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Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 31.05.2007
Aktenzeichen: 8 U 271/06
Rechtsgebiete: AUZ, BGB


Vorschriften:

AUZ § 4
BGB § 307
1. Die Regelung in § 4 Ziff. 3 S. 2 der Bedingungen für die ArbeitsunfähigkeitsZusatzversicherung zur Restschuldversicherung (AUZ), wonach bei verspätetem Zugang der Anzeige der Arbeitsunfähigkeit die Arbeitsunfähigkeitsrente erst vom Zugangstage an gezahlt wird, jedoch nicht vor dem 43. Tag einer 100%igen Arbeitsunfähigkeit, stellt eine Ausschlussfrist und keine Obliegenheit dar.

2. Diese Regelung verstößt nicht gegen das Transparenzgebot und stellt keine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers dar (§ 307 BGB).


Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

8 U 271/06

Verkündet am 31. Mai 2007

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 25. Mai 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... , den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Landgericht .... für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 7. November 2006 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Insoweit beruht das angefochtene Urteil nach der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme jedenfalls im Ergebnis nicht auf einem Rechtsfehler (§ 513 Abs. 1, 1. Alt., § 546, § 561 ZPO analog ZPO). Ferner rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen die angefochtene Entscheidung (§ 513 Abs. 1, 2. Alt. ZPO). Der Klägerin steht gem. § 1 Nr. 1 und 4 der Versicherungsbedingungen für die Arbeitsunfähigkeits-Zusatzversicherung (i. F.: AVB) kein Anspruch auf Zahlung von 9.034,47 EUR wegen ihrer Arbeitsunfähigkeit im Zeitraum vom 22. September 2003 bis zum 31. Dezember 2004 gegen die Beklagte zu.

1. Die Klägerin ist allerdings zunächst aktivlegitimiert. Zwar ist sie selbst nicht Versicherungsnehmerin, da der Vertrag über die Arbeitsunfähigkeits-Zusatzversicherung zwischen der ... Bank AG als Versicherungsnehmerin und der Beklagten als Versicherer geschlossen wurde, während die Klägerin als Darlehensnehmerin nur zu versichernde Person ist. Insoweit handelt es sich um eine Versicherung für fremde Rechnung nach §§ 74 ff VVG (OLG Karlsruhe VersR 2006, 637). Nach § 75 Abs. 2 VVG kann der Versicherte über seine Rechte aber mit Zustimmung des Versicherungsnehmers verfügen. Das ist hier durch das Schreiben der ... Bank AG vom 18. Januar 2006 geschehen, mit der diese ihre Rechte zur Prozessführung an die Klägerin abgetreten hat (Bl. 29 d. A.). Allerdings umfasst diese Abtretung ausdrücklich nicht die Leistungen der Beklagten, da eventuelle Zahlungen auf das bei ihr geführte Kreditkonto zu leisten sind. In der Sache handelt es sich also nur um einen Fall gewillkürter Prozessstandschaft. Die Klägerin kann daher von vornherein entsprechend ihrem Hilfsantrag allenfalls verlangen, dass die Zahlung an die ... Bank AG zu erfolgen hat.

2. Auch der Versicherungsfall ist eingetreten. Nach § 1 Nr. 1 AVB entsteht der Anspruch auf Zahlung der Arbeitsunfähigkeitsrente, wenn die versicherte Person während der Dauer der Zusatzversicherung durch einen niedergelassenen Arzt oder ein Krankenhaus im Rahmen einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung wegen Krankheit oder Unfallfolgen behandelt und eine 100 %ige Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird. Nach § 1 Nr. 4 AVB entsteht der Anspruch jeweils vom 43. Tag einer 100 %igen Arbeitsunfähigkeit an. Eine entsprechende Regelung enthält auch II Nr. 1 des Merkblattes zur Arbeitsunfähigkeitszusatzversicherung. Hier hat die Klägerin behauptet, bereits seit dem 11. August 2003 arbeitsunfähig zu sein (Bl. 3 d. A.). Die Beklagte hat diese Arbeitsunfähigkeit nicht bestritten. Vielmehr hat sie ausdrücklich mit Schreiben vom 23. September 2005 der Klägerin den Eingang der Unterlagen zum Arbeitsunfähigkeitsfall vom 11. August 2003 bestätigt, diesen als Versicherungsfall anerkannt und sich lediglich auf die verspätete Meldung der Arbeitsunfähigkeit berufen (Bl. 124 d. A.).

3. Der Anspruch der Klägerin scheitert jedoch daran, dass sie der Beklagten erstmals am 21. Juli 2005 ihre Arbeitsunfähigkeit angezeigt hat.

a) Nach § 4 Nr. 1 AVB muss der Leistungsfall der Beklagten schriftlich angezeigt werden. Ferner sind nach § 4 Nr. 2 Unterlagen einzureichen betreffend eine Darstellung der Ursache für den Eintritt der Arbeitsunfähigkeit sowie ausführliche ärztliche Bescheinigungen über Ursache, Beginn, Art, Verlauf und voraussichtliche Dauer des Leidens. Gem. § 4 Nr. 3 AVB sind diese Unterlagen der Beklagten unverzüglich, spätestens innerhalb der Karenzzeit von 42 Tagen einzureichen. Bei verspätetem Zugang der Anzeige wird die Arbeitsunfähigkeitsrente erst vom Zugangstage an gezahlt, jedoch nicht vor dem 43. Tag der 100 %igen Arbeitsunfähigkeit. Hinsichtlich der Folgen der Verletzung von Mitwirkungspflichten nach § 4 AVB sieht § 8 AVB eine Leistungsfreiheit des Versicherers bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers vor. Bei grober Fahrlässigkeit wird der Kausalitätsgegenbeweis eröffnet.

In Ergänzung zu den AVB bestimmt II Nr. 8 S. 1 des Merkblattes für die Arbeitsunfähigkeitszusatzversicherung, dass die ärztlich festgestellte Arbeitsunfähigkeit dem Versicherer unverzüglich, spätestens aber innerhalb der Karenzzeit von 42 Tagen, durch Vorlage eines Nachweises nach Nr. 5 anzuzeigen ist. Bei verspätetem Zugang der Anzeige wird die Arbeitsunfähigkeitsrente erst vom Zugangstage an gezahlt, nicht jedoch vor dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit (II Nr. 8 S. 1). Schließlich sieht II Nr. 9 des Merkblattes vor, dass der Versicherer mit der in § 6 Abs. 3 VVG enthaltenen Einschränkung von der Verpflichtung zur Leistung frei wird, wenn eine der in Nr. 8 Abs. 1 bis 4 genannten Obliegenheiten verletzt wird.

aa) Insofern ist maßgeblich, ob es sich bei der verspäteten Anzeige der Arbeitsunfähigkeit um eine Ausschlussfrist oder um eine Obliegenheitsverletzung handelt. Diese Differenzierung ist, wenn die Anzeige, wie das dem zunächst unstreitigen Parteivorbringen erster Instanz entsprach, erst am 21. Juli 2005 erfolgte (Bl. 3, 24 d. A.), erheblich. Eine Ausschlussfrist hat den Anspruchsverlust bis zum Tag der Anzeige des Versicherungsfalles zur Folge, es sei denn, der Versicherungsnehmer kann darlegen, dass ihn an der Versäumung kein Verschulden trifft (BGH VersR 1995, 82 zu der ähnlichen Regelung in § 1 Abs. 3 BUZ). Dieses fehlende Verschulden bezieht sich allerdings nur auf die Frage, warum die Anzeige verspätet erfolgt ist, hat indessen mit der Feststellung des Versicherungsfalles oder der Feststellung bzw. dem Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung nichts zu tun. Insbesondere ist dem Versicherungsnehmer in diesen Fällen nicht der Kausalitätsgegenbeweis des § 6 Abs. 3 S. 2 VVG eröffnet (BGH VersR 1982, 567; OLG Karlsruhe, a. a. O.). Hat die Klägerin die Arbeitsunfähigkeit erst am 21. Juli 2005 gemeldet und handelt es sich um eine Ausschlussfrist, so stehen ihr keine Ansprüche für die Vergangenheit zu. Die Klägerin hat in keiner Weise dargelegt, wieso es ihr über einen Zeitraum von annähernd zwei Jahren unmöglich gewesen sein soll, der Beklagten den Versicherungsfall anzuzeigen. Ihr pauschaler Vortrag, sie sei aufgrund ihres Krankheitsbildes nicht in der Lage gewesen, ihr obliegende Mitwirkungspflichten zu erfüllen, ist nicht ausreichend.

Handelt es sich demgegenüber um eine Obliegenheit, so schadet dem Versicherungsnehmer nach § 6 Abs. 3 VVG nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Der Vorsatz wird hierbei zwar gesetzlich vermutet und ist vom Versicherungsnehmer zu widerlegen (BGH VersR 2002, 173; Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 6 Rdnr. 121). Allerdings gibt es eine allgemeine Erfahrung dahin, dass sich kein vernünftiger Versicherungsnehmer durch bewusste Nichterfüllung von Anzeigepflichten Rechtsnachteile im Verhältnis zum Versicherer zuziehen will (BGH VersR 1981, 321, 322; OLG Düsseldorf VersR 2001, 888, 891; 2001, 452; OLG Hamm VersR 1997, 1389, 1390). Das spricht hier trotz des langen Zeitraums zwischen Eintritt des Versicherungsfalles und der Anzeige gegen vorsätzliches Handeln der Klägerin. Sollte nur grobe Fahrlässigkeit eingreifen, wäre der Kausalitätsgegenbeweis nach § 6 Abs. 3 S. 2 VVG geführt, da nicht ersichtlich ist, inwieweit die verspätete Mitteilung der Arbeitsunfähigkeit Einfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalles oder auf die Feststellung bzw. den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung gehabt hat. Hier ist unstreitig, dass der Versicherungsfall durch die 100 %ige Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ab dem 11. August 2003 und danach durchgehend eingetreten ist. Insoweit ist nicht ersichtlich, welchen Einfluss die verspätete Anzeige seitens der Klägerin gehabt haben sollte.

bb) Tatsächlich handelt es sich bei § 4 Nr. 3 S. 2 AVB und II Nr. 8 S. 2 des Merkblattes um eine Ausschlussfrist und nicht um eine Obliegenheit (so auch OLG Karlsruhe, a. a. O., für eine ähnliche Regelung in einer Arbeitsunfähigkeitsversicherung). Für das Vorliegen einer Obliegenheitsverletzung könnte zwar zunächst die systematische Stellung der Regelung sprechen. § 4 AVB ist überschrieben mit "Nachweise im Leistungsfall, Obliegenheiten". Demgegenüber sind in § 3 "Ausschlüsse und Begrenzungen des Versicherungsschutzes" geregelt. § 8 AVB nimmt ferner für die Folgen bei der Verletzung von Mitwirkungspflichten auf die Regelung zu Obliegenheitsverletzungen in § 6 Abs. 3 VVG Bezug. In II Ziff. 9 des Merkblattes wird ebenfalls auf § 6 Abs. 3 VVG für den Fall verwiesen, dass eine der in § 8 Abs. 1 bis 4 genannten Obliegenheiten verletzt wird.

Voraussetzung für das Eingreifen von § 6 Abs. 3 VVG i. V. m. § 8 AVB und II Ziff. 9 des Merkblattes ist aber immer, dass es sich in der Sache tatsächlich um eine Obliegenheit handelt. Das ist indessen zu verneinen. So hat der BGH die vergleichbare Regelung in § 1 Abs. 3 S. 2 BUZ als Ausschlussfrist angesehen (VersR 1995, 82; so auch OLG Hamm r+s 2001, 521; VersR 1995, 1038; Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 1 BUZ Rdnr. 11). Hiernach entsteht der Anspruch auf Beitragsbefreiung und Rente mit dem Ablauf des Monats, in dem Berufsunfähigkeit eingetreten ist. Erfolgt die Anzeige später als drei Monate nach dem Eintritt der Berufsunfähigkeit, so entsteht der Anspruch erst mit Beginn des Monats der Mitteilung. Zwar bestimmt § 4 Abs. 1 BUZ, dass der Versicherungsnehmer, wenn er Leistungen aus der Zusatzversicherung verlangt, bestimmte Unterlagen einzureichen hat, und § 8 sieht unter Bezugnahme auf die Regelung des § 6 Abs. 3 VVG Leistungsfreiheit beim Verstoß gegen Mitwirkungspflichten nach § 4 vor. Insoweit geht der BGH jedoch davon aus, es müsse zwischen der Anzeige der Berufsunfähigkeit einerseits sowie der Beibringung von Unterlagen zu deren Nachweis andererseits unterschieden werden. Die Anzeige der Berufsunfähigkeit sei nicht erst mit der Einreichung der Unterlagen erfolgt, sondern bereits mit Zugang der schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs. Mit der Verweisung in § 8 BUZ auf Obliegenheiten nach § 4 BUZ könne aber auch nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers die Anzeige selbst nicht gemeint sein, denn gegen ihr Unterlassen oder Verzögern habe sich der Versicherer bereits durch § 1 Abs. 3 S. 2 BUZ abgesichert. Dieser Bestimmung hätte es nicht bedurft, wenn die Rechtsfolgen einer verspäteten Anzeige durch § 8 BUZ geregelt werden sollten.

Auf dieser Grundlage hat der BGH auch ausgehend vom Zweck des § 1 Abs. 3 S. 2 BUZ angenommen, es handele sich um eine Ausschlussfrist. Durch die Frist solle dem Versicherer eine zeitnahe Prüfung und zuverlässige Feststellung des angezeigten Eintritts des Versicherungsfalles ermöglicht, ihm also alsbald Klarheit über seine Leistungspflicht verschafft werden. Durch die Regelung solle sichergestellt werden, dass der Versicherer nicht für - unter Umständen lange Zeit - vor Fristablauf entstandene, ihm aber unbekannte Ansprüche einstehen muss, bei denen die Aufklärung des Eintritts bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit aber schon durch Zeitablauf regelmäßig schwieriger werde. Bei dieser fristgebundenen Ausschlussregelung stehe also nicht die Begründung einer Verhaltensnorm für den Versicherungsnehmer im Vordergrund, sondern das Ziel, für solche vor Fristablauf entstandene Ansprüche grundsätzlich nicht einstehen zu müssen. Dieses Ziel wäre aber durch die Begründung einer bloßen Obliegenheit nicht zu erreichen, weil in diesem Falle selbst eine auf grober Fahrlässigkeit beruhende Obliegenheitsverletzung den Versicherer wegen § 6 Abs. 3 S. 2 VVG nicht zuverlässig von seiner Leistungspflicht befreien könne. Da der Versicherer sich nach Treu und Glauben nicht auf die Versäumung der Frist berufen könne, wenn den Versicherungsnehmer, was dieser zu beweisen habe, daran kein Verschulden treffe, halte die Klausel in dieser Auslegung auch einer Inhaltskontrolle stand. Die Fristwahrung setze nämlich nur voraus, dass der Anspruch überhaupt schriftlich geltend gemacht werde. Ob dessen Voraussetzungen vorlägen und die entsprechenden Unterlagen beigefügt seien, sei demgegenüber unerheblich. Die nachteiligen Folgen eines Anspruchsverlustes träfen den Versicherungsnehmer regelmäßig nur dann, wenn er trotz Kenntnis vom Eintritt der Berufsunfähigkeit die Frist zur Anzeige versäumt habe und ein Verschulden nicht ausräumen könne.

Diese Erwägungen können hier auch auf § 4 Nr. 3 S. 2 AVB und II Nr. 8 S. 2 des Merkblattes übertragen werden. Nach § 4 Nr. 1 AVB hat der Versicherungsnehmer es der Beklagten schriftlich mitzuteilen, wenn Leistungen aus der Zusatzversicherung verlangt werden. Nach § 4 Ziff. 2 AVB sind dann bestimmte Unterlagen einzureichen, die medizinische Feststellungen über Ursache und Dauer der Arbeitsunfähigkeit enthalten müssen. Insoweit wird mithin zwischen der Anzeige als solcher und dem Einreichen bestimmter Unterlagen differenziert. Diese Differenzierung setzt sich dann auch in § 4 Ziff. 3 AVB fort. § 4 Ziff. 3 S. 1 AVB bestimmt, dass die Unterlagen der Beklagten unverzüglich, spätestens aber innerhalb der Karenzzeit von 42 Tagen einzureichen sind. Demgegenüber regelt § 4 Ziff. 3 S. 2 AVB, dass bei verspätetem Zugang der Anzeige die Arbeitsunfähigkeitsrente erst vom Zugangstage an gezahlt wird, nicht jedoch vor dem 43. Tag der 100 %igen Arbeitsunfähigkeit. Zwar verweist § 8 AVB dann unterschiedslos für die Folgen der Verletzung einer Mitwirkungspflicht nach § 4 auf die Regelung des § 6 Abs. 3 VVG. Damit kann aber auch nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers nicht die verspätete Anzeige als solche gemeint sein, denn die Folgen einer verspäteten Anzeige sind bereits unmittelbar in § 4 Ziff. 3 S. 2 AVB geregelt. Dieser Bestimmung hätte es aber nicht bedurft, wenn sich die Rechtsfolgen einer verspäteten Anzeige lediglich nach der allgemeinen Regelung über die Folgen von Obliegenheitsverletzungen nach § 8 AVB richten sollten. § 8 AVB mit den Folgen der Verletzung einer Obliegenheit bezieht sich demgegenüber auf die verspätete, weil nicht unverzügliche, erfolgte Einreichung der medizinischen Unterlagen sowie die weiteren in § 4 Ziff. 4 - 6 AVB genannten Obliegenheiten.

Ebenfalls auf dieser Grundlage richtet sich dann das Verständnis von II Ziff. 8 S. 1 und 2 des Merkblattes. S. 1 betrifft die verspätete Vorlage der ärztlichen Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit nach II Ziff. 5, Ziff. 8 S. 2 dagegen den verspäteten Zugang der Anzeige des Leistungsfalles als solchem. Für diesen regelt die Vorschrift bereits unmittelbar, dass ein Anspruch erst vom Tag des Zuganges der Anzeige an besteht, während der Verweis in Ziff. 9 auf § 6 Abs. 3 VVG bei der Verletzung von Obliegenheiten nach Nr. 8 Abs. 1 bis 4 sich nur auf die verspätete Vorlage der ärztlichen Unterlagen und die sonstigen in Nr. 8 aufgeführten Obliegenheiten bezieht.

Diese Auslegung verstößt auch nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB (so auch OLG Karlsruhe, a. a. O.). Vielmehr ist § 4 Ziff. 3 S. 2 AVB und II Ziff. 8 S. 2 des Merkblattes unmissverständlich zu entnehmen, dass dem Versicherungsnehmer ein Anspruch nicht rückwirkend zusteht, sondern erst vom Tage der Anzeige der Arbeitsunfähigkeit, frühestens jedoch ab dem 43. Tag einer 100 %igen Arbeitsunfähigkeit. Dass dann in § 8 AVB von Mitwirkungspflichten des Versicherungsnehmers nach § 4 die Rede ist und II Nr. 9 des Merkblattes auf § 6 Abs. 3 VVG verweist, ist unerheblich, da auch für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar ist, dass der Versicherer sich gegen die Folgen einer verspäteten Anzeige bereits unmittelbar durch § 4 Ziff. 3 S. 2 AVB gesichert hat, ohne dass es noch zusätzlich des Rückgriffes auf Vorschriften über die Obliegenheitsverletzung nach Eintritt des Versicherungsfalles bedürfte.

Ferner liegt auch keine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB vor. Die Vorschrift dient dazu, den Versicherer davor zu schützen, dass er für möglicherweise lange vor Anzeige entstandene Ansprüche einstehen muss, die ihm bis zu Anzeige unbekannt waren und für die deshalb auch keine Rückstellungen gebildet wurden (BGH VersR 1995, 82 zu § 1 Abs. 3 BUZ, und VersR 1982, 567 zur Ausschlussfrist nach § 18 Abs. 3 Nr. 2 AKB a. F.). Diese nachträgliche Klärung des medizinischen Sachverhaltes der 100 %igen Arbeitsunfähigkeit ist häufig infolge des Zeitablaufs nur noch schwer möglich. Zwar ist der Versicherungsnehmer ohnehin für den Eintritt des Versicherungsfalles darlegungs- und beweispflichtig. Gleichwohl bestehen auch hier für den Versicherer berechtigte Interessen, unmittelbar nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit hiervon zu erfahren, um den Versicherungsnehmer gegebenenfalls selbst durch von ihm beauftragte Ärzte untersuchen zu lassen oder ihm Weisungen zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zu erteilen (§ 4 Ziff. 4 und 5 AVB). Nachträglich stehen dagegen meist nur noch die Berichte der Ärzte zur Verfügung, die den Versicherungsnehmer auf dessen Veranlassung behandelt haben und auch ein gerichtlicher Sachverständiger wird sich rückschauend wesentlich auf deren Berichte stützten müssen. Der Versicherungsnehmer selbst wird auch nicht unangemessen benachteiligt, weil er nur die Arbeitsunfähigkeit als solche anzeigen muss, während alle anderen Mitwirkungspflichten als Obliegenheiten ausgestaltet sind. Hat er die Frist unverschuldet versäumt, steht ihm ferner der Entlastungsbeweis offen.

b) Liegt somit eine Ausschlussfrist vor und hat die Klägerin sich auch nicht dafür entschuldigt, warum diese Anzeige (nach dem ursprünglich unstreitigen Vortrag beider Parteien) erst am 21. Juli 2005 erfolgte, so lag indessen ein Verfahrensfehler des Landgerichts darin, dass es dem Vortrag der Klägerin unter Beweisantritt im Schriftsatz vom 22. September 2006 nicht nachgegangen ist, sie habe die Arbeitsunfähigkeit der ... Bank AG und der Beklagten bereits mit Schreiben vom 22. Oktober 2003 angezeigt, die sie jeweils in Abschrift vorgelegt hat. Soweit das Landgericht diesen Vortrag gem. § 296 Abs. 2, § 282 Abs. 1 ZPO als verspätet zurückgewiesen hat, ist das unzutreffend, so dass das Vorbringen der Klägerin gem. § 531 Abs. 1 ZPO auch im zweiten Rechtszug zu berücksichtigen ist. Das Landgericht hat nämlich gegen seine Verpflichtung zur sachgerechten Terminsvorbereitung verstoßen, weil es entgegen § 273 Abs. 2 ZPO die Zeugin und die Klägerin nicht zum Termin geladen hat. Trotz Verspätung fehlt es nämlich an einer Verfahrensverzögerung, wenn das Gericht die Verzögerung durch eigene zumutbare prozessleitende Maßnahmen verhindern kann (BGH NJW 1991, 1181; Zöller-Greger, ZPO, 26. Aufl., § 296 Rdnr. 14 a). Hier lagen zwischen dem Eingang des Schriftsatzes beim Landgericht und dem Verhandlungstermin zwei Wochen und ein Tag. Das Landgericht hätte die Zeugin deshalb noch ohne weiteres laden können.

Zu Unrecht geht das Landgericht demgegenüber davon aus, eine Ladung der Zeugin habe unterbleiben müssen, weil zunächst der Beklagten Gelegenheit gegeben werden musste, zu dem neuen Vorbringen der Klägerin Stellung zu nehmen, was erst im Termin am 10. Oktober 2006 erfolgte, so dass eine Ladung der Zeugin nicht mehr möglich gewesen sei. Hierbei wird zunächst übersehen, dass formal bereits durch das neue Vorbringen der Klägerin mit der Behauptung der Anzeige bereits am 22. Oktober 2003 das bisher unstreitige Vorbringen der Anzeige erst am 21. Juli 2005 streitig wurde. Die Beklagte selbst hatte sich ausdrücklich darauf berufen, die Anzeige sei erst im Juli 2005 erfolgt (Bl. 24 d. A.). Bereits auf Grund dieses nunmehr streitigen Vortrages hätte das Landgericht die Zeugin laden müssen. Selbst wenn es indessen erst der Beklagten Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem neuen Vorbringen geben wollte, bevor es über Maßnahmen nach § 273 Abs. 2 ZPO entschied, was grundsätzlich zu geschehen hat (vgl. OLG Frankfurt OLGR 1994, 176), konnte das dann nicht zu einer Zurückweisung des Vorbringens wegen Verspätung führen. Wenn die Beklagte zu dem Schriftsatz der Klägerin vom 22. September 2006 erst in der mündlichen Verhandlung vom 10. Oktober 2006 Stellung nahm und die Anzeige vom 22. Oktober 2003 bestritt, musste dann jedenfalls in einem neuen Termin Beweis erhoben werden. Anderenfalls könnte jedes neue Vorbringen einer Partei wenige Wochen vor einem Termin, auf das der Gegner mit Bestreiten erst in der mündlichen Verhandlung reagiert, als verspätet zurückgewiesen werden, obwohl an sich noch Zeit zur Ladung des Zeugen bestanden hätte. Das ist indessen unzulässig. Das Landgericht hätte hier deshalb entweder die Zeugin sofort laden müssen, oder, wenn es erst das Vorbringen der Beklagten abwarten wollte, einen weiteren Termin anberaumen müssen.

c) Dieser Verfahrensfehler des Landgerichts kann der Klägerin indessen im Ergebnis nicht zum Erfolg verhelfen, weil sie nach dem Ergebnis der vor dem Senat durchgeführten Beweisaufnahme nicht den ihr obliegenden Beweis hat führen können, dass der ... Bank AG das Schreiben vom 22. Oktober 2003 zuging und eine Anzeige der Arbeitsunfähigkeit vor dem 21. Juli 2005 erfolgte. Die zunächst von ihr benannte Zeugin B. hat in ihrer schriftlichen Erklärung vom 22. Mai 2007 bekundet, sie könne zu dem Vorgang nichts sagen (Bl. 146 d. A.). Vielmehr sei ihre Kollegin L. mit der Angelegenheit vertraut. Die Zeugin L. hat in ihrer Vernehmung vor dem Senat bekundet, die ... Bank AG habe eine erste Information über die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin am 20. Juni 2005 bekommen. Das von der Klägerin vorgelegte Schreiben vom 22. Oktober 2003 befinde sich zwar auch in ihrer Akte, doch habe sie dies erst mit einem Schreiben des Rechtsanwaltes der Klägerin vom 22. September 2006 erhalten. Vorher habe sie es nicht bekommen, insbesondere nicht zu dem im Schreiben genannten Datum vom 22. Oktober 2003. Auch weitere Unterlagen für eine frühere Anzeige der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin gebe es nicht. Das Schreiben der ... Bank AG vom 5. November 2003 über eine mögliche vorzeitige Ablösung des Kredites habe mit einer Anzeige der Arbeitsunfähigkeit ebenfalls nichts zu tun gehabt. Insoweit ergebe sich aus den Unterlagen der ... Bank AG kein entsprechender Bezug. Es handele sich vielmehr um ein bei der ... Bank AG übliches Schreiben, welches immer wieder auf Anfragen von Kunden betreffend die vorzeitige Ablösung des Kreditvertrages verfasst werde.

Die Berufung war mithin mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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