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Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 27.02.2002
Aktenzeichen: 10 UF 0743/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, KostO, FGG, EGZPO


Vorschriften:

ZPO § 621e Abs. 1
ZPO § 621e Abs. 3
BGB § 1671
BGB § 1671 Abs. 2
BGB § 1687 Abs. 1
KostO § 30 Abs. 2 Satz 1
KostO § 30 Abs. 3 Satz 1
KostO § 131 Abs. 2
KostO § 131 Abs. 3
FGG 13a Abs. 1 Satz 1
EGZPO § 26 Nr. 11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Dresden

Aktenzeichen: 10 UF 0743/01

Beschluss

des 10. Zivilsenats - Familiensenat -

vom 27. Februar 2002

In der Familiensache

wegen elterlicher Sorge

hat der 10. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Dresden am 27. Februar 2002 durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, Richterin am Oberlandesgericht und Richterin am Amtsgericht

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Annaberg vom 23. Oktober 2001 wie folgt abgeändert:

Die elterliche Sorge für die gemeinsamen Kinder der Parteien, geboren am, und, geboren am, wird der Antragstellerin übertragen.

2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Der Antragsgegner hat die der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

3. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.556,46 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten über die elterliche Sorge für ihre gemeinsamen Kinder.

Die Parteien leben seit Mitte 2000 getrennt voneinander. Aus der Ehe sind die Kinder, geboren am, und, geboren am, hervorgegangen, die seit der Trennung bei der Antragstellerin leben.

Die Antragstellerin beantragte erstinstanzlich, ihr das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder, hilfsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder zu übertragen.

Sie vertrat erstinstanzlich die Auffassung,

eine Beibehaltung der elterlichen Sorge käme nicht in Betracht, da die Parteien nicht in der Lage seien, sich zu den Belangen der Kinder zu verständigen.

Der Antragsgegner beantragte erstinstanzlich, die Anträge zurückzuweisen, da aus seiner Sicht Verständigungsprobleme nicht vorlägen.

Das Amtsgericht - Familiengericht - Annaberg hat mit Beschluss vom 23. Oktober 2001 die Anträge der Antragstellerin zurückgewiesen. In der Begründung führte es an, dass es zwischen den Parteien in der Vergangenheit keinerlei Probleme bei der Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts gegeben habe und allein das Desinteresse des Antragsgegners keine Sorgerechtsübertragung auf die Antragstellerin rechtfertige.

Gegen diesen Beschluss legte die Antragstellerin form- und fristgerecht Beschwerde ein.

Sie trägt vor,

aufgrund der mangelnden Kommunikation zwischen dem Antragsgegner und ihr könne es nicht bei der gemeinsamen Sorge belassen werden. Der Antragsgegner sei an den Kindern nicht interessiert. Dies werde besonders dadurch deutlich, dass er keinen Kindesunterhalt zahle.

Sie beantragt,

den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Annaberg vom 23. Oktober 2001 aufzuheben und ihr das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder hilfsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die gemeinsamen Kinder zu übertragen.

Der Antragsgegner hat in der Anhörung durch die beauftragte Richterin der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes auf die Antragstellerin zugestimmt. Darüber hinaus beantragt er,

die Beschwerde im Übrigen zurückzuweisen.

Er trägt vor, auch nach der Trennung die Verantwortung über die Erziehung der Kinder tragen zu wollen.

II.

Die gemäß § 621e Abs. 1, Abs. 3 ZPO zulässige, insbesondere statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache Erfolg.

Gemäß § 1671 Abs. 2 BGB kommt die Aufhebung der gemeinsamen Sorge in Betracht, wenn der andere Elternteil der Übertragung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil zustimmt oder die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf einen Elternteil allein dem Wohl der Kinder am besten entspricht. Aufgrund der Anhörung der Parteien und der Kinder ist der Senat nach Abwägung aller Umstände zu der Auffassung gelangt, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge auf die Antragstellerin dem Wohl der Kinder am besten entspricht.

Die Neuregelung des Rechtes der elterlichen Sorge in § 1671 BGB durch das Kindschaftsreformgesetz enthält kein Regel-Ausnahme-Verhältnis in dem Sinne, dass eine Priorität zugunsten der gemeinsamen elterlichen Sorge besteht und die Alleinsorge eines Elternteils nur in Ausnahmefällen als Ultima ratio in Betracht kommen sollte (BGH FamRZ 1999, 1646 f.). Dabei sind die Voraussetzungen für die gemeinsame elterliche Sorge vor den Voraussetzungen der Alleinsorge zu prüfen. Letzteres ist die Konsequenz der Aufhebung des gemeinsamen Sorgerechts (Oelkers MDR 2000, 32). Die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge entspricht dem Wohl der Kinder am besten, wenn die Eltern nicht mehr die Fähigkeit und Bereitschaft aufbringen können, in den Angelegenheiten der Kinder zu deren Wohl zu kooperieren (BGH, a.a.O.; OLG Düsseldorf FamRZ 1999, 1157; KG Berlin FamRZ 1999; OLG Nürnberg, NJW 1999, 56; OLG Dresden, 20. Senat, FamRZ 1999, 324; OLG Köln FamRZ 2001, 183; OLG Hamm FamRZ 2001, 183). Jedoch reichen Meinungsverschiedenheiten in einzelnen Angelegenheiten oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten nicht ohne weiteres aus, um das gemeinsame Sorgerecht aufzuheben (OLG Düsseldorf, a.a.O.). Hat es jedoch in der Vergangenheit keinerlei Kommunikation und Kooperation der Eltern bezüglich der Belange der Kinder gegeben, so ist die zum alleinigen Sorgerecht eines Elternteils führende Prognose begründet, dies werde auch in Zukunft so bleiben (OLG München FamRZ 2002, 189; Oelkers FPR 1999, 135, 1 37). Nach dem Vortrag der Parteien findet eine Kommunikation zwischen ihnen seit der Trennung nicht statt. Die Parteien haben seither zweimal miteinander telefoniert, wobei es während der Telefonate nicht um die Belange der gemeinsamen Kinder ging. Der Antragsgegner hat in der mündlichen Verhandlung bestätigt, an einer Kommunikation mit der Antragstellerin nicht interessiert zu sein und sich seit der Trennung darum auch nicht bemüht zu haben. Diese Angaben wurden durch die Kinder in der Anhörung bestätigt. Die Parteien haben sich seit der Trennung auch nicht über das Umgangsrecht der Kinder veständigt, sondern es sind die Kinder, die von sich aus den Antragsgegner besuchen. Diese Sachlage ist ein entscheidender Gesichtspunkt, der gegen die gemeinsame Sorge spricht. Unter diesen Umständen reicht auch die Entscheidungsbefugnis der Antragstellerin in Angelegenheiten des täglichen Lebens gemäß § 1687 Abs. 1 BGB nicht aus, da beide Parteien zumindest bei wesentlichen Entscheidungen miteinander kommunizieren müssen. Daher ist es auch nicht ausreichend, allein das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die gemeinsamen Kinder auf die Antragstellerin zu übertragen.

Der Antragsgegner zeigt auch im Übrigen, was die Belange der gemeinsamen Kinder anbelangt, kein Interesse. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Antragstellerin sowie dem Ergebnis der Anhörung der Parteien nimmt der Antragsgegner an der Entwicklung seiner Kinder nicht teil und kümmert sich nicht um Erziehungsfragen. Er ist auch an einer engen Beziehung zu seinen Kindern im Rahmen des Umgangsrechtes nicht besonders interessiert. So waren es in der Vergangenheit stets die Kinder, die zu ihm kamen. Auch während des Umgangs zeigt der Antragsgegner kein großes Interesse für die Belange der Kinder. Nach den Angaben der Kinder erkundigt er sich nicht nach ihren Sorgen und unternimmt nichts mit ihnen. Er bereitet ihnen keine Freude. Zu Weihnachten bekamen die Kinder vom Antragsgegner keine Geschenke. Auch die Ausübung des Umgangs gestaltet sich schwierig, da der Antragsgegner seinen Haushalt nicht nach den Bedürfnissen der Kinder eingerichtet hat.

Das Desinteresse des Antragsgegners an den Kindern wird weiterhin dadurch dokumentiert, dass er in der Vergangenheit, obwohl er dazu in der Lage gewesen wäre, keinen Kindesunterhalt gezahlt hat.

Aufgrund dieser Sachlage geht der Senat davon aus, dass bei Belassung der gemeinsamen Sorge diese nur auf dem Papier existieren würde. Bei der Entscheidung hat der Senat nicht verkannt, dass dem Kindeswohl grundsätzlich die Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge am besten entspricht und jedes Kind von Geburt an ein unveräußerliches Recht auf die gelebte Beziehung zu beiden Elternteilen hat und das Eltern-Kind-Verhältnis die Basis für eine gesunde körperliche, seelische und intellektuelle Entwicklung des Kindes ist (vgl. Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, 3. Aufl., § 1671 Rdnr.34). Die gemeinsame Sorge mit den aufgezeigten Vorteilen kann jedoch nur funktionieren, wenn beide Elternteile bereit sind, Verantwortung gegenüber den Kindern zu übernehmen. Hierzu war der Antragsgegner jedoch in der Vergangenheit nicht bereit, so dass die Prognose begründet ist, dass er hierzu auch in Zukunft nicht bereit sein wird. Soweit er in der mündlichen Verhandlung äußerte, sein Verhalten zukünftig ändern zu wollen, kam dies sehr zögerlich und ohne konkrete Verbesserungsvorschläge, so dass sich keine andere Prognose ergibt.

Soweit die Kinder in der Anhörung äußerten, den Wunsch zu haben, dass sich ihr Vater mehr um sie kümmert und ihn als vollwertigen Elternteil behalten zu wollen, kommt dem keine streitentscheidende Bedeutung zu. Zwar ist der Wille der Kinder bei der Entscheidung heranzuziehen. Hier ist jedoch bereits fraglich, ob die Kinder aufgrund ihres Alters die Tragweite ihres geäußerten Willens übersehen können. Darüber hinaus konnte es aufgrund der fehlenden Kommunikationsbereitschaft des Antragsgegners nicht bei der gemeinsamen Sorge belassen werden.

Die Antragstellerin ist auch erziehungsgeeignet. Sowohl der Kontinuitäts- wie der Förderungsgrundsatz als auch ihre Bindungstoleranz sprechen für die Übertragung der elterlichen Sorge für die gemeinsamen Kinder auf sie.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 131 Abs. 3 KostO, 13a Abs.1 Satz 1 FGG.

Die Festsetzung des Geschäftswertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 KostO; 26 Nr. 11 EGZPO.

Ende der Entscheidung

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