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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 29.03.2001
Aktenzeichen: 8 U 78/00
Rechtsgebiete: ARB 1975


Vorschriften:

ARB 1975 § 1 Abs. 1 S. 1
ARB 1975 § 14
ARB 1975 § 17
Zur Deckungspflicht einer Rechtsschutzversicherung bei einer beabsichtigten Schadensersatzklage des Versicherten gegen eine Tabakfirma wegen unterlassener Warnhinweise.
8 U 78/00

Verkündet am 29. März 2001

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 9. März 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Amtsgericht ####### für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 28. Juni 2000 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Hannover geändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger aus dem Rechtsschutzversicherungsvertrag der Parteien - Versicherungsschein- Nr. ####### - Versicherungsschutz zu gewähren, und zwar für den vor dem Landgericht Arnsberg zu führenden Prozess gegen die #######, #######, #######, wegen Schadensersatzes und Feststellung aus Anlass der kardiovasculären Erkrankung des Klägers, insbesondere des Herzinfarkts im März 1993 und der Myocardrevascularisation im März 1999.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 4.500 DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet. Den Parteien wird nachgelassen, eine zur Ermöglichung oder Abwendung der Vollstreckung erforderliche Sicherheit auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse, Volksbank oder Bank, die einem anerkannten Einlagensicherungsfonds angehört, zu leisten.

Die Beschwer der Beklagten beträgt 'bis zu 12.000 DM'.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger beabsichtigt, den Zigarettenproduzenten ####### wegen der Erkrankung seines kardiovasculären Systems auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen, und begehrt für die Klage Deckungsschutz von der Beklagten, bei der er seit 1. Dezember 1983 unter Geltung der ARB 75 rechtsschutzversichert ist.

Der Kläger raucht seit 1964 ausschließlich Zigaretten der Marke '#######', die von der Firma ####### hergestellt werden. Seit 1975 hat er mehrfach versucht, mit dem Rauchen aufzuhören. Bis 1983 hat sein täglicher Zigarettenkonsum ca. 40 Zigaret betragen, seitdem ca. 20 bis 30 Zigaretten pro Tag. 1993 erlitt der Kläger einen Herzinfarkt. In der Folgezeit musste er sich mehreren operativen Eingriffen unterziehen, u. a. im Jahr 1999 einer BypassOperation.

Der Kläger beabsichtigt, die Klage gegen die Firma ####### in erster Linie auf zwei Gesichtspunkte zu stützen: Obwohl die Tabakindustrie durch Ergebnisse von Forschern des ####### in den USA aus dem Jahr 1983 wisse, dass sich beim Rauchen der suchterregende Wirkstoff Acetaldehyd freisetze, habe die Fa. ####### auf ihren Produkten keinerlei Warnhinweise veröffentlicht. Außerdem habe sie seit 1984 Ammoniak unter den von ihr verwendeten Tabak gemischt, wodurch die Zigaretten- und Nikotinabhängigkeit im Sinne einer medizinisch therapiepflichtigen Sucht erzeugt worden sei.

Mit Schreiben vom 2. August 1999 hat die Beklagte den Prozessbevollmächtigten des Klägers mitgeteilt, dass sie die Kosten des beabsichtigten Prozesses gegen die Firma ####### nicht übernehmen könnte. Sie hat sich hierbei auf 'Vorvertraglichkeit' nach § 14 ARB 75 berufen und im Übrigen ausgeführt: 'Darüber hinaus bestehen hier einige Bedenken hinsichtlich der Erfolgsaussichten der Klage.'

Nach weiterem Schriftverkehr hat die Beklagte mit Schreiben vom 10. September 1999 an die Prozessbevollmächtigten des Klägers nochmals die Ablehnung ihrer Eintrittspflicht bekräftigt. Sie hat hierbei wiederum darauf hingewiesen, dass der Versicherungsfall nach ihrer Auffassung vor Beginn des Rechtsschutzversicherungsvertrages eingetreten sei. Bezüglich der Erfolgsaussichten hat sie Folgendes ausgeführt:

'In diesem Zusammenhang dürfen wir auch unsere Zweifel zu den Erfolgsaussichten noch einmal hervorheben.

Nach eigenem Vortrag hat unserer Versicherungsnehmer bereits 1975 versucht, sich das Rauchen abzugewöhnen, also bereits Kenntnis von der Sucht gehabt.

In den ärztlichen Untersuchungen sind als Ursachen der Erkrankung auch mehrere Risikofaktoren, die letztlich die Erkrankung herbeigeführt haben, genannt; u. E. kann insoweit der Beweis auch nicht erbracht werden, dass durch das Rauchen, dessen Abgewöhnung auch unter ärztlicher Kontrolle wohl nicht gelungen war, die Erkrankungen herbeigeführt wurden.

Ob insoweit eine Beweislast-Umkehr eintritt, wollen wir jedoch, ebenso wie die abschließende Prüfung der Erfolgsaussichten, offenlassen.

Aufgrund Vorvertraglichkeit, ..., besteht unsere Eintrittspflicht nicht.'

In der Klagschrift hat der seinerzeitige Prozessbevollmächtigte des Klägers erklärt, er führe, soweit die Beklagte Zweifel zu den Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage gegen die Firma ####### geäußert habe, den Stichentscheid nach § 17 Abs. 2 ARB 75 herbei.

Der Kläger hat vorgetragen, seit 1989/90 sei es bei ihm zu Anzeichen kardiovasculärer Erkrankungen gekommen. Er bestreite, dass er vor dem Jahr 1984 nikotinsüchtig gewesen sei, jedenfalls im Sinne der Suchtdefinition der Weltgesundheitsorganisation. Zu seinem Herzinfarkt wäre es nicht gekommen, wenn er das Rauchen nach 1983 bis 1989 beendet hätte, was ihm zumindest mit ärztlicher Unterstützung möglich gewesen wäre. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass für den Versicherungsfall im Sinne des § 14 Abs. 1 ARB 75 auf den Eintritt seines Herzinfarktes im März 1993 abzustellen sei. Es sei nicht nachvollziehbar, wieso die Beklagte vom Jahr 1983 ausgehe. In diesem Jahr habe ein amerikanischer Wissenschaftler herausgefunden, dass sich beim Freisetzen es Tabaks durch Inhalation Acetaldehyd freisetzt. Wann diese Erkenntnisse überhaupt nach Deutschland transferiert worden seien, sei bisher nicht bekannt.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm aus dem Rechtsschutzversicherungsvertrag der Parteien (Versicherungsschein- Nr. #######) Versicherungsschutz zu gewähren, und zwar für den vor dem Landgericht Arnsberg zu führenden Prozess gegen die #######, #######, #######, wegen Schadensersatzes und Feststellung aus Anlass der kardiovasculären Erkrankung des Klägers (insbesondere Herzinfarkt im März 1993 und Myocardrevascularisation im März 1999).

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, es bestünden 'erhebliche' - von ihr nicht näher erläuterte - Bedenken gegen die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage gegen die Firma #######. Ungeachtet dessen sei die vorliegende Deckungsklage wegen des von ihr erhobenen Einwands der Vorvertraglichkeit unbegründet. Der Kläger sei nach seinem eigenen Vortrag spätestens seit 1975 nikotinsüchtig, weil er ab dieser Zeit erfolglos versucht habe, vom Rauchen loszukommen. Soweit der Kläger für den Eintritt des Versicherungsfalls nach § 14 Abs. 1 ARB 75 auf den erlittenen Herzinfarkt abstellen wolle, handele es sich um eine Auffassung, die weder in der Rechtsprechung noch Literatur vertreten werde. Es sei gerade nicht auf das offene Zutagetreten des durch das angeblich haftungsbegründende Fehlverhalten verursachten Schadens abzustellen. Maßgeblich sei nach der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur der Eintritt des 'Schadensereignisses'. Schadensereignis in diesem Sinne sei der Eintritt der Nikotinsucht des Klägers.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und sich hierbei darauf gestützt, dass das maßgebliche Schadensereignis mit dem Eintritt der Nikotinsucht des Klägers eingetreten sei. Dies sei nach seinem Vortrag im Jahr 1975 gewesen, die Schadensentstehung sei damit vor Abschluss des Versicherungsvertrages zwischen den Parteien angelegt gewesen. Wegen der weiteren Erwägungen, von denen sich das Landgericht hat leiten lassen, sowie zur weiteren Sachdarstellung wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen das ihm am 30. Juni 2000 zugestellte Urteil hat der Kläger am 31. Juli 2000 (Montag) Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 30. September 2000 am 29. September 2000 begründet.

Er ist der Auffassung, das Landgericht habe zu Unrecht als Zeitpunkt des Schadensereignisses das Jahr 1975 herausgegriffen. In diesem Jahr seien zwar Versuche von ihm gescheitert, sich vom Zigarettenverbrauch zu lösen. Dies besage aber keineswegs, dass solche Versuche nicht auch noch nach 1983 hätten erfolgreich sein können. Es sei eher ungewöhnlich, wenn bei Rauchern bereits die ersten Versuche zu einem Erfolg führten. Er habe damals um das erhöhte Risiko seines starken Rauchens nicht gewusst. Zu seinen Erkrankungen, insbesondere zum Herzinfarkt, wäre es nicht gekommen, wenn er nach 1983 das Rauchen aufgegeben hätte. Seine beabsichtigte Klage gegen die Firma ####### habe auch hinreichende Erfolgsaussicht. Ein Rechtsanwalt habe die Erfolgsaussicht mit nachvollziehbarer Argumentation bejaht. Die allgemeine Diskussion über die Gefahrerhöhung für Herzinfarkte durch Rauchen habe erst nach 1983 eingesetzt. Es könne ihm womöglich ein erhebliches Mitverschulden angelastet werden. Diese Frage sei aber nicht in einem Vorprozess über die Kostendeckung zu entscheiden, sondern allenfalls in dem beabsichtigten Prozess gegen die Firma #######. Im Übrigen wiederholt und vertieft der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 28. Juni 2000 abzuändern;

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm aus dem Rechtsschutzversicherungsvertrag der Parteien - Versicherungsschein- Nr. ####### - Versicherungsschutz zu gewähren, und zwar für den vor dem Landgericht Arnsberg zu führenden Prozess gegen die #######, #######, #######, wegen Schadensersatzes und Feststellung aus Anlass der kardiovasculären Erkrankung des Klägers, insbesondere des Herzinfarkts im März 1993 und der Myocardrevascularisation im März 1999;

für den Fall der Anordnung einer Maßnahme im Sinne von § 711 ZPO ihm zu gestatten, Sicherheit durch die selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder Volkbank e. G. zu leisten.

Die Beklagte beantragt,

die gegnerische Berufung zurückzuweisen;

hilfsweise,

als Sicherheit im Rahmen des § 711 ZPO die unwiderrufliche, unbefristete, selbstschuldnerische und schriftliche Bankbürgschaft einer Bank, die einem anerkannten Einlagensicherungsfonds angehört, oder einer öffentlichen Sparkasse zuzulassen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil jedenfalls im Ergebnis und trägt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens vor:

Das Landgericht habe zwar auf eine Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs abgestellt, die dieser in einer später ergangenen Entscheidung nicht mehr aufrechterhalten habe. Der Bundesgerichtshof sei der sog. 'Kausalitätstheorie' gefolgt; danach wäre darauf abzustellen, dass der Kläger seit 1964 ca. 40 Zigaretten täglich geraucht habe und spätestens seit 1975 nikotinsüchtig gewesen sei. Deshalb liege das Kausalereignis lange vor dem Beginn des Rechtsschutzversiche-rungsvertrages. Auch wenn man mit anderen obergerichtlichen Entscheidungen auf das sog. 'Schadensereignis' abstelle, sei der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem der Kläger sich nicht mehr von seiner Sucht habe lösen können. Dieser Zeitpunkt habe im Jahr 1975 gelegen und sei vorvertraglich. Aus den Klageanträgen der beabsichtigten Klage gegen die Firma ####### sei der eigentliche Inhalt seines Klagebegehrens zu entnehmen, nämlich Ansprüche 'wegen seiner Nikotinsucht'. Sie bestreite, dass erstmals in den Jahren 1989 und 1990 Anzeichen einer kardiovasculären Erkrankung des Klägers erkennbar geworden seien. Die beabsichtigte Klage gegen die Firma ####### habe auch keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil es sich um einen typischen Fall der Selbstschädigung handele. Daran vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Prozessbevollmächtigten des Klägers erster Instanz im Laufe des Rechtsstreits einen Stichentscheid getroffen haben, weil der Kläger die Voraussetzungen für eine Produkthaftung der Firma ####### in der beabsichtigten Klage nicht hinreichend dargelegt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf den Inhalt der zu den Akten gelangten Schriftsätze und ihrer Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist auch begründet.

Dem Kläger steht aus dem mit der Beklagten geschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrag i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 ARB 75 ein Anspruch auf Rechtsschutz für die beabsichtigte Klage des Klägers gegen die Firma ####### zu.

Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Versicherungsfall vor dem Abschluss des Rechtsschutzversicherungsvertrages eingetreten und sie deshalb nicht einstandpflichtig sei. Der für die vorliegende Deckungsklage maßgebliche 'Versicherungsfall' im Sinne von § 14 Abs. 1 ARB 75 kann nicht mit dem 'Eintritt der Suchtabhängigkeit des Klägers' auf das Jahr 1975 festgesetzt werden. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob der Kläger bereits zu diesem Zeitpunkt als 'süchtig' anzusehen ist. Ebenfalls kommt es auch nicht darauf an, ob man für die Beurteilung des Zeitpunkts, in dem der 'Versicherungsfall' nach § 14 Abs. 1 ARB 75 eingetreten ist, auf die sog. 'Kausaltheorie' oder die 'Folgeereignistheorie' abstellt. Diese Theorien führen zwar bei zeitlich auseinanderliegenden Schadensursachen und Schadenseintritten regelmäßig zu unterschiedlichen Zeitpunkten, auf die abzustellen ist. Bei korrekter Anwendung dieser Theorien auf den vorliegenden Fall führen aber beide zu dem Ergebnis, dass der 'Versicherungsfall' erst nach dem Abschluss des Rechtsschutzversicherungsvertrages zwischen den Parteien eingetreten ist.

Nach der - vom Bundesgerichtshof zu § 1 Nr. 1 AHB vertretenen 'Kausaltheorie' (NJW 1981, 870 f.) ist nicht der Eintritt des 'realen Verletzungszustandes' maßgeblich, sondern der Zeitpunkt, zu dem die vorgeworfene Handlung oder Unterlassung begangen worden ist. Nach der - zu § 14 Abs. 1 ARB 75 überwiegend vertretenen - 'Folgeereignistheorie' (vgl. nur OLG Saarbrücken, r. + s. 93, 186; OLG Hamm, NJW-RR 2000, 405; Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 26. Aufl., § 14 ARB 75 Rdn. 1 m. w. N.) ist dagegen nicht auf die einzelne Schadensursache, sondern auf den als 'Folgeereignis' bezeichneten Eintritt des Verletzungszustandes abzustellen; entscheidend ist das 'äußere Ereignis, welches den Schaden unmittelbar ausgelöst hat'.

Bei 'zeitlich gestreckten' Schadensfällen stellt also die 'Kausaltheorie' regelmäßig auf den zeitlich früher gelegenen Umstand - nämlich die Schadensursache - ab, während nach der 'Folgeereignistheorie' ein regelmäßig danach liegendes 'Folgeereignis' - nämlich das äußere Ereignis, welches den Schaden unmittelbar ausgelöst hat - für maßgeblich angesehen wird. Das 'Folgeereignis' kann demnach allenfalls zeitlich zugleich mit dem 'Kausalereignis' eintreten, nicht jedoch zu einem früheren Zeitpunkt.

Mit der von ihm beabsichtigten Klage wirft der Kläger der Firma ####### nicht vor, dass er mit der Folge einer Nikotinsucht überhaupt zum Rauchen veranlasst worden ist. Sein Vorwurf ist vielmehr darauf gerichtet, dass die Firma ####### nicht ab 1984 auf die erst zu diesem Zeitpunkt erkannte Boosterwirkung von Acetaldehyd und Nikotin besonders warnend hingewiesen und auch erst ab diesem Zeitpunkt ohne Hinweis dem Tabak noch besondere suchtfördernde Stoffe beigemengt habe. Nur diese Handlungen und Unterlassungen können als das behauptete 'Kausalereignis' angesehen werden und es bedarf keiner Entscheidung, zu welchem Zeitpunkt dann das sog. 'Schadensereignis' im Sinne des § 14 Abs. 1 ARB 75 eingetreten ist. Dies war jedenfalls - ebenso wie das Kausalereignis - nach dem Abschluss des Versicherungsvertrages mit der Beklagten (1. Dezember 1983). Es kommt bei dieser Beurteilung auch nicht darauf an, ob die Anträge des Klägers im Rahmen der beabsichtigten Klage gegen die Firma ####### auf die Nikotinsucht des Klägers an sich abstellen. Maßgeblich ist der Vorwurf, den der Kläger in der Sache gegen die Firma ####### zu erheben beabsichtigt, und dies sind - wie bereits ausgeführt - die Unterlassungen bzw. Handlungen im Jahr 1984 und danach und nicht die - womöglich vorher - eingetretene Nikotinsucht.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 21. März 2001 hat keine Veranlassung gegeben, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten.

Auf eine 'nicht hinreichende Aussicht auf Erfolg' des vom Kläger beabsichtigten Prozesses gegen die Firma ####### kann sich die Beklagte nicht bzw. nicht mehr berufen. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 ARB 75 ist ein Rechtsschutzversicherer zwar dann nicht zur Deckung verpflichtet, wenn die Wahrnehmung rechtlicher Interessen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Die Beklagte kann sich hierauf jedoch wegen Verstoßes gegen § 17 Abs. 1 und Abs. 2 ARB 75 im vorliegenden Fall nicht mehr berufen.

Die Beklagte war nach § 17 Abs. 1 Satz 2 ARB 75 verpflichtet, eine von ihr eingeschätzte mangelnde Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage 'unter Angabe der Gründe unverzüglich schriftlich mitzuteilen.' Eine derartige Mitteilung hat die Beklagte vorgerichtlich nicht vorgenommen. Sie hat in ihren Schreiben vom 2. August 1999 und vom 10. September 1999 ihre Einstandspflicht lediglich unter Hinweis auf die von ihr angenommene 'Vorvertraglichkeit' abgelehnt; sie hat zwar - nicht näher erläuterte - 'Bedenken' bzw. 'Zweifel' zu den Erfolgsaussichten genannt, diese Frage aber auch im abschließenden Schreiben vom 10. September 1999 ausdrücklich 'offen gelassen'. Diese bloße Äußerung von Bedenken stellt keine 'Verneinung der Leistungspflicht' im Sinne von § 17 Abs. 1 ARB 75 dar (vgl. nur Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 17 ARB 75 Rdn. 4 m. w. N.). Ein Rechtsschutzversicherer, der die vom Versicherungsnehmer begehrte Wahrnehmung rechtlicher Interessen nicht wegen fehlender Erfolgsaussichten, sondern aus anderen Gründen ablehnt, kann sich später nach zutreffender Auffassung nicht mehr auf eine fehlende Erfolgsaussicht berufen (vgl. nur OLG Hamm, VersR 1999, 1362, 1363; OLG Düsseldorf, VersR 94, 1337; OLG Köln r + s 91, 419 f.; LG Wiesbaden NJW-RR 1995, 27). Die Gegenmeinung (vgl. OLG Karlsruhe, VersR 1999, 613, 614) meint zwar, dass es sich bei dem Verstoß des Versicherers gegen § 17 Abs. 1 Satz 2 um eine Verletzung von Vertragspflichten handele, die grundsätzlich lediglich Schadensersatzansprüche nach sich ziehen könne. Diese Überlegung überzeugt aber nicht. Die Annahme einer lediglich bestehenden Schadensersatzpflicht bei Verletzung der Mitteilungspflicht des § 17 Abs. 1 Satz 2 ARB 75 ist zwar eine mögliche Auslegung dieser Vorschrift. Das dort verwendete Merkmal der 'Unverzüglichkeit' wird in verschiedenen Gesetzen jedoch auch in einem anderen Sinne gebraucht, nämlich im Sinne des Verlusts eines andernfalls bestehenden Rechts, wenn dieses nicht 'unverzüglich' ausgeübt wird (vgl. etwa die Anfechtungsfrist wegen Irrtum bei der Vornahme von Willenserklärungen, § 121 BGB). Die von der herrschenden Meinung vorgenommene Auslegung, welche die Geltendmachung mangelnder Erfolgsaussichten ausschließt, wenn der Versicherer sich nicht 'unverzüglich' darauf beruft, ist deshalb ebenfalls eine mögliche Auslegung dieser Regelung. Welche Konsequenzen die Verletzung der Mitteilungspflicht des § 17 Abs. 1 Satz 2 ARB 75 haben soll, ist in den ARB 75 nicht geregelt. Diese Vorschrift ist insoweit unklar, und gemäß § 5 AGBG geht diese Unklarheit zulasten der Beklagten als Verwender dieser AGB. Es ist mithin von der für den Kläger günstigeren Auslegung auszugehen, und der Beklagten folglich ein Berufen auf die mangelnde Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage verwehrt.

Es kommt auch nicht in Betracht, die nunmehrige Geltendmachung mangelnder Erfolgsaussichten aufgrund eines von der Beklagten bei der Leistungsablehnung erklärten Vorbehalts zuzulassen (vgl. hierzu BGH VersR 1986, 132). Einen derartigen Vorbehalt hat die Beklagte jedenfalls nicht mit der erforderlichen Klarheit erklärt. In ihrem abschließenden vorgerichtlichen Schreiben vom 10. September 1999 hat sie die 'abschließende Prüfung der Erfolgsaussichten' offen gelassen. Dies kann bedeuten, dass sie sich eine Überprüfung zu einem späteren Zeitpunkt vorbehalten wollte, dies kann aber auch bedeuten, dass es ihr auf die Frage der Erfolgsaussichten in diesem Fall nicht ankam. Für letztere Annahme - und damit gegen die Erklärung eines Überprüfungsvorbehalts - spricht, dass die Beklagte nach diesen Ausführungen im Schreiben vom 10. September 1999 abschließend 'ohne wenn und aber' erklärt hat: 'Aufgrund Vorvertraglichkeit ... besteht unsere Eintrittspflicht nicht.' Dies erweckt im unbefangenen Empfänger dieses Schreibens zumindest den Eindruck, die Beklagte habe damit 'ihr letztes Wort gesprochen'.

Die Geltendmachung mangelnder Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage gegen die Firma #######ist der Beklagten aber auch noch aus einem weiteren Grunde - Verstoß gegen die Hinweispflicht auf ein 'Gutachterverfahren' - verwehrt: Wenn ein Rechtsschutzversicherer seine Leistungspflicht mangels hinreichender Erfolgsaussichten verneint, hat er gemäß § 158 n Satz 1 und 2 VVG den Versicherungsnehmer auf die Möglichkeit eines 'Gutachterverfahrens' hinzuweisen. Das von § 17 Abs. 2 ARB 75 vorgesehene Verfahren entspricht zwar nach der Rechtsprechung grundsätzlich den Anforderungen an das 'Gutachterverfahren' im Sinne des § 158 n VVG. Die Beklagte hat dem Kläger aber keinen Hinweis auf die Möglichkeit des Stichentscheids nach § 17 Abs. 2 ARB 75 gegeben. Nach § 158 n Satz 3 VVG gilt in diesem Falle - Unterlassen des erforderlichen Hinweises - das Rechtsschutzbedürfnis des Versicherungsnehmers 'im Einzelfall als anerkannt'. Die Anwendung des § 158 n Satz 3 VVG lässt sich auch nicht mit der Begründung verneinen, der Kläger sei anwaltlich vertreten gewesen, er habe also über seine Rechte nicht informiert werden müssen, sodass ein Hinweis eine 'nach dem Sinn und Zweck des § 158 n VVG nicht gerechtfertigte Förmlichkeit' gewesen wäre (so aber OLG Karlsruhe VersR 1999, 613, 614 f.). Wenn der Versicherer seine Ablehnung nur mit einem Ausschlussgrund begründet, hat der Versicherer keinen Anlass, die Erfolgsaussicht seines Vorgehens in Frage zu stellen. Er wird vielmehr in der Regel davon ausgehen, dass er - wenn der Ausschlussgrund nicht bestehen würde - Rechtsschutz erhalten hätte. Wenn erst im Deckungsprozess gegen den Versicherer die Prüfung der Erfolgsaussicht nachgeholt wird, hat der Versicherungsnehmer keine Möglichkeit mehr, sein Vorgehen im Hinblick auf Erfolgsaussichten zu überdenken und eventuell kostenauslösende Maßnahmen zu unterlassen. Diese Situation besteht unabhängig davon, ob der Versicherungsnehmer anwaltlich vertreten ist und seine Rechte aus § 17 ARB 75 kennt. Es ist deshalb von der formalisierten Betrachtungsweise auszugehen, die § 158 n VVG gewählt hat: Das Fehlen der erforderlichen Mitteilung gilt als Anerkenntnis der Erfolgsaussicht; eine Differenzierung, ob der Versicherungsnehmer anwaltlich vertreten ist oder nicht, ist vom Gesetz nicht vorgesehen (vgl. OLG Hamm, VersR 1999, 1362, 1363; OLG Stuttgart, r + s 93, 344, 345).

Es ist also nach den vorstehenden Ausführungen für die Entscheidung des vorliegenden Falles nicht erheblich, ob die beabsichtigte Klage eine hinreichende Erfolgsaussicht hat. Es sei deshalb nur angemerkt, dass es sich bei den insoweit auftauchenden Problemkreisen - Kausalität einer eventuellen Verkehrssicherungspflicht, Mitverschulden des Klägers u. a. - um schwierige Fragen tatsächlicher und rechtlicher Art handelt, deren Prüfung auch nicht im Deckungsschutzprozess vorzunehmen sein dürfte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 ZPO.

Die Festsetzung der Beschwer hat ihre Rechtsgrundlage in § 546 Abs. 2 ZPO. Hierbei wurde das vom Kläger dargelegte Kosteninteresse für den beabsichtigten Rechtsstreit zugrunde gelegt (vgl. Bl. 5 der Klagschrift vom 13. September 1999).

Die Zulassung der Revision beruht auf § 546 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, weil die Folgen unterlassener Geltendmachung mangelnder Erfolgsaussichten und fehlender Hinweise auf die Möglichkeit eines Gutachterverfahrens für eine unabsehbare Zahl von Rechtsschutzfällen Bedeutung haben. Eine höchstrichterliche Entscheidung - insbesondere auch zur Anwendbarkeit des § 158 n Satz 3 VVG bei anwaltlich vertretenen Versicherungsnehmern - ist bislang, soweit ersichtlich, nicht ergangen. Von grundsätzlicher Bedeutung ist auch die Frage, welcher Zeitpunkt bei 'Raucherklagen' für den Eintritt des 'Schadensereignisses' im Sinne von § 14 Abs. 1 ARB 75 maßgeblich ist, insbesondere, ob hierbei grundsätzlich auf das Vorliegen einer Nikotinabhängigkeit abzustellen ist, oder ob es einer differenzierten Betrachtung je nach der Art des dem (vermeintlichen) Schädigers vorgeworfenen Verhaltens bedarf.



Ende der Entscheidung

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