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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 26.03.2003
Aktenzeichen: 11 U 524/02
Rechtsgebiete: SächsBauO


Vorschriften:

SächsBauO § 6 Abs. 5
SächsBauO § 6 Abs. 11
Die Vorschriften des öffentlichen Baurechts zu den Mindestabständen zwischen Gebäuden schützen den Nachbarn nur insoweit, als der Abstand zum Haus des Nachbarn geregelt ist. Wird der notwendige Abstand zwischen zwei Gebäuden auf demselben Grundstück nicht eingehalten, kann sich der Nachbar darauf nicht berufen.
Oberlandesgericht Dresden

Aktenzeichen: 11 U 524/02

Verkündet am 26.03.2003

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

In dem Rechtsstreit

wegen Beseitigung

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 05. März 2003 durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, Richter am Oberlandesgericht und Richter am Amtsgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 05.02.2002 wird zurückgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000,00 EUR zunächst abwenden; der Beklagte darf weiter vollstrecken, wenn er seinerseits Sicherheit in dieser Höhe leistet.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 25.564,00 EUR.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger sind Eigentümer des Grundstückes mit der Flurstücks-Nr. Gemarkung Beucha, D. . Der Beklagte hat auf seinem daneben liegenden Grundstück mit der Flurstücks-Nr. , Beucha, D. a eine Doppelhaushälfte errichtet.

Die Kläger begehren vom Beklagten den teilweisen Abriss bzw. Rückbau dieses Hauses, da nach ihrer Meinung die Mindestabstandsfläche des Gebäudes zu ihrem Haus nicht eingehalten ist. Im Übrigen wird auf den Tatbestand des Ausgangsurteils verwiesen.

Die Kläger beantragen im Rahmen der Berufung,

das Urteil des Landgerichts Leipzig wird aufgehoben.

Der Beklagte wird verurteilt, das Gebäude auf dem Grundstück , Gemarkung Beucha soweit abzureißen, dass die mindeste Abstandsfläche des Gebäudes auf dem Grundstück zum Grundstück , Gemarkung Beucha, auf 6,24 m entlang der Grundstücksgrenze durchgängig erreicht wird und dass die mindeste Abstandsfläche des Gebäudes auf dem Grundstück zur Garage auf dem Grundstück an jeder Stelle mindestens einen Abstand von 11,69 m erreicht wird.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Beweis wurde nicht erhoben.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

I.

Das Ausgangsurteil wurde nicht am 07.12.2001, sondern am 05.02.2002 verkündet. Dies ergibt sich aus dem Sitzungsprotokoll vom 05.02.2002. Die Tatsache, dass der Verkündungsvermerk auf dem Urteil ein anderes Datum ausweist, ist unschädlich. Bewiesen wird die Verkündung allein durch das Sitzungsprotokoll (vgl. Zöller/Voll, ZPO 23. Aufl., § 315 Rn. 7). Der fehlerhafte Verkündungsvermerk führte auch nicht zur Aufhebung des Urteils, da es dieses nicht unrichtig macht. Der Verkündungsvermerk wird von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle erstellt und nicht von dem entscheidenden Richter; er kann daher die Richtigkeit des Urteils nicht berühren. Die Kläger können auch nicht bemängeln, dass das Urteil offenbar am 07.12.2001 vollständig vorgelegen hat. Entscheidend ist, dass das Urteil nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung erstellt wurde. Das Gericht war nicht gehindert, einen Urteilsentwurf noch während des Ablehnungsverfahrens zu erstellen, um diesen dann nach der Entscheidung über die Ablehnung zu verkünden. Im Übrigen ist die Behauptung der Kläger, wonach die Entscheidung mit "an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anders ausgefallen wäre, wären die Entscheidungsgründe des Landgerichts Leipzig zur Ablehnung des Befangenheitsantrages mit berücksichtigt worden", vollkommen aus der Luft gegriffen. Das Gegenteil ist der Fall. Es ist nicht erkennbar, weshalb die Entscheidung über die Befangenheit Einfluss auf den Urteilsinhalt hätte haben sollen.

II.

a) Das Landgericht hat über den Sachverhalt nach Beweiserhebung und Feststellung der notwendigen Tatsachen richtig entschieden. Der Senat nimmt auf die Urteilsgründe ausdrücklich Bezug und macht sich diese zu Eigen. Insbesondere hat das Landgericht bei seiner Entscheidung zu Recht auf die Feststellungen des Sachverständigen abgestellt, welche die Entfernung der Grundstücksgrenze vom Beklagtengebäude mit 3,59 m vermessen hat. Das Beklagtengrundstück hält die erforderlichen Abstandsflächen ein.

b) Die Kläger gehen zu Unrecht davon aus, dass sie einen Anspruch auf Abriss deshalb hätten, weil der Beklagte das Schmalseitenprivileg gegenüber drei Gebäuden wahrnimmt. Tatsächlich ist es so, dass der Beklagte gegenüber beiden Nachbarn das Schmalseitenprivileg in Anspruch nimmt, indem er ein Gebäude an das des angrenzenden Nachbarn anbaut und zu den Klägern hin nicht die volle Abstandsfläche einhält. Weiterhin ist davon auszugehen, dass der Abstand des Beklagtenanwesens zur Garage auf demselben Grundstück 5,92 m beträgt. Diese Garage ist nach unstreitigem Sachvortrag 3,10 m hoch und 12 m lang. Es steht außer Zweifel, dass diese Garage nicht der Privilegierung gemäß § 6 Abs. 11 SächsBauO unterfällt, da sie die dortigen Maße überschreitet. Auch ist nicht vorgetragen, dass eine Gestattung der Bauaufsichtsbehörde gem. § 6 Abs. 12 SächsBauO vorliegt.

Der Beklagte hat also gegenüber einem (von drei angrenzenden) Gebäude zuviel die Abstandsfläche unterschritten. Die Kläger möchten ein Wahlrecht ausüben dahin, dass sie bestimmen können, mit welchen zwei Gebäuden der Beklagte sein Schmalseitenprivileg verbraucht, nämlich mit dem anderen Nachbarn und mit der eigenen Garage. Dieses Wahlrecht haben die Kläger aber nicht. Durch die bestandskräftige Baugenehmigung steht fest, dass der Beklagte sein Schmalseitenprivileg gegenüber den Klägern und gegenüber dem anderen Nachbarn verbraucht hat, so dass nur die Unterschreitung des Abstands zur Garage unrechtmäßig ist.

Ein Anspruch auf Beseitigung besteht jedoch trotzdem nicht, da die Begrenzung gemäß § 6 Ziff. 5 SächsBauO der Anwendung des Schmalseitenprivilegs auf zwei Seiten keine nachbarschützende Wirkung hat. Es handelt sich um eine objektive Festlegung des Gesetzgebers, deren Beachtung die Bauaufsichtsbehörde zu überprüfen hat. Im Fall der Abweichung hat der Nachbar nach öffentlichem Recht keine Klagemöglichkeit, da er wegen des fehlenden Nachbarschutzcharakters nicht klagebefugt ist. Die Beschränkung des Schmalseitenprivilegs auf zwei Seiten hat ihren Hintergrund nicht in Überlegungen des Nachbarschutzes - denn jeder Nachbar muss damit rechnen, dass ihm gegenüber das Schmalseitenprivileg zur Anwendung kommt -, sondern in objektiv - rechtlichen Überlegungen: Es soll ausreichend Licht und Luft an möglichst viele Gebäudeseiten kommen (Jäde/Dirnberger/Böhme, BauOR Sachsen § 6 Rn. 110a a.E.).

Da die Kläger deshalb nach öffentlichem Recht keinen Anspruch auf eine Beseitigung eines möglicherweise bauordnungswidrigen Zustandes hätten, können sie im Hinblick auf die bestandskräftige Baugenehmigung keinen Anspruch auf Beseitigung von Teilen des Beklagtenanwesens haben. Es verbleibt deshalb dabei, dass eine Beeinträchtigung des Nachbargrundstückes nicht vorliegt, da die gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen durch den Beklagten zum Anwesen der Kläger eingehalten werden.

III.

Die Kosten der erfolglosen Berufung haben gem. § 97 Abs. 1 die Kläger als Gesamtschuldner zu tragen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 i.V.m. § 711 ZPO.

Der Streitwert wurde gem. § 3 ZPO in Höhe der Abrisskosten geschätzt.

Die Revision war gem. § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.

Ende der Entscheidung

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