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Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 21.01.1999
Aktenzeichen: 21 U 2423/98
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, GBO


Vorschriften:

BGB § 879 Abs. 1
BGB § 883 Abs. 1 Satz 2
BGB § 883 Abs. 2
BGB § 888 Abs. 1
BGB § 888 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 100 Abs. 1
ZPO § 156
ZPO § 283 Satz 2
ZPO § 523
ZPO § 711
GBO § 19
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Dresden

Aktenzeichen: 21 U 2423/98 11 O 1361/98 LG Dresden

Verkündet am 21.01.1999 Die Urkundsbeamtin:

Justizsekretärin

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

In dem Rechtsstreit

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

- Kläger und Berufungskläger -

Prozessbevollmächtigte für die Kläger zu 1) bis 13): Rechtsanwälte

gegen

- Beklagte und Berufungsbeklagte -

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte

hat der 21. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10.12.1998 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht

für Recht erkannt:

1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 25.06.1998 wird zurückgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung von 10.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Parteien können die Sicherheit leisten durch selbstschuldnerische, unbefristete, unbedingte und unwiderrufliche Bürgschaft eines als Zoll- oder Steuerbürgen zugelassenen deutschen Kreditinstituts.

4. Der Wert der Beschwer beträgt 115.000,00 DM.

Tatbestand:

Die Kläger begehren als vormerkungsgesicherte Wohnungseigentumskäufer Zustimmung der Beklagten zur Löschung der zu ihren Gunsten eingetragenen Vormerkung auf Eintragung von Bauhandwerkersicherungshypotheken.

Die Kläger kauften durch notarielle Bauträgerverträge Mit- und Sondereigentumsanteile an dem Grundstück, eingetragen im Grundbuch von , Blatt 1400 zu bildenden Teilflächen (Bl. 78 - 282 d. A.). Veräußerer ist die im Grundbuch als Eigentümerin eingetragene (im folgenden: ). Zugunsten der Kläger wurden zwischen dem 27.03.1996 und dem 02.05.1997 in Abteilung II des Grundbuches Auflassungsvormerkungen eingetragen.

Die Beklagte wurde von der Fa. als Bauunternehmerin beauftragt und erwirkte durch einstweilige Vergügung des Amtsgerichts Meißen vom 24.06.1997 (Az.: 4 C 0777/97) Vormerkungen auf Eintragungen von Bauhandwerkersicherungshypotheken. Diese wurden am 01.07.1997 im o. g. Grundbuchblatt in Abt. III, Nrn. 14 - 16 mit jeweils gleichem Rang eingetragen; sie sind gegenüber den zugunsten der Kläger eingetragenen Auflassungsvormerkungen nachrangig.

Die Kläger sind der Auffassung, im Hinblick auf die zu ihren Gunsten eingetragenen Eigentumsvormerkungen könnten sie von der Beklagten Zustimmung verlangen zur Löschung der zu ihren Gunsten vorgemerkten Zwangssicherungshypotheken.

Die Kläger haben in der ersten Instanz beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihre Zustimmung zur Löschung der im Grundbuch von , Blatt 1400, dritte Abteilung, lfd. Nrn. 14, 15 und 16 zu ihren Gunsten eingetragenen Vormerkungen im Nennbetrag von DM 268.410,46 zu lfd. Nr. 14, von DM 16.156,51 zu lfd. Nr. 15 und von DM 50.101,82 zu lfd. Nr. 16 zu erteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, mangels Fälligkeit der vorgemerkten Ansprüche der Kläger auf Eigentumsverschaffung sei sie zur Löschungszustimmung nicht verpfichtet.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 25.06.1997 die Klage abgewiesen. Zwar seien die zu Gunsten der Beklagten eingetragenen Vormerkungen auf Hypothekeneintragung nachrangig gegenüber den klägerischen Eigentumsverschaffungsansprüchen. Gleichwohl stünde der Beklagten solange ein schutzwürdiges Interesse am Fortbestand des vorgemerkten Sicherungspfandrechts zu, als nicht das Eigentumrecht der Kläger im Grundbuch eingetragen sei. Vorliegend bestünden zudem an der Fälligkeit der Eigentumsverschaffungsansprüche erhebliche Zweifel, da die notariellen Kaufverträge bereits im Jahre 1992 abgeschlossen worden seien.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger. Ergänzend zum erstinstanzlichen Vortrag tragen sie vor, ihre Eigentumseintragung im Grundbuch stehe unmittelbar bevor. Der hierzu in den notariellen Kaufverträgen angewiesene Amtsnotar ( ) habe mit Schreiben vom 23.04.1998 und vom 17.09.1998 Anträge auf Eintragung sämtlicher Kläger beim Grundbuchamt in gestellt.

Die Kläger beantragen,

Das Urteil des Landgerichts Dresden vom 25.06.1997 zu Az. 11 O 1361/98 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, ihre Zustimmung zur Löschung der im Grundbuch von , Blatt 1400, 3. Abteilung, laufende Nummern 14, 15 und 16 zu ihren Gunsten eingetragennen Vormerkungen im Nennbetrag von DM 268.410,46 zu laufender Nummer 14, von DM 16.156,51, zu laufender Nummer 15 und von DM 50.102,82 zu laufender Nummer 16 auf Einräumung entsprechender Sicherungshypotheken zu erteilen.

Die Beklagte beantagt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist weiterhin der Auffassung, sie sei vor Eintragung des jeweiligen Eigentumsrechts der Kläger im Grundbuch nicht zur Löschungszustimmung verpflichtet.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 293 d. A.), die Sitzungsniederschrift erster Instanz vom 25.06.1998 (Bl. 283 d. A.), die Schriftsätze zweiter Instanz der Kläger vom 10.10.1998 (Bl. 318 d. A.), 02.12.1998 (Bl. 354 d. A.) und vom 10.12.1998 (Bl. 367 d. A.) und der Beklagten vom 19.10.1998 (Bl. 350 d. A.) und den nachgelassenen Schriftsatz vom 07.01.1999 (Bl. 437 d. A.) sowie die Sitzungsniederschrift des Senats vom 10.12.1998 (Bl.432 d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Kläger hat keinen Erfolg.

I.

Das Landgericht hat die auf § 888 Abs. 1, § 883 Abs. 2 BGB gestützte Klage auf Zustimmung zur Löschung der eingetragenen Vormerkungen zur Eintragung von Bauhandwerkersicherungshypotheken zutreffend abgewiesen.

Diese Vormerkungen vom 01.07.1997 sind zwar beeinträchtigende Verfügungen im Sinne § 883 Abs. 2 BGB im Verhältnis zu den bereits früher, bis 02.05.1997, eingetragenen Auflassungsvormerkungen zugunsten der Kläger und deshalb im Verhältnis zu diesen relativ unwirksam (nachfolgend 1.). Gleichwohl können die Kläger Löschung erst verlangen, wenn sie als Eigentümer im Grundbuch eingetragen sind (nachfolgend 2.). Allein die Fälligkeit des Eigentumsverschaffungsanspruches reicht hierfür nicht aus, so dass es auf die zwischen den Parteien streitig beantwortete Frage der Fälligkeit nicht ankommt. Zudem bedürfen die Kläger zur Eintragung ihrer Eigentumseintragung nicht der Zustimmung der Beklagten (nachfolgend 3.).

1. Die zugunsten der Beklagten eingetragenen Vormerkungen auf Eintragung von Bauhandwerkersicherungshypotheken stellen in Bezug auf die zugunsten der Kläger zeitlich früher eingetragenen Auflassungsvormerkungen beeinträchtigende Verfügungen im Sinne § 883 Abs. 1 S. 2 BGB dar.

Unter den Begriff der Verfügung im Sinne der Vorschrift fällt die Eintragung einer nachrangigen Vormerkung (OLG Düsseldorf MDR 1991, 440; Staudinger-Gursky, BGB, 13. Bearbeitung, § 883 Rdn. 138; Münchener Kommentar-Wacke, BGB, 3. Auflage, § 883 Rdn. 41 jeweils m.w.N.). Das Rangverhältnis mehrerer Rechte, mit denen ein Grundstück belastet ist, richtet sich, wenn die Rechte in verschiedenen Abteilungen des Grundbuchs eingetragen sind, nach dem Tag der Eintragungen, wobei das unter Angabe eines früheren Tages eingetragene Recht den Vorrang hat, § 879 Abs. 1 Satz 2 BGB. Da die zugunsten der Beklagten in Abteilung III eingetragenen Vormerkungen erst am 01.07.1997 unter den Nrn. 14 - 16 des Grundbuchblattes 1400 des Grundbuches von Wilsdruff eingetragen wurden, gehen sie im Rang den dort in Abteilung II, Nrn. 2 ff. bereits bis zum 02.05.1997 eingetragenen Auflassungsvormerkungen der Kläger nach.

Diese nachrangigen Vormerkungen der Beklagten sind beeinträchtigend i. S. § 883 Abs. 2 Satz 1 BGB. Ob und inwieweit eine vormerkungswidrige Verfügung den gesicherten Anspruch vereitelt oder beeinträchtigt, richtet sich nach seinem Inhalt (BauObLGZ 1976, 160, 162; Müchener Kommentar-Wacke, aaO, § 883 Rdn. 44). Ist - wie vorliegend zugunsten der Kläger - lastenfreier Eigentumserwerb vorgemerkt und vormerkungswidrig eine Vormerkung auf Eintragung einer Hypothek eingetragen, so ist diese beeinträchtigend (vgl. Münchener Kommentar-Wacke, aaO Rdn. 11 m.w.N.).

2. Gleichwohl können die Kläger Zustimmung zur Löschung erst nach Eintragung ihres Eigentums im Grundbuch verlangen.

Denn erst mit Eintragung des Vollrechts zugunsten der Kläger verwirklicht sich die in § 879 Abs. 1 BGB geregelte Rangwahrung (vgl. Palandt-Bassenge, BGB, 58. Auflage, § 883 Rdn. 30), wobei auch Auflassungsvormerkungen rangfähig sind (BayObLG NJW-RR 1991, 567; BGH WM 1986, 46, 48; Staudinger-Gursky, aaO, § 883 Rdn. 178 m.w.N.). Vor der Eintragung des Eigentumsrechts der Kläger ist dagegen, unabhängig von der Fälligkeit des Eigentumsverschaffungsanspruchs, noch offen, ob es tatsächlich zu einem späteren Zeitpunkt zur Vollrechtseintragung kommt und dann das Rangverhältnis rechtliche Wirkung zeigt. Der vorrangig Vormerkungsberechtigte kann deshalb vor Vollrechtseintragung nicht die Zustimmung zur Löschung nachrangiger vormerkungsgesicherter Rechte verlangen. Das gilt jedenfalls im Verhältnis mehrerer Vormerkungen, die - wie vorliegend - sämtlich auf die Eintragung von Grundstücksrechten i. S. § 879 Abs. 1 BGB gerichtet sind (Staudinger-Gursky, aaO). Denn im Verhältnis mehrerer kollidierender Vormerkungen kann es immer nur um eine Wirksamkeitsreihenfolge gehen, die aber erst mit Eintragung des vorrangigen Rechts bedeutsam wird (vgl. Staudinger-Gurksy, aaO, § 883 Rdn. 178; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 8. Auflage, Rdn. 252; Münchener Kommentar-Wacke, § 888 Rdn. 11; LG Frankenthal RPfleger 1984, 407; OLG Düsseldorf MDR 1991, 440).

Vorliegend ist die Vollrechtseintragung der Kläger unstreitig bis zum Schluss der mündlichen Berufungsverhandlung am 10.12.1998 nicht erfolgt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem nachträglich eingegangenen Schriftsatz der Kläger vom 15.01.1999 (Bl. 448 d. A.), der schon deshalb keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der geschlossenen Verhandlung gibt (§§ 156, 523 ZPO). Es kommt deshalb nicht darauf an, ob mit der Stellung von Auflassungsanträgen durch den hiermit betrauten Notar ( ) mit dessen Schreiben vom 23.04.1998 und 17.09.1998 gleichzeitig von der Fälligkeit der Ansprüche der Kläger auf Eigentumsverschaffung auszugehen ist oder ob diese hierzu das Vorliegen einzelner Fälligkeitsvoraussetzungen (Zahlung usw.) darzutun haben.

3. Zudem kann Zustimmung nach § 888 Abs. 1 Satz 1 BGB nur verlangt werden, soweit diese erforderlich ist "zur Verwirklichung des durch die Vormerkung gesicherten Anspruchs". Auch das Vorliegen dieser Notwendigkeit ergibt sich aus dem Vortrag der Kläger nicht.

Nach h. M. kommt dieser Zustimmung lediglich verfahrensrechtliche, keine materiell-rechtliche Bedeutung zu, da mit ihr nur dem formellen Konsensprinzig (§ 19 GBO) Genüge getan werden soll (BGHZ 49, 263, 266; BayObLG NJW-RR 1990, 722, 724; Palandt-Bassenge, aaO, § 888 Rdn. 4; Staudinger-Gursky, aaO, § 888 Rdn. 16). Danach (§ 19 GBO) erfolgt eine Eintragung, wenn derjenige sie bewilligt, dessen Recht von ihr betroffen wird. Beim Eigentumserwerb ist das der im Grundbuch als Grundstückseigentümer Legitimierte. Dagegen bedarf es zum Eigentumserwerb nicht der Zustimmung eines Hypothekars, sondern allenfalls eines vormerkungswidrig eingetragenen Grundstückserwerbers (Müchener KommentarWacke, aaO, § 888 Rdn. 11; BGB RGRk-Augustin, BGB, 12. Auflage, § 888 Rdn. 5), so dass vorliegend (formell) die Zustimmung der Beklagten zur Löschung ihrer vorgemerkten Rechte zur Verwirklichung des Eigentumsrechts der Kläger nicht erforderlich im Sinne § 883 Abs. 1 BGB und der hierauf gerichtete Anspruch unbegründet ist.

Die Berufung ist daher zurückzuweisen.

Der nicht nachgelassene (§ 283 Satz 1 ZPO) und nach Schluss der mündlichen Berufungsverhandlung am 15.01.1999 eingegangene Schriftsatz der Kläger vom selben Tag gibt keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung und ist der Entscheidung des Senats nicht zugrundegelegt worden (§ 283 Satz 2 ZPO).

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 100 Abs. 1 ZPO.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar nach § 708 Ziffer 10, § 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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