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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 20.03.2002
Aktenzeichen: 11 U 2478/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 138 Abs. 2
Die besonderen Umstände des Einzelfalls können verhindern, dass ein Darlehen mit 66 1/3 % Effektivzins sittenwidrig ist.

Hier: 100.000,00 DM Startkapital für renditeträchtiges Bauträgergeschäft an lebenserfahrene Bauingenieure.


Oberlandesgericht Dresden IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 11 U 2478/01

Verkündet am 20.03.2002

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20.02.2002 durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht , Richter am Oberlandesgericht und Richter am Amtsgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 29.08.2001 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte als Gesamtschuldner mithaftet.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung zunächst durch Sicherheitsleistung in Höhe von 46.000,00 EUR abwenden; der Kläger darf weiter vollstrecken, wenn er Sicherheit in dieser Höhe leistet. Sicherheit kann auch eine selbstschuldnerische, unbefristete und unbedingte Bürgschaft einer als Zoll- oder Steuerbürgin zugelassenen Bank sein.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 32.857,73 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Der Beklagte hatte sich im Jahre 1994 mit zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammengeschlossen, um in dieser Rechtsform Bauträger zu werden. Beide hatten bis dahin als selbständige Bauingenieure gearbeitet und taten das weiterhin.

Der Kläger schloss mit beiden Gesellschaftern am 20.08.1995 einen Darlehensvertrag über 100.000,00 DM, rückzahlbar am 14.02.1997 in Höhe von 200.000,00 DM. Das entspricht einem Effektivzins von 66,67 %.

Am 13.07.1995 hatten die beiden Gesellschafter von den Eheleuten zwei Grundstücke in Coswig mit zusammen 2060 qm gekauft, um sie mit einer Eigentumswohnungsanlage zu überbauen und die Eigentumswohnungen zu verkaufen. Beide rechneten mit einem Gewinn von 300.000,00 DM aus diesem Geschäft. Der Kaufpreis war 309.000,00 DM und zur Zahlung fällig u. a. nach Erteilung der Baugenehmigung. Die Baugenehmigung wurde im Dezember 1995 erteilt. Es war beabsichtigt, dass der Grundstücksverkäufer eine der zu schaffenden 6 Eigentumswohnungen für 359.800,00 DM erwerben sollte (Anlage BK 2 zum Klägerschriftsatz vom 11.03.1999 in der Parallelsache gegen , Bl. 182 d. beigezogenen Akte 11 U 2615/98 OLG Dresden).

Der Kläger behauptet, der Beklagte sei zusammen mit dem Mitgesellschafter durch Vermittlung von an den Kläger herangetreten, um mit Hilfe des Darlehens das für besonders günstig gehaltene Geschäft finanzieren zu können (Beweis: ).

Der Beklagte und sein Mitgesellschafter konnten jedoch das Bauträgergeschäft auf dem Grundstück nicht realisieren. Die Eheleute verkauften daraufhin ihr Grundstück an einen anderen Bauträger, der mit der Planung des Beklagten und dessen Gesellschafters an deren Stelle das Objekt realisieren wollte. Gegenstand dieses Vertrages war u. a., dass der neue Bauträger die Planung des Beklagten und des Mitgesellschafters vergüten sollte.

Diese Forderung gegen den neuen Bauträger traten der Beklagte und der Mitgesellschafter in einer privatschriftlichen Vereinbarung vom 14.02.1997 an die GmbH ab, deren Mitgesellschafter der Kläger und waren.

Das war Teil einer Vereinbarung zur Rückzahlung des Darlehens vom selben Tag, in welcher festgehalten wurde, dass 80.000,00 DM bereits zurückgezahlt seien, dass der Mitgesellschafter zum 15.03.1997 weitere 15.000,00 DM zurückzahle und dass der Gesellschafter monatlich 1.000,00 DM, der Beklagte monatlich 500,00 DM auf die Restschuld zahlen sollten, bis die Abtretung der Honorarforderung der GbR gegen den neuen Bauträger zur vollständigen Befriedigung des Klägers geführt haben würde. Sollte das nicht bis zum 30.04.1997 geschehen sein, sollte die Rückzahlung neu vereinbart werden (Anlage K 2 zur Klage) .

Bis zum 21.03.1998 bezahlte der Beklagte auf die Darlehensschuld weitere 55.750,00 DM.

Der Kläger hatte beantragt,

den Beklagten zur Zahlung von 64.250,00 DM und 4 % Zinsen seit 21.03.1998 zu verurteilen.

Er hat in dieser Höhe zunächst ein Versäumnisurteil gegen den Beklagten erwirkt, das der Beklagte mit Einspruch rechtzeitig angegriffen hat.

Der Kläger hat beantragt,

das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.

Der Beklagte hat Aufhebung des Versäumnisurteils und Klageabweisung beantragt.

Er hat behauptet, der Zinssatz von 66,67 % sei wucherisch hoch und deswegen unwirksam vereinbart. Die Darlehenssumme selbst sei bereits zurückgezahlt.

Er hat weiter behauptet, dass die Eheleute ihn und seinen Gesellschafter vom Kaufvertragsabschluss im Juli 1995 an unablässig mit Zwangsvollstreckung gedroht hätten. Das hätte eine weitere Geschäftstätigkeit der GbR unmöglich gemacht. Das sei eine unerträgliche Zwangslage für den Beklagten gewesen, die der Kläger, vermittelt durch , gekannt habe.

Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt.

Es hat den Darlehensvertrag für wirksam gehalten, weil die hohen Zinsen dadurch gerechtfertigt seien, dass die Darlehensnehmer keine Sicherheit geboten hätten und weil der hohe Zinssatz den Kläger hätte am Gewinn aus dem Bauträgergeschäft beteiligen sollen. Im Übrigen sei der Beklagte nicht unerfahren gewesen.

Die Einzelheiten finden sich im angefochtenen Urteil.

Das Urteil ist am 11.09.2001 dem Beklagten zugestellt worden. Am 08.10.2001 ging die Berufung ein, welche am 29.11.2001 begründet wurde. Bis dahin war die Berufungsbegrundungsfrist verlängert worden.

Der Beklagte hält daran fest, dass die Zinsvereinbarung sittenwidrig sei. Der Kläger sei gewerbsmäßiger Darlehensgeber; denn die GmbH, deren Mitgesellschafter er sei, habe das Ausreichen von Darlehen u. a. als Gesellschaftszweck.

Die Zwangslage der Darlehensnehmer erläutert der Beklagte damit, dass dem Mitgesellschafter die Zwangsversteigerung des Familienheims und ihn selbst der Verlust eines Fondsguthabens in Höhe von 30.000,00 DM gedroht hätte. Das habe in ihnen Panik erzeugt.

In zweiter Instanz legte der Beklagte den Vertrag vor, mit welchem die Eheleute an den Beklagten und den Gesellschafter das 2060 qm große Grundstück in Coswig verkauft hatten. Der Vertrag sah u. a. vor, dass die Käufer das Grundstück beleihen durften, um den Kaufpreis zu finanzieren (Anlage BER 1 zum Beklagtenschriftsatz vom 05.02.2002, dort Ziffer X 4 des Vertrages).

Der Beklagte behauptet, das habe er nicht gewusst.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Dresden vom 29.08.2001, welches das Versäumnisurteil bestätigt hatte, zu ändern, das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat den Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 20.02.2002 angehört.

Der Beklagte hatte zunächst erklärt, die GbR habe das Darlehen des Klägers gebraucht, um den Beginn des Bauträgergeschäfts zu finanzieren, weil man dafür keinen Bankkredit erhalten hätte. Erst im Laufe der Anhörung erklärte er, das Darlehen sei nötig gewesen, um den Kaufpreis der Familie zu bezahlen. Er hatte keine Erklärung dafür, warum er, wenn er so viel Angst vor der Zwangsvollstreckung durch die Familie hatte, erst am 23.02.1996 4.000,00 DM und am 08.03.1996 60.000,00 DM als erste Raten auf den Kaufpreis gezahlt habe (Anlage K 8, K 9 zum Klägerschriftsatz vom 18.07.2001).

Die weiteren Einzelheiten finden sich im Terminsprotokoll.

Die Akten im Parallelverfahren des Klägers gegen den anderen Gesellschafter, (11 U 2615/98 OLG Dresden), waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zwar zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Der Darlehensvertrag vom 30.08.1995 gibt dem Kläger den Anspruch auf die eingeklagte Summe.

Der Beklagte hat weder darlegen können, dass er selbst in einer Zwangslage steckte, noch dass er unerfahren gewesen sei, noch dass der Kläger beides ausgenutzt hätte, § 138 Abs. 2 BGB.

Der Beklagte war objektiv in keiner Zwangslage. Ihm drohte keine Zwangsvollstreckung. Die Eheleute hatten keine Möglichkeit, den Kaufpreis vor Erteilung der Baugenehmigung zu vollstrecken. Die Baugenehmigung wurde erst im Dezember, also 5 Monate nach Abschluss des Darlehensvertrages, erteilt.

Wir haben dem Beklagten nicht geglaubt, dass er selbst die Zwangsvollstreckung für möglich hielt. Denn in diesem Fall hätte er die ersten Raten auf den Kaufpreis nicht erst im Februar und März des Folge Jahres geleistet. Auch war bei Abschluss des Vertrages zum Erwerb des Grundstücks noch geplant gewesen, dass die Verkäufer eine der zu errichtenden Eigentumswohnungen zu einem Preis erwerben sollten, der höher war als der Grundstückspreis. Auch zeigt das Verhalten der Eheleute , dass ihnen nicht daran gelegen war, mittels Zwangsvollstreckung den Beklagten und seinen Mitgesellschafter zu ruinieren, sondern ihr Grundstück tatsächlich zu verwerten. Das bestätigt die Einschätzung des Mitgesellschafters , ohne das Darlehen des Klägers hätte nichts anderes gedroht, als der Verzicht auf das Bauträgergeschäft mit dem Grundstück. Der Beklagte konnte in seiner Anhörung die Widersprüche zwischen seiner Einschätzung der Lage und den objektiven Gegebenheiten (Fälligkeit des Kaufpreises , Möglichkeit zu dessen Finanzierung durch Belastung des Grundstücks ) nicht erklären. Deswegen ist der Senat seinen Beweisangeboten nicht nachgegangen.

Der Beklagte hat nicht bestritten, dass er und sein Mitgesellschafter sich aus der Verwertung des Grundstücks einen Gewinn von 300.000,00 DM erhofften. Er hat nur bestritten, dass dies ausdrücklich Gegenstand der Darlehensverhandlungen mit dem Kläger gewesen sein sollte. Der Beklagte hat aber andererseits erklärt, er habe mit dem Darlehensvermittler, , sämtliche Geschäftsangelegenheiten und -vorhaben ausgiebig erörtert. Man habe sich wegen eines anderen Grundstücks sogar zu einem eigenen Bauträger zusammengeschlossen. Unter diesen Umständen hält der Senat es für ausgeschlossen, dass nicht auch die Gewinnerwartung für das Grundstück gekannt haben soll. Sein Wissen als Verhandlungsgehilfe des Klägers kommt dem Kläger zugute. Eine Teilung des Gewinns in drei gleiche Teile, jeweils für den Kapitalgeber und die beiden handelnden Geschäftsleute, ist nicht verwerflich.

Der Beklagte hat sein Rechtsmittel ohne Erfolg eingelegt, deswegen hat er die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu tragen, § 97 ZPO.

Urteile der Oberlandesgerichte sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar, § 708 Ziffer 10 ZPO. Die Anordnungen zum Vollstreckungsschutz beruhen auf § 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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