Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 03.01.2006
Aktenzeichen: 5 U 1451/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 305 c Abs. 1
BGB § 307 Abs. 1 Satz 1
BGB § 307 Abs. 2
1. Ein Wettbewerbsverbot, das dem Mieter von zum Betrieb einer Apotheke in einem Einkaufszentrum angemieteten Räumen auferlegt wird, verstößt gegen § 305 c Abs. 1 BGB, wenn es in einem vom Vermieter gestellten 25-Seiten Formularmietvertrag auf der vorletzten Seite unter "Sonstiges" geregelt ist.

2. Ein solches Wettbewerbsverbot, das ausschließlich dem Mieter den Betrieb eines Konkurrenzgeschäfts im räumlichen Umkreis von drei Kilometern um das in der Innenstadt gelegene Einkaufszentrum herum für die gesamte Vertragslaufzeit von 10 Jahren untersagt, benachteiligt den Mieter gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB unangemessen.


Oberlandesgericht Dresden IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 5 U 1451/05

Verkündet am 03.01.2006

In dem Rechtsstreit

wegen Mietforderung

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13.12.2005 durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht S , Richter am Oberlandesgericht Dr. L und Richter am Amtsgericht Dr. S

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Einzelrichters der 10. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 15.07.2005, Az. 10 O 1378/05, wie folgt abgeändert:

1. Es wird festgestellt, dass die Klausel in Ziffer 22.1, Teil B des von den Parteien geschlossenen Mietvertrages vom 02.04/03.04.2002 unwirksam ist.

2. Widerklage und Hilfswiderklage werden abgewiesen.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.

III. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 6/5 des jeweils von der Klägerin vollstreckbaren Betrages abwenden, falls die Klägerin nicht zuvor Sicherheit in Höhe von 6/5 des zu vollstreckenden Betrages erbringt.

IV. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 145.350,05 EUR

Tatbestand:

Die Beklagte nimmt die Klägerin auf Räumung eines gewerblich genutzten Mietobjekts in Anspruch. Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte wegen Verstoßes gegen eine vertragliche Wettbewerbsklausel zur außerordentlichen Kündigung berechtigt war.

Die Klägerin ist Apothekerin und mietete von dem Beklagten mit Vertrag vom 02.04./03.04.2002 in der "A.-Galerie", einem in der Innenstadt von Dresden gelegenen Einkaufszentrum, eine Ladenfläche im Erdgeschoss zum Betrieb einer Apotheke; die monatliche Miete betrug anfänglich 23.690,00 DM netto kalt. Das Mietverhältnis sollte auf die Dauer von 10 Jahren geschlossen werden. Vermieterin des Beklagten, der selbst kein Apotheker ist, ist die Firma A.-Galerie Dresden KG, vertreten durch die Firma E. Projektmanagement GmbH & Co. KG. Diese schloss mit dem Beklagten am 23.04./10.05.2002 über die streitgegenständliche Ladenfläche einen Mietvertrag für eine Laufzeit von 15 Jahren.

Beide Mietverträge sind in vier Teile (Teil A, B, C, D) aufgegliedert. Ziffer 2.2 in Teil B der Verträge mit der Überschrift "Mietzweck/Ausschluss Konkurrenzschutz" lautet jeweils: "Die Vertragschließenden sind sich darüber einig, dass der Mieter für die Dauer des Mietverhältnisses keinen Konkurrenz- oder Sortimentsschutz irgendwelcher Art für sich in Anspruch nehmen kann.". Nr. 22 enthält unter der Überschrift "Sonstiges" jeweils folgende Bestimmung: "Vom Zeitpunkt der Abgabe des Mietangebotes bis zur Beendigung des Mietverhältnisses ist es dem Mieter untersagt, in einem Umkreis von drei Kilometern um das Einkaufszentrum herum ein gleichartiges oder ähnliches Geschäft neu zu betreiben, wie er es im Einkaufszentrum unterhält, und zwar weder direkt noch indirekt. Entsprechendes gilt für die Beteiligung an solchen Unternehmen oder eine irgendwie geartete Mitwirkung an ihrem Betrieb."

Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses war es Apothekern nicht gestattet, Filialapotheken zu betreiben. Dagegen ermöglichen die seit dem 01.01.2004 geltenden §§ 1 Abs. 2, Abs. 2 ApoG einem Apotheker grundsätzlich die Unterhaltung von bis zu drei Filialapotheken, die innerhalb desselben Kreises oder derselben kreisfreien Stadt oder innerhalb einander benachbarten Kreise oder kreisfreier Städte liegen müssen. Die Klägerin betreibt in den streitgegenständlichen Räumen seit dem 18.09.2002 eine Apotheke. Sie eröffnete am 22.03.2005 in dem außerhalb der "A.-Galerie" gelegenen Gebäude Dr.-K.-Ring 13 in Dresden eine weitere Apotheke, die sie seither betreibt. Diese Apotheke befindet sich im Bereich des Zugangs zum Einkaufszentrum "A.-Galerie".

Der Beklagte hat mit Schreiben vom 14.04.2005 das Mietverhältnis mit der Klägerin unter Verweis auf den vertragswidrigen Betrieb der zweiten Apotheke außerordentlich gekündigt. Er nimmt die Klägerin (widerklagend) auf Räumung und Herausgabe des Mietobjekts in Anspruch. Das Landgericht hat die Widerklage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Ebenso ist ihr im Wege der Widerklage erhobene Feststellungsantrag zulässig. In der Sache hat die Berufung mit diesem Antrag Erfolg.

I.

1. Der in der Berufungsinstanz erstmals gestellte Antrag der Klägerin auf Feststellung der Unwirksamkeit der Klausel in Ziffer 22.1, Teil B des Mietvertrages vom 02.04./03.04.2002 ist als Zwischenfeststellungswiderklage nach § 256 Abs. 2 ZPO zulässig; einer Zulassung nach § 533 ZPO bedarf es insoweit nicht (BGH NJW 1970, 425).

Die Frage der Unwirksamkeit der Wettbewerbsklausel ist für die Entscheidung vorgreiflich. Weil die außerordentliche Kündigung des Beklagten ausschließlich auf einen Verstoß der Klägerin gegen das in Ziffer 22.1, Teil B des Mietvertrages geregelte Wettbewerbsverbot gestützt wird, ist die Entscheidung über den Räumungsantrag des Beklagten von der durch die Zwischenfeststellungswiderklage zur Entscheidung gestellten Unwirksamkeit der Klausel abhängig.

Es besteht ein Feststellungsinteresse. Zwar füllt den Begriff des Rechtsverhältnisses im Sinne des § 256 Abs. 2 ZPO typischerweise die Feststellung der Unwirksamkeit eines (gesamten) Rechtsverhältnisses aus (BGH NJW 1994, 1651, 1652), aber auch einzelne Rechte, Pflichten oder Folgen eines einheitlichen Rechtsverhältnisses können Gegenstand einer solchen Klage sein (BGH NJW 2000, 2280, 2281; BGH NJW 1996, 452, 453). Maßgeblich bleibt, ob der Streit zwischen den Parteien ausgeräumt und Rechtssicherheit mit der Folge herbeigeführt wird, dass weitere Prozesse sich erübrigen. Dies ist hier der Fall. Bei einer Abweisung der Räumungsklage steht nur fest, dass die Kündigung vom 14.04.2005 das Rechtsverhältnis nicht beendet hat. Dagegen wären weitere Kündigungen des Beklagten, die erneut mit einem Verstoß gegen das sich aus Ziffer 22.1, Teil B des Mietvertrages ergebende Wettbewerbsverbot begründet werden könnten, möglich (vgl. BGH NJW 1998, 374, 375).

2. Die Widerklage der Klägerin ist begründet. Die Klausel in Ziffer 22.1, Teil B des Mietvertrages vom 02.04./03.04.2002 ist jedenfalls im Verhältnis der Parteien wegen Verstoßes gegen §§ 305 c Abs. 1, 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB unwirksam.

a) Dem Landgericht ist darin zuzustimmen, dass es sich bei dem vom Beklagten verwendeten Klauselwerk in Teil B des Mietvertrages um Allgemeine Geschäftsbedingungen gemäß § 305 Abs. 1 S. 1 BGB handelt. Auf die diesbezügliche Begründung (S. 11 des Urteils) wird verwiesen. Dass die streitgegenständliche Klausel zwischen den Parteien ausgehandelt wurde (§ 305 Abs. 1 S. 3 BGB), wurde vom Beklagten nicht dargelegt.

b) Eine Einbeziehung der Klausel in Ziffer 22.1, Teil B des Formularwerks in den Mietvertrag scheitert jedoch bereits an dem Verstoß gegen § 305 c Abs. 1 BGB. Diese ist nämlich ungewöhnlich und für die Klägerin überraschend.

aa) Die Klausel ist ungewöhnlich.

Ungewöhnlich ist eine Klausel, wenn eine derartige Bestimmung nach dem konkreten Vertragstyp nicht üblich ist. Es ist darauf abzustellen, ob die als Kunden angesprochenen Verkehrskreise mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen dieses Inhalts zu rechnen haben (BGH NJW 1992, 1234, 1235; Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz, 9. Auflage, § 3 Rn. 14).

Vorliegend ist somit auf den konkreten Verkehrskreis eines Apothekers beim Abschluss eines Mietvertrages zum Betrieb einer Apotheke abzustellen.

Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses war es Apothekern generell untersagt, mehrere Apotheken zu betreiben. Das in Ziffer 22.1, Teil B des Mietvertrages ausgesprochene Verbot, wonach der Apotheker als Mieter im Umkreis der Mietsache eine weitere Apotheke betreiben durfte, konnte somit zu diesem Zeitpunkt nicht wirksam werden. Die Klägerin musste mit einer Klausel dieser Art nicht rechnen, weil ein Wettbewerbsverstoß durch sie ausgeschlossen war und dessen vertragliche Regelung nicht erwartet werden konnte.

Auf die vom Beklagten vorgetragene Üblichkeit eines Wettbewerbsverbots in Mietverträgen über Gewerberäume innerhalb eines Einkaufszentrums kommt es somit nicht an (vgl. Lindacher in Wolf/Horn/Lindacher, AGB-Gesetz, 4. Auflage, § 3 Rn. 27). Im Übrigen hat der Beklagte als Verwender mit den Bestimmungen zur Umsatzmiete unter Ziffer 6.11, Teil D des Mietvertrages apothekenspezifische Inhalte in den Vertrag aufgenommen, so dass er sich nicht auf dessen allgemeine Ausrichtung auf die Belange eines Einkaufszentrums berufen kann.

Die Novellierung des Apothekengesetzes mit der seit 01.01.2004 bestehenden Möglichkeit des Betreibens von Filialapotheken ändert an der Ungewöhnlichkeit der Klausel nichts, weil auch bei Dauerschuldverhältnissen auf den Verwendungszeitpunkt der Klausel abzustellen ist (vgl. Heinrichs in Palandt, BGB, 64. Auflage, § 307 BGB Rn. 3). Eine ungewöhnliche Klausel wird nicht durch später tatsächlich oder rechtlich veränderte Gegebenheiten zu einer typischen Nebenabrede.

Die Klausel in Ziffer 22.1, Teil B des Mietvertrages ist auch deswegen ungewöhnlich, weil das darin geregelte Wettbewerbsverbot vom dispositiven Recht erheblich abweicht (vgl. BGH NJW 1992, 1234, 1235). So trifft gemäß § 535 BGB i.V. mit § 241 Abs. 2 BGB den Vermieter von Gewerberaum die vertragliche Nebenpflicht, den Mieter vor Konkurrenz zu schützen (BGH NJW 1979, 1404, 1405 m.w.N.). Der Vermieter genießt dagegen grundsätzlich keinen dem Vertrag immanenten Konkurrenzschutz.

Das Wettbewerbsverbot in Ziffer 22.1, Teil B des Mietvertrages ist schließlich auch deswegen ungewöhnlich, weil nach der äußeren Gestaltung der Klausel, namentlich deren Überschrift sowie der Gliederung und Systematik der übrigen Bestimmungen eine Klausel mit diesem Inhalt an dieser Stelle nicht zu erwarten war. Das fragliche Verbot ist in Teil B des Mietvertrages "Allgemeine Bedingungen" unter der Überschrift "Sonstiges" niedergelegt. Diese Überschrift lässt bereits nach dem Wortverständnis die Regelung sonstiger und damit unbedeutenderer Nebenabreden erwarten. Weil das Wettbewerbsverbot nach Ansicht des Beklagten als Verwender jedoch von wesentlicher Bedeutung für den Mietvertrag ist, hätte für eine räumliche Platzierung der Klausel bei den Hauptabreden und nicht bei den Nebenabreden (BGH NJW 1984, 171, 173), gesorgt werden müssen (Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, a.a.O., § 3 Rn. 17). Das deutlich von den typischen mietvertraglichen Regelungen abgesetzte und am Schluss der "Allgemeinen Bedingungen" auf der 13. und somit vorletzten Druckseite aufgestellte Wettbewerbsverbot gehört vielmehr nach seiner Regelungssystematik zu dem räumlich zehn Druckseiten zuvor unter Ziffer 2.2. festgeschriebenen Ausschluss des Konkurrenzschutzes. Unter diesen Umständen kann daher von einer geradezu "versteckten" Klausel gesprochen werden.

bb) Die Klausel ist auch überraschend.

Ob eine Klausel überraschend ist, richtet sich nach für den Verwender erkennbaren subjektiven Umständen in der Sphäre des Kunden und beurteilt sich nach den Erkenntnismöglichkeiten des typischerweise zu erwartenden Durchschnittskunden (BGH NJW 1995, 2638). Der Klausel muss ein Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt innewohnen (BGH NJW 1990, 577).

Vorliegend hat der Beklagte auf die ungewöhnliche Klausel nicht ausdrücklich hingewiesen (BGH NJW-RR 2002, 485; BGH NJW 1984, 171, 173). Auch eine den Klauselinhalt bezeichnende, drucktechnisch deutlich herausgestellte Überschrift ist nicht vorangestellt (BGH NJW 1981, 118). Bei einem Vertragswerk, das wie hier aus insgesamt mehr als 25 Seiten besteht, kommt den Überschriften jedoch eine erhebliche Bedeutung als Orientierungshilfe zu.

c) Die Klausel, die somit nicht Vertragsinhalt geworden ist, verstößt zudem auch gegen § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB. Das Wettbewerbsverbot benachteiligt die Klägerin entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen.

Die grundsätzliche Zulässigkeit vertraglicher Wettbewerbsverbote, die die wirtschaftlichen Entfaltungsmöglichkeiten des Mieters in räumlich, gegenständlich und zeitlicher Sicht einschränken, ist allgemein anerkannt (BGH NJW 1997, 3089; OLG Celle NJW-RR 1990, 974; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 9. Auflage, Rn. 1629). Eine solche Regelung kann auch in AGB erfolgen.

Jedoch ist ein Wettbewerbsverbot mit Rücksicht auf die Wertentscheidung der Verfassung in Art. 12 GG (BGH NJW 1997, 3089; OLG Karlsruhe OLGR Karlsruhe, 2005, 145, 147) nur dann zu beachten, wenn diesem ein schutzwürdiges Interesse des Vermieters zugrunde liegt, welches den Interessen des Mieters an einer ungehinderten Berufsausübung überwiegt. Es darf insbesondere in örtlicher, zeitlicher und gegenständlicher Hinsicht nicht zu einer unangemessenen Beschränkung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit des Verpflichteten führen (BGH NJW 1979, 1605 m.w.N.).

aa) In die somit vorzunehmende Interessenabwägung sind zunächst die wirtschaftlichen oder tatsächlichen Interessen des Beklagten einzustellen:

Die Argumentation des Beklagten, wonach die Klägerin durch ihre Filialapotheke Kunden an diesen Standort bindet, die dem eventuellen Nachmieter der Fläche in der A entgehen, ist nachvollziehbar.

Zu berücksichtigen ist jedoch, dass ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot gerade nicht vereinbart wurde, es der Klägerin also freistehen würde, unmittelbar nach Vertragsbeendigung in nächster Nähe zum alten Standort eine neue Apotheke zu betreiben und ihren Kundenstamm dorthin umzuleiten. Gleichfalls muss berücksichtigt werden, dass bei einer Mietfläche in einem Einkaufszentrum gerade auch mit Laufkundschaft gerechnet wird, ein Kundenstamm somit nicht ausschließlich den Geschäftswert ausmacht.

Die Begründung des Beklagten unterliegt auch wegen seiner Stellung als Vermieter einer Relativierung. Diese ist nämlich nicht vergleichbar mit der eines Verpächters, der ein zeitlich befristetes und örtlich begrenzt schutzwürdiges Interesse daran hat, dass der Pächter nach Beendigung des Pachtverhältnisses und Rückgabe der Apotheke einschließlich Einrichtung und Kundenstamm nicht durch Eröffnung einer Konkurrenzapotheke in nächster Nähe die mit dem bisherigen Betrieb geschaffenen Bindungen zu Kunden, Ärzten und sonstigen Geschäftspartnern zu seinen Gunsten und zum Nachteil des Verpächters nutzt und so den Wert der zurückgegebenen Pachtsache entscheidend mindert (BGH NJW 1964, 2203). Der Vermieter hat dagegen nach Beendigung des Mietverhältnisses nur Anspruch auf Rückgabe der vermieteten Räume in ordnungsgemäßem Zustand (§ 546 Abs. 1 BGB), nicht aber auf Nutzung des Geschäftswerts einer in diesen Räumen betriebenen Apotheke. Dass der Beklagte selbst nicht Apotheker ist und somit gar nicht die Voraussetzungen zum eigenen Betrieb der Mieträume in der A besitzt, bestätigt diese Wertung.

Auf einen Umsatzrückgang nach Eröffnung der Filialapotheke kann sich der Beklagte nicht berufen, weil die Klägerin eine Festmiete und keine Umsatzmiete schuldet.

Der Beklagte kann auch nicht für sich geltend machen, dass er die ihm durch die Firma A KG auferlegten Vertragsbestimmungen zum Wettbewerbsverbot lediglich an die Klägerin weitergegeben habe, diese daher daran gebunden sein müsse. Die Verpflichtung des Vermieters zur Weitergabe des Verbots ist nämlich von der Frage der unangemessenen Benachteiligung der Klägerin durch die Klausel zu trennen.

bb) Hinsichtlich der alsdann in die Abwägung einzustellenden Interessen der Klägerin ist festzustellen, dass es dieser trotz des Wettbewerbsverbotes nach wie vor freisteht, eine Apotheke in der A sowie weitere Filialapotheken außerhalb eines Umkreises von drei Kilometern zu betreiben. Mit einem Berufsverbot ist die Regelung somit nicht verbunden.

Der Vortrag der Klägerin, wonach die Eröffnung einer Filialapotheke als "Platzhalter" in unmittelbarer Nähe zur Apotheke in der A ihr Schutz davor bieten soll, dass Konkurrenten die frei gewordene Mietfläche besetzten oder Interesse an anderen Mietflächen in der Nähe zum Betrieb einer Apotheke haben, ist dagegen nachvollziehbar und sachlich gerechtfertigt. Dass sich die Klägerin freiwillig selbst Konkurrenz macht, obwohl der Mietvertrag in der A noch bis Mitte 2012 und damit noch sieben Jahre läuft, ist nämlich nicht zu erwarten.

cc) Die Abwägung der wechselseitigen Interessen führt zur Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung der Klägerin.

Für ein Wettbewerbsverbot, welches in die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit einer Vertragspartei eingreift, ist eine wechselseitige Ausgewogenheit von entscheidender Bedeutung (OLG Celle NZM 2000, 550, 551).

Von dieser Ausgewogenheit kann vorliegend keine Rede sein: Der Beklagte gewährt der Klägerin nach Ziffer 2.2, Teil B des Mietvertrages nämlich selbst keinen Konkurrenz- oder Sortimentsschutz. Dagegen belegt er diese mit einem räumlich und gegenständlich weitgehenden Wettbewerbsverbot.

Diese Fallkonstellation ist mit den durch die obergerichtliche Rechtsprechung bislang entschiedenen nachvertraglichen Wettbewerbsverboten im Bereich einer Nutzung gewerblicher Mieträume als Apotheke vergleichbar, weil auch bei einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot lediglich der (ehemalige) Mieter einseitig gebunden ist, während der andere Vertragspartner keinem Konkurrenzschutz mehr unterliegt. So sind nachvertragliche Wettbewerbsverbote über einen Zeitraum von drei Jahren (BGH NJW 1964, 2203; OLG Stuttgart, Urteil vom 24.01.1986, Az. 2 U 243/85, zitiert nach JURIS) bzw. fünf Jahren (OLG Stuttgart RP 1978, 476, 477) wegen unangemessener Benachteiligung des Verpflichteten für unwirksam befunden worden. Vorliegend geht es sogar um ein Wettbewerbsverbot über einen deutlich längeren Zeitraum von zehn Jahren. Gegen die Vergleichbarkeit kann auch nicht eingewendet werden, dass der Klägerin der Betrieb einer (Haupt-)Apotheke erlaubt ist. Dies ist auch bei einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot der Fall, nur eben nicht im Geltungsbereich des Verbots.

Auch in örtlich-räumlicher Reichweite überschreitet das Wettbewerbsverbot das notwendige Maß. Ein Umkreis von drei Kilometern um die A umfasst den gesamten Dresdner Innenstadtbereich und geht noch darüber hinaus, wodurch die Klägerin somit vollständig von einer weiteren wirtschaftlichen Betätigung in diesen lukrativen Geschäftslagen ausgeschlossen ist. Warum dagegen der Beklagte auf ein Wettbewerbsverbot gerade in einem von ihm willkürlich festgelegten Umkreis von drei Kilometern angewiesen sein soll, ist weder dargelegt, noch sonst ersichtlich.

Eine geltungserhaltende Reduktion der Klausel etwa auf einen räumlich geringeren Bereich ist ausgeschlossen (BGH NJW 1982, 2309, 2310; Heinrichs in Palandt, a.a.O., Vorb v § 307 BGB, Rn. 8 m. w. N.). Ziffer 22.1, Teil B des Mietvertrages ist damit unwirksam.

II.

1. Die auf Verurteilung der Klägerin zur Räumung und Herausgabe der Apothekenräume in der A gerichtete Widerklage des Beklagten ist unbegründet. Auf die Berufung wird das stattgebende Urteil des Landgerichts daher abgeändert und die Widerklage des Beklagten abgewiesen.

Die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 14.04.2005 hat das Mietverhältnis nicht beendet, weil ein Kündigungsgrund gemäß § 543 Abs. 1 S. 1, S. 2, Abs. 3 S. 1 BGB i.V.m. Ziffer 3., Teil B des Mietvertrages nicht gegeben ist.

Einziger Grund für die Kündigung ist der unstreitige Verstoß der Klägerin gegen das in Ziffer 22.1, Teil B des Mietvertrages enthaltene Wettbewerbsverbot durch den Betrieb einer Filialapotheke innerhalb des 3 km-Umkreises. Diese Klausel ist jedoch unwirksam.

Daher ist der Mietvertrag ohne die betroffene Klausel und ohne das darin begründete Wettbewerbsverbot zustandegekommen. Der Vertragsinhalt richtet sich somit nach den gesetzlichen Vorschriften (§ 306 Abs. 1, 2 BGB). Ein mietrechtliches Wettbewerbsverbot für Apotheken ist gesetzlich jedoch nicht geregelt. Es besteht - wie dargelegt - auch keine nebenvertragliche Verpflichtung des Mieters, während der Dauer des Mietverhältnisses keinen Konkurrenzbetrieb zu eröffnen.

Die außerordentliche Kündigung vom 14.04.2005 ist somit unwirksam, das Mietverhältnis besteht fort. Ein Räumungs- und Herausgabeanspruch des Beklagten nach § 546 Abs. 1 BGB ist daher nicht gegeben.

2. Auch die Hilfswiderklage des Beklagten ist unbegründet.

Mangels einer wirksamen Rechtsgrundlage besteht kein Unterlassungsanspruch hinsichtlich des Betriebs der Filialapotheke am D durch die Klägerin.

III.

1. Für die Kostenentscheidung sind die §§ 97, 91, 91 a ZPO anzuwenden.

In Bezug auf die zuletzt gestellten Anträge verliert der Beklagte den Rechtsstreit.

Dies gilt auch hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Feststellungsantrages. Im Hinblick darauf wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen. Die Ankündigung des bereits unzulässigen Feststellungsantrages in der Berufung und die verspätete Abgabe der Erledigungserklärung haben keine zusätzlichen Kosten entstehen lassen. Nur solche durch ihr Verhalten entstandenen Kosten hätte die Klägerin zu tragen (OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 1566 m.w.N.; OLG Koblenz, Beschluss vom 28.03.1996, Az. 5 U 819/95, zitiert nach JURIS).

2. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

3. Nach Maßgabe von § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO wird die Revision gegen diese Entscheidung zugelassen. Höchstrichterlich nicht geklärt ist vor allem die Frage, ob die hier verwendete Klausel eines Wettbewerbsverbots des Vermieters innerhalb eines räumlichen Umkreises von 3 Kilometern im innerstädtischen Bereich für die gesamte Vertragszeit als wirksam zu erachten ist.

Ende der Entscheidung

Zurück