Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 12.02.2002
Aktenzeichen: 22 WF 470/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 120 Abs. 4 S. 3
ZPO § 628
Die in § 120 Abs. 4 Satz 3 ZPO bestimmte Frist beginnt, wenn einem Scheidungsantrag gemäß § 628 ZPO vor der Entscheidung über eine Folgesache - hier Versorgungsausgleich - stattgegeben wird, nicht bereits mit der Rechtskraft des Scheidungsausspruchs, sondern erst mit der Rechtskraft der Entscheidung über die Folgesache, oder wenn in der Folgesache eine "sonstige Beendigung des Verfahrens" eintritt.
Oberlandesgericht Dresden Beschluss

Aktenzeichen: 22 WF 0470/00

des 22. Zivilsenats - Familiensenat -

vom 12. Februar 2002

In der Familiensache

wegen Ehescheidung hier: Prozesskostenhilfe

hat der 22. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Dresden ohne mündliche Verhandlung durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht xxxxxx, Richter am Landgericht xxxxxxxxx und Richterin am Amtsgericht xxxxxxxxxx

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichtes - Familiengericht - Leipzig vom 26.05.2000 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Im zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren wurde die Ehe der Antragstellerin mit dem Antragsgegner durch Urteil des Amtsgerichtes - Familiengericht - Leipzig vom 07.03.1996 rechtskräftig geschieden. Der Antragstellerin war durch Beschluss des Familiengerichtes vom 25.05.1994 ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt worden.

Zum damaligen Zeitpunkt verfügte die Antragstellerin über Erwerbseinkünfte in einer Größenordnung von 2.700,00 DM monatlich.

Nach Überprüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse wurde durch Beschluss des Familiengerichtes vom 26.05.2000 in Abänderung des ursprünglichen Prozesskostenhilfebeschlusses vom 25.05.1994 angeordnet, dass die Antragstellerin am 01.08.2000 eine Einmalzahlung in Höhe von 2.501,37 DM zu leisten hat. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass ausgehend von einem monatlichen Nettoeinkommen von 4.766,90 DM sowie Unterhaltszahlungen in Höhe von 350,00 DM und Kindergeld in Höhe von 540,00 DM nach Abzug des Parteifreibetrages in Höhe von 672,00 DM, der Freibeträge für zwei Kinder in Höhe von jeweils 473,00 DM, des Erwerbstätigenbonus, der Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 894,60 DM und 50,20 DM, der Rentenversicherung in Höhe von 350,00 DM, der Unfallversicherung in Höhe von 49,00 DM sowie der Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 529,15 DM und der geltend gemachten Werbungskosten in Höhe von insgesamt 228,53 DM (103,53 DM + 125,00 DM) sich ein einzusetzendes Einkommen in Höhe von 1.676,42 DM errechne, woraus sich eine Monatsrate in Höhe von 776,42 DM ergebe. Allerdings dürfe Prozesskostenhilfe nur bewilligt werden, wenn die Kosten der Prozessführung der Partei vier Monatsraten übersteigen würden.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrem als Erinnerung bezeichneten Schreiben vom 16.06.2000, mit dem sie geltend macht, dass die Entscheidung des Familiengerichtes nicht innerhalb von vier Jahren ergangen sei.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 21.07.2000 der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige Beschwerde ist unbegründet.

1.

Nach § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO kann das Gericht die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen ändern, wenn sich die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben. Eine solche Änderung liegt hier vor, denn die Antragstellerin verfügt mittlerweile nicht mehr über einen monatlichen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 2.700,00 DM, welcher dem ursprünglichen Prozesskostenhilfe-Bewilligungsbeschluss am 25.05.1994 zugrunde gelegt worden war, sondern über ein monatliches Bruttoeinkommen in Höhe von 6.000,00 DM.

Anhaltspunkte dafür, dass in den Jahren 2001 und 2002 durch die Antragstellerin ein geringeres Einkommen erzielt wurde und wird, hat der Senat nicht, weshalb auch für das vergangene und das laufende Jahr von diesem Einkommen ausgegangen wird.

Zutreffend hat das Familiengericht in den Gründen seines Beschlusses vom 26.05.2000 ein einzusetzendes Einkommen der Antragstellerin in Höhe von 1.676,42 DM errechnet. Daraus ergeben sich nach der Tabelle zu § 115 Abs. 1 Satz 4 ZPO monatliche Raten in Höhe von (600,00 DM + 176,42 DM) 776,42 DM.

Allerdings wird Prozesskostenhilfe nicht bewilligt, solange die Kosten der Prozessführung der Partei vier Monatsraten nicht übersteigen, § 115 Abs. 3 ZPO. Dies ist hier der Fall. Aus den bei den Akten befindlichen Kostenfestsetzungen ergeben sich die der Antragstellerin in der Vorinstanz entstandenen Kosten. Diese betragen (2.295,87 DM + 205,50 DM) 2.501,37 DM und halten sich damit innerhalb der Grenze des § 115 Abs. 3 ZPO von hier (776,42 DM x 4) 3.105,68 DM.

2.

Schließlich kann auch nicht außer Acht bleiben, dass aus der Erklärung der Antragstellerin über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 10.02.2000 hervorgeht, dass die Antragstellerin über ein Sparguthaben von insgesamt ca. 18.800,00 DM verfügt.

Hat eine Partei Vermögen erlangt, so hat sie dieses einzusetzen, soweit ihr dies zumutbar ist, § 115 Abs. 2 ZPO. Nach der gemäß § 115 Abs. 2 Satz 2 ZPO entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 88 BSHG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b der Verordnung zu § 88 Abs. 2 Ziffer 8 und Abs. 4 BSHG kommt der Antragstellerin ein sogenannter Schonbetrag von 4.500,00 DM zuzüglich eines weiteren Betrages von je 500,00 DM für die beiden minderjährigen Kinder zugute, von dessen Einsatz die (Fort-)Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht abhängig gemacht werden darf. Unter Berücksichtigung des Schonbetrages von 5.500,00 DM verbleibt ein Betrag von 13.300,00 DM, den die Antragstellerin für Prozesskosten einsetzen kann. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint die von der Rechtspflegerin angeordnete Einmalzahlung nicht ausnahmsweise unzumutbar.

3.

Obgleich die Abänderung nach § 120 Abs. 4 Satz 3 ZPO ausgeschlossen ist, wenn seit dem Ende des Verfahrens, für das Prozesskostenhilfe bewilligt worden war, mehr als vier Jahre vergangen sind, konnte das Familiengericht vorliegend die Abänderungsentscheidung am 26.05.2000 noch treffen. Denn die Vier-Jahres-Frist beginnt erst mit der Rechtskraft der Entscheidung oder der sonstigen Beendigung des Verfahrens zu laufen. Maßgebend ist der Zeitpunkt der Beendigung des Verfahrens insgesamt (vgl. MünchKomm/Wax, ZPO, 2. Aufl., § 120, Rdnr. 21) . Vorliegend wurde eine Vorwegentscheidung in der Scheidungssache getroffen, der Versorgungsausgleich also vom Verbund abgetrennt mit der Folge, dass er weiter zu betreiben ist. Die Abtrennung eines Folgeverfahrens gemäß § 628 ZPO führt nicht zu einer echten Verfahrenstrennung. Es ergehen vielmehr lediglich zeitlich versetzte Teilentscheidungen in einem einzigen Verfahren. Die abgetrennte Sache behält ihren Charakter als Folgesache und bildet wegen ihrer Abhängigkeit von der Ehesache mit dieser ein Verfahren. Dementsprechend sind auch die gemäß § 93 a Abs. 1 Satz 1 ZPO in diesen Teilentscheidungen ergehenden Kostenaussprüche Teile einer einheitlichen Kostenentscheidung (Zöller/Philippi, ZPO, 22. Aufl., § 628, Rdnr. 21; MünchKomm, ZPO, 2. Aufl., § 628, Rdnrn. 26 und 27) . Auch wirkt für die Folgesache kraft Erstreckung nach § 624 Abs. 2 ZPO die bewilligte Prozesskostenhilfe nach der Abetrennung weiter.

Vorliegend hat das Verfahren insbesondere auch aus der Sicht der Parteien weder tatsächlich noch rechtlich geendet. Die Antragstellerin hat gegen die erteilte Rentenauskunft Widerspruch eingelegt, der Antragsgegner hat den Versicherungsverlauf beanstandet. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte hat den Vorgang an die Widerspruchsstelle der BfA abgegeben. Das Familiengericht, das zur Amtsermittlung verpflichtet ist, hat den Versorgungsausgleich auch weiter betrieben. Mit Verfügung vom 25.10.1996 wurden den Parteien die hierzu beabsichtigten weiteren Maßnahmen mitgeteilt. Es konnte daher auch nicht der Eindruck entstehen, das Verfahren sei beendet. Eine Beendigung des Verfahrens in sonstiger Weise i. S. der Ausschlussfrist des § 120 Abs. 4 Satz 3 ZPO liegt demnach nicht vor.

Selbst wenn unterstellt würde, dass die Frist des § 120 Abs. 4 Satz 3 ZPO mit Rechtskraft der getroffenen Entscheidung zum Sorgerecht am 22.04.1996 abgelaufen wäre, wäre eine Abänderung durch die Rechtspflegerin auch noch danach möglich gewesen. Denn die Rechtspflegerin hat das Abänderungsverfahren am 21.01.2000 durch eine Anfrage bei der Antragstellerin nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO rechtzeitig eingeleitet. Sie hätte bei unverzüglicher vollständiger Auskunft der Antragstellerin das Abänderungsverfahren noch vor Fristablauf abschließen können. Die Rechtspflegerin musste jedoch bei der Antragstellerin noch zwei Mal, insbesondere wegen fehlender Belege zu den Wohnkosten, nachfragen. In derartigen Fällen ist eine Abänderung auch noch nach Fristablauf möglich, denn sonst hätte es die Partei in der Hand, die Abänderung durch verzögerliche oder unvollständige Antwort auf die Nachfrage zu verhindern (vgl. MünchKomm/Wax, ZPO, 2. Aufl., § 120, Rdnr. 21 a. E.; Zöller/Philippi, ZPO, 22. Aufl., § 120, Rdnr. 26).

4.

Nicht zu beanstanden ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin die Anordnung der Rechtspflegerin, die offenen Kosten des Rechtsstreites in einem einmaligen Betrag zu begleichen. Richtig ist zwar, dass die Prozesskostenhilfebewilligung nicht aufgehoben werden darf, wenn die Partei nach der Bewilligung erhebliches Vermögen erwirbt, der Rechtspfleger kann aber eine einmalige Zahlung auf die Prozesskosten aus dem Vermögen oder die sofortige volle Zahlung aller bereits fällig gewordenen Kosten des Rechtsstreites anordnen (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 22. Aufl., § 120, Rdnr. 24; MünchKomm/Wax, ZPO, 2. Aufl., § 120, Rdnr. 17; OLG Brandenburg, FamRZ 1997, 1543, 1544; OLG Köln, Rpfleger 1999, 30). Denn § 120 Abs. 4 ZPO sieht nach seinem Wortlaut vor, dass das Gericht die Entscheidung über die von der bedürftigen Partei "zu leistenden Zahlungen ändern" kann. Aus dem mit der Anfügung des Absatzes 4 an § 120 ZPO verfolgten Zweck, die Staatskasse vor unberechtigten Zahlungen zu schützen (vgl. OLG Nürnberg, MDR 1991, 159), ergibt sich nicht nur die Möglichkeit, bestehende Ratenzahlungsverpflichtungen zu erhöhen oder Zahlungen erstmals anzuordnen, sondern auch die sofortige volle Zahlung aller bereits fälligen Kosten anzuordnen (vgl. OLG Nürnberg, Rpfleger 1994, 421, 422). Eine derartige Einmalzahlung kommt entgegen der Ansicht der Antragstellerin auch nicht einer Aufhebung des ursprünglichen Prozesskostenhilfe-Bewilligungsbeschlusses gleich, da gerade die sonstigen Wirkungen der Prozesskostenhilfe-Gewährung nach § 122 ZPO, so z.B. die Regelung, dass der beigeordnete Prozessbevollmächtigte seine Gebührenansprüche nicht gegen die vertretene Partei, sondern nur gegen die Staatskasse geltend machen kann (§ 122 Abs. 1 Ziffer 3 ZPO), nicht entfallen.

5.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da gemäß § 127 Abs. 4 ZPO die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht erstattet werden und die Gebühr für das Beschwerdeverfahren sich aus § 11 Abs. 1 GKG i.V.m. KV Nr. 1952 ergibt.

Ende der Entscheidung

Zurück