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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 22.01.2008
Aktenzeichen: 20 U 821/07
Rechtsgebiete: GWB


Vorschriften:

GWB § 107 Abs. 3
GWB § 115 Abs. 2
1. Hat bei einer nach Anspruchsgrundlagen (hier: werkvertragliche Ansprüche auf Architektenhonorar und Schadensersatzansprüche wegen unterbliebener Unterrichtung über eine vergaberechtliche Rüge) gespaltenten örtlichen Zuständigkeit das zunächst angerufene Gericht über einen Anspruch durch Teilurteil entschieden und den anderen verwiesen, so kann dies mit der Berufung jedenfalls dann nicht mehr als verfahrensfehlerhaft angegriffen werden, wenn das Teilurteil in Rechtskraft erwachsen und das zweite Gericht über den verwiesenen Anspruch verhandelt hat, ohne dass die Verweisung beanstandet worden wär. Die Rechtskraft des Teilurteils beschränkt sich auf die Anspruchsgrundlage, für die das erste Gericht seine Zuständigkeit angenommen hat.

2. Ein Bieter, der im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung über eine von einem Mitbewerber erhobene Vergaberüge hätte unterrichtet werden müssen, kann bei unterbliebener Information Ersatz seiner bei rechtzeitiger Unterrichtung nicht entstandenen Aufwendungen verlangen. Nicht entstanden wären die Aufwendungen regelmäßig, wenn anzunehmen ist, dass der Verzicht auf sie bei erfolgter Auskunft die einzig rationale und sinnvolle Reaktion des Bieters gewesen wäre.


Oberlandesgericht Dresden IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 20 U 821/07

Verkündet am 22.01.2008

In dem Rechtsstreit

wegen Schadenersatzes

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18.12.2007 durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Bastius, Richter am Oberlandesgericht Piel und Richter am Amtsgericht Schneider

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten und ihrer Streithelferin wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 30.04.2007 - 5 O 155/05 - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufungen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin über die durch Teilurteil des Landgerichts Dresden vom 07.01.2005 - 13 O 678/04 - ausgeurteilten 8 100,0 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 06.07.2003 hinaus weitere 30 881,43 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 06.07.2003 zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz und den der Nebenintervenientin darin entstandenen außergerichtlichen Kosten trägt die Klägerin 5/6; ihre weiteren außergerichtlichen Kosten trägt die Nebenintervenientin selbst. Im Übrigen hat die Beklagte die Kosten des ersten Rechtszugs zu tragen.

Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 1/4, die Beklagte zu 3/8 und die Nebenintervenientin ebenfalls zu 3/8. Dasselbe gilt für die außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten sowie die der Nebenintervenientin trägt die Klägerin jeweils zu 1/4. Im Übrigen tragen die Beklagte und die Nebenintervenientin ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung der Klägerin und die Klägerin die Zwangsvollstreckung der Beklagten und der Nebenintervenientin wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v. jeweils 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, solange nicht der jeweils vollstreckende Gläubiger vor seiner Vollstreckung Sicherheit in nämlicher Höhe leistet.

4. Die Beklagte ist mit 30 881,43 EUR beschwert. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Streitwert des Berufungsverfahrens: 42 526,25 EUR.

Gründe:

I.

Die Beklagte schrieb über ihren Eigenbetrieb "K " im September 2001 zum beabsichtigten Neubau eines "interdisziplinären operativen Zentrums" auf dem Klinikgelände Architektenplanungsleistungen im Verhandlungsverfahren nach VOF mit vorangehendem Teilnahmewettbewerb europaweit aus. Schon während der noch laufenden Teilnehmerauswahl beschloss die Vergabestelle auf Betreiben des Stadtplanungsamtes der Beklagten, mit den insgesamt sechs für die eigentliche Verhandlungsrunde zuzulassenden Bewerbern einen in der Ausschreibung zuvor nicht angekündigten hochbaulichen Planungswettbewerb (Gutachtenverfahren) durchzuführen. Nachdem dies von keinem der hieran Beteiligten beanstandet worden war, erhielten die ausgewählten Bieter, zu denen auch die Klägerin zählte, Anfang Februar 2002 die Wettbewerbsunterlagen und erstellten bis Mitte März 2002 die ihnen danach obliegenden Planungsvorschläge.

Vor Aushändigung der Unterlagen für das Gutachtenverfahren hatte die Vergabestelle unter dem 18.01.2002 eine bei der Teilnehmerauswahl nicht zum Zuge gekommene Bewerberin aus dem ursprünglichen Interessenkreis darüber informiert, dass sie im weiteren Verfahren nicht berücksichtigt werden könne. Dagegen erhobene Vergaberügen dieser Bewerberin, mit denen u.a. die Auswahlentscheidung der Beklagten als nicht nachvollziehbar beanstandet wurde, wies die Vergabestelle noch im Januar 2002 schriftlich und mündlich zurück, informierte von diesem Vorgang insgesamt jedoch weder die Klägerin noch die übrigen Beteiligten des Wettbewerbs.

In dem anschließenden Vergabenachprüfungsverfahren haben auf Antrag der übergangenen Bewerberin sowohl die Vergabekammer (Beschluss vom 10.04.2002, Anlage K 10) als auch der Beschwerdesenat des Oberlandesgerichts übereinstimmend festgestellt, dass die Teilnehmerauswahl der Beklagten nicht haltbar war. Im Ergebnis dieses Verfahrens wurde der Planungswettbewerb im Sommer 2002 aufgehoben; im weiteren Verlauf der Vergabe fand die Klägerin keine Berücksichtigung mehr.

Für die von ihr im Gutachtenverfahren erbrachten Leistungen hatte sie mit der vorliegenden Klage zunächst Ansprüche auf Architektenhonorar i.H.v. 234 436,10 EUR nebst Zinsen verlangt, sich daneben jedoch von Anfang an auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aus Verschulden bei Vertragsschluss berufen. Mit Schriftsatz vom 29.11.2004 hat sie wegen einer Neuberechnung der Honorarforderung die Klage auf 214 186,77 EUR ermäßigt und in Höhe der Differenz ausdrücklich zurückgenommen; ihren tatsächlichen Aufwand für die Erstellung der streitbefangenen Planung hat die Klägerin vorsorglich mit 52 294,13 EUR beziffert (zu den Einzelheiten der Schadensberechnung vgl. Schriftsatz vom 27.12.2004 und Anlagen K 16, K 21, Bl. 134 und Bl. 168 ff dA).

Mit rechtskräftig gewordenem Teilurteil vom 07.01.2005 (Bl. 174 ff dA) hat das Landgericht Dresden die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 8 100,00 EUR nebst Zinsen zu zahlen (das ist der Betrag der pauschalen Aufwandsentschädigung, den die Beklagte allen Beteiligten des Gutachtenverfahrens mit dessen Auslobung in Aussicht gestellt hatte); im Übrigen hat das Landgericht Dresden die Klage im Hauptantrag abgewiesen und sich mit einem Beschluss vom gleichen Tage hinsichtlich des Hilfsantrags für örtlich unzuständig erklärt, da es angenommen hat, für den dabei streitgegenständlichen Schadensersatzanspruch gebe es eine Sonderzuständigkeit des Landgerichts Leipzig, an welches der verbliebene Rechtsstreit zugleich verwiesen worden ist. Dort hat die Klägerin Erstattung ihres o.g. tatsächlichen Aufwands, vermindert um die vom Landgericht Dresden zuerkannte Teilzahlung, beantragt und zugleich vorsorglich erklärt, sie nehme "die Klage, soweit sie nicht schon in diesem Umfang rechtskräftig abgewiesen sein sollte, i.H. eines Teilbetrags von 182 142,10 EUR zurück" (vgl. Bl. 232 dA).

Auf die aus Sicht des Landgerichts Leipzig danach verbliebene Klagehauptforderung von 44 194,13 EUR hat es mit dem angefochtenen Urteil nach Beweisaufnahme zur streitigen Schadenshöhe 42 526,25 EUR nebst Zinsen zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Hiergegen haben sowohl die Beklagte als auch - nach Streitverkündung durch die Beklagte - deren Streithelferin, die im Vergabeverfahren als Projektsteuerer der Beklagten tätig gewesen war, in zulässiger Weise Berufung eingelegt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands und der Berufungsbegründungen wird auf die Feststellungen des angegriffenen Urteils (Bl. 403 ff dA) sowie die Schriftsätze der Beklagten vom 03.07.2007 (Bl. 449 ff dA) und der Nebenintervenientin vom 02.08.2007 (Bl. 458 ff dA) sowie die weiteren im Berufungsverfahren eingegangenen Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die Berufungen sind nur teilweise begründet, bleiben überwiegend jedoch ohne Erfolg. Der Senat teilt nach der in der mündlichen Verhandlung vom 18.12.2007 gewonnenen Überzeugung im Ergebnis die Auffassung des Landgerichts, dass die Beklagte dem Grunde nach verpflichtet ist, wegen ihres pflichtwidrigen Verhaltens im Zuge der Vergabe der hier streitbefangenen Architektenplanungsleistungen der Klägerin deren vergebliche Aufwendungen für die Beteiligung am von der Beklagten ausgelobten Gutachtenverfahren zu ersetzen; die Schadensberechnung durch den Senat führt allerdings zu einer Verminderung des zuzusprechenden Schadensersatzbetrages.

1. Soweit die Berufungsführer meinen, die beanstandete Entscheidung des Landgerichts Leipzig sei schon deshalb aufzuheben, weil bereits das Landgericht Dresden über den Klageanspruch insgesamt befunden hätte, vermag der Senat dem nicht zu folgen.

Welche Reichweite der klageabweisende Teil des Urteils vom 07.01.2005 hat, ist im Zweifelsfall aus dem Textzusammenhang der Entscheidung, insbesondere aus den Entscheidungsgründen durch Auslegung zu ermitteln. Im vorliegenden Fall ergibt sich dabei eindeutig, dass das Landgericht Dresden sich ausschließlich mit werkvertraglichen Ansprüchen der Klägerin auf Architektenhonorar befasst hat, bewusst und ausdrücklich nicht jedoch mit solchen aus Verschulden bei Vertragsschluss der Beklagten; nur so erklärt sich auch die Bezeichnung der Entscheidung als Teilurteil. Das Landgericht Dresden hat darin mithin explizit zum Ausdruck gebracht, gerade nicht über den Klageanspruch insgesamt befinden zu wollen; das war - vor dem Hintergrund der von ihm vertretenen Auffassung zu den Grenzen seiner Zuständigkeit - im Ansatz auch konsequent. Ob im Falle einer Anspruchskonkurrenz bei gespaltener gerichtlicher Zuständigkeit eine Teilverweisung des Rechtsstreits sich verfahrensrechtlich empfiehlt, mag zwar zweifelhaft sein; die neuere höchstrichterliche Rechtsprechung wird hier eher zur Annahme einer einheitlichen Zuständigkeit des zunächst angegangenen Gerichts kraft Sachzusammenhangs tendieren (vgl. BGH NJW 2003, 828; vgl. auch Zöller/Vollkommer, 26. Aufl. 2007, § 12 ZPO Rn. 20 f). Der vom Landgericht Dresden verfolgte Lösungsweg wird - auch gegenüber der vorgenannten Judikatur - allerdings weiterhin vertreten (vgl. etwa Musielak/Heinrich, 5. Aufl. 2007, § 12 ZPO Rn. 9-12; MünchnerKommentar/Patzina, 3. Aufl. 2008, § 12 ZPO Rn. 51), und keiner der am vorliegenden Verfahren Beteiligten hat ihn seinerzeit beanstandet, so dass das Teilurteil vom 07.01.2005 rechtskräftig geworden ist und das Landgericht Leipzig über den verwiesenen Restanspruch rügelos verhandelt hat. Diesen Sachstand hat der Senat daher seiner Würdigung im Berufungsrechtszug zugrunde zu legen.

2. Der Senat teilt auch nicht die Ansicht der Berufungsführer, die - vorsorglich erklärte - Teilklagerücknahme der Klägerin im Termin vom 18.10.2005 vor dem Landgericht Leipzig (vgl. Bl. 232 dA) habe sich jedenfalls auch auf einen Teil des verwiesenen Schadensersatzanspruchs bezogen. Vor dem Hintergrund des vorangegangenen Teilurteils und des gleichzeitigen Verweisungsbeschlusses, in deren Folge das Schadensersatzbegehren insgesamt, aber auch nur dieses der Entscheidungszuständigkeit des Landgerichts Leipzig zugewiesen wurde, hatten die Ausführungen des Klägervertreters zur vorsorglichen Teilklagerücknahme ersichtlich nur den Sinn, eben dies klarzustellen; der dabei angegebene Rücknahmebetrag von 182 142,10 EUR entspricht nämlich - bis auf eine Abweichung von 0,13 EUR - der Differenz zwischen der ursprünglichen Klageforderung (234 436,10 EUR) und der damals bezifferten Schadensersatzsumme (52 294,13 EUR). Dass diese ursprüngliche Klageforderung mit dem Schriftsatz vom 29.11.2004 bereits zuvor einmal (um 20 249,33 EUR) reduziert worden war, hat weder beim Landgericht Leipzig noch bei den übrigen Verfahrensbeteiligten seinerzeit die Vorstellung hervorgerufen, dass sich der im Termin vom 18.10.2005 angegebene Rücknahmebetrag auf die reduzierte Klagesumme beziehen und damit im Ergebnis einen Teil des Schadensbetrags erfassen solle. Das wäre überdies mit dem tags zuvor (Schriftsatz vom 17.10.2005, Bl. 230 dA) ausdrücklich angekündigten und im Termin dann auch gestellten Antrag (Bl. 233 dA) unvereinbar gewesen, der den vollständigen Schadensersatzanspruch, lediglich in sachgerechter Weise vermindert um die durch das Teilurteil zu Lasten der Beklagten bereits ausgeurteilten 8 100,00 EUR, zum Gegenstand hatte. Dem wird das formale Verständnis der Berufungsführer vom Umfang der - letztlich überflüssigerweise, aber veranlasst durch missverständliche Hinweise des Landgerichts - erklärten Klagerücknahme nicht gerecht.

3. In der Sache selbst hält der Senat die vom Landgericht getroffene Entscheidung dem Grunde nach für richtig.

a) Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch aus culpa in contrahendo (§ 311 Abs. 2 BGB n. F.) zu, weil die Beklagte im Rahmen ihrer allgemeinen schuldrechtlichen Verhaltenspflichten gehalten gewesen wäre, die Klägerin über die von einem bei der Teilnehmerauswahl übergangenen Mitbewerber erhobene Rüge i.S.v. § 107 Abs. 3 GWB zu unterrichten. Sie hätte der Klägerin wie den übrigen Wettbewerbsteilnehmern dadurch Gelegenheit geben müssen, das mögliche Risiko abzuwägen, das weitere Investitionen in diesen Wettbewerb nutzlos sein könnten, um dadurch ggf. zu dem Schluss zu kommen, sich am künftigen Verfahren nicht mehr zu beteiligen. Eine entsprechende Auskunftspflicht der Beklagten hat der Bundesgerichtshof in einer das gleiche Beschaffungsvorhaben der Beklagten betreffenden Revisionsentscheidung (Urteil vom 27.06.2007, X ZR 34/04), auf die für die weitere Begründung verwiesen wird, ausdrücklich festgestellt.

b) Diese Pflichtverletzung war zur Überzeugung des Senats auch ursächlich dafür, dass die Klägerin auf ihre Beteiligung an dem am 04.02.2002 beginnenden Gutachtenverfahren nicht verzichtet und damit die schadensstiftenden Aufwendungen ausgelöst hat, über die hier zu befinden ist. Denn infolge der fehlenden Informationen seitens der Beklagten hatte die Klägerin keine Kenntnis davon, dass das Gutachtenverfahren in seinen vergaberechtlichen Voraussetzungen von dritter Seite angefochten war, deshalb in einer drohenden Vergabenachprüfung mit der Aufhebung dieses Verfahrens gerechnet werden musste und infolgedessen für ihre Aufwendungen innerhalb dieses Verfahrens von vornherein keine ernsthafte Amortisationschance zu erwarten war. Den von den Berufungsführern hiergegen erhobenen Einwendungen vermag der Senat nicht zu folgen.

aa) Dabei geht er mit dem Bundesgerichtshof davon aus, dass grundsätzlich der Geschädigte den Ursachenzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des anderen Teils und dem geltend gemachten Schaden als anspruchsbegründende Voraussetzung darzutun und nachzuweisen hat. Die höchstrichterliche Rechtsprechung erörtert allerdings an anderer Stelle durchaus Beweiserleichterungen, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass Gegenstand der Beweisführung eine auf individuellen Wertungen des Geschädigten beruhende hypothetische Reaktion ist, wenn das pflichtwidrige Verhalten des Schädigers, wie hier, gerade in einem Unterlassen besteht und dieses zur Prüfung der schadenstiftenden Kausalität hinweggedacht werden muss. So postuliert etwa BGHZ 89, 95 (103) jedenfalls dann, wenn die Behauptung des Geschädigten, er hätte bei ordnungsgemäßer Aufklärung ein zum späteren Schaden führendes Risiko vermieden, nachvollziehbar und plausibel erscheine, eine Kausalitätsvermutung zugunsten des Geschädigten, weil nur dann der Schutzzweck der gebotenen Aufklärung erreicht werde. In vergleichbarer Weise geht BGHZ 111, 75 (81) davon aus, dass die Frage, ob ein Kaufvertrag bei (unterbliebener) zutreffender Unterrichtung über einen für den Kaufentschluss des geschädigten Vertragspartners erheblichen Umstand nicht oder mit einem anderen Inhalt geschlossen worden wäre, einen hypothetischen und auf der Beweisebene daher nur einem Wahrscheinlichkeitsurteil zugänglichen Sachverhalt betreffe, bei dem Unsicherheiten, ob es ggf. zu einem abweichenden Vertragsschluss gekommen wäre, zu Lasten derjenigen Vertragspartei gingen, die nicht oder unrichtig aufgeklärt hat (vgl. auch BGH NJW 1993, 2434, 2435).

Diese Überlegungen führen zwar nicht zu einer Beweislastumkehr im technischen Sinne, eröffnen der tatrichterlichen Würdigung aber die Möglichkeit einer an typische Geschehensabläufe anknüpfenden Wertung, die letztlich auf der Annahme beruht, dass der Empfänger einer rechtlich gebotenen Information auf deren Erhalt rational ("aufklärungsrichtig") reagiert hätte, solange im Einzelfall nicht konkrete Anhaltspunkte für ein abweichendes Verhalten des Betroffenen erkennbar sind (vgl. Palandt/Heinrichs, 67. Aufl. 2008, § 280 BGB Rn. 39; Palandt/Grüneberg, aaO., Einführung zur BGB-InfoVO Rn. 11, jeweils m.w.N.; vgl. auch MünchKomm/Emmerich, 5. Aufl. 2007, § 311 BGB Rn. 269 f.). Ob sich daraus ein für Schadensersatzbegehren aus pflichtwidrig unterlassener Information allgemein anzuwendender Rechtssatz ergibt, mag dahinstehen. Aus Sicht des Senats gilt dies aber jedenfalls dann, wenn dem Geschädigten, hätte er die ihm geschuldete Unterrichtung denn erhalten, nicht mehrere annähernd gleichwertige Verhaltensalternativen zur Verfügung gestanden hätten, sondern letztlich nur eine vernünftige und - auch unter Berücksichtigung der subjektiven Möglichkeiten des Betroffenen - sinnvolle Reaktion überhaupt in Betracht kam. So liegt der Fall hier. Denn zur Überzeugung des Senats spricht im Ergebnis alles dafür, dass die Klägerin auf ihre Beteiligung an dem Gutachtenverfahren, welches zu den streitbefangenen Planungsaufwendungen erst geführt hat, verzichtet hätte, wenn sie von der Beklagten, wie es deren vom Bundesgerichtshof ausdrücklich bestätigte Pflicht gewesen wäre, vorher über die von einem unberücksichtigt gebliebenen Dritten erhobene Vergaberüge informiert und das daraus der Durchführung des Planungswettbewerbs drohende Risiko der Klägerin vor Augen geführt worden wäre.

bb) Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass zum damaligen Zeitpunkt sowohl die Klägerin als auch die Beklagte, obwohl sie nach den Erwägungen des Bundesgerichtshofs dazu Anlass gehabt hätten, die Durchführung des Gutachtenverfahrens an sich tatsächlich nicht als rechtswidrig angesehen haben. Die Beklagte hat in dem am 06.03.2002 begonnenen Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer, deren Akten das Landgericht Leipzig beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht hat, die Ordnungsmäßigkeit des Gutachtenverfahrens mit Nachdruck verteidigt; dabei war sie sich ihrer Sache so sicher, dass sie sogar einen Antrag auf vorzeitige Zuschlagsgestattung gem. § 115 Abs. 2 GWB gestellt hat. Auch die anwaltlichen Bevollmächtigten der Beklagten sehen in ihrem Verteidigungsschriftsatz vom 15.03.2002 gegenüber dem Nachprüfungsbegehren Vergaberecht durch das Verhalten der Beklagten nicht verletzt, ohne dass dabei die Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit eines nachträglich, wenn auch mit Zustimmung aller hierfür ausgewählten Bieter, in das Verhandlungsverfahren eingeschobenen hochbaulichen Wettbewerbs auch nur angesprochen worden wäre. Der Senat vermag keine Anhaltspunkte dafür zu erkennen, dass die Klägerin zu einer anderen Einschätzung gelangt war.

Mit der im Januar 2002 erhobenen und von der Beklagten verschwiegenen Vergaberüge des für den Planungswettbewerb nicht ausgewählten Mitbewerbers wurden daher erstmals Bedenken gerade gegen diesen Planungswettbewerb thematisiert. Diese Bedenken lagen überdies hinsichtlich der verfehlten Teilnehmerauswahl so deutlich auf der Hand, dass der Vorsitzende der Vergabekammer mit einer verfahrensleitenden Verfügung vom 14.03.2002, also bereits acht Tage nach Antragseingang darauf hinwies, dass der Auswahlprozess "in keiner Weise nachvollziehbar" sei (vgl. Anlage K 10). Die spätere Beschwerdeentscheidung des Vergabesenats stellt in Übereinstimmung hiermit fest, die Vergabeentscheidung der Beklagten (für die Durchführung des Gutachterverfahrens mit den sechs ausgesuchten Bietern) lasse im Ganzen nicht erkennen, auf welchen sie tragenden konkreten Erwägungen sie beruhe. Sie erschöpfe sich vielmehr - ungeachtet weiterer vergaberechticher Bedenken - in einer Summe von Einzelentscheidungen, mit denen bestimmte Teilnehmer "gesetzt", "abgesetzt" und "zugesetzt" worden seien, ohne dass deutlich werde, nach welchen Kriterien die Vergabestelle zu der jeweiligen Einschätzung des Bieters gelangt sei.

Es konnte daher schon im Januar 2002, soweit es hierfür auf Art und Umfang der Vergabefehler der Beklagten ankam, nicht zweifelhaft sein, dass die von dem ausgeschiedenen Mitbewerber erhobene Rüge erfolgreich sein werde. Selbst bei summarischer Prüfung wäre dies für jeden informierten Beteiligten auch ohne vertiefte vergaberechtliche Kenntnisse offenkundig gewesen. Zu diesem Schluss wäre mithin auch die Klägerin gelangt, wenn sie von der Beklagten pflichtgemäß darüber in Kenntnis gesetzt worden wäre, dass das Gutachtenverfahren von dritter Seite beanstandet worden war, und diese Schlussfolgerung hätte um so näher gelegen, je größer die Erfahrung der Klägerin im Umgang mit öffentlichen Vergabeverfahren war. Anhaltspunkte dafür, dass der Dritte seine Rüge nicht weiterverfolgen werde, waren nicht ersichtlich; tatsächlich hat er sie - seiner Interessenlage entsprechend - aufrechterhalten und in beiden Rechtszügen des Nachprüfungsverfahrens erwartungsgemäß obsiegt. Vor diesem Hintergrund kommt der Senat zu dem Schluss, dass die Klägerin bei ordnungsgemäßer Unterrichtung von der erhobenen Rüge und nach deren sachgemäßer Prüfung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu der (zutreffenden) Erkenntnis gelangt wäre, dass das Gutachtenverfahren nicht wie von der Beklagten geplant durchgeführt werden könne und infolgedessen eine Amortisationschance für die bevorstehenden Planungsaufwendungen von vornherein nicht bestand. Was die Klägerin dann gleichwohl hätte veranlassen sollen, diese Aufwendungen zu tätigen, erschließt sich dem Senat nicht.

cc) Die Beklagte selbst hat - im Anschluss an die Ausführungen des BGH vom 27.06.2007 - mit dem Schriftsatz vom 10.01.2008 mit Recht darauf verwiesen, dass diese Amortisationschancen für die streitbefangenen Aufwendungen nicht durch die Rüge des übergangenen Mitbewerbers selbst bedroht waren, sondern von der Wahrscheinlichkeit ihrer erfolgreichen Durchsetzung in einem Nachprüfungsverfahren. Gerade dies rechtfertigt jedoch die Annahme, dass die Klägerin auf eine kostenträchtige Beteiligung am Gutachtenverfahren verzichtet hätte, wenn sie die ihr geschuldeten Informationen von der Beklagten erhalten hätte. Denn tatsächlich lag - ungeachtet anderer vergaberechtlicher Defizite - das konkrete Risiko der Aufhebung dieses Verfahrens Ende Januar 2002, d. h. vor Entstehung der im Streit befindlichen Planungskosten, allein in dem Vorgehen des ausgeschiedenen Mitbewerbers begründet, weil alle anderen Beteiligten zum damaligen Zeitpunkt das Vergabeverhalten der Beklagten akzeptiert hatten. Der Erfolg dieser Rüge stand mit ihrer Erhebung aber praktisch fest. Einen unter diesen Voraussetzungen auch nur diskussionswürdigen Grund, der die Klägerin, wäre sie über das zugrunde liegende Risiko von der Beklagten pflichtgemäß unterrichtet worden, dennoch dazu hätte bewegen können, weitere Investitionen in den Wettbewerb vorzunehmen, obwohl diese bei realistischer Betrachtung von vornherein nutzlos erscheinen mussten, vermag der Senat nicht zu erkennen. Das gilt um so mehr, als die Klägerin, wie sie in der mündlichen Verhandlung vom 18.12.2007 unwidersprochen angegeben hat, im Winter 2001/2002 insgesamt über eine so gute Auftragslage verfügte, dass sie die für die Bearbeitung des Gutachtenverfahrens der Beklagten eingesetzten persönlichen und sachlichen Mittel von der Bearbeitung anderer Objekte hat abziehen müssen.

Nichts anderes gilt zur Überzeugung des Senats im Übrigen dann, wenn der Klägerin bereits zur Zeit der Einleitung des Gutachtenverfahrens dessen Vergaberechtswidrigkeit bewusst gewesen sein sollte. Solange sie von der Beklagten - wie geschehen - an diesem Verfahren beteiligt war, hatte sie keine Veranlassung, von sich aus von einer Mitwirkung abzusehen. Eine ihr rechtzeitig bekannt gegebene Rüge eines nicht berücksichtigten Konkurrenten hätte ihr dann aber mehr noch als bei einer bis dahin bestehenden irrigen Annahme, das Gutachtenverfahren sei nicht zu beanstanden, Anlass geben müssen, von einer weiteren Beteiligung abzusehen, musste ihr dann doch der Erfolg der Beanstandung - weil ihrer eigenen Einschätzung entsprechend - als sicher erscheinen. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, in einer solchen Konstellation sei die Klägerin nicht in schützenswertem Vertrauen enttäuscht, so dass eine Haftung der Beklagten aus c.i.c. - eben für enttäuschtes Vertrauen - nicht in Betracht komme. Denn die Klägerin durfte auch dann, wenn sie (wofür tatsächlich nichts spricht) eigene Erkenntnisse über die Vergaberechtswidrigkeit des Gutachtenverfahrens an sich gehabt hätte, darauf vertrauen, dass die Beklagte sie im Rahmen ihrer allgemeinen schuldrechtlichen Verhaltenspflichten im Vertragsanbahnungsverhältnis auch über die zusätzlichen Risiken aus ihrem Verantwortungsbereich informieren werde, die für die Entschließungen des möglichen künftigen Vertragspartners entscheidungserheblich waren.

dd) Diesem Ergebnis steht die Überlegung der Beklagten, üblicherweise nähmen Bieter nach der Rüge eines Mitbewerbers gerade nicht Abstand von einer weiteren Beteiligung an einem Vergabeverfahren, nicht entgegen. Zunächst entspricht es der tatrichterlichen Erfahrung des Senats eher, dass die Vergabestellen eine von einem Bieter erhobene Vergaberüge, die sie für unbegründet halten, den Mitbewerbern erst gar nicht mitteilen. Zum anderen werden vergaberechtliche Beanstandungen erfahrungsgemäß weit überwiegend nicht als Aufklärungsrügen vor dem Entstehen der kalkulatorischen Aufwendungen der Bieter erhoben, sondern danach, etwa als Wertungsrügen bezogen auf das eigene oder das Angebot eines Konkurrenten. Eine Risikoabwägung im Hinblick auf vorvertragliche Aufwendungen, wie sie hier in Rede steht, käme dann aber von vornherein nicht in Betracht. Dass die schadenstiftende Ausgangssituation des vorliegenden Falls im Januar/Februar 2002 singulär erscheinen mag, liegt zur Überzeugung des Senats mithin daran, dass Bieter in Vergabeverfahren in der Regel nicht in Situationen gelangen, in denen ihre Entscheidung über weitere Investitionen zur Erlangung des Auftrags von Informationen abhängt, wie die Beklagte sie hier hätte erteilen müssen, und nicht daran, dass Bieter üblicherweise Aufwendungen tätigen, von denen sie - bei vollständiger Sachverhaltskenntnis - annehmen müssen, dass sie nicht nur risikobehaftet, sondern sinnlos sein würden.

4. Der Berechnung des Schadens der Klägerin, für den die Beklagte nach alledem einzustehen hat, vermag der Senat indes nicht in allen Punkten zu folgen. Die Klägerin ist im Ergebnis so zu stellen, wie sie ohne das pflichtwidrige Verhalten der Beklagten stehen würde. Wäre sie pflichtgemäß vollständig unterrichtet worden, hätte sie auf eine Teilnahme am Gutachtenverfahren verzichtet; ihr sind mithin die Aufwendungen zu erstatten, die ihr durch ihre Beteiligung an einem Projekt entstanden sind, dessen Durchführung, was die Beklagte wissen musste, von Anfang an aussichtslos war, weil es vergaberechtlichen Beanstandungen von dritter Seite ausgesetzt war, deren Erfolg mit höchster Wahrscheinlichkeit zu erwarten war. Hätte die Klägerin auf diese Beteiligung verzichtet, wären ihr daraus keine projektbezogenen Personal- und Sachkosten entstanden. Das rechtfertigt es aber nicht, in diese Personalaufwendungen auch die nicht projektbezogenen Gemeinkosten des klägerischen Geschäftsbetriebs einzurechnen.

Die von der Klägerin demgegenüber zitierte gegenteilige Rechtsprechung betrifft einen anderen Sachverhalt: Denn dort ging es stets um den Ersatz des positiven Interesses, also um entgangenen Gewinn aus einem pflichtwidrig nicht erteilten Auftrag oder um die vereinbarte Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen beim vorzeitig gekündigten Vertrag. Der in einem solchen Fall vom Auftraggeber zu leistende Ersatz umfasst auch den Deckungsbeitrag, der bei einem durchgeführten Auftrag auf die Gemeinkosten des Auftragnehmers zu erwirtschaften gewesen wäre. Darum geht es hier jedoch nicht; der von der Klägerin ersetzt verlangte Betrag pro Mitarbeiter und Einsatzstunde reduziert sich daher um den darin enthaltenen Gemeinkostenblock von 19,89 EUR, bei insgesamt 516 abgerechneten Stunden also um zusammen 10 263,24 EUR. Für die Anzahl der in die Berechnung einzubeziehenden Stunden sowie deren Vergütung im Übrigen nimmt der Senat Bezug auf die Auskünfte der Zeugen Pfaff und Reichert, deren Würdigung durch das Landgericht der Senat beipflichtet.

Auch die geltend gemachten Nebenkosten sind nicht vollständig von der Beklagten zu ersetzen. Denn es ist nicht ersichtlich, warum der Zeitaufwand von Mitarbeitern der Klägerin für Fahrten nach und zurück mit anderen Stundensätzen kalkuliert ist als der bei der Bearbeitung des Projekts selbst. Setzt man auch hier die vom Senat im Übrigen für gerechtfertigt erachteten Stundensätze (also ohne eingerechnete Gemeinkosten) an, so reduzieren sich die Nebenkosten auf 3 514,92 EUR netto. Hierauf kann Mehrwertsteuer nicht verlangt werden, weil der Ersatzberechtigte auf seine Schadensersatzforderung auch keine Mehrwertsteuer zu zahlen hat.

Insgesamt ergibt sich daraus eine berechtigte Klageforderung i.H.v. 30 881,43 EUR (projektbezogene Personalkosten von 35 466,51 EUR zzgl. gem. § 3 ZPO geschätzter Nebenkosten von 3 514,92 EUR, vermindert um den durch das Teilurteil des Landgerichts Dresden bereits ausgeurteilten Betrag von 8 100,00 EUR). Dieser Betrag ist ab 06.07.2003 in gesetzlicher Höhe von der Beklagten zu verzinsen, weil sie mit der von ihr geschuldeten Erstattung jedenfalls seit diesem Zeitpunkt in Verzug war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1 und 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil das Urteil über eine einzelfallbezogene tatrichterliche Würdigung nicht hinausgeht und daher weder eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Revisionsentscheidung erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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