Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 11.12.2002
Aktenzeichen: 10 WF 726/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1603 Abs. 2
1. Der Abschluss eines Aufhebungsvertrages stellt auch dann eine Verletzung der gesteigerten Erwerbsobliegenheit eines gegenüber einem minderjährigen Kind Unterhaltspflichtigen dar, wenn dieser hiermit nur einer arbeitgeberseitigen Kündigung zuvorkommen will.

2. Die Anerkennung berufsbedingter Aufwendungen kommt im Mangelfall nur dann in Betracht, wenn substantiiert dargelegt wird, dass diese unabweisbar sind.


Oberlandesgericht Dresden Beschluss

Aktenzeichen: 10 WF 0726/02

des 10. Zivilsenats - Familiensenat -

vom 11. Dezember 2002

In der Familiensache

wegen Kindesunterhalt hier: Prozesskostenhilfe

hat der 10. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Dresden am 11. Dezember 2002 durch Richter am Amtsgericht Sxxxxxxx als Einzelrichter

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Dippoldiswalde vom 19. August 2002 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die gemäß § 127 Abs. 2 ZPO zulässige, insbesondere fristgemäß erhobene sofortige Beschwerde gegen den Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Amtsgerichts war mangels hinreichender Erfolgsaussichten i.S.d. § 114 ZPO zurückzuweisen.

Das Amtsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Kläger durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages vom 15. Oktober 2001 mit seinem Arbeitgeber, der xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx xxxx KG, gegen seine ihn aus § 1603 Abs. 2 BGB treffende gesteigerte Erwerbsobliegenheit verstoßen hat. Den Unterhaltsschuldner trifft hieraus grundsätzlich die Obliegenheit, im Interesse des Unterhaltsberechtigten seine Arbeitskraft so gut wie möglich einzusetzen. Tut er dies nicht, so muss er sich diejenigen Einkünfte fiktiv anrechnen lassen, die er durch eine zumutbare Erwerbstätigkeit erzielen könnte (st.Rspr., vgl. bereits BGH NJW 1981, 1609; Palandt-Diederichsen, BGB, 61. Aufl., § 1603 Rdnr.34). Wird das Arbeitsverhältnis auf Veranlassung des Arbeitnehmers beendet, so stellt dies regelmäßig ein unterhaltsbezogenes Fehlverhalten dar, das die Zurechnung des zuletzt erzielten Einkommens rechtfertigt. Ausweislich des vorgelegten Aufhebungsvertrages erfolgte die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf ausdrückliche Veranlassung des Arbeitsnehmers. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag des Klägers in der Beschwerde, der Aufhebungsvertrag sei zur Absicherung des Arbeitgebers erfolgt, damit der Kläger keine Ansprüche wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ableiten könne. Eine solche Vereinbarung, die einseitig den Arbeitgeber zu Lasten des Unterhaltsberechtigten begünstigt, indem der Unterhaltsverpflichtete auf eine mögliche und beachtliche Abfindung verzichtet, ist unterhaltsrechtlich auch dann nicht anzuerkennen, wenn der Arbeitnehmer hiermit nur einer ansonsten erfolgten Kündigung des Arbeitgebers zuvor kommt. Letztlich kann dies aber dahinstehen. Denn auch bei unverschuldeter Arbeitslosigkeit muss der Unterhaltsverpflichtete alles zumutbare unternehmen, um durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit seine Leistungsfähigkeit wieder herzustellen. Die Meldung beim Arbeitsamt reicht dafür nicht aus (vgl. Palandt-Diederichsen, a.a.O., Rdnr.38). Die hierzu vom Kläger vorgetragenen Bemühungen, die nicht durch ein einziges konkretes Stellenangebot oder Absageschreiben untersetzt sind, genügen den von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen in keiner Weise. Erforderlich ist es hiernach vielmehr, dass eine nachprüfbare Auflistung von Bewerbungen vorgelegt wird, die Aktivitäten im Umfang einer Vollzeittätigkeit erkennen lässt. Gefordert werden in der Regel 20 bis 30 konkrete Stellengesuche im Monat (OLG Dresden FamRZ 1999, 1527; OLG Naumburg FamRZ 1997, 574; Palandt-Diederichsen, a.a.O.). Dieser Verstoß gegen die ihn treffende Erwerbsobliegenheit rechtfertigt auch weiterhin die Zurechnung des zuletzt bei der Firma xxxxxxxx erzielten Einkommens. Ausweislich des vorgelegten Lohnzettels hat der Kläger dort im Zeitraum 1. Januar bis 12. Oktober 2001 18.308,01 DM zuzüglich Fahrtkostenerstattung (747,77 DM + 404,46 DM) und steuerfreie Verpflegung (62,40 DM) abzüglich Sozialversicherungsanteile in Höhe von 3.850,33 DM bezogen. Auf den Monat umgelegt ergibt dies ein Nettoentgelt von 1.667,40 DM (852,53 EUR). Dies entspricht annähernd dem im Vergleich vom 30. März 1995 zugrunde gelegten Nettoeinkommen von 1.596,00 DM. Eine wesentliche Veränderung der Einkommensverhältnisse des Klägers, die nach den seit dem 1. Januar 2002 in § 313 BGB kodifizierten Grundsätzen über die Veränderung oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage eine Anpassung der in dem o.a. Vergleich vereinbarten Unterhaltsrente zu Lasten des Beklagten erfordern würde, ergibt sich hieraus nicht. Eine solche Veränderung stellt auch die Erhöhung der Lebenshaltungskosten verbunden mit der Heraufsetzung des gegenüber minderjährigen Kindern anzuwendenden notwendigen Selbstbehaltes auf 1.465,00 DM (ab 1. Januar 2002 750,00 EUR) bei den gegebenen Umständen nicht dar. Denn der Kläger ist auch unter Beachtung dieses erhöhten Selbstbehaltes imstande, den in dem Vergleich titulierten Unterhaltsbetrag an den Beklagten zu leisten. Zwar hat der Kläger behauptet, monatliche Aufwendungen für die Fahrt zum Arbeitsplatz in Höhe von 677, 60 DM (346,45 EUR) zu haben; dies stellt im Verhältnis zu den Umständen bei Abschluss des Vergleiches eine wesentliche Verlängerung des Arbeitsweges und eine deutliche Erhöhung der angesetzten Fahrtkosten dar. Diese persönlichen und beruflichen Entscheidungen können dem Beklagten aber gegenwärtig nicht ohne weiteres entgegengehalten werden, da die titulierte Unterhaltsverpflichtung nicht einmal mehr den niedrigsten Unterhaltsbedarf eines Minderjährigen in der 3. Altersstufe deckt. Die unterhaltsrechtliche Anerkennung berufsbedingter Aufwendungen in einem solchen Mangelfall hängt davon ab, dass die Benutzung des Pkw als zwingend notwendig dargelegt und nachgewiesen wird (Senat, Beschluss vom 17. September 2002 - 10 UF 534/02) . Hierfür reicht der Vortrag, die Erreichung des Arbeitsortes mit öffentlichen Verkehrsmitteln sei wegen unregelmäßiger Einsatzzeiten unzumutbar, nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, dass unter Bezug auf die maßgeblichen Fahrpläne vorgetragen wird, weshalb der Arbeitsplatz nicht zumutbar mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht werden kann. Hieran fehlt es. Den Angaben des Klägers lässt sich überdies nicht einmal die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zweifelsfrei entnehmen. Einerseits wird diese mit 88 km für Hin- und Rückweg angegeben, andererseits wird die einfache Fahrt mit 52 km behauptet. Zudem bleibt unklar, zu welchen Zeiten der Kläger bei der Firma xxxxxxxx eingesetzt war und welche Tätigkeit er dort ausgeübt hat. Da der Kläger jedoch unstreitig berufsbedingte Aufwendungen für den Arbeitsweg hat, sind ihm solche im Umfang der Kosten für öffentliche Verkehrsmittel anzurechnen. Innerhalb der vom Kläger zu nutzenden Tarifzone "Verbundraum" des Verkehrsverbundes Oberelbe kostet eine Jahreskarte nach den jetzigen Tarifbestimmungen, die zugunsten des Klägers angesetzt werden, 1.028,00 EUR, woraus sich eine monatliche Belastung in Höhe von 85,67 EUR ergibt. Es verbleibt ein einzusetzendes Einkommen von 766,86 EUR. Gleichwohl ist der Kläger auch weiterhin in vollem Umfang für den in dem Vergleich titulierten Unterhalt leistungsfähig. Das Amtsgericht hat zu Recht im Hinblick auf die Unterschreitung des Wohnkostenanteils im Selbstbehalt von 300,00 EUR diesen um 103,92 EUR gekürzt. Dies entspricht den Unterhaltsleitlinien des Oberlandesgerichts Dresden sowie der ständigen Rechtsprechung des Senats (Ziffer 11.2.a Unterhaltsleitlinien, Senat - Urteil vom 30. Mai 2002 - 10 UF 57/02). Der verbleibende Selbstbehalt beträgt 646,08 EUR. Bei dieser Sachlage wäre der Kläger noch in Höhe von 120,78 EUR als leistungsfähig anzusehen.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Verpflichtung des Klägers, die Kosten des erfolglosen Beschwerdeverfahrens zu tragen, ergibt sich aus dem Gesetz (Anlage 1 zu § 11 Abs. 1 GKG, KV Nr. 1956); außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Ende der Entscheidung

Zurück