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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 23.06.2003
Aktenzeichen: Not 9/03
Rechtsgebiete: BeurkG


Vorschriften:

BeurkG § 3 Abs. 1 Nr. 4
Ein Notar verstößt gegen das Mitwirkungsverbot gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 BeurkG, wenn bei der Beurkundung ein mit ihm in einer Sozietät verbundener Rechtsanwalt als Vertreter ohne Vertretungsmacht auftritt.
Not 9/03

Beschluss

In dem nichtförmlichen Disziplinarverfahren

gegen den Notar #######,

hat der Senat für Notarsachen bei dem Oberlandesgericht Celle auf Antrag des Notars vom 5. Mai 2003 auf gerichtliche Entscheidung gegen die Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts Celle - Die Präsidentin - vom 31. März 2003 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht #######, des Richters am Oberlandesgericht ####### sowie des Notars ####### nach Anhörung ohne mündliche Verhandlung (§ 96 BNotO i. V. mit § 32 Abs. 5 Satz 1 NDO) am 23. Juni 2003 beschlossen:

Tenor:

Die Disziplinarverfügung des Landgerichts ####### - ####### - vom 12. Februar 2003 ####### sowie die sie bestätigende Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts Celle - Die Präsidentin - vom 31. März 2003 ######### werden aufrechterhalten.

Der Notar trägt die Kosten des gerichtlichen Verfahrens sowie die ihm entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe:

I.

Der jetzt 66 Jahre alte Anwaltsnotar ist seit 1967 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit dem Amtssitz in ####### übt er aufgrund der Bestellung durch Urkunde des Niedersächsischen Justizministeriums vom 13. September 1990 auch das Notaramt aus.

Der Notar ist bisher dienstaufsichtlich einmal in Erscheinung getreten. Das Landgericht ####### - ####### - hat gegen den Notar wegen wiederholter Verstöße gegen die DONot, insbesondere gegen § 19 Abs. 2 DONot und § 11 Abs. 1 DONot, sowie einer fahrlässigen Falschauskunft gegenüber der Dienstaufsicht mit Verfügung vom 22. Dezember 1997 ##### eine Missbilligung verhängt.

Aufgrund einer Prüfung der Notargeschäfte des mit dem Antragsteller in Sozietät verbundenen Rechtsanwalts und Notars ####### am 17. September 2002 wurde festgestellt, dass der Antragsteller als amtlich bestellter Vertreter des Notars ####### am 17. Dezember 1999 zu den UR-Nrn. 622/99 und 623/99 Erklärungen von Rechtsanwalt ####### beurkundete, die dieser als Vertreter ohne Vertretungsmacht für einen Herrn ####### abgab. Zu diesem Zeitpunkt war Rechtsanwalt ####### in der Sozietät des Antragstellers und ####### angestellt. Mit Verfügung vom 15. Oktober 2002 leitete deshalb das Landgericht ####### - ####### - gegen den Notar ein disziplinarrechtliches Vorverfahren wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BeurkG ein und verhängte schließlich im Wege der Disziplinarverfügung am 12. Februar 2003 gegen den Notar einen Verweis gemäß §§ 98, 97 Abs. 1 BNotO. Gegen diese Disziplinarverfügung legte der Notar am 10. März 2003 Beschwerde ein, die durch das Oberlandesgericht Celle - Die Präsidentin - mit am 4. April 2003 dem Notar zugestellter Beschwerdeentscheidung vom 31. März 2003 zurückgewiesen wurde. Mit am Montag, dem 5. Mai 2003, eingegangenem Schriftsatz vom selben Tage hat der Antragsteller auf gerichtliche Entscheidung angetragen.

Er ist der Auffassung, bei den Beurkundungen habe es sich nicht um "Angelegenheiten" von Rechtsanwalt ####### i. S. des § 3 Abs. 1 Nr. 4 BeurkG gehandelt. Als Angelegenheit einer Person sei es aufzufassen, wenn die Rechte oder Pflichten dieser Person durch den Urkundsvorgang unmittelbar betroffen würden; dies sei bei Rechtsanwalt ####### nicht der Fall gewesen. Die Beurkundung seiner Erklärungen, die er als vollmachtloser Vertreter von Herrn ####### abgegeben hätte, würden seinen Rechten- oder Pflichtenkreis nicht betreffen. Für ihn hätten die Erklärungen "keinerlei Konsequenzen" haben können, da es vielmehr im freien Belieben von Herrn ####### gelegen hätte, ob er die von Herrn Rechtsanwalt ####### als vollmachtlosem Vertreter abgegebenen Erklärungen genehmigte oder nicht.

Das Oberlandesgericht Celle - Die Präsidentin - beantragt,

den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zurückzuweisen.

Der Antragsgegner ist der Auffassung, Willenserklärungen eines Vertreters seien nicht nur als Angelegenheiten des Vertretenen, sondern auch des Vertreters zu qualifizieren, wobei nicht entscheidend sei, ob es sich um einen Fall gesetzlicher oder gewillkürter Stellvertretung handele. Der Vertreter sei Urkundsbeteiligter i. S. des § 6 Abs. 2 BeurkG, so dass dessen Erklärungen beurkundet werden sollten, unabhängig davon, ob sie in eigenem oder in fremdem Namen abgegeben würden.

II.

Der zulässige Antrag des Notars auf gerichtliche Entscheidung ist jedoch unbegründet.

Die angefochtene Disziplinarverfügung des Landgerichts ####### war zu bestätigen, weil die Aufsichtsbehörden in der angefochtenen Verfügung sowie in der Beschwerdeentscheidung zu Recht davon ausgegangen sind, dass der Notar bei den Beurkundungen am 17. Dezember 1999 seine Dienstpflichten insofern verletzt hat, als er gegen § 3 Abs. 1 Ziff. 4 BeurkG verstoßen hat. § 3 Abs. 1 Nr. 4 BeurkG enthält das Verbot der Mitwirkung für den Notar bei "Angelegenheit einer Person, mit der sich der Notar zur gemeinsamen Berufsausübung verbunden oder mit der er gemeinsam Geschäftsräume hat". Der Antragsteller durfte also an der Beurkundung im Hinblick auf Angelegenheiten von Rechtsanwalt ####### nicht mitwirken, da dieser als Rechtsanwalt in der Sozietät des Antragstellers und seines Partners ####### zum Zeitpunkt der Beurkundung angestellt war. Bei der Beurkundung handelt es sich auch um eine "Angelegenheit" von Rechtsanwalt ####### i. S. des § 3 Abs. 1 Nr. 4 BeurkG. Es geht nämlich um die Angelegenheit einer Person, wenn deren Rechte oder Pflichten durch den Urkundsvorgang unmittelbar betroffen werden (vgl. Keidel/Winkler, Beurkundungsgesetz, 14. Aufl., 1999, § 3 Rn. 24). Dies ist hier der Fall, da Rechtsanwalt ####### als vollmachtloser Vertreter für Herrn ####### aufgetreten ist (zur Qualifizierung beim Vertretergeschäft speziell Arndt/Lech/ Sandkühler, BNotO, 5. Aufl., 2003, § 16 Rn. 18). Durch die Mitwirkungsverbote gemäß § 3 BeurkG soll die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notars, die sich als essentielle Kernpflicht aus § 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO ergibt, gesichert werden. § 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO verlangt die unparteiliche Betreuung der Beteiligten. Beteiligt sind sowohl die formell Beteiligten, d. h. die Erschienenen, deren im eigenen oder fremden Namen abgegebenen Erklärungen beurkundet werden sollen (§ 6 Abs. 2 BeurkG), als auch die materiell Beteiligten, d. h. diejenigen Personen, deren Rechte, Pflichten oder Verbindlichkeiten durch den Inhalt der notariellen Amtstätigkeit unmittelbar begründet, erweitert oder vermindert werden.

Rechtsanwalt ####### war an der Beurkundung formell beteiligt, da seine Erklärungen beurkundet worden sind. Er war jedoch auch materiell beteiligt, da seine Rechte, Pflichten oder Verbindlichkeiten faktisch durch die Beurkundung unmittelbar günstig oder ungünstig beeinflusst werden konnten: Es ist unzutreffend, wenn der Antragsteller davon ausgeht, die von Rechtsanwalt ####### abgegebenen Willenserklärungen hätten für ihn "keinerlei Konsequenzen" haben können. Zwar trifft es zu, dass - bei nachfolgender Genehmigung des Geschäfts durch den "Hintermann", also den Vertretenen - nur diesen die Rechtswirkungen aus dem vom Vertreter abgeschlossenen Geschäft treffen. Ob tatsächlich eine Genehmigung im erforderlichen Umfang erteilt werden wird, ist indes bei Abgabe der Willenserklärungen des Vertreters durchaus offen. Insofern ist es möglich, dass auch den Vertreter aus dem von ihm vollmachtlos abgeschlossenen Rechtsgeschäft nachteilige Wirkungen treffen. Zwar unterliegt der vollmachtlose Vertreter in diesem Fall nicht der Verpflichtung aus § 179 BGB; eine Haftung gemäß den Grundsätzen der culpa in contrahendo (nach altem Recht) kommt jedoch für denjenigen in Betracht, der ausdrücklich ohne Vertretungsmacht auftritt und die Genehmigung des Vertretenen zu Unrecht als sicher hinstellt (vgl. nur Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 179 Rn. 4). Insofern ist auch für den vollmachtlosen Vertreter die Abgabe von Willenserklärungen - selbst bei Offenlegung der fehlenden Vertretungsmacht - nicht gänzlich risikofrei.

Des weiteren ist es jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen, dass den Vertreter ohne Vertretungsmacht Schadensersatzpflichten gegenüber dem Geschäftsherrn treffen, wobei in Betracht zu ziehen ist, dass zwischen diesem und dem Vertreter - auch ohne Erteilung einer Vollmacht - ein Auftragsverhältnis besteht, wie es etwa der Bundesgerichtshof für den Fall angenommen hat, dass die Vertragsparteien eines Grundstückskaufvertrages Mitarbeiter des Notariats mit dem Vollzug dieses Vertrages - also der Abgabe der Auflassungserklärungen - bevollmächtigt haben (BGH, Urteil vom 14. November 2002 - III ZR 87/02). Der Bundesgerichtshof hat im Übrigen ausgesprochen, dass die so möglicherweise gegebene Haftung der Notariatsangestellten nicht durch die Notarhaftung selbst verdrängt wird (BGH a. a. O.). Insofern ergeben sich also potentielle Risiken aus den vom vollmachtlosen Vertreter abgegebenen Willenserklärungen in zweierlei Hinsicht, nämlich in Gestalt einer möglichen Haftung gegenüber dem Vertragspartner einerseits, gegenüber dem Vertretenen andererseits. Rechte und Pflichten des vollmachtlosen Vertreters sind also in jedem Fall betroffen, so dass der Antragsteller an der Beurkundung nicht mitwirken durfte.

Zu Recht hat das Landgericht die beiden festgestellten Verstöße als einheitliches, fahrlässig begangenes Dienstvergehen bewertet und angenommen, dass ein Verstoß gegen das in der Vorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 4 BeurkG geregelte Mitwirkungsverbot schwer wiegt, da die Beachtung der Ausschließungsgründe der Vorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 1 zum Kernbereich der Pflichten des Notars nach § 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO gehört. Im Hinblick auf den Umstand, dass der Antragsteller bereits einmal dienstaufsichtsrechtlich in Erscheinung getreten ist, reichen Maßnahmen der Dienstaufsicht nicht mehr aus, so dass sich die Ahndung der fahrlässigen Dienstpflichtverletzung des Antragstellers mit einem Verweis nach alledem als eine angemessene Reaktion auf sein Fehlverhalten darstellt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 96 BNotO i. V. m. §§ 114, 115 NDO.

Ende der Entscheidung

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