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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 09.02.2001
Aktenzeichen: 15 W 129/01
Rechtsgebiete: AktG, BGB, KostO


Vorschriften:

AktG § 121 Satz 1
AktG § 212 Satz 2
BGB § 139
KostO § 30
Leitsatz:

Auch geringfügige Abweichungen machen eine Kapitalerhöhung einer Aktiengesellschaft, die entgegen § 121 Satz 1 AktG die aus ihr entstehenden neuen Aktien den Aktionären nicht strikt im Verhältnis ihrer Anteile am bisherigen Grundkapital zuweist, nichtig (§ 212 Satz 2 AktG).

Beschluss vom 09.02.2001, Az.: 15 W 129/01


Oberlandesgericht Dresden

des 15. Zivilsenats

Beschluss

Aktenzeichen: 15 W 0129/01 25-T-55/00 LG Dresden

vom 09.02.2001

In der Handelsregistersache

hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Bastius,

den Richter am Oberlandesgericht Piel und den Richter am Landgericht Goebel

beschlossen:

Tenor:

1. Die weitere Beschwerde der Beteiligten vom 18.01.2001 gegen den Beschluss des Landgerichts Dresden vom 29.12.2000 - 45 T 55/00 - wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Der Beschwerdewert wird auf 150.000,00 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführerin, eine in das Handelsregister des Amtsgerichts eingetragene Aktiengesellschaft, verfügt über ein Grundkapital von 5.250.000,00 Euro, das in Aktien im Nennwert von je 1 Euro eingeteilt ist. Von den Aktien sind 3.453.175,00 Euro auf den Namen und 1.796.825,00 Euro auf den Inhaber ausgestellt.

Die Hauptversammlung der Beschwerdeführerin vom 20.07.2000 beschloss die Erhöhung des Grundkapitals aus Gesellschaftsmitteln im Verhältnis 10:1. Da hierbei rechnerisch in beiden Aktiengattungen Bruchteile von Aktien entstanden wären, verzichtete ein Aktionär für jeweils fünf seiner "alten" Namens- und Inhaberaktien auf deren Berücksichtigung bei der Zuteilung der "jungen" Aktien; so ergab sich ein Erhöhungsbetrag von 524.999,00 Euro.

Amtsgericht und Landgericht haben die Eintragung des Kapitalerhöhungsbeschlusses in das Handelsregister wegen Verstoßes gegen § 212 Satz 1 AktG abgelehnt. Die hiergegen gerichtete weitere Beschwerde ist zulässig, bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.

II.

Der der Anmeldung zugrunde liegende Hauptversammlungsbeschluss ist gemäß § 212 Satz 2 AktG nichtig, weil er in Abweichung von der zwingenden Vorschrift des § 212 Satz 1 AktG die aus der Kapitalerhöhung entstehenden neuen Aktien den Aktionären nicht strikt im Verhältnis ihrer Anteile am bisherigen Grundkapital zuweist. Die Hauptversammlung hat insoweit keinen Gestaltungsspielraum; Abweichungen von § 212 Satz 1 AktG sind auch dann nicht möglich, wenn der Beschluss einstimmig gefasst worden ist oder, wie hier, der in seinen Rechten negativ betroffene Aktionär der abweichenden Verteilung ausdrücklich zugestimmt hat (vgl. Hüffer, AktG, 4. Aufl. 1999, § 212 Rn. 3; Bungeroth in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG Stand 1993, § 212 Rn. 11; Lutter in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. Stand 1989, § 212 Rn. 5 und 9; Hirte in: Großkommentar zum AktG, 4. Aufl. Stand 1998, § 212 Rn. 15, jeweils m.w.N.). Die Nichtigkeitsfolge führen auch ganz geringfügige Abweichungen von der Regel des Satzes 1 herbei, "mögen dadurch auch keinerlei irgendwie ins Gewicht fallende Verschiebungen in den Anteils- und Mehrheitsverhältnissen bewirkt werden" (vgl. Lutter a.a.O., § 212 Rn. 9; Bungeroth a.a.O., § 212 Rn. 12). Diese formale und schematische Konzeption des § 212 Satz 1 AktG mag man (wie Hirte a.a.O.) für fragwürdig halten; der Beschwerdeführerin mag auch zuzugeben sein, dass sie dem Gesetzgeber nicht etwa von Verfassungs wegen vorgegeben war. Gleichwohl hat der Gesetzgeber sie bewusst gewählt und dabei sogar im Hinblick auf sein Bemühen, ansonsten das Entstehen von Aktienteilrechten beim einzelnen Aktionär nach Möglichkeit zu vermeiden, einen Zielkonflikt bewusst in Kauf genommen. Einen sachlichen Hintergrund findet diese Konzeption darin, dass es sich bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln aus wirtschaftlicher Sicht eher um eine Kapitalberichtigung handelt (vgl. Henn, Handbuch des Aktienrechts, 6. Aufl. 1998, Rn. 1278 und Fußnote 227 dazu), die das Aktiengesetz als einen rein bilanzmäßigen Vorgang behandelt, also als schlichte Umbuchung bestimmter Rücklagen in Grundkapital (Hirte a.a.O., § 212 Rn. 2). Einem solchen Vorgang, bei dem sich nur die rechtliche Gestalt des bereits vorhandenen Vermögens verwandelt (Schippel, DNotZ 1960, 353, 364), sind nach Einschätzung des Gesetzgebers auch noch so marginale Einwirkungen inhaltlicher Art fremd. Den Gerichten steht es nicht zu, derartige zur Norm gewordene Vorstellungen des Gesetzgebers durch Auslegung zu überspielen, auch wenn die praktischen Ergebnisse in Grenzfällen der vorliegenden Art nicht immer überzeugend sein mögen.

Der Senat sieht hierzu auch umso weniger Veranlassung, als die Beschwerdeführerin selbst darauf hingewiesen hat, dass es auch unter Beachtung des § 212 Satz 1 AktG praktische Möglichkeiten gibt, außerhalb eines Hauptversammlungsbeschlusses durch das Verfahren des "Spitzenausgleichs" die gewünschten Kapitalbeteiligungsverhältnisse zu erreichen und zugleich unerwünschte Aktienteilrechte wieder zu beseitigen. Den von der Beschwerdeführerin daraus gezogenen Schluss, dann könne - bei vergleichbarem wirtschaftlichem und rechtlichem Ergebnis - auch gleich § 212 Satz 1 AktG "berichtigend" ausgelegt werden, teilt der Senat indes nicht. Der von der Beschwerdeführerin gerügte "Formalismus" des Gesetzgebers verweist die Beteiligten eben nicht dauerhaft auf im Einzelnen als unzuträglich empfundene Folgen der strikt verhältniswahrenden Aktienzuteilung, sondern lässt vergleichsweise unaufwendige Ausgleichsmaßnahmen offen. Vor diesem Hintergrund sieht der Senat kein Bedürfnis dafür, eine nach Entstehungsgeschichte und Wortlaut eindeutige gesetzliche Vorschrift (deren Inhalt, was Satz 1 angeht, sich im Übrigen ohne ausdrückliche Regelung von selbst verstehen würde, vgl. Hirte a.a.O., § 212 Rn. 2) teleologisch zu entschärfen.

Das Registergericht hat die Eintragung daher zu Recht abgelehnt. Dabei muss der Senat zur Entscheidung über die Beschwerde nicht darüber befinden, ob Folge des Verstoßes gegen § 212 Satz 1 AktG die Nichtigkeit des Kapitalerhöhungsbeschlusses insgesamt oder nur eine gegebenenfalls am Maßstab des § 139 BGB zu beurteilende Teilnichtigkeit ist, die im Ergebnis nur den fehlerhaften Verteilungsmaßstab beträfe, die Wirksamkeit der Kapitalerhöhung als solche aber unberührt ließe. Wenn man eine Anwendbarkeit des § 139 BGB auf Fälle der vorliegenden Art bejaht, so ist die vom Gesetz als Regel vermutete Rechtsfolge gleichwohl die Gesamtnichtigkeit des Rechtsgeschäfts, falls sich ein abweichender (mutmaßlicher) Parteiwille nicht feststellen lässt. In diesem Zusammenhang ist der Beschwerdeführerin zuzugeben, dass eine ganz unwesentliche Abweichung von dem zwingenden Verteilungsmaßstab des § 212 Satz 1 AktG die Annahme nahelegt, dass die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln auch ohne die nichtige Verteilungsregelung beschlossen worden wäre. Ob dieses Indiz aber für sich allein genommen ausreicht, das Regel-Ausnahme-Verhältnis der Rechtsfolgen bei der Anwendung des § 139 BGB in sein Gegenteil zu verkehren, oder ob für den Registerrichter angesichts der Gesamtumstände des zu beurteilenden Falles gleichwohl unausräumbare Zweifel verbleiben, die ihm Veranlassung geben, im Ergebnis von einer Gesamtnichtigkeit auszugehen, ist zunächst Sache seiner tatrichterlichen Würdigung, die in ihrem Kern im Verfahren der Rechtsbeschwerde (§§ 27 Abs. 1 FGG, 550 ZPO) nicht nachprüfbar ist. Letztlich kommt es im vorliegenden Fall darauf aber nicht einmal an. Denn auch wenn man - mit dem "Hilfsvorbringen" der Beschwerdeführerin - nur von einer Teilnichtigkeit des zur Eintragung angemeldeten Hauptversammlungsbeschlusses ausgeht, haben Amts- und Landgericht die Eintragung zu Recht abgelehnt. Auch teilnichtige Beschlüsse dürfen nämlich nicht ins Handelsregister eingetragen werden (Hirte a.a.O., § 212 Rn. 20; Bungeroth a.a.O., § 212 Rn. 17; Lutter a.a.O., § 212 Rn. 12; Hüffer a.a.O., § 212 Rn. 4). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Beschluss, wie hier, einschließlich des nichtigen Teils zur Eintragung angemeldet wird (so ausdrücklich Bungeroth a.a.O.). Die weitere Beschwerde ist daher zurückzuweisen.

Einer Entscheidung über die Gerichtskosten bedarf es nicht, weil hierüber der Kostenbeamte nach Maßgabe der Kostenordnung in eigener Zuständigkeit befindet. Ihre außergerichtlichen Kosten hat die Beschwerdeführerin angesichts der Erfolglosigkeit des Rechtsmittels selbst zu tragen.

Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 131 Abs. 2 i.V.m. § 30 KostO.

Ende der Entscheidung

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