § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO ist die Vorlage der Belege ausreichend, da eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Formular JV 205) nicht vorgelegt werden muss (OLG Celle, Beschluss vom 23. Juli 1991, a. a. O.. OLG Oldenburg, Beschluss vom 19. Juni 2003, a. a. O.. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21. Oktober 2003 in FamRZ 2005, 48. Zöller-Philippi, a. a. O., § 120 Rdnr. 28 a). Die Partei genügt insoweit ihrer Auskunftspflicht nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO, indem sie angibt, ob und gegebenenfalls inwieweit sich ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, wie sie sich aus dem von ihr bei Antragstellung ausgefüllten Vordruck ergaben, seit Bewilligung der Prozesskostenhilfe geändert haben, und wenn sie diese Angaben - soweit erforderlich - belegt. Das ist hier geschehen.

Der Unterhaltsfreibetrag des Beschwerdeführers gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 lit. a ZPO in Höhe von 386,00 EUR übersteigt bereits die nachgewiesenen monatlichen Einnahmen.

Ende der Entscheidung

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