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Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 23.10.2008
Aktenzeichen: 4 U 1135/08
Rechtsgebiete: BGB, VVG, StVG


Vorschriften:

BGB § 249 Abs. 2 S. 2
BGB § 266
BGB § 823
BGB § 362
BGB § 366 Abs. 1
VVG a.F. § 67 Satz 1
StVG § 7
1. Wird der von einem Kaskoversicherungsvertrag umfasste Schaden noch vor der Leistung des Versicherers vom Schädiger ersetzt, ist der Versicherer leistungsfrei; leistet er in Unkenntnis dieses Umstandes dennoch, kann er einen Bereicherungsanspruch gegenüber dem Versicherungsnehmer geltend machen.

2. Der Versicherungsnehmer kann sich gegenüber diesem Bereicherungsanspruch nicht auf ein Quotenvorrecht berufen.


Oberlandesgericht

Dresden

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen: 4 U 1135/08

Verkündet am 23.10.2008

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 09.10.2008 durch Richter am Oberlandesgericht S....... als Einzelrichter

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 05.06.2008 - 3 O 302/08 - abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.718,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jährlichen Basiszinssatz seit dem 15.11.2005 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen der Kläger zu 9/10, der Beklagte zu 1/10.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

6. Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 7.420,99 EUR.

Gründe:

I.

Von der Beifügung eines Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313 a ZPO abgesehen.

II.

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, hat jedoch nur zu einem geringen Teil Erfolg. Dem Kläger steht ein Anspruch gegen den Beklagten aus § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe zu.

Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kläger ein Bereicherungsanspruch gegen den Beklagten zusteht. Wird der von einem Kaskoversicherungsvertrag abgedeckte Schaden noch vor der Leistung des Versicherers vom Schädiger ersetzt, ist der Versicherer leistungsfrei; leistet er dennoch, kann er einen Bereicherungsanspruch gegenüber dem Versicherungsnehmer geltend machen (vgl. Bruck/Möller/Sieg, VVG (1980) § 67 Rn 75). Dies war hier der Fall. Die am 24.07.2004 von dem Kläger gezahlte Versicherungsleistung auf den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs unter Abzug eines Selbstbehaltes von 300,00 EUR in Höhe von 19.750,00 EUR stellte eine Leistung des Klägers an den Beklagten dar, die in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe ohne Rechtsgrund erfolgte. Denn noch vor der Zahlung des Klägers, nämlich am 08.07.2004, hatten die L........ ................ (L..) auf den streitgegenständlichen Schaden 8.846,53 EUR an den Beklagten gezahlt. In dieser Höhe erlosch damit der Ersatzanspruch des Beklagten gegenüber der L... Soweit diese Zahlung auf den von dem streitgegenständlichen Kaskoversicherungsvertrag abgedeckten Schaden erfolgte, verminderte sich dadurch zugleich der Anspruch des Beklagten gegenüber dem Kläger. Dies war hier in Höhe von 6.718,50 EUR der Fall:

1. Unstreitig stand dem Beklagten aus dem zugrunde liegenden Versicherungsvertrag zunächst ein Anspruch auf Ersatz des Fahrzeugschadens nach Abzug des Restwertes (20.050,00 EUR), der Gutachtenkosten in Höhe von 1.172,06 EUR und der Abschleppkosten in Höhe von 233,03 EUR zu. Der von dem Kläger nach dem Versicherungsvertrag zu ersetzende Gesamtschaden hätte sich hiernach ohne die Zahlung der L.. auf 21.455,09 EUR belaufen. Die Sachverständigenkosten sowie die Abschleppkosten sind hierbei als kongruente Schäden vom Umfang des Kaskoversicherungsschutzes umfasst (vgl. BGH VersR 1982, 383 - Gutachterkosten; BGH VersR 1958, 161 - Abschleppkosten). Hierauf haben der Kläger 19.750,00 EUR und die L.. weitere 8.423,56 EUR (19.052,81 EUR Gesamtschaden abzüglich 826,00 EUR Wiederbeschaffungsdauer sowie 20,00 EUR Unkostenpauschale, bei denen es sich um inkongruente Schäden handelt ./. 2 - 679,85 EUR eigener Unfallschaden, vgl. Anlage K 3, Bl. 51) gezahlt. Auf die unter den Versicherungsvertrag fallenden Schadenspositionen hat der Beklagte somit insgesamt 28.173,56 EUR, mithin 6.718,50 EUR zu viel erhalten. Die der Klageforderung zugrunde liegende Berechnung, die von einer rechnerischen Überzahlung in Höhe von 8.100,94 EUR abzüglich des gegnerischen Unfallschadens in Höhe von 679,85 EUR ausgeht, berücksichtigt demgegenüber nicht, dass die rechtsgrundlose Bereicherung des Beklagten gegenüber dem Kläger nicht in Höhe der Zahlung des Unfallgegners, sondern in der Differenz zwischen dem Anspruch auf Ersatz der kongruenten Unfallschäden und den hierauf geleisteten Zahlungen liegt und dass der Beklagte, der unstreitig sein Fahrzeug hat reparieren lassen, gem. § 249 Abs. 2 S. 2 BGB auch Anspruch auf Ersatz der gezahlten Mehrwertsteuer hat.

2. Entgegen der Auffassung des Beklagten liegt ein Rechtsgrund für die durch die Zahlung des Klägers erfolgte Bereicherung nicht in den im Schreiben vom 22.07.2004 (B 2) aufgeführten weiteren Schäden, selbst wenn man deren Berechtigung im Verhältnis zur L.. zu seinen Gunsten unterstellt. Bei den im Schreiben vom 22.07.2004 (B 2) geltend gemachten Schäden handelt es sich mit Ausnahme der Gutachten- und Abschleppkosten sowie des Selbstbehaltes von 300,00 EUR, die in der Berechnung des Klägers bereits berücksichtigt worden und auf die Zahlungen der L.. auch erfolgt sind, um sog. inkongruente Schäden, also um Folgeschäden, die von Faktoren mitbestimmt werden, die außerhalb des eigentlichen Unfallgeschehens liegen (BGH VersR 1982, 283 - Nutzungsausfall und allgemeine Unkosten; BGH VersR 1966, 265 - Prämiennachteile; OLG Stuttgart DAR 1989, 27 - Rechtsanwaltskosten). Gegenüber dem Bereicherungsanspruch des Klägers kann sich der Beklagte insofern nicht auf die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zum Quotenvorrecht des Versicherungsnehmers berufen. Soweit der Versicherer dem Versicherungsnehmer Ersatz leistet, ist hiernach § 67 Satz 1 VVG a. F. dahingehend einschränkend auszulegen, dass der Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers grundsätzlich nur insoweit auf den Versicherer übergeht, als er zusammen mit der gezahlten Versicherungsentschädigung den Schaden des Versicherungsnehmers übersteigt. Dabei ist von der versicherten Gefahr auszugehen, der in Betracht kommende Schaden zu ermitteln und zu fragen, ob die sich auf diesen Schaden beziehende Ersatzforderung des Versicherungsnehmers gegen den Dritten zusammen mit der Versicherungsleistung jenen dem versicherten Risiko entsprechenden Schaden übersteigt (grundlegend BGH VersR 1954, 211; vgl. auch BGH VersR 1958, 13; VersR 1967, 505; VersR 1982, 383; Prölls/Martin, VVG, 27. Aufl., § 67 Rn 22; Bruck/Möller/Sieg, a.a.O. § 67 Rn 65; Bost VersR 2007, 1199 ff.). Diese Legalzession zugunsten des Versicherers erstreckt sich also nicht auf alle Schadensposten, die von dem bürgerlich-rechtlichen Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger umfasst sind. Sie findet vielmehr nur insoweit statt, als ein Zusammenhang zwischen der Versicherungsleistung und dem Schadensersatzanspruch in dem Sinn besteht, dass der ersetzte Schaden zu dem durch den Versicherungsvertrag abgedeckten Risiko gehört (Kongruenz). Nur bezüglich dieser kongruenten Schäden konkurrieren Versicherer und Versicherungsnehmer um den Ersatzanspruch gegenüber dem Schädiger. Nur bezüglich dieser Schäden kann folglich auch eine Zahlung des Schädigers zu einem Wegfall des Ersatzanspruches gegenüber dem Versicherer führen, an den der Bereicherungsanspruch anknüpft. Für die inkongruenten Schäden, die nicht in den Schutzbereich der Versicherung fallen und die der Versicherer somit auch nicht zu ersetzen hat, ergeben sich keinerlei Besonderheiten durch das Bestehen der Versicherung. Der geschädigte Versicherungsnehmer hat diesbezüglich nach den allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen einen Anspruch gegen den Dritten auf Ersatz seines Schadens. Dieser Teil des Ersatzanspruchs verbleibt dem Versicherungsnehmer selbstverständlich auch im Verhältnis zu seinem Versicherer, eine cessio legis gem. § 67 Abs. 1 VVG findet insofern nicht statt (vgl. Bost, VersR 2007, 1199). Die Frage, ob und in welcher Höhe er ersatzfähig ist, richtet sich allerdings ausschließlich nach der Haftungsquote im Verhältnis zum Schädiger, was dazu führen kann, dass der Versicherungsnehmer seinen inkongruenten Schaden nur zum Teil geltend machen kann. Die Frage eines Quotenvorrechts kann sich folglich bezüglich der inkongruenten Schäden niemals stellen. Anders als der Beklagte wie zuletzt im Schriftsatz vom 20.10.2008 meint, kommt ein Bereicherungsanspruch des Versicherers damit auch dann in Betracht, wenn der Versicherungsnehmer bezüglich seiner kongruenten Schäden überzahlt ist, auf seine inkongruenten Schäden hingegen vom Geschädigten noch keine Zahlungen erhalten hat. Die Auffassung des Beklagten würde demgegenüber dazu führen, dass die Leistung des Versicherers nach Wahl des Versicherungsnehmers auch auf inkongruente Schäden bezogen werden könnte, obwohl diese vom Versicherungsschutz nicht umfasst sind. Dem Versicherer wäre überdies der Regress gem. § 67 Abs. 1 VVG gegenüber dem - durch seine Leistung befreiten - Schädiger regelmäßig verwehrt.

3. Einer Erfüllung in dieser Höhe steht auch die Vorschrift des § 266 BGB nicht entgegen. Eine unzulässige Teilleistung liegt in der Zahlung der L.. vom 08.07.2004 nicht. Sind aus einem Schuldverhältnis mehrere Forderungen entstanden, ist die Erfüllung einer dieser Forderungen bereits keine unzulässige Teilleistung im Sinne des § 266 BGB, sondern vollständige Erfüllung (Palandt/Heinrichs, a.a.O. § 266 Rn 4). Dies war vorliegend der Fall, weil aus dem zwischen der L.. und dem Beklagten bestehenden gesetzlichen Schuldverhältnis aus §§ 823 BGB, 7 StVG mehrere selbstständige Forderungen (Restwerterstattung, Schmerzensgeld, Nutzungsausfall u. a.) entstanden waren und die L.. auf die Positionen Wiederbeschaffungswert, Gutachten- und Abschleppkosten, Wiederbeschaffungsdauer und Unkostenpauschale, in voller Höhe geleistet hatte, soweit sie den Anspruch als berechtigt anerkannt hatte. Eine unzulässige Teilleistung liegt hierin nicht. Ein Verstoß gegen § 266 BGB führt überdies nur dann dazu, dass die Forderung insgesamt als nicht erfüllt gilt, wenn der Gläubiger die Teilleistung ablehnt. Dies war hier indes nicht der Fall. Der Beklagte hat die Zahlung der L.. vielmehr in voller Höhe vereinnahmt, so dass er sich nunmehr nicht mehr auf eine unzulässige Teilleistung berufen kann. Den hierauf bezogenen Erwägungen des Landgerichts, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, tritt der Senat bei.

4. Dass der Beklagte, wie aus dem Schreiben vom 22.07.2004 (B 2) hervorgeht, gegenüber der L.. in Höhe von 2.766,44 EUR die Rücküberweisung der geleisteten Zahlung angekündigt hat und sich dieser Betrag bis zum heutigen Tage auf dem Anderkonto seines Prozessbevollmächtigten befindet, ändert hieran nichts. Eine Annahmeverweigerung, die einer Erfüllungswirkung gem. § 362 BGB entgegenstünde (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 67. Aufl. § 362 Rn 2; Müko-Wenzel, BGB, 4. Aufl. § 366 Rn 11), liegt hierin nicht. Allerdings ist der geschädigte Versicherungsnehmer nicht verpflichtet, seine Ansprüche gegenüber dem Schädiger durchzusetzen und auf eine Inanspruchnahme seines Kaskoversicherers zu verzichten. Es steht ihm auch frei, eine Zahlung des Geschädigten zurückzuweisen und ausschließlich auf seinen Anspruch gegenüber dem Versicherer zurückzugreifen, der dann seinerseits aufgrund der nach § 67 Abs. 1 VVG eintretenden Legalzession gegen den Schädiger vorgehen kann. Voraussetzung ist aber, dass die Leistung in für den Erklärungsempfänger eindeutiger Weise zurückgewiesen wird. Bei einer Überweisung auf ein Girokonto liegt eine Annahmeverweigerung nur dann vor, wenn der Empfänger die Zahlung unverzüglich zurücküberweist. Die Umbuchung auf ein Rechtsanwaltskonto, infolge derer das Geld im Verfügungsbereich des Geschädigten verbleibt, genügt hierfür nicht. Vorliegend kann von einer Annahmeverweigerung insbesondere auch deshalb nicht ausgegangen werden, weil ausweislich der Aussage des Prozessbevollmächtigten des Beklagten im Termin vom 09.10.2008 entgegen dem Schreiben vom 22.07.2004 (B 2) zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt war, die erhaltene Leistung an die L.. zurückzuerstatten.

5. Die dort vorgenommene Berechnung diente im Übrigen vorrangig dem Zweck, die auf die kongruenten Leistungen erfolgte Zahlung der L.. entgegen der vorgenommenen Tilgungsbestimmung auf die inkongruenten Schäden zu verrechnen. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist eine derartige "Verrechnung" hingegen wegen der entgegenstehenden Tilgungsbestimmung der L.. unwirksam. Nach § 366 Abs. 1 BGB steht das Leistungsbestimmungsrecht bei einer Vielzahl von Forderungen nämlich nicht dem Gläubiger, sondern dem Schuldner zu. Dabei ist § 366 BGB auch bei einer Mehrheit von Forderungen aus demselben Schuldverhältnis anwendbar (so bereits BGH VersR 1958, 773 für Schmerzensgeld u. Vermögensschaden; OLG Düsseldorf VersR 2001, 618; Palandt-Heinrichs, BGB, 67. Aufl. § 366 Rn 2). Vorliegend hat die L.. im Schreiben vom 05.07.2004 ausdrücklich und eindeutig eine Tilgungsbestimmung im Hinblick auf die kongruenten Schäden sowie den Nutzungsausfall vorgenommen. Diese Tilgungsbestimmung konnte der Beklagte nicht durch die hiervon abweichende Verrechnung im Schreiben vom 22.07.2004 unterlaufen. Der in dieser abweichenden Tilgungsbestimmung zu sehende Widerspruch gegen die von der L.. getroffene Bestimmung ist vielmehr als unbeachtlich anzusehen, weil der Beklagte - wie ausgeführt - die Leistung angenommen hat (vgl. hierzu Palandt/Grüneberg, a.a.O. § 366 Rn 6).

6. Schließlich kann der Beklagte dem Bereicherungsanspruch des Klägers auch nicht seinen - im Übrigen nicht bezifferten - Rückstufungsschaden entgegenhalten. Hierbei handelt es sich gleichfalls um eine inkongruente Schadensposition, die der Versicherungsnehmer allein mit einer Feststellungsklage gegenüber dem Schädiger geltend machen, nicht aber einem Erstattungsanspruch seines Versicherers entgegenhalten kann (vgl. LG Osnabrück, SP 1997, 362).

II.

Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in § 92 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür nicht vorliegen (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Festsetzung des Streitwertes entspricht den gestellten Anträgen.



Ende der Entscheidung

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