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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 15.05.2002
Aktenzeichen: 11 U 3167/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 221 I
Auch ein Arrestpfandrecht ermöglicht es dem Gläubiger, einen verjährten Anspruch gegen den Schuldner durchzusetzen, obwohl das Arrestpfandrecht den Gläubiger lediglich sichert und ihm die Befriedigung gerade nicht erlaubt, § 223 I BGB.
Oberlandesgericht Dresden IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 11 U 3167/01

Verkündet am 15.05.2002

In dem Rechtsstreit

wegen Freigabeerklärung

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10.04.2002 durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht , Richter am Oberlandesgericht und Richter am Landgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 09.11.2001 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert ist 22.493,21 EUR.

Tatbestand:

Die Beklagte hat ein Arrestpfandrecht erwirkt an einer Forderung der P. M. GmbH gegen die R. . Die Klägerin hat zeitlich später ein Pfändungspfandrecht an derselben Forderung erlangt. Dem Pfändungspfandrecht der Klägerin liegt ein vollstreckbarer Titel zugrunde, die Beklagte hat dagegen noch keinen Titel aufgrund der Forderung erwirkt, zu deren Sicherung sie das Arrestpfandrecht ausgebracht hatte. Die R. hat den streitigen Betrag in Höhe von 43.992,90 DM beim Amtsgericht Schwabach zum Aktenzeichen HL 2/97 hinterlegt.

Die Klägerin meint, die Beklagte könne die Forderung auf restlichen Werklohn, die dem Arrestpfandrecht zugrunde liege, nicht mehr gegen die P. M. GmbH titulieren lassen, weil die Forderung verjährt sei und hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, die Freigabe des beim Amtsgericht Schwabach, Zweigstelle Hilpoltstein, Az.: HL 2/97, hinterlegten Betrages von 43.992,90 DM nebst 1/1000 % Zinsen pro Monat seit 01.07.1997 an die Klägerin zu bewilligen,

2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen materiellen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin aus dem Verzug des Beklagten bezüglich der Freigabeerklärung entsteht,

hilfsweise,

die Pfändung des Beklagten aus dem Arrestbeschluss vom 13.09.1996, Landgericht Leipzig, Az.: 4 0 7551/96, für unzulässig zu erklären.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es ist der Meinung der Klägerin nicht gefolgt, der Beklagte handele rechtsmissbräuchlich, weil er auf seinem Arrestpfandrecht beharre, obwohl er die dem Arrest zugrunde liegende Forderung noch nicht tituliert habe. Der Beklagte hatte nämlich eine zunächst erhobene Klage zurückgenommen, die danach neu erhobene Klage noch nicht zustellen lassen. Solange der Arrest nicht aufgehoben sei (was der Schuldner durch Fristsetzung zur Erhebung der Hauptsacheklage erzwingen könne), berufe sich der Beklagte zu Recht auf sein Arrestpfandrecht.

Die weiteren Einzelheiten des Tatbestandes und die Argumentation des Landgerichts finden sich im angefochtenen Urteil.

Die Klägerin hat form- und fristgerecht Berufung eingelegt und begründet.

Sie vertieft ihren Einwand, der Beklagte missbrauche seine formale Rechtsstellung, weil er inzwischen wegen Verjährung die mit dem Arrest gesicherte Forderung gegen die Schuldnerin gar nicht mehr durchsetzen könne. Auch sei die Schuldnerin wegen Vermögenslosigkeit erloschen und könne schon deswegen nicht mehr verklagt werden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 09.11.2001 zu ändern und den Beklagten so zu verurteilen, wie schon in erster Instanz beantragt.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Es ist zwischen den Parteien außer Streit, dass der Beklagte mit seinem Arrestpfandrecht im Rang dem Pfändungspfandrecht der Klägerin vorgeht, die Berufung also erfolglos bleiben muss, wenn der Beklagte seine Forderung gegen die Schuldnerin noch durchsetzen kann.

Es wäre in der Tat schikanös, wenn der Beklagte der Klägerin die Freigabe der von ihm vorrangig gepfändeten Forderung verweigern würde, obwohl er keine Befriedigung aus der gepfändeten Forderung mehr finden könnte.

Der Beklagte kann aber seine der Pfändung zugrunde liegende Forderung noch gegen die Schuldnerin durchsetzen, obwohl diese Forderung inzwischen verjährt ist.

Zum einen ist es im vorliegenden Fall nicht ausgemacht, dass die Schuldnerin sich auf die Verjährung berufen wird; denn die Schuldnerin ist wegen Vermögenslosigkeit gelöscht, deswegen kann es ihr gleichgültig sein, welcher der Gläubiger sich aus der mehrfach gepfändeten Forderung befriedigen darf.

Zum zweiten wird im Prozess des Beklagten gegen die Schuldnerin der Beklagte die Einrede der Verjährung erfolgreich mit Hilfe von § 223 Abs. 1 BGB a.F. bekämpfen können. Die Vorschrift erlaubt es dem Gläubiger, trotz Eintritt der Verjährung "seine Befriedigung aus dem verhafteten Gegenstand zu suchen, (wenn für den Anspruch) eine Hypothek, eine Schiffshypothek oder ein Pfandrecht besteht".

Die Klägerin hat nun zunächst Recht mit ihrer Meinung, es verstehe sich nicht von selbst, dass auch ein Pfandrecht, welches der Gläubiger aufgrund eines Arrestes erwirkt habe, dem Gläubiger die Durchsetzung der verjährten Forderung ermögliche.

Es war früher außer Streit, dass weder eine Arrestpfändung noch eine Arresthypothek dem Gläubiger erlaube, eine verjährte Forderung mit Erfolg einzuklagen, weil nämlich der Arrest nur sichere, aber noch nicht die Verwertung erlaube (vgl. OLG Breslau, Urteil vom 30.10.1907, Rspr. der Oberlandesgerichte Band 15, S. 322 für das Arrestpfandrecht, LG Zwickau, LZ 1931, 530 für die Arresthypothek). Das Reichsgericht hat diese Meinung für so selbstverständlich richtig gehalten, dass es den § 223 Abs. 1 BGB nicht einmal erwähnte, als es dem Gläubiger verwehrte, die durch Arrestpfandrecht gesicherte Forderung in verjährter Zeit gegen den Schuldner durchzusetzen (RGZ 128, 76).

Auch der Bundesgerichtshof bekräftigt dieses Argument, wenn er einen Überweisungsbeschluss, der auf eine Arrestpfändung gestützt ist, ohne weiteres für nichtig hält (BGHZ 121, 98).

Gleichwohl ist der Beklagte berechtigt, die Verjährungseinrede des Schuldners mit Hilfe von § 223 Abs. 1 BGB abzuwehren.

Der Sinn von § 223 BGB ist es, die Wirkung der Verjährung einzuschränken, wenn der Schuldner in unverjährter Zeit dem Gläubiger eine Sicherheit für die Forderung gewährt oder wenn der Gläubiger durch eigene Anstrengung sich eine Sicherheit vom Schuldner verschafft hat, dann nämlich soll dem Gläubiger dieser Vorteil auch noch nach Eintritt der Verjährung erhalten bleiben. Die Vorschrift ergänzt § 222 Abs. 2 BGB a.F., der dem Gläubiger erlaubt, die Leistung des Schuldners zu behalten, wenn der Schuldner nach Eintritt der Verjährung leistet, selbst wenn der Schuldner nicht weiß, dass die Forderung verjährt ist.

Es kann deswegen keinen Unterschied machen, ob das Sicherungsmittel dem Gläubiger eine unmittelbare Befriedigung verschafft (wie die Vollstreckungspfändung mit dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss) oder ob der Gläubiger noch weitere Anstrengungen auf sich nehmen muss, um die Sicherheit zu verwerten (wie beim vertraglich eingeräumten Pfandrecht, das der Gläubiger erst verwerten darf, wenn er zuvor einen Duldungstitel gegen den Schuldner erwirkt hat). Von daher gesehen kann es nicht darauf ankommen, dass die Arrestpfändung dem Beklagten noch nicht die Einziehung erlaubt, er diese Befugnis sich erst durch Klage gegen die Schuldnerin erwerben muss.

Diese Überlegung wird gestärkt durch den Vergleich des Vertragspfandrechts mit dem Arrestpfandrecht: Beide unterscheiden sich durch nichts in der Art und Weise, wie sie durchgesetzt werden müssen. Diese Gleichsetzung des Arrestpfandrechts mit dem vertraglichen Pfandrecht hat sich seit dem Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg vom 13.12.1934 (HRR 1934, Nr. 1097) allgemein durchgesetzt, ohne dass eine jüngere Entscheidung zu dieser Frage veröffentlicht ist (vgl. Staudinger/Peters, BGB, 13. Aufl., Rdn. 4 zu § 223 BGB m.N.).

Für den ähnlichen Fall der Arresthypothek ist vom Bundesgerichtshof inzwischen entschieden, dass der Gläubiger aus der Arresthypothek auf Duldung der Zwangsvollstreckung klagen darf. Der Bundesgerichtshof macht sich a.a.O. die Argumentation von Nicklisch zu eigen. Der hatte in AcP 169 (1969), 124 nachgewiesen, dass die bloß sichernde Wirkung der Arresthypothek den Gläubiger nicht schwächen, sondern ihn im Gegenteil davor schützen sollte, durch Veräußerung oder nachfolgende Belastung beeinträchtigt zu werden. Das lässt sich nur erreichen, wenn man dem Gläubiger die Möglichkeit gibt, aus der Arresthypothek unmittelbar auf Duldung der Zwangsvollstreckung zu klagen. In diesem Prozess kann dann der Schuldner alle Einwendungen gegen die Forderung zur gerichtlichen Überprüfung stellen, wird also nicht benachteiligt. Mit dieser neuen Bewertung und Bedeutung der Arresthypothek wäre es unvereinbar, wenn der Schuldner gegen die Klage aus der Arresthypothek auf Duldung der Zwangsvollstreckung einwenden dürfte, inzwischen sei die gesicherte Forderung verjährt. Dasselbe gilt, wenn der Gläubiger des Arrestpfandrechts Befriedigung sucht.

Schließlich ist der Beklagte durch die Löschung der Schuldnerin wegen Vermögenslosigkeit nicht gehindert, einen Titel gegen sie zu erwirken. Denn die Schuldnerin ist immer noch Gläubigerin der Forderung, welche sowohl die Klägerin als auch der Beklagte gepfändet haben. Solange noch ein Vermögenswert vorhanden ist, ist auch die wegen Vermögenslosigkeit gelöschte GmbH für den Prozess um diesen Vermögenswert noch prozessfähig. Sie muss dann eigens für diesen Prozess einen Liquidator erhalten.

Die Berufung war ohne Erfolg, deswegen muss die Klägerin die Kosten des Rechtsmittelzugs tragen, § 97 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die hier vertretene Auslegung von § 223 BGB mit der allgemeinen Rechtsmeinung übereinstimmt.

Ende der Entscheidung

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