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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 13.02.2002
Aktenzeichen: 11 U 608/01
Rechtsgebiete: BGB, VOB/B


Vorschriften:

BGB § 781
BGB § 201 S. 2 (alt)
VOB/B § 2 Ziff. 6 Abs. 1
1. Wer als Nachtrag abgerechnete Leistungen seines Subunternehmers dem eigenen Auftraggeber gegenüber abrechnet, billigt den Nachtrag.

2. Gehen Hauptauftragnehmer und Subunternehmer davon aus, der Hauptauftraggeber sei wirtschaftlich gesund und vereinbaren, dass der Hauptauftragnehmer den Subunternehmer erst bezahlen muss, wenn er seinerseits vom Hauptauftraggeber bezahlt werde, dann fällt mit der Insolvenz des Hauptauftraggebers die Geschäftsgrundlage für die Stundung weg.

3. Die Abrede wird so angepasst, dass Hauptauftragnehmer und Subunternehmer sich den Ausfall teilen.


Oberlandesgericht Dresden IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 11 U 608/01 Verkündet am 13.02.2002

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23.01.2002 durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht , Richter am Landgericht und Richter am Amtsgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 31.01.2001, Az. : 11 0 3719/00,

abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.125,90 EUR nebst 5 % Zinsen seit dem 03.08.2000 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Berufung wird im Übrigen zurückgewiesen.

III. Die Kosten des gesamten Rechtsstreits tragen die Klägerin und die Beklagte zu je 1/2.

IV. Beschwer beider Parteien: unter 20.000,00 EUR.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Auf die Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO verzichtet.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig; sie hat in der Sache teilweise Erfolg.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf hälftigen Ausgleich der ihr abgetretenen Werklohnforderung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage.

1. Zwar teilt der Senat den rechtlichen Ansatz des Landgerichts dahingehend, dass die seitens der Klägerin behaupteten mündlichen Nachtragsaufträge nicht in der vertraglich vorgesehenen Schriftform (§ 127 BGB) geschlossen wurden und somit gemäß § 125 BGB nichtig sind.

Die vertraglich vereinbarte Schriftform wurde auch nicht nachträglich zwischen der Firma und der Beklagten abbedungen. Dagegen spricht, dass die Firma und die Beklagte zunächst so verfahren sind. Am 29.01.1998 wurde die Firma schriftlich von der Beklagten mit der Herstellung der Lüftungsanlage für das Bistro des streitgegenständlichen Vorhabens beauftragt (Bl. 65/66 d. A.). Eine weitere schriftliche Vereinbarung über einen zusätzlichen Auftrag für die Lieferung und für den Einbau einer Schmutzwasserpumpe erfolgte am 06.02.1998/06.05.1998.

Dass bei dieser vertraglichen Übung im engen zeitlichen Zusammenhang am 07.05.1998 nunmehr das vereinbarte Schriftformerfordernis für Nachträge nicht mehr gelten sollte, ist nicht plausibel und auch nicht mit Zeitnot zu erklären, da unstreitig der Zeuge seine teilweise in der Aufstellung vom 07.05.1998 aufgeführten Nachtragsarbeiten zu diesem Zeitpunkt bereits erbracht hatte.

Auch teilt der Senat die Überlegung des Landgerichts, dass der Zeuge in seiner Vernehmung am 07.12.2000 (Bl. 113 d. A.) selbst bekundet hat, dass es seiner Erinnerung nach für alle in Frage stehenden Zusatzleistungen auch schriftliche Zusatzaufträge gegeben habe, die von Herrn für die Beklagte erstellt wurden und dann auch von Herrn bzw. Herrn , dem Geschäftsführer der Beklagten, unterschrieben worden seien. Dass der Zeuge die in der Anlage K 2 erstellte Liste mit Nachtragsarbeiten nicht als schriftlichen Auftrag in diesem Sinne verstanden hat, ergibt sich daraus, dass er nach Vorlage dieser Liste bekundete, sich nicht erklären zu können, warum diese außerhalb der schriftlichen Aufträge gefertigt worden sei.

2. Der Senat vermag auch dem auf der Liste der Nachtragsarbeiten enthaltenen Vermerk "Absprache am 07.05.1998 mit H. , Zahlung erst bei Erhalt von " ein konstitutives Schuldanerkenntnis gemäß § 781 BGB, d. h. eine neue selbständige Verpflichtung der Beklagten unabhängig von dem bestehenden Schuldgrund (BGH NJW 1995, 960), nicht zu entnehmen.

Aus der zeitlichen Einschränkung im Text - so auch zutreffend das Landgericht - ergibt sich gerade, dass die Erklärung kein eigenständiger selbständiger Schuldgrund sein soll.

3. Auch vermag der Senat dem Gespräch des Zeugen mit dem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH, Herrn , vom 07.05.1998 kein deklaratorisches Schuldanerkenntnis der Beklagten entnehmen. Das Landgericht hat unter Berücksichtigung der Zeugenaussagen und , die übereinstimmend bekundeten, die Bezahlung der Nachträge sei gegenüber dem Zeugen durchgängig davon abhängig gemacht worden, dass die Bauherrin GmbH ihrerseits die entsprechenden Maßnahmen anerkenne und bezahle, eine Erklärung des Herrn , in jedem Fall die Nachträge bezahlen zu können, zutreffend verneint.

Dass eine derartige Anerkennung der Maßnahmen durch die Bauherrin nicht erfolgt ist, ist zwischen den Parteien unstreitig.

Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend den Schluss gezogen, dass auch die sonstigen Umstände dagegen sprechen, die Erklärung vom 07.05.1998 als Stundungsabrede im Hinblick auf ein jedenfalls später ausdrücklich vom Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten erklärtes Anerkenntnis anzusehen.

Die streitigen Nachtragsarbeiten wurden gerade nicht von der Beklagten an die Firma herangetragen, sondern von der Bauleiterin der Bauherrin, der Firma (für die Positionen 1, 2, 4, 7 ausdrücklich festgehalten durch Benennung der beauftragenden Personen der Firma ) .

Da die nunmehr vom Zeugen in Rechnung gestellten Nachtragsarbeiten weder Bestandteil seines Auftrages mit der Beklagten, noch Bestandteil des Vertrages der Beklagten mit der Bauherrin waren, kam aus Sicht des Zeugen nur ein unmittelbarer Zahlungsanspruch gegen die Bauherrin oder - bei entsprechender eigenständiger Verpflichtung der Beklagten - gegen die Beklagte in Betracht.

Insoweit durfte der Zeuge , der nach eigener Bekundung für die jeweiligen Nachträge schriftliche Aufträge erhielt, grundsätzlich die Bereitschaft der Beklagten, die entsprechenden Forderungen gegenüber der Bauherrin durchzusetzen, nicht als eigenständige Verpflichtung der Beklagten, für diese einzustehen, verstehen.

4. Auch liegt kein deklaratorisches Schuldanerkenntnis aufgrund eines Gesprächs zwischen den Parteien am 18.05.2000 vor. Zwar haben der Komplementär der Klägerin sowie sein Mitarbeiter erstinstanzlich übereinstimmend bekundet, bei dem Gespräch vom 07.05.1998 zwischen Herrn und dem Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten, Herrn , seien lediglich Fragen der Zahlungsmodalitäten offen gewesen; Herr habe ausdrücklich erklärt, Herr werde sein Geld bekommen. Dieses steht aber im Widerspruch zur Schilderung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH der Beklagten, der bekundet hat, auch an diesem Tag seien alle Zahlungen davon abhängig gemacht worden, ob und in welchem Umfang die Beklagte ihrerseits Zahlungen von der Bauherrin erhalten würde. Auch wenn seitens der Parteien im Zusammenhang mit der Zahlung auch über das seitens der Beklagten gegen die Bauherrin erwirkte Versäumnisurteil vor dem Landgericht Stuttgart gesprochen wurde und der Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten die vergleichsweise Beilegung des Streits gegen Zahlung eines Betrages in Höhe von 15.000,00 DM zum damaligen Zeitpunkt anregte, ist dieses kein hinreichendes Indiz für ein zuvor erfolgtes Anerkenntnis der Nachtragsforderungen der Klägerin dem Grunde nach.

5. Der Senat ist der Auffassung, dass hinsichtlich der geltend gemachten Nachtragsarbeiten im Vertragsverhältnis zwischen der Firma und der Beklagten die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage anzuwenden sind.

So wird nach ständiger Rechtsprechung die Geschäftsgrundlage eines Vertrages durch die nicht zum Vertragsinhalt erhobenen, aber beim Vertragsschluss zu Tage getretenen, dem Geschäftsgegner erkennbaren und nicht von ihm beanstandeten Vorstellungen des einen Vertragsteils oder durch entsprechende gemeinsame Vorstellungen beider Vertragspartner, auf denen der Geschäftswille aufbaut (BGHZ 131, 209 (214)), gebildet.

Geschäftsgrundlage des Zeugen und der Beklagten am 07.05.1998 war, dass die Bauherrin, die Firma GmbH, über ihren Bauleiter, die Firma , die in der Aufstellung des Zeugen vom 07.05.1998 im einzelnen aufgeführten Nachtragsarbeiten würde bezahlen können.

Die Nichtleistungsfähigkeit der Firma GmbH haben beide Parteien sich bei Prüfung der Liste des Zeugen vom 07.05.1998 durch den Bauleiter der Beklagten nicht vorgestellt.

Dass nicht nur der Zeuge , dem es um die Vergütung seiner Nachtragsarbeiten ging, sondern auch die Beklagte bei ihrer Vereinbarung mit dem Zeugen von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Bauherrin, der Firma GmbH, ausgegangen sind, ergibt sich vor allem daraus, dass die Beklagte die streitgegenständlichen Nachtragsrechnungen des Zeugen nicht nur durchgereicht, sondern unter ihrem Briefkopf der Bauherrin ihrerseits in Rechnung gestellt und hierbei gegenüber den Rechnungsbeträgen des Zeugen noch einen Zuschlag kalkuliert hat.

Dies führt hier zu einer Anpassung unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Nur soweit man die Beklagte und den Zeugen , bezogen auf die streitgegenständlichen Nachtragsarbeiten des Zeugen , als Risikogemeinschaft begreift, ist ein tragbares, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin Unvereinbarendes Ergebnis zu vermeiden. Dass die Beklagte auch selbst vom Bestehen dieser "Risikogemeinschaft" ausgegangen ist, zeigt sich nicht nur daran, dass sie aufgrund ihres kalkulierten Aufschlages ein eigenständiges wirtschaftliches Interesse an der Forderung hatte bzw. sie ausdrücklich im eigenen Namen geltend gemacht hat, sondern letztlich auch daraus, dass ihr Geschäftsführer im Rahmen der Verhandlungen mit der Firma für den Fall der Realisierung von Forderungen gegenüber der GmbH einen vergleichsweisen Betrag in Höhe von ca. 15.000,00 DM in Aussicht gestellt hat.

Der Senat hält eine Vertragsanpassung dergestalt für angemessen, dass die Beklagte 50 % der Nachtragsforderung des Zeugen für das Bauvorhaben der GmbH trägt. Diese errechnen sich wie folgt:

2.277,60 DM netto (Erbringung zusätzlicher Montagearbeiten, Februar 1998) 1.538,00 DM netto (Installation einer Müllraumentlüftung für das BV) 5.600,00 DM netto (Installation von Deckenbrandschutz) 5.415,00 DM netto (Änderung für die innenliegende Dachentwässerung) 3.091,55 DM netto (Anpassungsarbeiten KW, BB, sowie den Abfluss im Bistro) 955,54 DM netto (Lieferung von 60 m Kabel und Verlegen auf Rohfußboden einschließlich Befestigungsmaterial) 202,54 DM netto (Mehrkosten Planungsänderung, Mai 1998) 1.577,04 DM netto (zusätzliche Installationsarbeiten Dachstuhlmontage, Trockenbauarbeiten u . a .) 20.657,27 DM netto = 23.962,43 DM brutto (zuzüglich 16 % MWSt)

Davon 50 % sind 11.981,22 DM, entsprechend 6.125,90 EUR.

6. Die Zinsforderung beruht auf den §§ 291 BGB, 352 Abs. 1 HGB.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 I ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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