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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 27.09.2000
Aktenzeichen: 9 U 37/00
Rechtsgebiete: GmbHG


Vorschriften:

GmbHG § 53
Eine (indirekte) Erschwerung von Mitgliedschaftsrechten ist nicht gegeben, wenn die generelle Pflicht der GmbH zur Abnahme von Produkten der Gesellschafter von einer Mitgliedschaft in einer BeratungsGmbH abhängig gemacht wird, die der Schaffung und Erhaltung der Gütevorstellungen in den beteiligten Marktkreisen dient (hier: Schlachttiere), solange die GmbH selbst nicht auf Gewinnerzielung gerichtet ist, die Tätigkeit der BeratungsGmbH vorher gegen Kostenanteil von einer in die GmbH eingegliederten Beratungsabteilung geleistet wurde und nunmehr auch keine nennenswert höheren Kosten für den Gesellschafter anfallen.
9 U 37/00

Verkündet am 27. September 2000

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ####### und die Richter am Oberlandesgericht ####### und ####### auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 6. September 2000 für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 23. Dezember 1999 wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsrechtszuges.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Beschwer: 15.000 DM.

Tatbestand:

Der Kläger ist Gesellschafter der Beklagten, die im Jahre 1991 gegründet wurde. Die Beklagte vermarktet Fleischwaren, die nach den Richtlinien des ####### produziert werden. Zur Gewährleistung eines hohen Produktstandards bestand bei der Beklagten seit ihrer Gründung eine interne Beratungsabteilung, die dadurch finanziert wurde, dass pro Schwein und Rind, das die Beklagte von ihren Mitgliedern aufkaufte und als '#######-Produkt' weiterveräußerte, eine Vermarktungs-/Beratungsgebühr von DM 40/50 pro Tier erhoben wurde.

Zum 1. Januar 1994 wurde die Beratungsabteilung als '#########' ausgegründet. Die neue GmbH arbeitete mit der gleichen Personalbesetzung wie vorher bei der Beklagten. Die Gebühren wurden gesenkt; sie bezogen sich aber nicht mehr auf die Zahl der aufgekauften Tiere, sondern auf die Zahl der Mastplätze der Gesellschafter der Beklagten. Tiere von Nichtmitgliedern des Beratungsrings brauchte die Beklagte nicht aufzukaufen und als '#######'-Produkte zu veräußern.

Für den 7. Juni 1999 wurde eine ordentliche Gesellschafterversammlung von der Beklagten unter Mitteilung der Tagesordnungspunkte einberufen. Danach sollte zunächst eine Diskussion und Stellungnahme zum Konzept der neu einzuführenden und beigefügten Geschäftsordnung und zu den Lieferverträgen und danach ein Beschluss über beide Punkte erfolgen.

Der Entwurf der Geschäftsordnung enthält in Ziff. A. 2. folgende Formulierung:

Die '#######'-Gesellschafter müssen folgende Bedingungen einhalten:

A. Anerkennung und Beratung...

2. Mitgliedschaft bzw. Vertrag mit der Beratung für tiergerechte, umweltschonende Nutztierhaltung der Landberatung #######. ...

Die Annahme dieser Geschäftsordnung hat wirtschaftlich zur Konsequenz, dass die Beklagte keine Produkte von Gesellschaftern aufkaufen muss, die nicht einen Vertrag mit der Beratungsgesellschaft eingegangen sind oder ihr als Gesellschafter angehören.

In der Gesellschafterversammlung wurden die Gesellschafter aufgefordert, die Punkte des Entwurfs anzugeben, die sie geändert haben wollten. Über diese Punkte wurde dann einzeln abgestimmt; im Anschluss daran wurde über die Annahme und Ablehnung der Geschäftsordnung und des Entwurfs über einen Liefervertrag abgestimmt. Der Antrag des Klägers, Punkt A. 2. der Geschäftsordnung zu streichen, wurde zur Abstimmung gestellt. Bei zwei Enthaltungen wurde mit 27 : 27 abgestimmt. Der Antrag wurde als abgelehnt bezeichnet. Die Abstimmung über die Geschäftsordnung ergab 35 Ja-Stimmen, 13 Nein-Stimmen und eine ungültige Stimme; die Abstimmung über den Entwurf des Liefervertrages ergab 35 Ja-Stimmen und 7 Nein-Stimmen. Der Kläger beanstandet die Abstimmung als formell und materiell unwirksam. Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg, weil der angefochtene Gesellschafterbeschluss werde formelle noch materielle Mängel aufweist.

1. Formelle Mängel

a) Die Einberufung der Gesellschafterversammlung ist ordnungsgemäß erfolgt. Die Einberufung hatte gem. § 6 Abs. 2 der Satzung vom Aufsichtsrat auszugehen, für den dessen Vorsitzender allein handeln darf. Sie ist durch den Aufsichtsratsvorsitzenden und nicht durch den Geschäftsführer erfolgt; der Geschäftsführer hat lediglich zur Ausführung gehandelt, wie unstreitig ist. Dies deckt sich mit der Formulierung im Einladungsschreiben vom 19. Mai 1999, wonach der Geschäftsführer 'im Auftrage des Aufsichtsratsvorsitzenden' handele.

b) Die Beschlussfassung war ordnungsgemäß. Sie orientierte sich an dem Prinzip 'doppelter Lesung': Zunächst sollte durch Einzelabstimmung der zur Gesamtabstimmung zu stellende Text erarbeitet werden, anschließend die Beschlussfassung über den Gesamttext erfolgen. Das ist ein sachgerechtes Verfahren. Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass nach dem Vorbringen des Klägers eine Doppelabstimmung über einen Geschäftsordnungsantrag, nämlich die - offenbar von ihm als endgültig gedachte - Abstimmung nach Einzelpunkten des Gesamttextes einerseits und über einen Sachantrag zur Streichung des Einzelpunktes A 2 andererseits erfolgt sein soll. Die Stimmengleichheit bei der behaupteten Doppelabstimmung hätte nicht zur Folge, dass damit eine Beschlussfassung in zwei 'Lesungen' ausgeschlossen worden wäre. Vielmehr hätte der Geschäftsordnungsantrag nicht die notwendige Mehrheit gefunden. Die Abstimmung gemäß der Vorgehensweise des Versammlungsleiters, also eine Abstimmung in Form zweier 'Lesungen', blieb damit möglich.

2. Materielle Mängel wegen Eingriffs in satzungsmäßige Gesellschafterrechte

Unbegründet ist auch die Rüge des Klägers, der Beschluss bewirke eine Leistungsvermehrung und belaste dadurch seine Mitgliedschaftsrechte.

a) In satzungsmäßig festgelegte Mitgliedschaftsrechte wird durch den angefochtenen Beschluss nicht eingegriffen. Die Bedingungen für den Ankauf von durch die Beklagte zu vermarktenden Schlachttieren werden nicht durch die Satzung bestimmt, sondern sind Bestandteil besonderer schuldrechtlicher Rechtsgeschäfte, auch wenn die Gesellschafterversammlung über die Voraussetzungen der Vermarktung der von den Gesellschaftern erzeugten Tierprodukte zu entscheiden hat, soweit die Vermarktung über die Beklagte erfolgen soll.

Die Beklagte ist zum Zwecke genossenschaftsähnlicher Vermarktung von #######-Produkten gegründet worden. Demzufolge nennt § 2 Abs. 1 der Satzung als Gesellschaftszwecke die landwirtschaftliche Erzeugung und gemeinsame Andienung von #######-Produkten am Markt zum Vorteil der Gesellschafter sowie den Handel mit derartigen Nutztieren und verarbeiteten Fleisch- und Wurstwaren. § 17 sieht eine grundsätzliche Abnahmepflicht der Beklagten vor. Erneut ist die Vermarktung bei den Nebenleistungspflichten der Gesellschafter in § 21 angesprochen.

Die Beklagte ist nicht schlechthin zur Abnahme verpflichtet. Dies gilt zunächst in quantitativer Hinsicht, wie sich ausdrücklich aus § 17 Abs. 2 und 3 der Satzung ergibt. Von möglicher bzw. notwendiger Selbstvermarktung gehen auch die Re-gelungen der §§ 19 - 21 (Wettbewerbsschutz, Preisschutz, Beitragsregelung) aus. In qualitativer Hinsicht unterstehen Erzeugerbetriebe den extern vom ####### aufgestellten Richtlinien (§ 2 Abs. 2). Die 'Regularien der anzudienenden Mengen' sind Gegenstand der Beschlussfassung durch die Gesellschafterversammlung (§ 6 Abs. 1 lit. i, s. auch § 17 Abs. 1 S. 1), was wegen der von der Beklagten und dem ####### verfolgten qualitativen Kriterien, die auch in der Firma der Beklagten zum Ausdruck kommen, nur bedeuten kann, dass damit die Festlegung qualitativer Kriterien außerhalb der Satzung gemeint ist. Demzufolge hat kein Gesellschafter ein Recht auf Vermarktung der von ihm erzeugten Tiere durch die Beklagte gemäß bereits satzungsmäßig festgelegten Kriterien. Die Gesellschafterstellung ist nicht einmal schlechthin mit der Erzeugung und Vermarktung von Tieren verknüpft, wie sich aus § 3 Abs. 4 ergibt.

b) Der Senat hat erwogen, dass eine indirekte Erschwerung der Mitgliedschaft gegeben sein könnte, verneint dies aber im Ergebnis. Die genossenschaftsähnliche Struktur der Beklagten lässt die Mitgliedschaft eines Landwirts von vornherein nur dann wirtschaftlich sinnvoll erscheinen, wenn sie ihm die Möglichkeit der Vermarktung seines Schlachtviehs als #######-Produkt eröffnet. Die GmbH ist nicht auf Gewinnerzielung gerichtet, sodass eine Gesellschafterstellung unter dem Gesichtspunkt der Kapitalverzinsung unrentabel ist. Zwar gibt es vereinzelt Mitglieder, die lediglich eine ideelle Förderung dieser Art der Viehhaltung anstreben, doch handelt es sich dabei um eine Randerscheinung. Wie den Mitgliedern des Senats als Verbrauchern bekannt ist, ist der Absatz von Fleischprodukten durch Ungewissheiten über die Umstände der Erzeugung der Schlachttiere belastet und trifft zumindest in Teilen der Bevölkerung auf latentes Misstrauen. Dem entgegenwirkende vertrauensbildende Maßnahmen wie die - auf dem Endverbrauchermarkt bereits bekannte - Kennzeichnung des Fleisches als #######-Produkt sind geeignet, den Handel mit dem Verbraucher zu fördern. Sie erzeugen zugleich positive Rückwirkungen auf dem vorgelagerten Markt zwischen landwirtschaftlichen Erzeugern und Schlachtereien und begünstigen damit den Absatz der Schlachttiere. In der Erreichung derartiger Effekte liegt erkennbar die wirtschaftliche Bedeutung der Mitgliedschaft landwirtschaftlicher Erzeuger in der Beklagten.

Ob die Vermittlung derartiger Marktchancen als Teil der mitgliedschaftlichen Rechtsstellung anzusehen ist, bedarf keiner endgültigen Entscheidung, da sich die solchermaßen definierte Stellung der Gesellschafter durch den angefochtenen Beschluss nicht verschlechtert hat. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die skizzierte Gesellschafterposition, die nur durch Heranziehung von Auslegungsgesichtspunkten außerhalb des Textes der Satzung beschrieben werden kann, von vornherein mit Kosten für die Gewährleistung der Produktqualität belastet war. Teil des Systems zur Sicherung der Produktqualität war von Beginn an das Erfordernis der Beratungsleistungen, deren Bereitstellung und Inanspruchnahme nicht von der freien Entscheidung der #######-Bauern abhing und abhängen konnte, wenn Schaffung und Erhaltung von Marktvertrauen der Endverbraucher funktionieren sollen. Mangels satzungsmäßiger Festlegung der Art der Einzelmaßnahmen, des organisatorischen Rahmens für deren Durchführung und der Höhe der auf die Gesellschafter als Erzeuger umzulegenden Kosten, deren Fixierung in der Satzung wegen der notwendigen Flexibilität unzweckmäßig gewesen wäre, musste jeder Gesellschafter damit rechnen, dass die Qualitätssicherungsanforderungen und die damit verbundene Kostenbelastung im Laufe der Jahre Änderungen unterworfen sein würden. Die gegenteilige Annahme hätte eine Versteinerung auf den zufällig bei Eintritt in die Gesellschaft vorhandenen Sachstand zur Folge, die nur durch einstimmigen Beschluss abwendbar wäre.

Von dem Erfolg des Gesamtsystems der Schaffung und Erhaltung der Gütevorstellungen in den beteiligten Marktkreisen profitiert auch der Kläger, selbst wenn er heute auf die Beratungsleistungen nicht mehr angewiesen sein mag und die Umstellung der dabei anfallenden Kostenberechnung für ihn zu einer individuellen Mehrbelastung führt. Das Niveau der Kosten für die Beratung insgesamt hat sich nicht nennenswert verändert. Die Beklagte durfte Vorkehrungen dagegen treffen, dass die Verteilung der Beratungskosten nicht durch individuelle Entscheidungen wie die des Klägers zur Kündigung des Beratungsvertrages oder durch Absatzeinbrüche am Endverbrauchermarkt, die auf den früher maßgeblichen Verteilungsmaßstab unmittelbar durchschlagen, zu einer ungleichgewichtigen Kostenverteilung auf die einzelnen Gesellschafter führen.

3. Für den Hilfsantrag fehlt ein Feststellungsinteresse, weil die Beklagte sich der abzuwehrenden Verpflichtung nicht berühmt hat.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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