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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 25.04.2006
Aktenzeichen: 20 U 467/06
Rechtsgebiete: VgV, GWB


Vorschriften:

VgV § 2
VgV § 13
GWB § 115 Abs. 1
Auf ein Vergabeverfahren unterhalb der Schwellenwerte des § 2 VgV sind weder § 115 Abs. 1 GWB noch § 13 VgV anwendbar; selbst wenn man bei einem solchen Beschaffungsvorhaben vergaberechtlichen Primärrechtsschutz von Verfassungs wegen grundsätzlich für geboten hielte, unterliegt ein öffentlicher Auftraggeber auch angesichts eines entsprechenden verwaltungs- oder zivilgerichtlichen Rechtsschutzverfahrens daher weder einem Zuschlagsverbot noch einer Vorabinformationspflicht.
Oberlandesgericht Dresden

Beschluss

des 20. Zivilsenats

vom 25.04.2006

Aktenzeichen: 20 U 467/06

In dem Rechtsstreit

wegen Unterlassung der Zuschlagserteilung

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne mündliche Verhandlung durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Bastius, Richter am Oberlandesgericht Piel und Richter am Amtsgericht Angermann

beschlossen:

Tenor:

Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat der Berufung keine Aussicht auf Erfolg beimisst und daher beabsichtigt, sie gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der einem öffentlichen Auftraggeber die Zuschlagsentscheidung in einem Vergabeverfahren nach VOB/A mit einem geschätzten Auftragsvolumen von rund 160 000,00 EUR untersagt werden soll. Das Landgericht, an das die zunächst angerufene Verwaltungsgerichtsbarkeit das Verfahren mit bindender Wirkung verwiesen hat, hat diesen Antrag mit der Begründung abgelehnt, der Auftrag sei bereits erteilt. Die hiergegen in zulässiger Weise erhobene Berufung verspricht nach dem derzeitigen Verfahrensstand in der Sache keinen Erfolg.

II.

Dabei kann der Senat aus mehreren Gründen offen lassen, ob und ggf. in welcher Form ein Bieter überhaupt vergaberechtlichen Primärrechtsschutz bei einem Beschaffungsvorhaben in Anspruch nehmen kann, dessen Umfang die einschlägigen Schwellenwerte (vgl. § 2 VgV) nicht erreicht.

1. Denn zum einen spricht hier bereits alles dafür, dass die Vergabestelle das Angebot der Verfügungsklägerin wegen einer unzureichenden Nachunternehmererklärung zu Recht von der Wertung ausgeschlossen hat; dann aber würde es an einem Verfügungsanspruch auch dann fehlen, wenn man die eingangs formulierte Frage grundsätzlich bejahen wollte.

Ausgeschrieben war die Lieferung und Montage von Normalverkehrszeichen und wegweisender Beschilderung (Großverkehrszeichen) für die B Ortsumgehung . Mit dem Angebot abzugeben war ein "Verzeichnis der Nachunternehmerleistung", mit dem auf beigefügtem Formblatt die beabsichtigte Nachunternehmerleistung und der hierfür vorgesehene Nachunternehmer namentlich zu benennen waren; diesen Vordruck versah die Verfügungsklägerin mit dem Vermerk "entfällt", räumte aber auf Nachfrage der Vergabestelle ein, dass sie die zu montierenden Verkehrszeichen vollständig von Dritten beziehe. Bei dieser Sachlage neigt der Senat dazu, die von der Verfügungsklägerin abgegebene Nachunternehmererklärung für inhaltlich falsch zu halten.

Zwar sind den Nachunternehmern begrifflich nicht jene Unternehmer zuzurechnen, deren Tätigkeit bei der Erbringung der ausgeschriebenen Leistung sich auf reine Hilfsfunktionen beschränkt (OLG Naumburg, Beschluss vom 26.01.2005, 1 Verg 21/04; OLG Schleswig, Urteil vom 05.02.2004, NZBau 2004, 405; Rusam in: Heiermann u.a., Handkommentar zur VOB 10. Aufl. 2003, Einführung zu § 8 VOB/A Rn. 13). Dazu mögen grundsätzlich auch Lieferanten von standardisierten Bauelementen zählen; denn das Gesamtbild der zu erbringenden Leistung wird dann wesentlich nicht von der Beschaffenheit der Zulieferteile, sondern von deren Verwendung im Rahmen der Bauausführung geprägt (OLG Schleswig aaO.). So liegt der Fall hier aber nicht: Vielmehr sind die Herstellung/Lieferung der Verkehrszeichen einerseits und deren Anbringung im Zuge der Baumaßnahme andererseits wenigstens gleichwertige Elemente der zu vergebenden Leistung. Ein Bieter, der einen dieser wesentlichen Teilbereiche von vornherein weder abdecken will noch nach den Möglichkeiten seines Betriebs abdecken kann, zieht insoweit nicht einen Dritten für die Erfüllung untergeordneter Hilfsfunktionen heran, sondern verstößt im Ansatz gegen den Grundsatz der Selbstausführung und muss dies auf Verlangen des Auftraggebers mit dem Angebot jedenfalls offen legen; umgekehrt wäre ja auch nicht zweifelhaft, dass ein Schilderhersteller, der sich um den Auftrag bewirbt und zur Montage der Verkehrszeichen ein Drittunternehmen einschaltet, damit einen Nachunternehmer einsetzt. Fehlt es an einer entsprechenden Nachunternehmererklärung, so fehlt es an einer geforderten wettbewerbserheblichen Angabe des Bieters i.S.v. § 21 Nr. 1 Abs. 1 S. 3 VOB/A, was nach der ständigen Rechtsprechung des Senats notwendig zum Wertungsausschluss gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 b VOB/A führen wird (vgl. etwa Senatsurteil vom 11.02.2003, 15 U 1627/01).

2. Ungeachtet dessen ist das im Gewande zivilprozessualen einstweiligen Rechtsschutzes verfolgte Nachprüfungsbegehren hier aber auch dann aussichtslos, wenn man ein wertungsfähiges Angebot auf Seiten der Verfügungsklägerin unterstellt. Denn das mit dem Antrag verfolgte Ziel, der Vergabestelle den Zuschlag untersagen zu lassen und damit den Auftrag für die Verfügungsklägerin zu sichern, lässt sich schlechterdings nicht mehr erreichen, nachdem der Auftrag zivilrechtlich wirksam erteilt ist und seine Ausführung begonnen hat.

a) Der Wirksamkeit der Auftragserteilung steht jedenfalls nicht entgegen, dass es (unstreitig) an einer vorherigen Unterrichtung der Verfügungsklägerin hiervon i.S.d. § 13 VgV gefehlt hat; denn diese Vorschrift gilt für Aufträge, deren Wert die in § 2 VgV geregelten Nettobeträge (Schwellenwerte) nicht erreicht, im Umkehrschluss zu der ausdrücklichen Bestimmung des § 1 VgV nicht. Daran würde sich auch nichts ändern, wenn man die Einführung vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes unterhalb dieser Schwellenwerte von Verfassungs wegen grundsätzlich für geboten hielte.

Denn der Gesetzgeber hat die in den §§ 97 ff GWB (und damit über § 97 Abs. 6 GWB auch mit der Vergabeverordnung) getroffene Regelung explizit auf Verfahren oberhalb der Schwellenwerte beschränkt (vgl. § 100 Abs. 1 GWB) und hieran auch im Rahmen der aktuell geführten Reformdiskussion festgehalten. Angesichts dessen lässt sich Primärrechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte zumindest nicht dergestalt gewähren, dass die hierzu angerufenen Gerichte die vorgenannten Grenzen der gesetzgeberischen Regelung schlicht ignorieren und Vorschriften, die hierfür nach Wortlaut und Sinngehalt nicht gedacht sind, auf Sachverhalte anwenden, die der Gesetzgeber ausdrücklich hiervon ausgeschlossen wissen wollte. Eine Vergabestelle unterliegt daher in einem Vergabeverfahren unterhalb der Schwellenwerte auch angesichts eines anhängigen verwaltungsgerichtlichen oder zivilgerichtlichen Rechtsschutzverfahrens weder ohne weiteres einem Zuschlagsverbot entsprechend § 115 Abs. 1 GWB noch einer Vorabinformationspflicht entsprechend § 13 VgV. Wird mithin - auch noch während eines laufenden Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz - der streitbefangene Auftrag nach allgemeinen Regeln wirksam erteilt, so ist fortan ein auf Unterlassung des Zuschlags gerichtetes Begehren mangels eines tauglichen Regelungsziels unzulässig. So liegt der Fall hier.

b) Denn die Vergabestelle hat mit dem Zuschlagsschreiben vom 04.07.2005 der A GmbH den Zuschlag erteilt. Mit dem Zugang dieses Schreibens beim Adressaten ist der Bauvertrag damit zustande gekommen, wenn die A GmbH Bieter des vorangegangenen Vergabeverfahrens war. Das gleiche Ergebnis würde gelten, wenn man als Bieter statt der A GmbH eine Bietergemeinschaft zwischen diesem Unternehmen und einem Dritten ansehen müsste und das Zuschlagsschreiben die Auslegung zuließe, dass es an die A GmbH als Vertreterin dieser Bietergemeinschaft gerichtet sei. Aber selbst wenn man mit der Verfügungsklägerin davon ausgeht, dass (wofür aus Sicht des Senats wenig spricht) die Vergabestelle mit dem Zuschlagsschreiben ein Angebot angenommen hätte, welches so nicht abgegeben war, läge zwar ein Fall des § 150 Abs. 2 BGB vor, so dass der Vertrag nicht mit dem Schreiben vom 04.07.2005 zustande gekommen wäre, wohl aber mit einer positiven Antwort des Adressaten hierauf; diese liegt indes vor, weil die A GmbH der Vergabestelle unter dem 21.07.2005 die mit dem Zuschlagsschreiben erbetene Mitteilung über die vorgesehene Bauleitung bei der Auftragsdurchführung übersandt und damit konkludent dem Zuschlag zugestimmt hat (Anlage 5 zur Stellungnahme der Vergabestelle gegenüber dem Regierungspräsidium L vom 28.07.2005, Bl. 72 dA).

Zumindest zu diesem Zeitpunkt - und damit sogar noch vor dem Eingang des ersten Rechtsschutzbegehrens der Verfügungsklägerin beim Verwaltungsgericht Leipzig am 25.07.2005 - ist der Vertrag zivilrechtlich wirksam zustande gekommen; ob die Vergabestelle ihn mit diesem Inhalt vergaberechtlich beanstandungsfrei herbeiführen konnte, ist für dieses Ergebnis irrelevant. Überdies ist nach dem unbestritten gebliebenen Vorbringen im ersten Rechtszug mit dem im Zuschlagsschreiben benannten Vertragspartner im Oktober 2005 einvernehmlich die Auftragsdurchführung begonnen worden; angesichts dessen sieht sich der Senat außer Stande, sechs Monate später der Vergabestelle im Wege einstweiligen Rechtsschutzes eine Auftragserteilung zu untersagen, von der die Vergabestelle (nach alledem mit Recht) von Anbeginn des Verfahrens erklärt hat, dass sie aus rechtlichen wie aus tatsächlichen Gründen nicht mehr in Rede stehe.

Der Senat beabsichtigt daher, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO im Beschlusswege zurückzuweisen. Die Verfügungsklägerin mag deshalb erwägen, das Rechtsmittel zur Vermeidung weiterer Kosten zurückzunehmen.

Frist zur Stellungnahme: 12.05.2006.



Ende der Entscheidung

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