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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 17.09.2002
Aktenzeichen: AGH 6/02
Rechtsgebiete: BRAO


Vorschriften:

BRAO § 59a
Ein Mediator, der nicht gleichzeitig einem der in § 59a Abs. 1 Satz 1 BRAO genannten Berufe angehört, kann nicht Mitglied einer Rechtsanwaltssozietät sein.
NIEDERSÄCHSISCHER ANWALTSGERICHTSHOF IN CELLE

BESCHLUSS

AGH 6/02

In dem anwaltsgerichtlichen Verfahren

pp.

hat der 1. Senat des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofs in Celle auf den Antrag des Rechtsanwalts auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid der Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk Celle vom 18. März 2002 aufgrund mündlicher Verhandlung unter Mitwirkung der Rechtsanwälte und der Rechtsanwältin sowie der Richter am Oberlandesgericht und am 17. September 2002 beschlossen:

Tenor:

1. Der Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Der Gegenstandswert beträgt 12.500 EUR.

Gründe:

Der Antragsteller war Mitglied einer Sozietät mehrerer Rechtsanwälte, die überwiegend oberlandesgerichtliche Mandate wahrnahmen. Durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Singularzulassung war der Antragsteller gezwungen, die Sozietät ohne Entschädigungsleistungen und Abfindungszahlungen zu verlassen. Er betreibt in Celle nunmehr eine Sozietät mit einem Mediator, der nicht Rechtsanwalt ist, um mit dem Ausscheiden aus der früheren Rechtsanwaltssozietät die finanziellen Verluste aufzufangen. Gleichzeitig betreibt er gesondert eine weitere Sozietät mit zwei Rechtsanwälten in Celle.

Die Rechtsanwaltskammer hat mit Bescheid vom 18. März 2002 dem Antragsteller nicht gestattet, die neue Sozietät mit einem Mediator, der keinen sozietätsfähigen Beruf ausübt, zu betreiben. Wie die Rechtsanwaltskammer zur Begründung ausführt, verstoße das gegen § 59 a BRAO. Die Rechtsanwaltskammer hat den Antragsteller aufgefordert, innerhalb von vier Wochen nachzuweisen, dass er sich von dieser Sozietät gelöst habe.

Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 223 BRAO.

Zur Begründung seines Antrags führt er aus, dass bei verfassungskonformer Auslegung des § 59 a BRAO eine Sozietät zwischen einem Rechtsanwalt und einem Mediator, der keinen sozietätsfähigen Beruf ausübe, zulässig sei. Es gebe keinen Grund, der eine solche Sozietät verbiete. Die Mediation wolle durch neutrale Dritte Konflikte außergerichtlich beilegen. Der Kern anwaltlicher Tätigkeit umfasse ebenfalls Streitschlichtung; Rechtsberatung und Streitschlichtung hingen eng zusammen. Der Mediator müsse daher in einen gesetzlichen Rahmen, d. h. in einen Sozietätsrahmen eingepasst werden, da er nicht in einem "luftleeren Raum" tätig sein dürfe. Infolge dessen müsse eine solche Sozietät zulässig sein. Die gegenteilige, von der Rechtsanwaltskammer vertretene Auffassung stelle einen gravierenden Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung des Antragstellers dar. Im Übrigen verstoße die Auffassung der Rechtsanwaltskammer gegen Artikel 3 Grundgesetz; denn ein Rechtsanwalt könne einen Mediator bei sich anstellen und damit zur Verschwiegenheit verpflichten. Es sei gleich, ob ein Mediator in einer Sozietät als Sozius oder als Angestellter tätig sei.

Die Rechtsanwaltskammer beantragt, den Antrag zurückzuweisen und verweist dabei auf § 59 a BRAO, der eine abschließende Beschränkung enthalte und wiederholt im Übrigen ihre im Bescheid vom 18. März 2002 geäußerte Ansicht.

Der Antrag ist unbegründet.

§ 59 a BRAO enthält die Regelung, dass Rechtsanwälte Sozietäten nur mit Mitgliedern einer Rechtsanwaltskammer und der Patentanwaltskammer, mit Steuerberatern, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern betreiben dürfen; Rechtsanwälte, die zugleich Notare sind, dürfen solche Sozietäten nur bezogen auf ihre anwaltliche Berufsausübung eingehen (§ 59 a Abs. 1 BRAO).

Der Wortlaut dieser Vorschrift ist eindeutig und einer anderen Auslegung nicht zugänglich. Damit kann ein Mediator, der nicht gleichzeitig einem der in § 59 a Abs. 1 Satz 1 BRAO genannten Berufe angehört, nicht Mitglied einer Rechtsanwaltssozietät sein.

Auch eine andere als die grammatikalische Auslegung ermöglicht nicht eine Ausdehnung auf andere Berufe.

Für den Gesetzgeber ist der Zweck dieser Regelung im Interesse des rechtsuchenden Publikums die Sicherstellung, "dass die mit dem Rechtsanwalt in einem Büro tätigen Angehörigen anderer Berufe in gleicher Weise wie der Rechtsanwalt der Verschwiegenheitspflicht und den damit korrespondierenden Aussageverweigerungsrechten und Beschlagnahmeverboten unterfallen. Gewährleistet ist dies bei den (in § 59 a BRAO) genannten Berufen, die zudem der Aufsicht durch ihre eigenen Berufskammern, durch gleichfalls verpflichtete Kollegen also, unterliegen" (BT-Drucksache 12/4993, S. 22, 34). Nach dem Willen des Gesetzgebers enthält die Regelung des § 59 a Abs. 1 BRAO eine enumerative (abschließende) Aufzählung der sozietätsfähigen Berufe (BT-Drucksacke a. a. O., S. 33).

Entsprechend ist auch § 53 StPO, der das Zeugnisverweigerungsrecht aus beruflichen Gründen regelt, eindeutig; er führt Mediatoren in seinem enumerativen Katalog nicht auf, gilt also nicht für diesen Beruf. § 97 StPO regelt die Beschlagnahmefreiheit ebenfalls enumerativ für bestimmte Berufsgruppen, zu denen der Mediator nicht gehört, weil er dort nicht aufgezählt ist.

Der Wille des Gesetzgebers ist unverändert gültig. Denn auch in der letzten Änderung des § 59 a BRAO vom 9. März 2000 ist eine Ausdehnung der sozietätsfähigen Berufe nicht erfolgt. Hätte der Gesetzgeber den Beruf der Mediatoren, der bereits seit vielen Jahren Gegenstand vieler Aus- und Fortbildungsseminare ist und immer wieder in der einschlägigen Fachliteratur wie dem Anwaltsblatt oder den BRAK-Mitteilungen erörtert wird, in § 59 a BRAO aufnehmen wollen, hätte spätestens bei der letzten Änderung dazu Gelegenheit bestanden. Der Gesetzgeber hat aber dieses nicht getan.

Auch die teleologische Auslegung führt zu keinem anderen Ergebnis. Sinn und Zweck der Ausdehnung der Sozietät auf andere sozietätsfähigen Berufe - neben dem Rechtsanwalt, der Mitglied einer Rechtsanwaltskammer ist - wird in der oben genannten Begründung des Gesetzgebers deutlich. Eine derartige Sozietät entspricht im Übrigen der bestehenden Praxis, die sich bewährt hat (BT-Drucksache a. a. O., S. 33).

Die Rechtsprechung und die herrschende Meinung in der Literatur vertreten ebenfalls die Ansicht, dass § 59 a BRAO eine enumerative Auszählung enthält und nicht auf weitere Berufe auszudehnen ist.

Der AGH Baden-Württemberg hat einem Rechtsanwalt die Ausübung seines Berufes in einer Sozietät mit einer Unternehmensberaterin untersagt, weil § 59 a BRAO die sozietätsfähigen Berufe abschließend aufzähle und dazu die Unternehmensberaterin nicht gehöre (BRAK-Mitteilungen 1995, 169 ff.). Verfassungsrechtliche Bedenken hat der AGH Baden-Württemberg ausdrücklich verneint, weil es sich um eine Berufsausübungsregel handele, die durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gedeckt sei (a. a. O., S. 171). Diese Ansicht ist voll inhaltlich zu teilen. Die Begründung ergibt sich aus der oben genannten Wiedergabe des Gesetzgebers (BT-Drucksachen a. a. O., S. 34). Auch der einschlägigen Literatur ist dieselbe Meinung zu entnehmen, wonach § 59 a BRAO eine abschließende Aufzählung der sozietätsfähigen Berufe enthält (vgl. Härtung in Henssler/Prütting, BRAO, § 59 a Rdn. 72 a. E.; Feuerich/ Braun, BRAO, 5. Auflage, § 59 a Rdn. 17 a. E.; Jessnitzer/Blumberg, BRAO, 9. Auflage, § 59 a Rdn. 4).

Von dem eindeutig geäußerten Willen des Gesetzgebers und der diesem Willen folgenden einmütigen Meinung der Rechtsprechung und der herrschenden Meinung der Wissenschaft abzuweichen, besteht kein Anlass.

Die Freiheit der Berufsausübung des Antragstellers wird durch die Ablehnung seines Antrags nicht berührt. Er kann unverändert als Rechtsanwalt und nach seinem eigenen Vortrag auch als Mediator tätig sein, nur eben nicht in einer Sozietät mit einem anderen Mediator, der nicht zu den in § 59 a BRAO genannten sozietätsfähigen Berufen gehört. Einen Verstoß gegen Artikel 3 Grundgesetz sieht der Senat nicht, weil es entgegen der Auffassung des Antragstellers einen erheblichen Unterschied zwischen einem von der Sozietät angestellten Mediator und einem als selbständigen Sozius auftretenden Mediator gibt. Der Unterschied liegt auf der Hand und ist bereits oben erörtert worden.

Die sofortige Beschwerde wird nicht zugelassen, weil nicht über Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung entschieden worden ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 233 Abs. 4, 201 Abs. 1 BRAO.

Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 202 Abs. 2 BRAO in Verbindung mit § 30 Abs. 2 Kostenordnung.

Ende der Entscheidung

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